Radiowissen

Bayerischer Rundfunk
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Sep 16, 2025 • 23min

Arsen - Eine mörderische Karriere

Jahrhundertelang war Arsen das beliebteste Mordgift, auch als "Erbschaftspulver" bekannt. Lange Zeit war es kaum nachzuweisen und konnte an fürstlichen Höfen wie im privaten Familienkreis Misstrauen und Schrecken verbreiten. Das toxische Halbmetall hat allerdings auch andere Seiten. Es verlieh Bildern berühmter Maler leuchtende Farben, steckt in Raumschiffen wie Solaranlagen - und kann sogar Krankheiten heilen. Von Lukas Grasberger (BR 2024) Credits Autor dieser Folge: Lukas Grasberger Regie: Frank Halbach Es sprachen: Irina Wanka, Andreas Neumann, Friedrich Schloffer Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Prof. Bettina Wahrig, Lehrstuhl für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte an der Technischen Universität Braunschweig; Dr. Gabriele Roider, Pharmakologin am Institut für Rechtsmedizin, LMU München; Simon Brugner, Fotograf und Autor „The Arsenic Eaters – die Arsenfresser“; Prof. Christopher Rensing, Chinese Academy of Agricultural Sciences Fujian, Academy of Agricultural Sciences, Fuzhou  Diese hörenswerten Folgen von Radiowissen könnten Sie auch interessieren: Die Geschichte der Apotheke - Von Mäusezahn bis Aspirin HIERSpinnweben, Kuhfladen, gespaltene Fledermäuse: Sonderbare Zutaten finden sich in Heilmittel-Rezepten früherer Jahrhunderte. Die Entstehungsgeschichte der Apotheke ist geprägt von Kuriositäten. Von Iska Schreglmann Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion: Kunstverbrechen HIER ENTDECKEN Gestohlene Gemälde, Kunstschmuggel, Fälscherskandale: Bei Kunstverbrechen rollen Lenore Lötsch und Torben Steenbuck spektakuläre Verbrechen in der Welt der Kunst- und Kultur auf. Ohne Blutvergießen, dafür mit spannender Kunst! Sie nehmen euch mit an Tatorte und hinter die Kulissen der Ermittlungen bei True-Crime-Fällen im vermeintlich glitzernden Kunstgeschäft. Sie treffen Zeugen, Experten und Opfer. Unterstützung bekommen sie dabei von Deutschlands bekanntestem Kunst-Kommissar René Allonge vom LKA Berlin. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Radiowissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: ZITATOR 1 „Er ist von schöner Farbe, die an Gold erinnert. Ein künstlicher Stoff, hergestellt durch Alchemie. Aber - er ist wirklich giftig!“ ZITATOR 2 „Das Arsenicum wirkt ähnlich dem Sandarak, aber schärfer, wird daher zum Ätzen und zum Wegbeizen der Haare angewendet. Es nimmt auch die Nagelgeschwüre, die fleischigen Auswüchse in der Nase, die Geschwüre am After und alles wilde Fleisch weg. Seine Kraft wird erhöhet, wenn man es in einem neuen Tiegel so lange röstet, bis es die Farbe verändert hat.“ ZITATOR 1 „Unter der geringsten Menge liegt unermessliche Bosheit verborgen“. MUSIK ENDE Sprecherin Es ist eine Mischung aus Bewunderung und Angst, die aus diesen Worten über Arsen spricht: Zuerst dem Satz des spanischen Malers Francisco Pacheco, der seine Bilder mit arsenhaltiger Farbe zum Leuchten brachte; dann dem Kommentar des römischen Gelehrten Plinius über kosmetische und heilende Wirkung von Arsenicum; und schließlich einem Satz über das Arsen aus dem ersten deutschsprachigen Lehrbuch der Toxikologie.  MUSIK  „Discombobulate“; ZEIT: 00:19 Zu Weltruhm gelangte Arsen freilich als Mordgift. Die Karriere dieses chemischen Elements mit der Ordnungszahl 33 indes ist so schillernd wie facettenreich – und reicht zurück bis weit ins Altertum.  MUSIK ENDE Bei genauerer historischer Betrachtung zeigt sich: Arsen, dieses meist im Stein verborgene Halbmetall, trägt seinen verruchten Ruf zu Unrecht: Denn schon die alten Griechen machten sich Arsen zwar vor allem seiner Giftigkeit wegen zu Nutze, wie die Braunschweiger Wissenschaftshistorikerin Bettina Wahrig weiß...  O-Ton 1 Prof. Bettina Wahrig, Wissenschaftshistorikerin, Uni Braunschweig „Also man hatte das ganz, ganz breit eingesetzt, und eine der wichtigen Einsatzmöglichkeiten war natürlich die Bekämpfung von Insekten, Schadinsekten - oder auch eben Ratten und Mäusen.“ Sprecherin Arsen war im Altertum aber auch eine wichtige Arznei. In Griechenland und dem alten Rom zerrieb man arsenhaltiges Gestein zu Pulver, mischte es zu Salben, und kurierte damit Asthma genauso wie Hautkrankheiten. Die augenfälligste Anwendungsform von Arsen, sagt Bettina Wahrig, war bis in die Neuzeit aber eine andere. O-Ton 2 Wahrig „Also einmal als Farbe: Einmal ist es ne Schwefel-Arsen-Verbindung, die ganz rot ist. Die heißt dann in der frühneuzeitlichen Sprache dann auch „Realgar“, also „das königliche Rot“, eigentlich. Und eine sehr schöne gelbe Tönung, Auripigment, also ne goldene Färbung, und die wurde auch zu Farben eingesetzt.“ MUSIK  „Lucy's party”; ZEIT: 00:18 Sprecherin Silber bekam in Verbindung mit Arsen eine goldartige, Kupfer eine weiße Farbe. MUSIK ENDE In der Natur kommt Arsen nur selten in seiner Reinform vor, die wenig giftig ist. Meist tritt es auf in Gestein, in Verbindung mit Metallen oder Schwefel – und ist dann hochtoxisch, sagt die Pharmakologin Gabriele Roider vom Institut für Rechtsmedizin der LMU München.  O-Ton 3 Dr. Gabriele Roider, Institut für Rechtsmedizin, LMU München „Das gibt es so als kristalline Form... Also, wenn ich jetzt von Arsen spreche, meine ich jetzt immer Arsenik, also Arsentrioxid. Es gibt auch noch metallisches Arsen, und es gibt auch organisch gebundenes Arsen, was viel zum Beispiel in Fischen und Meerestieren drin ist. Und aber ich spreche jetzt dann von Arsenik. Also das ist die toxischste Verbindung, damit die toxikologisch relevanteste Verbindung - und auch die wirtschaftlich interessanteste Verbindung.“ Sprecherin Bis heute ist Arsentrioxid ein Ausgangsstoff für industrielle Anwendungen – etwa zur Herstellung von Batterien. Arsenverbindungen stecken aber auch in Halbleiter-Chips für Solaranlagen wie für Satelliten oder Raumschiffe.  Die Entwicklung von Arsen als wichtigem Wirtschaftsgut begann im Mittelalter. Es war der Regensburger Bischof Albertus Magnus, der 1240 erstmals die Herstellung metallischen Arsens durch Erhitzen von Arsenkies beschrieb. Um den Stoff in größeren Mengen wirtschaftlich zu nutzen, brauchte es eine geradezu fabrikmäßige Herstellung: Zu Beginn von Bergbau und Hüttenwesen im frühen Mittelalter fiel Arsen zunächst einmal als Abfallprodukt an. Etwa bei der Verhüttung von Metallen wie Kupfer, Zinn, Silber oder Gold in den Bergbauregionen der Steiermark. Dabei erhitzte man arsenhaltige Steine in Brenn-Öfen. O-Ton 4 Simon Brugner Fotograf + Autor „Die Arsenfresser“ Teil 1 „In Schmelzprozessen verdampft das Arsenik, das verflüchtigt sich ziemlich schnell, und das Arsen, das im Gestein drinnen ist, wird zu Arsentrioxid. Und das ist das giftige… Sprecherin sagt der österreichische Fotograf und Autor Simon Brugner,  O-Ton 4 Brugner Teil 2 „...deswegen immer auch die ganzen Brennöfen hoch bauen – weil wenn dich so ein Schwaden trifft, ist die Gefahr für Leib und Leben sehr hoch. Man hat dann – nachdem es am Anfang ein unerwünschtes Nebenprodukt war -  bald auch Arsen bewusst produziert. Das ist in so genannten Gifthütten passiert, die keine nach oben gerichteten Schornsteine hatten, sondern das waren horizontale Kammern, durch die der Rauch durchgeleitet wurde. Das Arsen hat sich verflüchtigt, hat sich in diesen horizontalen Rauchfängen als weißes Pulver abgesetzt.(…) Die Bergarbeiter, also die in der Verhüttung Tätigen, haben einfach den Beschlag abgeklopft,  und so hat man dann wirklich reines Arsen gewonnen. Auch als wirtschaftlich wichtiges Handelsgut.“ Sprecherin Vor allem Orte in der Ober- bis zur Oststeiermark waren in den vergangenen Jahrhunderten Hotspots der Arsen-Produktion. Die dortigen Minen waren strategisch günstig gelegen. Zum einen unweit von Ungarn, wo man Arsen als Heil- und Dopingmittel für Pferde nutzte. Die Hauptabnehmer für das steirische Arsen saßen jedoch südlich der Alpen. Simon Brugner:  O-Ton 5 Brugner „Wo es wirklich zu großen Mengen verwendet wurde, ist in der Glasherstellung…. also das meiste. Der Großteil vom steirischen Arsenik wurde nach Venedig für die Muranoglas-Erzeugung verkauft. Also da gingen zig Tonnen jährlich nach Venedig.“   Sprecherin Bald war Arsen vom Abfallprodukt zu einem wirtschaftlich wichtigen Handelsgut der K.u.K.-Monarchie geworden. Die österreichische Herrscherin Maria Theresia hatte ein genaues Auge auf die Arsen-Produktion ihrer Untertanen. Steuern und Zölle für Erzeugung und Transport waren zu entrichten. Doch die penible Reglementierung von Herstellung und Handel hatte einen weiteren Grund: O-Ton 6 Brugner „Arsen ist hochpotentes Gift. Es wurde immer stark kontrolliert. Also der Umgang mit Giften, der war immer schon rechtlich reglementiert.“  MUSIK  „The game is on”; ZEIT: 00:50 Sprecherin Dennoch sollte Arsen für die Herrschenden im 18. Jahrhundert zunehmend zum Problem werden. Denn trotz der genauen Kontrolle war der hochgiftige Stoff leicht zu haben, er wurde „legal“ vielfältig verwendet. Gleichzeitig gelangten zunehmend Nachrichten von Giftmorden mittels Arsen in Italien und Frankreich ans Licht der Öffentlichkeit. Mit der Aufklärung hatte die Bevölkerung hierzulande lesen gelernt - und verschlang aktuelle wie historische Berichte von Mord und Totschlag, Schuld und Sühne begierig. Man erfuhr von in Serie verübten Giftmorden der Borgia und der Medici, begangen mutmaßlich mit Arsenik. Später war in den Zeitungen von aqua tofana zu lesen, einer Arsen-Mischung, die jenseits der Alpen dutzenden Männern den Tod brachte.  MUSIK ENDE O-Ton 7 Wahrig „In der Tat gab es in Italien einen sehr, sehr großen Giftmordprozess gegen [00:09:00] eine relativ große Zahl auch an Frauen, die mit der sogenannten Aqua Tofana gehandelt haben. Und das soll eben ein sehr... raffiniert zubereitetes Gift gewesen sein, das so gewirkt haben soll, dass man der Person, die man gerade loswerden wollte, über längere Zeit kleine Mengen von diesem Gift untergejubelt hat und dass die dann irgendwann mal gestorben sind, ohne dass man wirklich Krankheiten oder andere Ursachen erkennen konnte.“ Sprecherin Das berüchtigte Arsen-Elixier raffte Dutzende, wenn nicht gar Hunderte dahin, sagt die Professorin für Wissenschaftsgeschichte und Pharmazie, Bettina Wahrig. Dass vor allem Frauen schwunghaften Handel mit dem Gift trieben und bandenmäßig mordeten – dies, sagt Bettina Wahrig, war auch den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet. O-Ton 8 Wahrig „Wenn wir das heute lesen, dann denken wir, naja gut, da gibt es eben eine Partnerschaft Mann-Frau, also die Frau hat ihn satt - und weg damit! Aber die sozialen Beziehungen am Hof waren ja viel, viel komplizierter. Deswegen...also es gab [00:11:00] jedenfalls ein Netzwerk von Leuten, die dieses Giftwissen verbreitet haben und die so gefährlich erschienen, dass extra eine Serie von Gerichtsverhandlungen abgehalten wurde, um diese Leute abzuhandeln, abzuurteilen. Natürlich ging es da auch darum, wieder zu zeigen: Der König, die Souveränität, bemerkt das und richtet die Leute deswegen dann hin oder verurteilt sie deswegen.“ MUSIK  „My Mind Rebels At Stagnation”; ZEIT: 00:43 Sprecherin Arsen war also zur Bedrohung der patriarchalen politischen und sozialen Ordnung geworden – gegen die die Herrschenden infolge energisch vorgingen. Der „Geist des Gifts“ war dennoch aus der Flasche – und sorgte auch in deutschen Landen zunehmend für Verwerfungen. Hier waren es vor allem Ärzte und Apotheker, die vor einem allzu sorglosen Umgang mit Arsen warnten. Und die dafür warben, den Zugang zu Giften zu beschränken, sowie die Bevölkerung aufzuklären, um unabsichtliche – oder auch absichtliche -Tötungen durch Arsen zu vermeiden.  MUSIK ENDE Sprecherin War dies wirklich ein Unfall? War es Mord? Oder war es gar keine Vergiftung? Diese Fragen mussten sich Rechtsmedizinern wie Richtern seinerzeit häufig stellen, sagt die Apothekerin Gabriele Roider. Klare Antworten aber fanden sie selten...  O-Ton 10 Roider „Weil die Symptomatik, die wurde damals viel mit der Cholera verwechselt. Die hygienischen Verhältnisse waren ja vor bis vor 200 Jahren sehr, sehr schlecht. Das heißt, die Leute hatten häufig Brechdurchfall, und das ist auch so die typische Vergiftungserscheinung bei einer akuten Arsen-Intoxikation (…)eben  MUSIK  „My Mind Rebels At Stagnation”; ZEIT: 01:29 Sprecherin Dass der kenntnisreich ausgeführte Giftmord kaum nachzuweisen war; dass breite Gesellschaftsschichten mittlerweile Zugang zu umfangreichem Giftwissen hatten: Dies trieb auch die Schriftsteller der Aufklärung um. ETA Hoffmann etwa zeichnete in seiner Erzählung „Das Fräulein von Scuderi“ das dystopische Bild einer Gesellschaft, in der die Allgegenwart von Giften wie Arsen letztlich zu einer völligen Zersetzung des sozialen Zusammenhalts führt:  ZITATOR 1 Man sah Familienväter ängstlich in entfernten Gegenden Lebensmittel einkaufen, und in dieser, jener schmutzigen Garküche selbst bereiten, in ihrem eigenen Hause teuflischen Verrat fürchtend. Und doch war manchmal die größte, bedachteste Vorsicht vergebens.“  Sprecherin Auch für die Ärzte hierzulande galt letztendlich, was ein französischer Kollege angesichts der nur zufälligen erfolgten Entdeckung des Giftmischers Godin de Sainte-Croix schrieb:  ZITATOR 1 „Bey diesen Giften ... werden die Erfahrungen falsch, die Regeln ungewiss, und die Aphorismen lächerlich. Sie schwimmen auf dem Wasser; sie lassen in der Feuerprobe bloß eine süße unschädliche Materie zurück, und liegen in den tierischen Körpern so künstlich versteckt, dass man sie unmöglich erkennen kann.“  MUSIK ENDE Sprecherin An einem gerichtsfesten Nachweis von Arsen forschten Wissenschaftler jahrzehnte-, ja, jahrhundertelang. Fand man verdächtige Materie, so gab man sie Tieren, um zu sehen, ob diese verendeten. Zuweilen warf man eine Probe auf glühende Kohlen. Enthielt diese Arsen, so entwickelte sich ein Geruch nach Knoblauch.  MUSIKAKZENT  „Discombobulate“; ZEIT: 00:04 Es sollte bis 1836 dauern, dass der britische Chemiker James Marsh einen Apparat entwickelte, mit dem sich selbst kleine Mengen von Arsenik im Mageninhalt oder an Teilen einer Leiche wissenschaftlich nachweisen ließen. Dazu gab man zunächst Schwefelsäure und Zink in ein Reagenzglas und erzeugte so Wasserstoff. Dann gab man die Probe hinzu. Schließlich erhitzte man das Gemisch und hielt ein Porzellanstück hinein. Enthielt die Probe Arsen, so bildete sich am Porzellan ein gut sichtbarer, schwarzer Film.    O-Ton 11 Wahrig Und das konnte man dann in den Gerichtssaal tragen. Und damit war es in der Tat auch für Juroren, also wenn man Schöffen hatte - oder eben Geschworene oder Richter - ein [00:17:00] glaubhafter Beweis.“ Sprecherin Die Zahl der Morde mit Arsen gingen mit Etablierung des Marsh-Tests schlagartig zurück. Und doch: Die letzten Geheimnisse von und um Arsen waren damit noch immer nicht gelüftet. MUSIK  „The game is on”; ZEIT: 00:12 Bis nach Übersee drang Ende des 19. Jahrhunderts die Kunde von tollkühnen Pferdeknechten aus der Steiermark, die Arsen ganz freiwillig und in beträchtlichen Mengen als Droge konsumierten.  MUSIK ENDE O-Ton 12 Brugner Kokain, Methamphetamin. Das ist wahrscheinlich das vergleichbarste mit Arsenik. (...) Man hat quasi klarere Gedanken, man kriegt leichteren Atem, man steigt leichter die Berge hinauf. Es wird auch beschrieben, die Leute hatten mehr Courage, waren rauflustiger. Das Sexualdrang wurde gesteigert. Also es war eigentlich ein Aufputschmittel.“ Sprecherin Arsenesser waren zuerst die Berufsgruppen, die durch ihren Job mit der Substanz in Berührung kamen: Bergleute, Beschäftigte in Schmelzhütten - aber auch hart schuftende Holzarbeiter, die Arsenpulver gewissermaßen als Dopingmittel zu sich nahmen. Arsen brachte die Wangen von Pferdeknechten zum Glänzen, und das Fell ihrer Tiere zum Leuchten. „Man trank es, wurde jung - und nach einiger Zeit vom Teufel geholt“, schrieb der Volksdichter Peter Rosegger über seine arsenessenden Landsleute: Denn Arsen kann sich im Körper einlagern und bei Langzeitkonsum Krebs oder Nervenschäden verursachen. Und nicht selten ging die genaue Dosierung schief bei Konsumenten, die ohnehin eine geringe Lebenserwartung und wenig zu verlieren hatten. Doch warum überlebten andere gar jahrzehntelang den Konsum von Arsen, einem Gift, dessen tödliche Dosis zwischen 60 und 170 Milligramm – in etwa der Größe einer Tablette – liegt? MUSIK  „Discombobulate“; ZEIT: 00:13 Die Kunde von diesen geheimnisvollen Bergbewohnern, die ein hochpotentes Gift aus reinem Spaß am Genuss konsumierten, machte europaweit die Runde.  MUSIK ENDE Sprecherin Wie konnte es also sein, dass eine Person an einer minimalen Dosis Arsen qualvoll verendete - sich eine andere aber mit der drei- bis vierfachen Menge Hochgefühle verschaffte? Gab es schlicht einen Gewöhnungseffekt? Oder war es die Art der Aufnahme von Arsenik, das man wie Kandiszucker lutschen oder als feingemahlenes Pulver schlucken konnte? Die Wissenschaftlerin Gabriele Roider glaubt, dass dies am Mikrobiom der Arsenesser liegen könnte…. O-Ton 14 Roider „...also die mikrobielle Besiedelung des Magen-Darm-Traktes sozusagen. Das ist das Mikrobiom, das setzt sich aus ganz vielen verschiedenen Bakterien und Mikroorganismen zusammen. Und da gibt es tatsächlich auch welche, die (…) das metallische Arsen in organisch gebundenes Arsen überführen. Dann ist es ungiftiger und kann auch besser über die Nieren ausgeschieden werden. Und so können auch bestimmte Bakterien im Mikrobiom tatsächlich Arsen entgiften, sodass es also vorstellbar ist, dass das möglicherweise der Mechanismus ist…. Dass die vielleicht ein bestimmtes Mikrobiom hatten und vielleicht das auch so ein bisschen gefördert haben durch diese relativ häufigere oder einigermaßen regelmäßige Arsen-Aufnahme und das Mikrobiom also die Bakterien im Magen-Darm-Trakt dann schon viel davon entgiftet haben, sozusagen und dann gar nicht so viel von dem Gift tatsächlich im Körper von diesen Arsenik-Essern angekommen ist.“ Sprecherin Wie Arsen im menschlichen Organismus wirkt – das ist bis heute nicht bis ins Letzte verstanden. Aktuell konzentriert sich die Arsenforschung auf Kleinstmengen, die aus Gesteinsschichten unter der Erde ins Trinkwasser gelangen – und die Gesundheit von Millionen Menschen in Indien und Bangladesch, aber auch in den USA, Asien und Europa gefährden. MUSIK  „Lucy's party”; ZEIT: 00:20 Doch Arsen hat - heute wie damals – nicht nur Schattenseiten. Als Mordgift und Aufputschmittel weitgehend passé, schickt sich das schillernde Halbmetall an, erneut Karriere als Arznei zu machen.  MUSIK ENDE O-Ton 16 Prof. Christopher Rensing „Was einen am meisten wundert, ist, wie viele Gene es gibt, die irgendwie was mit Arsen zu tun haben.“ Sprecherin ...sagt der Mikrobiologe Christopher Rensing, der zu Arsen in Stoffwechselprozessen forscht. Seit dem 19. Jahrhundert erforscht die moderne Medizin die Mechanismen, wie Arsen auch heilend in den menschlichen Stoffwechsel, den Metabolismus, eingreifen könnte. Die so genannte Fowler´sche Lösung, die Kaliumarsenit enthielt, senkte erfolgreich das Fieber von Patienten und wirkte als Heilwasser gegen Schuppenflechte. Schließlich wurde das „heilende Arsen“ ab 1910 zum ersten Mittel der modernen Chemotherapie. Mit „Salvarsan“ hatte der Mediziner und Nobelpreisträger Paul Ehrlich das erste wirksame Medikament gegen die Volksseuche Syphilis gefunden. Wegen starker Nebenwirkungen geriet das vermeintliche Wundermittel jedoch bald wieder in Vergessenheit. Heute sehen Forscher wieder großes Potenzial für Arsen als Arznei.  O-Ton 18 Rensing „Arsenid-Trioxid, zusammen mit so einem Vitamin A-Derivat, wird das in der Krebsbekämpfung bei akuter promyelozyter Leukämie eingesetzt. (…)  Da kann man dann fragen: Ja, aber wenn das da funktioniert, warum soll das nicht dann bei Brustkrebs oder bei Lungenkrebs... warum soll das da nicht funktionieren? Aber dann ist da das Problem, wenn man da jetzt Arsen so einsetzen würde, dann wird die toxische Wirkung irgendwann zu viel sein. Und deshalb, dann, jetzt wird halt versucht, das Arsen gezielt an den Wirkungsort zu bringen.  Also, wenn man jetzt in Liposomen, also so kleine Fettkügelchen, wenn man da die Arsenverbindung reinbringt und dann so Moleküle da rein tut, dass die halt den richtigen target finden, dann ist natürlich die Hoffnung, dass man den Krebs auch gezielt dann bekämpfen kann.“ Sprecherin Gemeinsam mit Kollegen fand der Professor Christopher Rensing außerdem heraus, dass Arsenpräparate auch dort wirken, wo herkömmliche Medikamente versagen: Etwa gegen einen Krankenhauskeim, der lebensbedrohliche Lungenentzündungen auslösen kann.   MUSIK  „Lucy's party”; ZEIT: 00:45 O-Ton 19 Rensing „Das, denke ich, wird auch viel Zukunft haben. weil es wird immer mehr zunehmen, dass Leute halt ins Krankenhaus kommen und nicht mehr behandelt werden können, weil die Antibiotika nicht mehr wirksam sind...da wird das natürlich dann auch wieder interessant dann, weil man natürlich eine Alternative auch braucht.(…)  Sprecherin So könnte Arsen - über Jahrhunderte als Werkzeug der Gift-Mörder verrufen - vielleicht dabei helfen, zwei gegenwärtige Geißeln der Menschheit zu besiegen – und vom verruchten Killer künftig vielleicht zum anerkannten Lebensretter werden. 
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Sep 15, 2025 • 21min

Störtebeker und Co - Eine wahre Piraten-Geschichte?

Der berüchtigte Pirat Klaus Störtebeker entpuppt sich als vielschichtige Figur der Geschichte. Überraschenden Enthüllungen zufolge wurde er möglicherweise nicht 1401 in Hamburg hingerichtet. Die Vitalienbrüder als Söldner zur See hatten ihn an ihrer Seite, während sie englische Schiffe überfielen. Auch Bartholomeus Voth, ein Außenseiter-Pirat, wird beleuchtet. Die Legende von Störtebeker lebt durch Mythen weiter und zeichnet ihn als sozialen Rebell. Eine spannende Reise in die Welt der mittelalterlichen Piraterie!
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Sep 15, 2025 • 23min

Gut oder giftig? Welcher Pilz zum Sammeln taugt

Marone, Champignon oder Steinpilz; Parasol, Rotkappe oder Hexenröhrling: In oft kürzester Zeit entwickeln sich bei feucht-mildem Wetter ihre vielgestaltigen Fruchtkörper. Speisepilze sind schmackhaft und gesund - haben aber oft giftige Doppelgänger. Was darf ins Körbchen? Und worauf kommt es beim Pilze-Sammeln sonst noch an? Von Inga Pflug. (BR 2024) Credits Autor/in dieser Folge: Inga Pflug Regie: Kirsten Böttcher Es sprachen: Thomas Birnstiel und Julia Fischer Technik: Stefan Oberle Redaktion: Iska Schreglmann Im Interview:Ursula Hirschmann, Pilzberaterin und Obfrau der Abteilung Pilz- und Kräuterkunde bei der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg (NHG) Diana Härpfer, Diplom-Biologin und Pilzexpertin, u.a. im Botanischen Garten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)Professor Dr. Alexander Dechêne, Facharzt für Innere Medizin, Klinikdirektor Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Diese hörenswerten Folgen von Radiowissen könnten Sie auch interessieren: Runzelige Rinden und bunte Borken - Die Haut der Bäume - radioWissen | BR Podcast radioWissen · Harze - Das Blut der Bäume · Podcast in der ARD Audiothek Der Wald - Rückzugsort für Natur und Seele - radioWissen | BR Podcast Bayerns Wälder - Von der Wildnis zum Forst - radioWissen | BR Podcast radioWissen · Wälder für eine wärmere Zukunft - Bäume im Klimatest · Podcast in der ARD Audiothek Linktipps: Pilz- und Kräuterkunde bei der Naturhistorischen Gesellschaft NürnbergEXTERNER LINK Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Radiowissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: SPRECHER/IN 1: Ein Wanderparkplatz in der Nähe von Nürnberg. Mit festem Schuhwerk an den Füßen und ausgestattet mit kleinen Körbchen oder Eimern in der Hand wollen um die 20 angehende Schwammerl-Sammler hier zur Pilzexkursion mit der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg starten: Pilzwissen auffrischen und neue Pilzarten kennenlernen – unter fachkundiger Anleitung von Pilzberaterin Ursula Hirschmann: 01 HIRSCHMANN: Was für uns jetzt gilt, wenn Sie einen Pilz finden, dann bitte schneiden Sie den nicht ab, sondern drehen den vorsichtig ganz heraus, damit man alle Merkmale sehen kann. Bei vielen Pilzen ist es wichtig, dass man sieht, wie die Stielbasis aussieht. Das ist vor allen Dingen bei allen Knollenblätterpilzen, aber auch bei Champignons wichtig, weil da oft Merkmale an der Basis, also ganz unten am Stiel sind. Wenn die fehlen, ist die Bestimmung schwieriger oder vielleicht, wenn weitere Merkmale fehlen, sogar ganz unmöglich.   SPRECHER/IN 1: Und die richtige Bestimmung ist das A und O beim Pilze-Sammeln.   01b HIRSCHMANN: Unter den Knollenblätterpilzen gibt es ja tödlich giftige, wie Sie wahrscheinlich alle wissen. Es gibt aber auch einige Speisepilze da drunter. Und die unterscheiden sich häufig an der Stiel-Basis, deswegen ist es da so wichtig.   SPRECHER/IN 2: Mindestens 100 giftige Pilzarten gibt es in Bayern, einige sind sogar tödlich.   SPRECHER/IN 1: Deshalb stellt Ursula Hirschmann gleich zu Beginn der Pilzlehrwanderung eines klar:   02 HIRSCHMANN: Ein Pilz, den man nicht hundertprozentig sicher erkannt hat, ist kein Speisepilz.   MUSIK: „Stork‘s walk (reduziert)“ – C158779#108 (0:29)   SPRECHER/IN 1: Und gegessen wird nur, was nach allen Merkmalen als Speisepilz identifiziert wurde.   SPRECHER/IN 2: Was nicht immer ganz einfach ist: Pilze verändern ihr Aussehen häufig auch je nach Alter, Witterung oder Standort.   SPRECHER/IN 1: Umso wichtiger ist es der Pilzexpertin, dass die Sammlerinnen und Sammler im Wald wissen, anhand welcher Merkmale sie einen guten Pilz und einen womöglich giftigen Doppelgänger sicher auseinanderhalten können – und diese Bestimmungsmerkmale sind so vielfältig wie die Pilze selbst:   03 HIRSCHMANN: Das kann die Huthaut sein, das können die Lamellen oder Röhren sein. Das kann das Fleisch sein. Das kann der Stiel sein, die Stiel-Basis. Ob ein Stiel einen Ring hat oder nicht, wie der geformt ist, ob der Pilz Velum hat, bei den Schleierlingen. Das sind also ganz, ganz unterschiedliche Merkmale, teilweise auch Geruch, Geschmack, die Farbe von der Milch – kann man nicht generell sagen. Das ist wirklich von der jeweiligen Art individuell abhängig.  
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Sep 14, 2025 • 23min

Der tropische Regenwald - Bedrohter Klimapuffer

Der tropische Regenwald ist ein faszinierendes Ökosystem mit beeindruckender Biodiversität. Doch illegale Abholzung und andere menschliche Aktivitäten bedrohen seine Existenz. Das Podcast beleuchtet die kritische Lage des Amazonas und lokale Initiativen zur Rettung. Indigene Völker und ihr Wissen über Heilpflanzen stehen ebenfalls im Mittelpunkt, da sie eine essenzielle Verbindung zum Regenwald haben. Außerdem wird der Einfluss des Klimas auf die Flora und Fauna thematisiert, sowie die Unterschiede zwischen verschiedenen Regenwaldtypen.
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Sep 13, 2025 • 23min

Coolness war gestern - Der Charme der Unsicherheit

Borwin Bandelow, Psychiater und Neurologe, spricht über die verborgenen Stärken der Unsicherheit. Er beleuchtet, wie soziale Ängste und Schüchternheit oft unterschätzt werden und welche empathischen Qualitäten daraus entstehen können. Der Wandel des Selbstbewusstseins in Zeiten von sozialen Medien wird thematisiert. Bandelow zeigt, wie Verletzlichkeit zu tiefen menschlichen Verbindungen führen kann. Begeisternde Beispiele inspirieren dazu, Schwächen als Stärken zu erkennen und den Mut zu finden, unsicher zu sein.
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Sep 13, 2025 • 23min

Sepsis - Wenn jede Minute zählt

Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit, die oft aus harmlosen Infektionen entsteht. Die erschreckende Mortalität in Deutschland wird thematisiert, und es wird aufgezeigt, wie wichtig eine schnelle Behandlung ist. Missverständnisse über den Verlauf von Sepsis werden entlarvt, während die Rolle des Immunsystems und dessen individuelle Behandlung betont werden. Zudem wird die Bedeutung von Acetat für das Immunsystem behandelt und auf die Herausforderungen bei der Diagnostik eingegangen.
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Sep 12, 2025 • 21min

Schrittweise frei - Die jüdische Bevölkerung Bayerns im 19 Jahrhundert

Julia Schneidawind, wissenschaftliche Assistentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, beleuchtet die schrittweise Emanzipation der jüdischen Bevölkerung in Bayern im 19. Jahrhundert. Sie erklärt, wie Reformen und das Judenedikt zu einer langsamen Integration führten, die oft an Staatstreue gebunden war. Die Migration von über 11.000 Juden nach Amerika wird thematisiert, ebenso wie die Herausforderungen, denen die Gemeinden gezwungen waren, sich zu stellen, sowie der zunehmende Widerstand gegen Antisemitismus und die Suche nach Identität im Wandel.
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Sep 12, 2025 • 23min

Familie Thurn und Taxis - Die Post ist da!

In einem kleinen italienischen Dorf nördlich von Bergamo fängt alles an. Von dort stammt die Familie der Tasso, die schon bald hinaus in die Welt strebt und ab 1490 die ersten internationalen Postverbindungen in Europa betreibt. Die Thurn und Taxis?, wie sie sich später nennen, legen den Grundstein für das internationale Postwesen. Autor: Martin Schramm Credits Autor dieser Folge: Martin Schramm Regie: Christiane Klenz Es sprachen: Andreas Neumann, Rahel Comtesse, Jerzy May Technik: Wolfgang Lösch Redaktion: Andrea Bräu Im Interview: Dr. Martin Dallmeier. Historiker, ehemaliger Direktor des Regensburger Thurn & Taxis-Archivs; Dr. Peter Styra, Historiker, Leiter des Fürst Thurn und Taxis Zentralarchivs Literaturtipp: Eine fundierte, sehr umfangreiche wissenschaftliche Darstellung der Thematik mit vielen Quellen und Illustrationen:Behringer, Wolfgang: „Thurn und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen.“ München/Zürich 1990.  Linktipp: Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation:Franz von Taxis und die Erfindung der Post | Museum für Kommunikation NürnbergEXTERNER LINK | https://www.mfk-nuernberg.de/erfindung-der-post Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | RadioWissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: MUSIK 1 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10) MUSIK 2 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 0‘37) ZITATOR (Q: Johann Jacob Moser, 1742, S.262) „Es bleibet also das formliche Postwesen allerdings eine Taxische Erfindung, welche gantz erstaunliche Folgen nach sich gezogen und die Welt in manchen Sachen fast in einen andern Model gegossen hat […] und ist es zwar jetzso so leicht nachzumachen wie die Schiffahrt dem Columbo; wer weiß aber, ob die Welt nicht noch eben so lang als zuvor würde gestanden seyn, ohne von den Posten oder America etwa zu erfahren, wenn kein Taxis und kein Columbus gekommen wäre?“ SPRECHER Columbus, der Entdecker der neuen Welt - SPRECHERIN Familie Taxis, die Begründer der modernen Post. SPRECHER Zumindest Johann Jacob Moser, immerhin der führende Reichspublizist des 18. Jahrhunderts, stellt beide für ihre Verdienste auf eine Stufe. SPRECHERIN Fest steht aber auch: Nicht nur die Welt hat von der Post profitiert. Auch die Familie „Thurn und Taxis“. Das Schicksal der „Thurn und Taxis“ ist untrennbar verbunden mit dem Aufbau eines völlig neuen Kommunikationsnetzes, um Botschaften von A nach B zu bringen.  MUSIK 3 (96239280101 Eric Terwilliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10) ZITATOR Die „Initialzündung“ - oder: Von Stafetten und Felleisen MUSIK 4 (Fantasia XI für Laute 0‘38) SPRECHER Angefangen hat alles in einem kleinen italienischen Dorf - in Cornello, nördlich von Bergamo. Ein Dorf so klein, dass man es selbst heute noch nicht mit dem Auto erreicht. SPRECHERIN Aus diesem kleinen Nest stammt die Familie Tasso, die sich bereits im 12. Jahrhundert auf den Kurierbereich spezialisiert hat - und schon bald hinaus in die Welt strebt. SPRECHER Die Tasso dienen u.a. der Republik Venedig als verlässliche Boten in politischen Missionen. SPRECHERIN Um 1490 - in einer Zeit voller Umbrüche – legen die Tasso schließlich die Basis für ein Familienunternehmen, das in der obersten Liga mitspielen wird: Für das spätere „Imperium“ der „Thurn und Taxis“. Peter Styra, Leiter des Fürst Thurn und Taxis Zentralarchivs in Regensburg: 01-O-TON Styra „Es ist also kurz vor 1500. Wir sind in der Zeit kurz vor der Reformation. Wir sind in der Zeit ja, der Buchdruck ist gerade erfunden. Das heißt also auch die Bildung stellt sich auf neue Beine. Wir sind in der Zeit der deutschen ersten Hochfinanz, mit den Fuggern und Welsern - also eine Zeit, in der sehr, sehr viel passiert. Also, die Renaissance bricht an. Es ist eine völlig neue Konzeption in ganz Europa. Es ist eine komplette Umstellung. Das einzige, was tatsächlich noch fehlt, ist eine gut funktionierende, und möglichst schnelle und zuverlässige Kommunikationseinrichtung.“ SPRECHERIN Vor allem für die Mächtigen der Zeit ist die von zentraler Bedeutung. Z.B. für König Maximilian I. - dem späteren Kaiser Maximilian. SPRECHER Der hatte ein aufkommendes Weltreich zu regieren - u.a. mit dem im Nordwesten etwas abgelegenen Burgund. Von seiner Residenzstadt aus in Innsbruck war das aber gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Der Kaiser brauchte daher dringend eine schnelle, verlässliche Post: 02-O-TON Styra „Da müssen Reichsteile verbunden werden, und der Kaiser möchte immer informiert werden, egal, wo er ist, ob er jetzt gerade in Spanien ist oder in Frankreich ist oder in England ist oder Italien ist oder in Innsbruck zu Hause. Er braucht Boten, als er braucht Informationen - und er holt sich tatsächlich diesen Francesco Tasso an seinen Hof nach Innsbruck und gibt ihm den Auftrag, praktisch im im Jahr als sozusagen ja fast zum Beamtenverhältnis, die Kaiserlichen Depesche von A nach B zu transportieren.“ MUSIK 5 (M0027373105 Gerd Baumann: Coyage à trois 0‘41) SPRECHERIN Die Familie Taxis macht sich an die Arbeit – allen voran Franz von Tasso – und begründet die „moderne Post“. SPRECHER Wie so oft in der Geschichte fangen aber auch die Tasso nicht bei Null an. Sie profitieren von dem, was andere bereits geleistet haben. SPRECHERIN Z.B. vom „Stafettensystem“. Das haben bereits die alten Römer entwickelt. SPRECHER Statt einen einzigen Boten für eine Strecke tagelang reiten zu lassen, ist „Teamwork“ angesagt: Die Boten übergeben ihre Ledertaschen, die sogenannten „Felleisen“ - nach dem französischen Wort Valise für Koffer –jeweils nahtlos an den nächsten Boten. Vorgewarnt durch ein Hornsignal, kann sich der bereithalten. ATMO POSTHORN SPRECHERIN Die Post wechselt so rund alle 30 km, später sogar alle 15 km, zum nächsten Reiter mit frischem Pferd, und kommt ohne Unterbrechung viel schneller ans Ziel. SPRECHER Die dafür eingerichteten Wechselstationen hießen "Posta". Genau daraus leitet sich auch unser heutiges Wort "Post" ab. MUSIK 6 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 1‘06) SPRECHERIN Franceso Tasso perfektioniert dieses System - und schafft es 1490 tatsächlich erstmals, eine Depesche von Innsbruck nach Brüssel zu transportieren, in fünfeinhalb Tagen, wie von Maximilian gefordert. SPRECHER Es ist die „Geburtsstunde“, die „Initialzündung“ für die internationale Post. SPRECHERIN In der Folge gelingt es den Tasso durch eine ganze Reihe von Verträgen, ihr Unternehmen immer weiter auszubauen. Sie arbeiten ab 1501 für die Krone Spaniens und verlegen dazu ihre – heute würde man sagen „Firmenzentrale“ - von Innsbruck nach Brüssel, der Hauptstadt der damals spanischen Niederlande. SPRECHER Dort macht Francesco Tasso, - der sich schon bald „Franz von Taxis“ nennt - 1505 dann einen entscheidenden Schritt: Er schließt einen außergewöhnlichen Vertrag mit König Philipp I. von Spanien. SPRECHERIN Einen gleichberechtigten Vertrag zwischen einem Staat und einem „freien Unternehmer“. Damals ein Novum. SPRECHER Mit diesem Vertrag beginnt der Siegeszug der Taxis. Denn Franz von Taxis wird dadurch nicht nur finanziell solide ausgestattet, er erhält auch ungeahnte hoheitliche Rechte, die ihm ermöglichen, den Postdienst weitgehend unabhängig vom Staat zu organisieren: u.a. das Recht, die Postbediensteten aufgrund von Verfehlungen gegen Weisungen des Oberpostmeisters zu bestrafen. Außerdem „das Recht, jeden, der die Postbeförderung behindert oder die Unterstützung verweigert, zur Duldung bzw. Zusammenarbeit zu zwingen.“ usw. SPRECHERIN Diese rechtliche Sonderstellung sollte den Taxis im Postbereich bis ins 19. Jahrhundert erhalten bleiben. SPRECHER Und 1615 werden die Verdienste der Familie Taxis schließlich belohnt, indem das Amt des kaiserlichen Generalpostmeisters zum erblichen Lehen erhoben wird – und zwar als „Mannlehen“ wie auch als „Weiberlehen“, wie das damals hieß. Auch Frauen konnten so also das Postunternehmen führen. SPRECHERIN Die Taxis sitzen dadurch sicher im Sattel, niemand kann sie mehr verdrängen. Die Nachfolge durch die Generationen ist gesichert: Sie haben ein verbrieftes Monopol errungen. SPRECHER Mitte des 17. Jahrhunderts wollte man dann auch den Namen der Familie optimieren, hin zu einem Namen mit mehr „Glamour“, einem Namen, der klangvoll genug wäre, um damit in den Hochadel aufsteigen zu können. SPRECHERIN Denn die „Taxis“ galten eher als kleines Rittergeschlecht, das in den Kaufmannsstand gewechselt war. Ohne das wirklich beweisen zu können, behauptete man nun einfach, die Taxis würden vom italienischen Adelsgeschlecht „della Torre“, abstammen. - Der Kaiser genehmigte die Änderung und so entstand der klangvolle Name „Thurn und Taxis“. MUSIK 7 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10) ZITATOR Eine Familie setzt sich durch – oder: Von Netzwerken und Goldgruben SPRECHER Nicht alle erkennen die „Monopolstellung“ der Thurn und Taxis’schen Post an – auch wenn der Kaiser sie „verbrieft“ hat. SPRECHERIN Es gibt jede Menge Konkurrenten: Unzählige Fürsten- und Herzogtümer, Reichsstände, Städte und Kaufmannschaften im Deutschen Reich wollen ebenfalls mitverdienen - und gründen ihre eigenen Landesposten, um der Reichspost der Thurn und Taxis Konkurrenz zu machen. SPRECHER Die Zünfte beauftragen beispielsweise gerne ihre fahrenden Gesellen.  SPRECHERIN Im süddeutschen Raum haben u.a. die Metzger ein ausgeklügeltes Postsystem entwickelt. Die so genannte „Metzgerspost.“ SPRECHER Um Vieh zu kaufen, ziehen die ohnehin übers Land, haben Wagen und Pferde. Also gibt man ihnen gerne mal die Post mit. MUSIK 8 (Z8036173101 Gerd Baumann & Gregor Hübner: Octavio 0‘51) SPRECHERIN Doch letztlich war so eine „Metzgerspost“ von eher lokaler Bedeutung. Die Strecke Innsbruck-Brüssel oder Innsbruck-Rom konnten sie nicht bedienen. SPRECHER Und selbst die professionelle Boten-Konkurrenz hatte es letztlich schwer, dem internationalen Netzwerk der Thurn und Taxis etwas entgegenzusetzen. Vor allem, als ihnen der Kaiser um 1600 untersagte, eigenständige Wechselstationen, sprich Poststationen, einzurichten. Ohne diese Stationen waren sie nicht konkurrenzfähig. SPRECHERIN Auch Länder wie Bayern wollten den Profit aus der Post lieber selbst einstreichen, als ihn den Thurn und Taxis zu überlassen. - Martin Dallmeier - ehemaliger Direktor des Regensburger Thurn & Taxis-Archivs: 03-O-TON Dallmeier „Dass Private hier ein große Einkommen anhäufen durch diesen Nachrichtenverkehr. Das war vielen Staaten schon natürlich ein Dorn im Auge. Bayern hat zum Beispiel 1697 versucht, eigene Post einzurichten unter Max Emanuel von Bayern - ist daran gescheitert.“ SPRECHER Die Bayern hatten dem international agierenden Monopolisten „Thurn und Taxis“ letztlich nichts entgegenzusetzen - , mit seinen unzähligen Poststationen und Verträgen - selbst mit den kleinsten Stadtstaaten z.B. in Italien - wie Venedig, Genua und Florenz. SPRECHERIN Die Thurn und Taxis überließen dabei nichts dem Zufall. Einer der Schlüssel zu Ihrem Erfolg: Es waren Mitglieder aus dem eigenen „Familienclan“, die an entscheidenden Positionen des Unternehmens saßen. SPRECHER Und es entstand ein loyales Netzwerk – mit – heute würde man sagen „Franchisenehmern“ - um die stolze Zahl von über 2500 Poststationen überhaupt betreiben zu können. - Der Historiker Peter Styra: 04-O-TON Styra „Das Postnetz aufzubauen bedeutete, durchs Land zu reiten, sich Gasthäuser zu suchen, Wechselstation zu suchen. Die dortigen Besitzer möglichst eng zu verpflichten und am Gewinn zu beteiligen. Und dieses System funktioniert von 1500 bis 1867. Wichtig ist, dass man seine Leute bei der Stange hält. Natürlich gab es da haufenweise Ärger. Was man aber damals schon gesehen hat, dass über Generationen hinweg das oftmals die gleichen Familien gewesen sind. Also Generationen von Familien, die dieses Amt in ihrer Poststation an die Söhne und Enkel weitergeben, also ein relativ verlässliches Netz.“ SPRECHER Die Thurn und Taxis taten also etwas für ihre Leute: sie bekamen Anerkennung und wurden gut bezahlt, ja konnten reich werden durch ihre Arbeit. SPRECHERIN Wurden aber auch nach strengen Kriterien ausgewählt – und wenn nötig überwacht: 05-O-TON Styra „Wir haben Visitationsberichte in der bayrischen Post, wo also genau untersucht wurde: Wie ist das Wirtshaus beieinander? Wie sind die Pferde? Ist es dort sauber. Kann man dort übernachten, wie ist das Essen, also alles wird genau wie in einer Liste aufgeführt. Wieviel Kinder hat er? Da steht alles drin. Also was für eine soziale Kompetenz bringt er damit. Ist er mit seiner Frau gut oder ist Witwer oder ist sie allein? Wird genau untersucht. Also, man sucht versucht immer das Personal auch natürlich abzuchecken. Ob sie sowohl körperlich als auch geistig wie auch immer, ob sie in der Lage sind, das zu machen.“ SPRECHERIN Doch gutes Personal bekam eben nur, wer seine Leute auch gut behandelt - und letztlich auch überdurchschnittlich gut bezahlt hat. SPRECHER Was die Frage aufwirft: Wie genau haben nun eigentlich die Thurn und Taxis selbst ihr Geld verdient? MUSIK 9 (M0027373106 Gerd Baumann: Rifiuto 0‘45) SPRECHERIN Bereits kurz nach der Geburt des Unternehmens zeichnete sich ab, dass es um die Zahlungsmoral der Mächtigen dieser Zeit nicht zum Besten bestellt war. Manche sind notorisch pleite, andere zahlen, wenn überhaupt, erst mit reichlich Verspätung. SPRECHER Um die Ausgaben zu decken, das kostspielige Zustellungssystem aber auch zu expandieren, waren also neue, verlässliche Einnahmequellen gefragt. SPRECHERIN Die Zukunft lag daher in der Masse. Statt nur amtlich-kaiserliche Korrespondenz zu transportieren, öffneten die Postmeister bereits 1506 ihre Pforten für private Kunden: Jeder, der zahlen konnte, war willkommen. Vor allem durch diese Einnahmen entwickelt sich das teure Postnetz zu einer wahren Goldgrube. Die Thurn und Taxis blieben den Mächtigen so einerseits verbunden – zugleich aber auch freie Unternehmer. SPRECHER Egal ob Briefe, Päckchen, Pakete oder Geldkassetten. Transportiert wird alles. Schon bald auch Personen. SPRECHERIN Möglich wird das durch ein weiteres Novum: die Postkutsche. Sie macht es möglich, nicht nur Massensendungen und sperrige Güter von A nach B zu bewegen - sondern auch Reisende. MUSIK 10 (R0026990W02 Mozart: Divertimento für Streicher D-Dur, Capella Istropolitana (007) 3.Satz: Presto 0’57) SPRECHER Auch prominente Zeitgenossen wie beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart. In einem Brief an seinen Vater schildert er 1780 eindrücklich, dass so eine Fahrt mit der Postkutsche offenbar alles andere als ein Luxusreise war: ZITATOR W.A. Mozart (Q: Brief 8.11.1780) „Ich versichere Sie, daß keinem von uns möglich war nur eine Minute die Nacht durch zu schlaffen – dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie Stein! – von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können! – er war ganz schwielig – und vermuthlich feuer Roth – zwey ganze Posten fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt, und den Hintern in lüften haltend – –  – doch genug davon, das ist nun schon vorbey! – aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu fus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren.“ SPRECHER Zufriedene Kundschaft klingt anders. - Dabei ging es damals nicht nur um Komfort. Um auf Dauer Erfolg zu haben, war eine weitere Frage zentral: die nach der Sicherheit. Für die Fahrgäste, das geladene Gut – aber natürlich auch für das Personal selbst. SPRECHERIN Wirklich aktenkundig und dokumentiert sind erstaunlich wenige Überfälle auf die Post. Peter Styra: 06-O-TON Styra - Überfälle „Grundsätzlich kann man sagen ich glaube, es war gefährlicher, einen betrunkenen Postkutschenfahrer zu haben als einen Räuber, der am Straßenrand steht. Das war gefährlicher. Aber natürlich gab es natürlich solche Vorfälle, es gab Überfälle auf die Kutsche, aber die sind sehr selten. Überliefert sind einzelne Fälle in jedem Jahrhundert, vor allen Dingen in Kriegszeiten. Also solche Großkatastrophen wie der dreißigjährige Krieg waren auch für die Post, für die Reichspost, natürlich gefährlich, weil da ist ja alles losgelassen, da haben dann seien es die schwedischen oder die bayerischen oder die sonstwas-Soldaten, die haben sich einen Spaß daraus gemacht. Da gab es ja eben kein Halten mehr. Es gab ja auch nicht das verbindende Reichsglied mehr den Kaiser. Das hat sich ja derzeit aufgelöst.“ MUSIK 11 (M0055275105 Gerd Baumann: Verschellt 0’46) SPRECHER Doch nicht nur durch Überfälle war die Post bedroht - auch durch Spionage alle Art. SPRECHERIN Das Postgeheimnis galt zwar schon damals prinzipiell als schützenswertes Gut. Speziell im Zeitalter des Absolutismus stand das Interesse des Staats aber deutlich über dem Briefgeheimnis. SPRECHER Weil gerade die Reichspost unter den Thurn und Taxis letztlich vom Kaiserhaus abhängig war, zögerte man dort auch nicht, sich durch „Spionagedienste“ erkenntlich zu zeigen. SPRECHERIN Sprich: Briefe auf direkte Weisung gezielt zu öffnen, also das Siegel zu brechen, die Briefe dann oft auch abzuschreiben - und den Kaiser auf Stand zu halten. Eine Praxis, die europaweit üblich war. SPRECHER Dem Ruf und dem Erfolg des Unternehmens Thurn und Taxis scheint das letztlich aber nicht geschadet zu haben. Noch im 19. Jahrhundert äußert sich ein gewisser Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe anerkennend über die „durchgreifende Schnelligkeit der Taxis'schen Posten“ - und auch über „die Sicherheit des Siegels.“ MUSIK 12 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10) ZITATOR Steter Aufstieg - oder: Reichtum, Macht und starke Frauen SPRECHERIN Vor allem im 17. Jahrhundert geht es mit den Thurn und Taxis steil nach oben: 1608 erfolgt die Erhebung in den „Reichsfreiherrenstand“, 1624 in den erblichen „Reichsgrafenstand“ und 1695 schließlich unter Kaiser Leopold I. in den „Reichsfürstenstand“. Und seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Thurn und Taxis schließlich Stellvertreter des Kaisers im immerwährenden Reichstag in Regensburg. SPRECHER Ohne die sprudelnden Gewinne aus der Post, also den wirtschaftlichen Erfolg der Familie wäre das undenkbar. Im 18. Jahrhundert verdienen die Thurn und Taxis Jahr für Jahr Millionenbeträge, gehören zur wirtschaftliche Elite Europas. SPRECHERIN Adelig zu sein, musste man sich eben auch leisten können. Wer Mitglied im Club sein wollte, musste sich nach den „Spielregeln“ dieses Clubs richten. Gefragt war „standesgemäße“ Lebenshaltung, Prunk- und Prachtentfaltung.  07-O-TON Styra „Gesellschaftlich gesehen haben die Taxis immer beides betrieben. Sie haben mit ihrem jeweiligen Stand auch ihr Postunternehmer natürlich befördern können. Wenn ich vom Grafen zum Fürstenstand aufsteige, dann kann ich mit ganz anderen Menschen verhandeln als als Graf. Wenn ich ein Reichsfürst bin, kann ich mit dem König verhandeln. Wobei das haben die Taxis vorher auch schon gemacht, weil sie halt selbstbewusst waren. Aber grundsätzlich mit jeder Adels-Erhebung steige ich auf und hebe Standesschranken auf und kann weiter nach oben und kann das auch für mein Unternehmen nutzen. Insofern bedingt eins das andere. Sie haben beides füreinander benutzt und genutzt.“ MUSIK 13 (M0055275105 Gerd Baumann: Verschellt 0’38) SPRECHER Die Mission der „Post-Fürsten“ war klar: Es galt, das Imperium gegen alle möglichen Widerstände und Bedrohungen zu sichern. Die Post vor allem als Privatunternehmen zu erhalten – während im übrigen Europa verstaatlicht wurde. Das ging nur im Zusammenspiel mit den Mächtigen. SPRECHERIN Diese Mächtigen bei Laune zu halten, sich mit ihnen zu vernetzen und gut zu stellen, Töchter zu verheiraten usw., war also essentiell. Gefragt waren Diplomatie und beständiges Verhandeln. SPRECHER In der Familiengeschichte der „Thurn und Taxis“ ist das auch immer wieder die Stunde starker Frauen. Alexandrine von Taxis beispielsweise führt das Unternehmen durch die Wirren des 30-jährigen Krieges. SPRECHERIN Und Fürstin Therese richtet beim Wiener Kongress 1814 einen eigenen Salon ein, um Politik für das Haus „Thurn und Taxis“ zu machen. Peter Styra: 08-O-TON Styra „Ihr Mann hat ihr das als Gesandte übertragen. Sie war hübsch, sie war intelligent. Sie war verwandt mit dem russischen Zaren, mit dem bayerischen König, mit dem Preußischen König. Sie war mit allen verwandt, musste in Sachen Taxis verhandeln, und sie durfte auf dem Wiener Kongresse, als Frau nicht teilnehmen. Aber sie hat eben die sogenannte Salon-Politik betrieben, die ja in Frankreich ganz groß gewesen ist. Und die hatten einen ganz genauen Plan. Da gibt es genaue Anweisungen ihres Ehemannes, mit wem sie über was verhandelt, was sie wem auch sagen darf und wie weit sie gehen können und wo sie vorsichtig sein muss. Also genaue Instruktionen, das war ein perfektes Team.“ MUSIK 14 (M0010633046 Marc Marder: Premonition 2 0‘47) SPRECHERIN Dennoch - die Kaiserlichen Reichspost steht 1806 vor dem Aus. SPRECHER In gewisser Weise hat die „Reichspost“ aber das „Reich“ sogar überlebt: Die Thurn und Taxis Post versorgt nämlich noch weitere sechs Jahrzehnte einen großen Teil Deutschlands - als Privatunternehmen versteht sich. SPRECHERIN Endgültig abgefahren ist die Post für die Familie dann 1867. Sie muss sämtliche Postrechte an den preußischen Staat abtreten. Die deutsche Reichspost übernimmt. SPRECHER Nach über 500 Jahren geht damit eine Ära zu Ende. Das Post-Unternehmen Thurn und Taxis ist Geschichte. Ein Unikum weltweit. SPRECHERIN Doch natürlich ist das nicht das Ende der „Thurn und Taxis“. Sie stellen sich neu auf. Investieren ihre Gewinne aus dem Postgeschäft und auch die Entschädigungen und Abfindungen für ihre Postrechte in neue Geschäftsmodelle. Kaufen Bergwerke, Zuckerfabriken oder Brauereien - und werden zum bis heute wohl größten privaten Waldbesitzer Deutschlands. MUSIK 15 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 0‘57) SPRECHER Angefangen hat also alles mit den revolutionären Ideen eines Franz von Tasso – in einem kleinen Nest in Norditalien. Daraus wird der größte Dienstleitungsbetrieb der frühen Neuzeit. Geführt von einer Unternehmerfamilie und deren Familienoberhäupter. SPRECHERIN Von Wirtschaftshistorikern werden die zwar später gerne mal als „Häuptlinge ganzer Clans verwandter Kapitalisten“ verspottet - doch das Unternehmen ist erfolgreich, kann sich durch die Jahrhunderte behaupten - und wird zum Vorbild für viele andere Postorganisationen weltweit. SPRECHER Francesco Tasso hat es übrigens sogar im 19. Jahrhundert noch nach New York geschafft – auf eine Gedenktafel an einem Postgebäude - offenbar hat er sogar die Post dort noch inspiriert. MUSIKENDE
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Sep 12, 2025 • 22min

Auf der Jagd - Die Lust am Beute machen

Die Beziehung zwischen Jäger und Beute wird faszinierend beleuchtet, inklusive Machtstrukturen und kulturellen Verbindungen. Experten diskutieren das menschliche Streben nach Kontrolle und Besitz sowie die psychologischen Impulse der Jagd. Unterdessen werden die moralischen Dilemmata thematisiert, die Jäger erleben. Die emotionale Tiefe des Jagens wird von einer Jägerin eindrucksvoll geschildert, während das unreflektierte Konsumverhalten im Supermarkt kritisch hinterfragt wird. Die Jagd wird spannend und ambivalent dargestellt.
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Sep 11, 2025 • 22min

Lindy Hop - Der gleichberechtigte Swing-Tanz

Der Lindy Hop ist mehr als nur ein Tanz – er ist ein Ausdruck von Lebensfreude und Emanzipation. Ursprünglich in den 1920er Jahren entstanden, spiegelt er die afroamerikanische Kultur und Identität wider. Besondere Beachtung findet der Innovator Frankie Manning, der den Stil prägte und den Tanz zur weltweiten Popularität verhalf. Die faszinierende Reise des Lindy Hop zeigt, wie er trotz gesellschaftlicher Herausforderungen blühte und heute eine globale Community begeistert. Tradition und Innovation gehen Hand in Hand und bewahren das authentische Wissen für zukünftige Tänzer.

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