

Zwischen Zwei Deckeln
Sachbücher zu Wissenschaft, Gesellschaft und dem guten Leben
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Sep 25, 2025 • 1h 5min
098 – „Empire of AI“ von Karen Hao
Nachdem wir in der letzten Episode eher metaphysisch-philosophisch unterwegs waren, geht es heute zur harten Realität der Künstlichen Intelligenz:
In „Empire of AI“ verfolgt Karen Hao den Aufstieg von openAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT. Die Autorin zeichnet ein umfassendes Bild von der Gründung bis zum Jahr 2025, porträtiert die involvierten Personen und zeigt den eindrücklichen Wandel von openAI von einem Non-Profit zu einem For-Profit-Unternehmen. Nebenbei streift sie bedenkenswerte Aspekte des aktuell vorherrschenden Entwicklungsprozesses von Künstlicher Intelligenz: Die Machtkonzentration, die Ideologie und schließlich die Ausbeutung natürlicher und menschlicher Ressourcen.
Shownotes
Buch: „Was das Valley denken nennt“ von Adrian Daub
Buch: „Blood over Bright Haven“ von M. L. Wang
Buch: „Automaton“ von Berit Glanz
ZZD 042: „Europa: Infrastrukturen der Externalisierung“ von Arch+ 239
ZZD 060: „Chokepoint Capitalism“ von Rebecca Giblin und Cory Doctorow
Blogpost: „Um handlungsfähig zu werden, müssen wir die Hoffnung aufgeben“ von Nils Müller
Blogpost: „The LLMentalist Effect: how chat-based Large Language Models replicate the mechanisms of a psychic’s con“ von Baldur Bjarnason
Artikel: „TechScape: How cheap, outsourced labour in Africa is shaping AI English“ von Alex Hern
Artikel: „AI and the threat of “human extinction”: What are the tech-bros worried about? It’s not you and me“ von Émile P. Torres
Podcast: „Die neuen Zwanziger – Salon“ vom August 2025
Newsletter: „Ed Zitron’s Where’s Your Ed At“
Transkript (automatisch erstellt)
Nils: Hallo und herzlich willkommen zu Episode 98 von Zwischenzweideckeln, eurem Sachbuch-Podcast. Wir gehen jetzt mit großen Schritten auf die große hunderte Episode zu und fangen jetzt heute den dritten oder machen heute den dritten Teil unseres KI-Schwerpunkts. Und ich habe heute Amanda dabei. Hallo Amanda.
Amanda: Hallo.
Nils: Genau, du hast uns ein thematisch passendes Buch mitgebracht, zu dem wir dann auch gleich kommen. Aber erst mal die Frage, was treibt dich sonst gerade um?
Amanda: Ich habe vor zwei, drei Wochen ein paar Prüfungen abgeschlossen, meine Facharztprüfung unter anderem und sonst noch was Akademisches abgeschlossen. Und dann verfalle ich immer so in eine Phase, wo ich was lesen muss, was ich sonst nie lesen würde. Und dann habe ich mir so ein Buch geschnappt, was auch, ich muss zugeben, ein Dorn im Auge ist für meinen Partner. Das heißt Bauen und Verdichten und es geht um Asphaltstraßenbau. Und das habe ich letzte Woche gelesen. Ich fand das wirklich sehr interessant.
Nils: Das ist eine interessante Auswahl für ein Buch zur Erholung und Ablenkung.
Amanda: Ja, ich weiß jetzt Dinge, wie man, ich weiß jetzt, wie man eine Straße baut. So und was für Arten von Asphalt es gibt und was da die Vor- und Nachteile von sind. Und also ja, es war echt erholend.
Nils: Lag das bei euch im Wohnzimmer am Couchtisch rum?
Amanda: Ja, ich habe mir das mal gekauft und ich muss jetzt auch ein bisschen rechtfertigen, dass wir das noch immer haben, dass das bei uns im Regal steht. Und deswegen habe ich das jetzt einfach gelesen.
Nils: Okay, ja. Man lernt nie aus, ne?
Amanda: Genau. Bei dir?
Nils: Ja, ich habe tatsächlich, mich treibt so ein bisschen seit dem Urlaub so ein bisschen ein dunkler Blick auf die Welt eher um. So dieser Punkt, Klimakatastrophe und Co. Was ist, wenn wir das jetzt einfach verseppt haben? Was machen wir denn dann jetzt damit? Also ein bisschen dieser Gedanke, nicht zu sagen, was ist jetzt, wie können wir das noch verhindern? Sondern es wird jetzt auf irgendeine Art und Weise kommen. Was machen wir damit? Und habe da auch einen längeren Artikel auf meinem Blog zugeschrieben im Urlaub. Schaut da gerne mal vorbei, nilsmüller.info. Und habe jetzt, ohne das geplant zu haben, tatsächlich auch passenden Roman gelesen. Also wer das Ganze eher in Roman-Thema verpackt haben will, da gibt es von M.L. Wong einen Fantasy-Roman, Blood over Bright Haven. Der das auch so ein bisschen, so dieses Verdrängen, also hinter dem ganzen Kollaps-Gedanken steckt, so die Idee von der Verdrängung. Dass die Gesellschaft dieses Thema einfach verdrängt, davon nichts mehr hören will. Weil sie irgendwie damit nicht umgehen kann. Und das haben wir ja bei Corona auch irgendwie, ist so mein Gefühl. Da reden wir ja auch nicht mehr drüber. Wundern uns über die mysteriösen Krankheiten. Und bei Klima machen wir das Ganze halt auch so. Und das ist in dem Roman halt echt super aufgearbeitet. Macht Spaß zu lesen, ist aber der Stimmung vielleicht nicht unbedingt zuträglich.
Amanda: Okay, ja. Ja, das ist das Thema generell ja wohl nicht, leider.
Nils: Ja, ja. Gut, aber jetzt widmen wir uns wieder KI, auch so ein ganz entspanntes Thema, was alle Leute ganz nett finden und überhaupt keine Emotionen hervorruft. Du hast uns mitgebracht von Karen Howe, heißt sie meine ich genau, das Buch Empire of AI. Ist ein frisches Buch von Anfang des Jahres, gibt es auch noch nicht in der deutschen Übersetzung. Der Untertitel sagt wahrscheinlich schon viel über den Inhalt Dreams and Nightmares in Sam Altmans Open AI. Die Autorin ist eine Journalistin, gerade im Bereich KI, kommt mein Eindruck nach, aber auch eher aus der kritischen Schiene, vermute ich mal. Aber ich will dir nicht zu viel vorweggreifen, möchtest du mit dem TLDL anfangen? Klar.
Amanda: In Empire of AI verfolgt Karen Howe den Aufstieg von Open AI, dem Unternehmen hinter ChatGPT. Die Autorin zeichnet ein umfassendes Bild seit der Gründung bis zum Jahr 2025, porträtiert die involvierten Personen und zeigt den eindrücklichen Wandel von Open AI, von einem Non-Profit zu einem Full-Profit-Unternehmen. Nebenbei streift sie bemerkenswerte Aspekte des aktuell vorherrschenden Entwicklungsprozesses von künstlicher Intelligenz. Die Machtkonzentration, die Ideologie und auch die Ausbeutung natürlicher und menschlicher Ressourcen.
Nils: Ja, danke dir. Okay, dann ist, glaube ich, das Thema gesetzt. Nimm uns doch mal mit in die Entstehung und die Geschichte von Open AI.
Amanda: Das mache ich gerne. Das Buch ist ziemlich lang. Das ist 480 Seiten lang, wobei man auch sagen muss, die letzten 100 Seiten sind oder 50, 60 sind Index und Notizen, Endnotes. Die Autorin hat also wirklich extrem, extrem viele Quellen herbeigezogen. Also das ist fast schon ein historisches, wie sagt man, ein geschichtsschreiberisches Buch. Sie hat sehr viele Interviews geführt, sie hat sehr viele Quellen, sie hat sehr viele Reisen gemacht. Also in dem Sinne wirklich eine sehr umfassende Recherche zu diesem Thema. Das ist einerseits natürlich sehr interessant. Ich glaube, das hat auch einen gewissen Benefit längerfristig, wenn man dann zurückschaut irgendwann mal auf dieses Unternehmen. Ist aber ein bisschen anstrengend zu lesen, fand ich. Ich kann es nicht genau festmachen, an was das lag. Ich fand, das Thema ist interessant. Ich fand auch, die Sprache war eigentlich flüssig und trotzdem hat es extrem lange gedauert, bis ich durch das Buch durch war. Ich werde auch das Buch jetzt nicht so ganz von Kapitel zu Kapitel vorstellen. Sie macht so ein bisschen auch einen Spannungsbogen rein. Den werde ich weglassen. Aber ja, ich pickte einfach so ein bisschen die Themen raus, die ich dann auch besonders interessant fand. Beginnen tut sie mit einem Event, der stattgefunden hat, als Sam Altman vor zwei Jahren gefeuert wurde als CEO. Das ist so ihr Aufhänger. Sam Altman, das steht auch schon im Untertitel, ist, wie gesagt, der Gründer von OpenAI. Und das Unternehmen ist jetzt fast zehn Jahre alt und wurde zusammen von ihm mit Greg Brockman und Ilya Satzkever gegründet. So, das sind, ich habe jetzt die Namen mal gesagt. Ich werde da auch nicht mehr groß drauf eingehen, aber auch für euch, falls ihr euch das Buch, also falls ihr das lesen möchtet, es kommen extrem viele Namen vor von all diesen Tech-Guys und auch sonst Personen. Also man braucht da fast schon so einen Spickzettel nebenher, um sich da wieder bewusst zu werden, wie jetzt da genau was ist, mit welcher Intention und welchem, ich sage mal, Net-Worth im Hintergrund.
Nils: Und ich vermute, weil es sind tatsächlich fast alles Guys, ne?
Amanda: Also, ja, zum Großteil schon. Es gibt aber schon auch ein paar Frauen, die da rausstehen. Aber ja, also die Gründer auf jeden Fall, das sind Typen, die das, ich sage mal klassisch das Silicon Valley, ja, aus dieser Brutstätte auch so ein bisschen kommen. Und was, ich glaube, was mir nicht bewusst war, bevor ich das Buch gelesen habe, ist, dass Open AI wirklich als Non-Profit-Unternehmen gegründet wurde. Ganz initial war das, das war auch so ein bisschen klassisch, ne? Da gab es irgendwie, Sam Altman hat zum Dinner geladen irgendwo und dann sind da mal all diese Menschen zusammengekommen und haben sich da gefunden und haben über künstliche Intelligenz diskutiert. Und dann entstand da so dieses Start-up und initial auch mit Elon Musk. Also, der war da sehr, sehr involviert zu Beginn. Auch, weil Elon Musk wohl davor schon oft diese Angst geäußert hatte, ne, dass künstliche oder das AGI kommt, also Artificial General Intelligence, allgemeine künstliche Intelligenz. Vielleicht, das wäre so eine Art von künstlicher Intelligenz, die noch einen Schritt umfassender, ein umfassenderes Skillset hat, als das wir bisher kennen. Also, es ist wie so, kann eventuell selbstlernend sein, kann sich selber vermehren, je nachdem. Also, es gibt keine allgemeine Definition dafür, aber es ist auf jeden Fall eine Art von künstlicher Intelligenz, die nochmal eine Skala höher oder ich sag mal die höchste Skala betrifft, die es aber aktuell noch nicht gibt, ne? So, und das ist so ein bisschen, da komme ich auch später noch zu, das ist nur ein bisschen auch eine ideologische Frage, na, wie steht man zu dieser AGI? Und auf jeden Fall hat Musk wohl da auch sich schon Gedanken drüber zugemacht davor und fand dann die Idee sehr gut, dass man ein Unternehmen gründet mit dem Ziel eigentlich, das zu entwickeln, aber so, dass es halt der Menschheit nützt. Also, dass man das sicher entwickelt und dass man da auch viel Forschung dazu macht und so weiter. Das ist auch der Grund, warum Open AI, Open AI heißt, ne? Also, das Open steht nicht unbedingt dafür, dass man den Quellcode offenlegen soll, da sind sie dann ziemlich schnell von weggekommen, sondern das ist halt Open für alle, im Sinne von alle soll davon profitieren. Ja, das ist so der Beginn. Was, ich sag mal, ein ziemlich wichtiger Punkt ist, dass Musk dabei war, der hat das mitgesponsert und zwar mit einem Betrag von einer Milliarde Dollar. Och, Taschengeld. Und das fand ich auch so, ich hab das gelesen, ich war so, was? Also, das Unternehmen, Neugründung und dann kommt so eine Zahl ins Spiel, das ist wirklich Wahnsinn, ne?
Nils: Irre, ja.
Amanda: Und sie schreibt dann das auch so ein bisschen lakonisch, ne? Wie sie da besprochen haben, wie viel Funding sie zuerst brauchen und dann hätte wohl Musk gesagt, ja, wenn wir da nur mit 100 Millionen reingehen, dann werden wir da nicht ernst genommen und so. Komm, wir machen gleich eine Milliarde und ihr schaut mal, was ihr da kriegt an Funding und den Rest, den geb ich euch, so. Holy. Ja, genau, holy. Und ich finde, das zeigt schon so ein bisschen das ganze Setup, ne? Also, wenn man mit sowas reingeht, also, es gibt ja keine andere Branche in der Ökonomie, die sowas zustande bringt, ne? Also, mit einem Versprechen, das noch nicht existiert, gleich zu Beginn, ohne irgendetwas je geliefert zu haben, so viel Geld zu verdienen zu haben. Das ist wirklich krass. Ja, so hat das begonnen und eigentlich, wie gesagt, ich sag mal, sehr eine noble Einstellung zu der ganzen Sache und so haben sie dann auch die Talente ein bisschen akquiriert. Also, sie haben mit diesem Versprechen von Research, von Openness und so weiter, haben sie, ja, die Top Minds aus dem Silicon Valley ein bisschen angeheuert, haben denen dann natürlich auch sehr, sehr viel gezahlt. Weil die sind auch, die waren auch gefragt bei Google und bei Microsoft und so weiter und also denen auch so viel gezahlt, was natürlich überhaupt nicht üblich wäre für eine Non-Profit-Organisation. Aber so war, das war so, dass der erste Schritt auch so ein bisschen die Talente zu, ins Boot zu holen, ne? Ja. Das hat dann soweit so gut geklappt. Irgendwann kam es dann zur Frage, ob Altman und Musk, die hatten zuerst dann noch in anderen Unternehmen immer viel zu tun und wer dann CEO werden sollte von OpenAI. Und irgendwie gab es dann auch so schon so ein bisschen einen Zwist zwischen denen oder Musk wollte das, Altman wollte das und schließlich wurde es Altman und Musk ist dann da ausgeschieden und hat dann auch sein Geld gleich mitgenommen. Also, diese Milliarde war dann doch nicht mehr da.
Nils: Aber die brauchten sie dann auch offensichtlich nicht direkt.
Amanda: Die brauchen sie schon und die haben sie dann am Ende von Microsoft gekriegt. Ah, okay. Ja. Also, die sind dann da.
Nils: So sind die da reingekommen.
Amanda: Genau. Das ist auch eine ziemlich, das ist über lange Zeit eine ziemlich enge Verbandelung zwischen Microsoft und OpenAI. Also, Microsoft hatte wie das, das Recht auch auf die Nutzung der Technologie. Hat auch nicht nur Geld, sondern auch das ganze Computing Power zur Verfügung gestellt, die ganzen Server.
Nils: Und ich glaube auch zum reduzierten Preis oder sowas, ne? Da mal nicht irgendwas gelesen zu haben.
Amanda: Kann sein. Ich habe mir das nicht mehr so genau gemerkt. Also, auf jeden Fall waren die da ziemlich zusammen, haben die da zusammengespannt. Und zu Beginn war das natürlich super für OpenAI. Und irgendwann kam es auch fast so ein bisschen zu einem Kipppunkt, ne? Wo OpenAI plötzlich so groß war, dass es nicht mehr unbedingt von Microsoft abhängig war. Aber Microsoft war von OpenAI abhängig. Es hat dann so wieder ein bisschen eine andere Dynamik entfacht. Aber grundsätzlich war dann da das Geld und schon auch so ein bisschen der erste Moment von, ne? Ich verkaufe ein bisschen meine Seele als Non-Profit-Unternehmen und dann verkaufe ich mich halt einem Tech-Giganten. Ist auch so ein bisschen wohl der Spruch von AI-Forschenden. Entweder du verkaufst dich für Big Tech oder du gehst halt irgendwie in den Industrie-Militär-Komplex. Der kann dann staatlich sein, aber, naja, der Nutzen oder was dann damit erstellt wird, ist jetzt auch nicht unbedingt ethisch vielleicht gewünscht, ne?
Nils: Oder moralisch. So.
Amanda: Das war so schon der erste Punkt, ne? Also, jetzt Geld haben sie, sie haben die Compute-Power. Und dann ging’s auch dann ziemlich schnell daran, das mal zu nutzen. Und dann haben sie da ein bisschen rumgewurstelt, sag ich mal.
Nils: Okay, ja.
Amanda: Mit allem Möglichen. Da wurde ein bisschen mit Videogames und da ein bisschen künstliche Intelligenz probiert und eine Roboterhand. Und dann, ich glaub, war das DeepMind oder so. Irgendwann hat dann das AlphaGo geschlagen. Keine Ahnung. Also, das war nicht OpenAI, aber das war wie so der, ich sag mal, das Feld, ne? Jeder macht so ein bisschen was, aber niemand weiß eigentlich, wo man hin will. Niemand weiß, was AGI überhaupt ist. Ich glaube, bis heute. Aber da, das ist so wie das große Ziel. Und der Knack oder, ich sag mal, der Schlüsselmoment war dann, als OpenAI eigentlich auf dieses Sprachmodell sich zentriert hat. 2017, ich glaube, das wurde von Google, hat das veröffentlicht, kamen diese Transformer-Architektur, kamen da auf. Vielleicht für die Nicht-Techies unter unseren Hörenden. GPT, also das, was man auch aus Chat-GPT kennt, das steht für Generative Pre-Trained Transformer. Also Generative, Generativ heißt, es erstellt Inhalte, also das, in diesem Falle Text. Pre-Trained heißt, es wurde eben trainiert auf in der Regel sehr, sehr, sehr großen Datenmengen, kann dann wie auch im Nachhinein noch spezifisch für gewisse Tasks angepasst werden. Und das Transformer, das ist eben so eine Art von spezifischer Netzwerkstruktur oder Architektur für neuronale Netze, die einen Zusatznutzen gebracht hat, weil früher konnten diese Netze Dinge nur sequentiell bearbeiten. Und das Transformer-Modell kann das jetzt parallel. Und das hat dann insgesamt sehr viel Impact gehabt, weil man plötzlich mit längeren Kontexten umgehen konnte. Also wenn man zum Beispiel Daten genommen hat, Textdaten, die schneidet man in der Regel in kleine Stücke, dann hat man so Tokens. Und wenn die dann sequentiell verarbeitet werden, dann sind das nur ganz kleine Ausschnitte, die man sozusagen verarbeiten kann. Und mit den Transformer-Modellen konnte man plötzlich einen viel größeren Kontext erfassen. Und dann hat man natürlich auch viel mehr, ich sag mal, Bedeutung, die man da mitnimmt.
Nils: Die bieten auch, glaube ich, so eine Aufmerksamkeitslogik. Also die klassischen Modelle können ja immer nur quasi ein Wort nach das andere hängen. Und die können wirklich so Prioritäten im Grunde von Bedeutung und sowas dann auch verstehen. Und wissen halt, dass irgendwie ein nicht ganz so wichtig ist wie das Wort Apfelsaft, keine Ahnung.
Amanda: Genau. Das ist so ein bisschen das, ich sag mal, die technologische Neuerung. Und auf die hat man sich dann so ein bisschen gestürzt und dann eben seine ganze Idee eigentlich auf diese Sprachmodelle konzentriert. Und ich finde das interessant, weil das ist ja nicht unbedingt logisch. Also klar, es gibt Sprachphilosophie. Das ist auch ein Teil der Philosophie, wo man sagen kann, die Sprache ist, unsere Welt besteht aus Sprache oder ist Sprache. Das ist von dem her nicht ganz abwegig. Und trotzdem, dass man jetzt sagt, okay, diese allgemeine künstliche Intelligenz wird durch ein Sprachmodell entstehen, ist eine Art von Ideologie, die man aufgebaut hat und die man jetzt einfach verfolgt.
Nils: Ist natürlich bei dem KI-Thema so ein bisschen vorangelegt mit dem Turing-Test.
Amanda: Ja, stimmt.
Nils: Das ist ja immer so ein bisschen die Frage, wann ist ein Computer intelligent? Da gibt es ja diesen klassischen Turing-Test sozusagen, der ist dann intelligent, wenn jemand, der blind sozusagen mit dem Computer kommuniziert, nicht erkennt, dass er mit einem Computer kommuniziert. Beziehungsweise halt einen automatisierten, einen menschlichen Interaktionspartner nicht zufällig voneinander unterscheiden kann. Das legt ja auch schon diesen Sprachfokus so ein bisschen in der ganzen Branche irgendwie nahe.
Amanda: Absolut, das ist recht, ja. Das stimmt. Ich finde das trotzdem interessant, weil meines Erachtens, das beschreibt sie nur in einem Satz in dem Buch. Und ich finde das eigentlich eine zentrale Erkenntnis insgesamt, weil diese allgemeine künstliche Intelligenz bringt ja dieses Versprechen. Oder sie sagen, das wird die Menschheit verbessern oder das wird uns eben, das wird die Klimakrise lösen. Das wird den Hunger bekämpfen und so weiter. Und warum ein Sprachmodell das leisten können soll, ist mir ein Rätsel. Also das kann ja niemand begründen.
Nils: Ganz klar.
Amanda: Und deswegen finde ich das schon interessant, dass man dann sich so stark auf so etwas einschießt. Weil es gibt ganz viele andere Arten von künstlicher Intelligenz, die das vielleicht eher kann. Nicht allgemein, nicht alle Probleme, ein einziges Modell, aber sehr wohl irgendwie ein statistisches Modell, irgendeine Zeitreihenanalyse. Irgend so was, wo man halt ein Problem lösen könnte.
Nils: Ja, aber ich glaube, das ist genau der Gedanke in diesem AGI, weil Sprache, alles was wir Menschen irgendwie machen, machen wir irgendwie über Sprache. Und dann ist es natürlich auch naheliegend zu sagen, okay, dass auch so eine AGI über Sprache laufen muss, weil wie du gerade sagtest, wenn die halt besonders gut statistische Modelle rechnen kann, dann kann sie halt offensichtlich nicht eine Lösung für den Klimawandel schreiben. Oder eine Pressemitteilung für die Einführung eines neuen Solarparks, keine Ahnung. Also ich finde schon logisch, warum man da auf Sprache kommt. Aber wenn man genauer darüber nachdenkt, hast du natürlich völlig recht. So, hä? Warum?
Amanda: Genau. Ja. Wie auch immer. Das ist jetzt das, ich sage mal, das Credo, also dass diese Sprachmodelle das Nonplusultra sind auf diesem Gebiet. Und das bringt, abgesehen davon, dass der Nutzen ein bisschen fragwürdig ist, so, also nicht der konkrete Nutzen, den wir alle davon ziehen, sondern der Nutzen als AGI, meine ich jetzt, bringt das halt einfach extrem viele Nebenkosten mit sich. Ja. Die nicht nur die Computing Power sind, sondern alles andere. Wir kommen da noch später zu. Was auch inhärent ist von diesen Sprachmodellen, ist die Tatsache, dass sie extrem viele Daten brauchen. Auch das, andere Modelle brauchen das nicht unbedingt. Die werden nicht tendenziell besser, je mehr man da reinpackt. Bei diesen Large Language Models ist das auf jeden Fall so, zum gewissen Teil. Also bei Open AI war es so, dass die bis GPT-2 sehr gute, kroatierte Daten hatten. Also das ist auch unter AI Research ist das ganz klar. Oder ich arbeite ja auch in der Datenwelt, also das ist Shit-in, Shit-out, das ist ein ganz bekannten Spruch. Man, den Output einer Applikation, eines Modells steuerst du eigentlich damit, was du da reinpackst. Und bei GPT-2 waren das eben noch sehr, sehr gute Texte, gute, klar, strukturierte, kuratierte Datensätze. Und schon mit GPT-3 ist man davon weggekommen. Da hat man plötzlich alles, was man im Internet gefunden hat, da mitgenommen. Und das hat die Qualität massiv verschlechtert.
Nils: Verschlechtert? Dieses verschlechtert. Warum hat man es denn dann gemacht?
Amanda: Weil das eine Art auch von Ideologie war. Also da kommen wir jetzt zum, wenn ich sage verschlechtert, dann ist das natürlich auch ein Blick, den ich jetzt gewählt habe. Oder aus so einem bestimmten Blick, wenn man sagt verschlechtert. Insgesamt kann man schon sagen, sind die Modelle natürlich besser geworden. Also was die können schon, was der Output anbelangt oder was die Performance in gewisser, in einer Safety-Hinsicht anbietet, sind die schlechter geworden. Ich muss mich entschuldigen, dass ich da immer so viele englische Wörter brauche. Ich habe einfach das Buch auf Englisch gelesen und das, ich hoffe, ihr verzeiht mir das. Das ist nicht, genau. Also das ist so ein bisschen der Punkt mit dieser Daten, mit dem Datenscaling. Und warum ich das so sage, ist auch, dass es einfach wirklich wie eine Ideologie behandelt wurde. Es ist dieses zehnmal mehr. Und Sam Altman hat sich das offenbar irgendwie ins Hinten tätowiert, dass immer alles zehnmal mehr. Zehnmal mehr Geld, zehnmal mehr Compute-Power von einem zum nächsten, alles immer zehnmal mehr. Das hat er von irgendeinem anderen Startup-Guru, glaube ich. Und das hat wohl so funktioniert. Es war, ich glaube, auch sehr eindrücklich für die Forschenden zu sehen, dass das tatsächlich funktioniert hat. Je mehr Daten du da reingepackt hast, desto besser ist das Modell geworden. Das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich. Problem war aber eben die Datenqualität. Und ich springe jetzt da hier vielleicht ab. Was das Problem damit war, war unter anderem, dass so viel Müll jetzt da drin war, dass auch plötzlich gefährliche Dinge da mit dabei waren und auch hinten rausgekommen sind. Also plötzlich kamen da ein Skandal von OpenAI, war das in einer gewissen Applikation, ich weiß nicht, ob es eine Applikation war. Sie haben das irgendwo ausgerollt, wo man das nutzen konnte. Und da wurde dann plötzlich sehr, sehr viel Synthetic Child Abuse Material produziert.
Nils: Okay, ja.
Amanda: So. Da hat wie niemand mit gerechnet, wohl in diesem Ausmaß. Das kam dann, ich glaube, auch für die Menschen in der Firma ein bisschen als Schock. Ja. Und da hat man gemerkt, na, da muss man was gegen machen. Und da gibt es natürlich ganz verschiedene Ansätze, wie man sowas stoppen kann. Man kann da wie, ich sage mal, einfach hinten einen Deckel drauf machen und einem Modell, bevor es was ausspuckt, sagen, ne, schau mal bitte, was da genau, was du da genau gesagt hast. Passt das oder solltest du das vielleicht eher nicht rausgeben? Was aber viel oder in einem ganz anderen Ausmaß passiert, ist Content Moderation auch von den Inhalten, die da reingehen. Oder dann halt, dass man im Nachhinein schaut, was kann das Modell, also wenn man das so promptet, was kommt da raus und dann Menschen müssen das wie kategorisieren und sagen, hey, das ist nicht adäquat und so weiter.
Nils: Das ist jetzt aber auf dem Output-Level, nicht auf dem Input.
Amanda: Genau, es gibt beides. Also ich sage mal, dieses Input-Moderation, das kennen wir ganz klassisch, wenn wir irgendwo auf einer Webseite sind und wir müssen angeben auf einem Bild, klicke alle an, die eine Ampel haben. Wir kennen das, das machen wir, das ist die Kategorisierung von Bildern für autonomes Fahren, damit das da erkennt wird. Das kannst du natürlich auch machen für Text oder du machst das gleiche halt auf dem Output. Also du hast wie schon, du lässt das Modell schon Text generieren und schaust dann, was kommt dabei raus. Und das Problem davon ist, dass diese Content-Moderation oder dieses, falsch, diese Data-Annotation, also die Annotierung von Daten, seien es jetzt Text oder Bilddaten, das machen Menschen. Und das machen nicht Menschen, die im Silicon Valley sitzen, sondern das machen Menschen, die im globalen Süden sitzen. Und das ist ein großer Punkt, den Karen Howe in ihrem Buch herausarbeitet, ist, wie Menschen da ausgebeutet werden. Und sie beschreibt da verschiedene Personen, einerseits in Venezuela, in Kolumbien, aber auch in Kenia, in Nigeria, die diese Arbeit machen. Und das funktioniert in der Regel so, dass, das sind natürlich dann wieder andere Firmen, man externalisiert das. Und diese Firmen haben dann meistens einfach einen Web-Auftritt und man kann sich da einloggen und dann kriegt man halt, wie so diese Tasks zugeschickt. Und dann arbeitet man die ab. Und dann hat man so einen Zähler oben, der sagt, pro Task, wie viel man hat oder wie viel man abgearbeitet hat. Und meistens kriegt man dann ein paar Cent für einen Task. Und das Problem ist natürlich, dass das A, sehr anonym ist. Also die Personen arbeiten nicht irgendwie, die sind nicht angestellt, die haben keinen richtigen Arbeitsvertrag, die haben keine Vertretung und so weiter. Und verdienen das Minimum, wenn überhaupt. Also es ist einfach halt, was die gerade zahlen möchten. Und wenn man in Not ist, dann nimmt man halt jede Arbeit, die man machen kann. Und so beschreibt sie auch, wie dann diese Firmen initial zum Beispiel in Venezuela waren, weil Venezuela war politisch sehr instabil zu dieser Zeit. Sehr, sehr, sehr hohe Inflation. Das heißt, alle haben sich natürlich auf irgendeine Fremdwährung gestürzt, wenn sie die kriegen konnten. Gleichzeitig sehr gute Internetabdeckung und eine nicht, eine gut ausgebildete Bevölkerung. Also das war wie so eine Goldgrube für Menschen, die diese Arbeit gemacht haben. Und so haben halt viele da dann für diese großen Firmen Daten annotiert, was grundsätzlich, und das fand ich noch interessant, dass bei vielen dieser Personen, die haben dann auch nicht gesagt, dass sie die Arbeit per se schlimm fanden, sondern tatsächlich, wie die organisiert ist. Also eben diese Anonymität. Und für gewisse waren dann auch so, also die haben dann zum Beispiel, sind nicht mehr rausgegangen, weil diese Tasks nicht mehr ständig reingekommen sind.
Nils: Oh.
Amanda: Also man hat dann die Website offen und dann kommt plötzlich so, ah, du hast hier einen Task und wenn du dir den nicht schnappst, dann kommt halt eine andere Person und nimmt den.
Nils: Ah, okay.
Amanda: Das heißt, eine Frau schildert dann, dass sie nur noch 30 Minuten pro Tag rausgegangen ist, auch in der Nacht, Computer immer offen gelassen, dass wenn in der Nacht ein Task kommt, dass man den abarbeitet. Und so sieht man schon, also die prekäre Art des Arbeitens ist wirklich schlimm, ne? Und das gleiche, irgendwie war dann in Venezuela, ich kann mich nicht mehr ganz erinnern, was der Grund war, aber aus irgendeinem Grund hat dann diese Firma gesagt, ja, jetzt passt es uns hier nicht mehr, packt dann, schaltet einfach die ganze Website für alle Menschen in Venezuela ab und geht nach Kenia und macht das gleiche dort. Also es ist wirklich, und das, hier spielt auch so ein bisschen wieder das rein, warum sie das Empire of AI nennt, ne? Also diese, diese, dieser kolonialistische Gedanke, na, ich gehe wohin, ich extrahiere da die, die Ressourcen, die ich kriege und wenn ich davon genug habe, dann lasse ich alles stehen und liegen und gehe zum Nächsten, wo ich was abbauen kann, ne? Ja, also es ist sehr eindrücklich, wie sie, wie sie das beschreibt. Das ist so ein bisschen das mit dem, mit dem Problem der Datenqualität, ne? Also das ist jetzt, ich sag mal, die, die, die harmlose Form ist eben, dass man einfach Daten, ja, beschreiben muss, was da rausgekommen ist und dann gab es natürlich eben, ich sag mal, je schlimmer der Content war, desto schlimmer auch die, die Bedingungen für die Menschen, die das moderieren mussten oder die das annotieren mussten. Also es gab dann irgendwann halt, konntest du entweder Gewalt oder halt sexualisierte Darstellungen und das ging dann also wirklich bis zu unvorstellbarer Grausamkeit, musste man sich das im Minutentakt da reinziehen. Das ist, ja, man kennt das auch ein bisschen von Facebook und von anderen Social Media Content Moderations und das machen ja oft Menschen auch in Südostasien oder, oder wo auch immer. Ja, ja, das ist so ein bisschen der Punkt von, von dieser menschlichen Arbeitskraft, die durch diese Modelle oder durch die Entwicklung solcher Modelle ausgebeutet wird und OpenAI hat dann noch weiter oder dieses Scaling, das, das geht immer, immer weiter. Und für GPT-4 hatten sie dann plötzlich eigentlich keine Daten mehr. Also das, da wurde schon alles gescrapt und, und reingezogen, was da vorhanden war. Das heißt, sie mussten jetzt irgendwie kreativ werden und, äh, haben sich dann, äh, YouTube, äh, vorgenommen.
Nils: Okay.
Amanda: Und haben dann Millionen von YouTube-Videos transkribiert und das als Input genommen.
Nils: Oh, ja, okay.
Amanda: Das ist eine juristische Grauzone und was ich noch interessant fand, ist, dass auch zum Beispiel Google selber, die haben ja auch ihre Modelle trainiert und, und Forschung dazu gemacht, durften das nicht. Also die mussten da ganz viele interne Schranken überwinden, damit sie jetzt da auf YouTube-Daten zugreifen konnten. Und OpenAI halt auch so in diesem, , Sinne von, wie geht das, äh, move fast and break things?
Nils: Ja, genau.
Amanda: So ein bisschen das, ne? Die, das, ja, haben das halt dann einfach so gemacht. Genau. Und so kam das halt dazu, dass OpenAI sich von Jahr zu Jahr von diesem Non-Profit-Gedanken immer mehr zu einem For-Profit, , gemausert hat. Ich denke mal nicht unbedingt nur aus Profit-Gier, tatsächlich auch, weil einfach dieses Scaling so viele Ressourcen benötigt, dass man halt da Geld für braucht, ne? Das kriegst du sonst nicht, da musst du irgendwo das Geld wieder reinholen oder du musst zumindest dann den Investoren und Investorinnen irgendwas zu bieten haben. Deswegen, denke ich mal, ist das so ein bisschen ein Sachzwang, der sie dazu gezwungen hat. Und trotzdem, ne, die ganze Dynamik ist dann auch ein bisschen ausgeartet. So war das. Interessant fand ich auch, wie sie geschildert hat, als sie Chat-GPT ausgerollt haben. So, man muss dazu sagen, GPT, das ist das Modell dahinter, ne? Das kann man durch eine API, das heißt durch eine Schnittstelle ansteuern oder konnte man früher, kann man immer noch. Und da muss man so ein bisschen, ganz wenig Technik für können, ne? Oder man muss eine Applikation haben, die das kann. Und mit Chat-GPT, das kennen die meisten von uns, das ist halt ein Chat-Interface, wo man was reingebt und kriegt, kriegt dann eine Antwort. Und als sie das ausgerollt haben, wurden die komplett, komplett überrannt.
Nils: Ja.
Amanda: Die hatten da nicht mit gerechnet. Alle ihre Server down, ne? Also die haben da wirklich, also die waren komplett im Seich, im Aufschwitzel-Deatsseit. Also die haben echt, die wussten nicht mehr wohin mit ihrer Kapazität. Und das Interessante daran ist, dass man, sie behaupten ja, dass sie nach, dass sie AGI bauen wollen. Und dann oft kommen die dann auch mit irgendwelchen Wahrscheinlichkeiten, dass sie so und so wahrscheinlich, dass wir das in diesem und diesem Jahr bauen werden. Und dann sowas Banales wie Chat-GPT, konnten sie nicht vorhersehen, was das für ein Erfolg sein würde für die Menschen. Ist so ein bisschen, okay, also die, ich sag mal, die Prognosefähigkeit dieser Firma stellt das so ein bisschen in Frage. Und ja, mit Chat-GPT kam dann eben auch, ich sag mal schon so, der allgemeine Bekanntheitsgrad und ab dann sind auch die Kosten explodiert. Also irgendwie Schätzungen sagen, dass sie pro Tag nur für die Compute-Kosten sind das 700.000 Dollar pro Tag, die das kostet seit Chat-GPT.
Nils: Da kenne ich, glaube ich, sogar größere Zahlen schon mittlerweile, aber ja.
Amanda: Okay, ja, ja, kann sein.
Nils: Aber wahrscheinlich stand vor einem Jahr, wenn das Buch geschrieben wurde und das wird ja nicht weniger.
Amanda: Ja, ja. Ich glaube, die Zahl bezog sich auch auf einfach dann, nachdem Chat-GPT gelauncht wurde. Das ist jetzt nicht, das ist jetzt auch schon ein bisschen herzett. Ja, ist nicht weniger geworden. Nee, bestimmt nicht. Das ist so ein bisschen die Geschichte mit diesem immer Scaling und immer mehr. Open AI hat auch, wie gesagt, ein paar Skandale dann gehabt. Einerseits eben diese, naja, diese ganze Geschichte mit irgendwelchen Child-Sex-Abuse-Material. Dann gab es eine Geschichte, wo die Mitarbeitenden, die die Firma verlassen haben, die mussten wohl ein Non-Disparagement-Agreement unterschreiben. Das ist ein, wie sagen wir das, nicht Verunglimpfungs-
Nils: Okay.
Amanda: Genau, also, dass du nicht schlecht über die Firma sprechen darfst, wenn du sie verlässt.
Nils: Okay.
Amanda: Weil wenn du es tust, dann hast du kein, darfst du deine Aktien oder deine Equity in der Firma, darfst du die nicht mehr verkaufen oder die wird dir dann weggenommen. Ist wohl sehr ein No-Go eigentlich in dieser ganzen Start-Up-Welt und wurde entsprechend dann auch als Riesenskandal angesehen, dass man das überhaupt so macht. Und zu Recht auch, weil wenn sich eine Firma auf eine wohlwollende Technologie einschießt, die sie entwickeln möchte, dann muss sie natürlich auch kritisierbar bleiben und sein. Sei es von Mitarbeitenden oder sonst wem. Deswegen ist das natürlich ein absolutes, das geht nicht. Und andere Skandale waren dann eben mit Altman, der dann gefeuert wurde. Also da haben, der Grund war wohl, dass der sehr manipulativ war. Der hat sehr oft die Dinge verdreht, die Personen ihm gesagt haben, Dinge verschwiegen und so weiter, sodass dieses Board, also Open Air hat wie ein unabhängiges Board, das eigentlich auch diese Mission überwachen soll. Und man hat sich da zu Beginn auch immer mitgerühmt, dass man eben auch den CEO feuern kann, wenn das nötig ist, wenn der jetzt plötzlich diese Mission gefährdet. Und dieses Board hat dann eben entschlossen, dass man auf einen feuern muss und plötzlich, also das war dann auch irgendwie ein riesen Tumult. Und nach ein paar Tagen sind dann gewisse Board-Member plötzlich wieder umgekippt und wollten ihn dann doch wieder zurück. Und nach einer Woche war er dann wieder da. Ja, hat dann das Ganze nicht unbedingt stabiler gemacht, hat dann auch gewisse Personen, ich sag mal, aus der Firma rausgetrieben, die sehr maßgeblich dafür verantwortlich waren. Unter anderem ist die ganze Safety-Abteilung, diese Sicherheitsabteilung immer, immer weiter geschrumpft. Also Open Air hat immer schneller Dinge veröffentlicht, diese Vorsichtsmaßnahmen oder Kontrollmechanismen, die man in der Regel hat, bevor man irgendetwas, ich sag mal, auf die Allgemeinheit loslässt, die wurden immer weiter abgebaut und immer weiter vernachlässigt. Und ein weiterer Skandal, der dann vor letztes Jahr, war das, entstanden ist, dass es als Open Air ein Sprachassistent oder eine Assistentin rausgebracht hat und diese Stimme eigentlich von Scarlett Johansson gerne gehabt hätte wohl. Sam Altman war wohl sehr Fan von diesem Film Her, wo Scarlett Johansson eben so eine künstliche Intelligenz vertont. Sie hat dann das aber abgelehnt und dann haben sie am Schluss irgendeine andere Stimme genommen, die aber sehr, sehr ähnlich klingt und das war dann auch so ein bisschen Skandal, der auch sagt…
Nils: Ich finde dieses, also Her ist ja wirklich ein verstörender Film. Ich weiß nicht, ob du ihn gesehen hast, ich habe ihn damals im Kino gesehen. Das ist ein extrem guter, aber verstörender Film und es gibt immer so diese Geschichte, die Science Fiction schreibt Geschichten darüber, wie der Torment Nexus die Welt zerstören wird und der Silicon Valley sagt, Oh ja, lasst uns eine Torment Nexus bauen. Die missverstehen die Warnung als Anleitung. Absolut.
Amanda: Genau so ist es, so ist es mit Her und so ist es wohl auch, also Altman muss wohl auch ein Wahnsinns-Fan von diesem Manhattan Project gewesen sein, Fan im Sinne von auch der Film Oppenheimer, der ist auch jetzt noch nicht so alt. Die haben dann auch immer zusammen geschaut und auch da, also sie sehen wie so die Gefahr, aber das wollen das um jeden Preis bauen und vergessen dann, dass auch diese Oppenheimer, der die zweite Hälfte seines Lebens eigentlich damit gehadert hat, dass er das überhaupt ermöglicht hat. Das wird dann wie ausgeblendet.
Nils: Aber es ist ja in dem Film, kommt es ja eigentlich sogar rüber, also das thematisiert das Jose da, es geht um nichts anderes in diesem Film. Ich weiß nicht, wie man den gucken kann und irgendwie mit einer Verherrlichung da rauskommt.
Amanda: Ich weiß nicht, auf jeden Fall haben sie das geschafft.
Nils: Man könnte jetzt, könnte jetzt kätzerisch sagen, spricht nicht für ihre Intelligenz.
Amanda: Naja, also ich, es ist schon, ja, wenn man, ich sag mal dieses, das Buch wird zum Teil auch sehr persönlich, im Sinne von, es porträtiert auch diese Personen sehr intim. Okay. Zu Sam Altman auch, ich finde es ein bisschen schwierig, das zu, ihnen zu fassen, so wie sie beschreibt, er sei wohl ein sehr guter Zuhörer auch, er konnte sehr, sehr viele Menschen auf seine Seite ziehen. Das kann man natürlich als manipulativ betrachten, das kann man aber auch, ich sag mal, also das kann einfach auch eine gute Charaktereigenschaft sein, dass man es schafft. Deswegen, es ist ein bisschen schwierig. Es kommt dann auch eine Geschichte mit seiner Schwester da mit rein, die ist wohl ein bisschen, ich sag mal, auf die schiefe Bahn geraten in ihrem Leben, musste dann auch Sexarbeit machen. Und das ist halt so ein bisschen schräg, weil Sam Altman natürlich extrem viel Geld gehabt hätte, um sie zu unterstützen. Also sie musste das machen, weil sie einfach prekär in einer prekären Lebenssituation war. Und es wird aber auch, und das finde ich, macht die Journalistin gut, die Autorin, sie macht das sehr differenziert. Sie sagt jetzt nicht, man hätte und so und so, sondern sie sagt, das ist halt wie nicht ganz klar. Also diese Schwester hat wohl eine sehr schwierige Geschichte. Sie klagt Sam Altman danach an und sagt, dass er sie sexuell belästigt hätte, als sie ein kleines Kind gewesen ist. Also es kommen danach wie solche Dinge da vor. Und es ist einfach schwierig zu durchblicken. Also ich will mir da jetzt nicht anmaßen, da irgendwas zu sagen zu können. Das sind schwierige Situationen und die Familie scheint das argumentiert so, dass sie eben der Schwester immer wollte, dass sie auf eigenen Beinen stehen kann. Also nicht die einfach Geld so geben. Und gleichzeitig, ja, klingt das natürlich trotzdem seltsam, wenn dann, ja, ich weiß nicht genau, wie das ist. Ich finde es auch ein bisschen, ja, ich habe das jetzt gelesen, aber ich würde mich da immer so ein bisschen abgrenzen von dieser persönlichen Sicht auf diese Menschen.
Nils: Vor allem auf die nicht so richtig Beteiligten.
Amanda: Ja, genau. Ja, das ist so ein bisschen zur Geschichte von Open AI. Jetzt die Ideologie dahinter ist, haben wir ja schon gesagt, das ist dieses ein bisschen der, fast schon der moralische Imperativ. Diese AGI zu entwickeln, mit dem Gedanken, dass diese AGI der Menschheit auch hilft. Und was sich da, ich glaube, das hast du auch im ersten Podcast der Serie erwähnt, ist es mit Boomers and Doomers.
Nils: Ja.
Amanda: Bin ich mir sicher.
Nils: Ja, ja.
Amanda: Genau, also es gibt dann wie so, ich sage mal, die Personen, die das möchten, dass das entsteht, teilen sich dann so in die zwei Lager. Ja, die Boomers sehen diese allgemeine künstliche Intelligenz als ein bisschen das Heilsversprechen an, der eben Wohlstand für alle und löst alle Probleme. Und die Doomers sind halt so ein bisschen, sehen das Risiko. Ja. Auch, dass diese KI potenziell die Menschheit auslöschen kann.
Nils: Aber wollen tun sie so trotzdem. Also das ist immer das Spannende dabei.
Amanda: Ja, ja, ja. Genau. Also diese Boomers und Doomers, die konzentrieren sich dann auch immer in diesen, ich sage mal, in diesen Firmen und Unternehmen, die AI entwickeln. Also das, sie wollen das beide, aber die einen sehen halt das ein bisschen pessimistischer oder sagen, man muss das auch irgendwie kontrollieren. Und eine Form, die dann sehr prominent wurde, ist, dass man in dieser Ideologie von Effective Altruism, ich weiß nicht, ob du, ja, das ist auch so ein Silicon Valley, wurde da ein bisschen geboren. Eine Art von, eine Bewegung, sage ich mal, die eigentlich altruistisch sein soll, aber, oder ist, im Sinne von, dass man versucht, das größtmögliche Wohl für alle zu erreichen. Es klingt eigentlich sehr utilitaristisch, meiner Meinung nach. Was, ich denke, der Unterschied ist, dass es sich eben auch auf Dinge bezieht, die halt im Moment noch nicht konkret sind. Also sie argumentieren dann mit diesem Expected Value, das ist so ein Konzept, das besagt, wie wahrscheinlich ist etwas, die Eintretungswahrscheinlichkeit eines Events und sozusagen der Effekt, den der Event hat, also ist das positiv oder negativ.
Nils: Ja, Erwartungswert.
Amanda: Und wenn man das, Erwartungswert, genau, wenn man das multipliziert und je höher, desto, ich sage mal, desto dringender ist das. Und eines dieser Probleme, die dann von diesem Effective Altruism erkannt wurde, ist eben diese Rogue AI, also diese bösartige künstliche Intelligenz, die dann die Menschheit zerstört. Und die muss man dann eben möglichst verhindern. Und da wurden Millionen, also Millionen von Dollars dann gespendet, um eben diese AI zu verhindern. Es ist so ein bisschen, ich finde das ein sehr zweischneidiges Schwert. Ich finde, wenn man dieses, grundsätzlich dieses Effective Altruism finde ich nicht so schlecht. Auch die Idee, dass man Geld so spendet, dass es auch einen großen Nutzen am Schluss bringt und nicht einfach, wo man gerade Lust hat, sage ich mal. Oder was einem sympathisch ist, das verstehe ich irgendwo noch.
Nils: Ja, das klingt erstmal sehr rational, vernünftig.
Amanda: Und gleichzeitig ist es, wenn man das sich dann weiterdenkt, also ein Imperativ ist dann ja, möglichst viel Geld zu verdienen, weil man ja auch möglichst viel Geld spenden kann. Das klingt halt einfach so ein bisschen eine Absolution für das ganze Silicon Valley Mindset. Also ja, ich mache mal alles kaputt und fülle mir die Taschen und dann kann ich es ja immer noch im Nachhinein für einen guten Zweck ausgeben.
Nils: Ja, da steckt ja auch noch dieser Gedanke hinter, du hast das gerade schon angedeutet, ich wollte es noch mal ein kleines bisschen deutlicher machen, dass es sozusagen nicht um uns jetzt primär geht, sondern um die Billionen von Menschen, die es in Zukunft irgendwann geben wird, wenn wir das komplette Universum besiedelt haben. Genau. So, und für die müssen wir dann das Gute wollen, wenn ich diesen Erwartungswert berechne, das ist vielleicht nicht wahrscheinlich, dass das passiert, aber es sind so unendlich viele Leute, dass das dann unser jetziges Wohl irgendwie übersteigt. Und ob da jetzt irgendwie 10.000, 100.000 Menschen im globalen Süden Hungers sterben oder ausgebeutet werden dafür, das spielt dann eigentlich keine Rolle.
Amanda: Genau. Ja, es ist schon absurd, wenn man sich so durchdenkt. Ja, diese, ich sag mal, diese Angstmacherei, die hat sich dann auch sehr ins Politische gezogen, also diese ganzen Tech-Menschen haben wohl sehr viel Einfluss auch auf Policymaking. Jetzt nicht nur, also sie beschreibt das ein bisschen in den USA, wie das da zustande gekommen ist, aber es ist wohl dann auch schon auf die EU übergeschwappt. Ein Narrativ ist immer so die Angst vor China, wir müssen das schaffen, bevor China das macht. Aber auch so gewisse Argumente wurden dann übernommen, die gar nicht unbedingt Sinn machen. Also beispielsweise werden, wird dann so die Art von gefährlicher AI wurde dann quantifiziert mit 10 hoch 26 Flops. Ein Flop ist ein Floating Point Operation, das ist einfach eine Maßeinheit, wie man die Rechenleistung quantifizieren kann. Und 10 hoch 26, das ist eine riesige Zahl, die aber komplett arbiträr ist. Ja. Ein bisschen, nicht komplett natürlich, aber irgendwie schon so. Die EU hat dann das ein bisschen restriktiver gemacht, hat dann 10 hoch 25 Flops genommen. Und das ist wie so, das wirkt so ein bisschen verzweifelt, weil ich sage mal, Personen, die sich damit auskennen, sagen danach, ja, das hat überhaupt keinen Zusammenhang mit dem Risiko. Die Rechenleistung per se ist nicht, das korreliert nicht per se mit dem Risiko. Das heißt, einfach eine Zahl zu nehmen, weil man so verzweifelt irgendeine, ich sage mal, eine Regulation aufbauen muss, das wirkt so ein bisschen, ja, es ist einfach nicht professionell.
Nils: Ja.
Amanda: Das ist irgendwie, zeigt auch ein bisschen den Einfluss, den diese Tech-Leute haben, weil die Zahl stammt ursprünglich von ihnen. Das wurde einfach eins zu eins übernommen.
Nils: Klar, weil das sind ja die Experten, die haben ja Ahnung.
Amanda: Genau, genau. Ja, und da wird natürlich auch sehr viel Lobbying gemacht und ich habe jetzt erst kürzlich, habe ich ein Video gesehen, wie diese Leute da bei Trump am Tisch sitzen und irgendwie da ihm einfach so sich anbiedern. Und er sitzt da und wartet, bis da jeder dieser Typen da gesagt hat, wie toll, dass er ist und wie glücklich, dass er ist jetzt da unter seiner Präsidentschaft weiter.
Nils: Da gab es doch auch diese Szene, wo irgendwie Trump gefragt hat oder ich weiß nicht mehr genau, auf jeden Fall sagte Zuckerberg, wie viel Geld sie jetzt in Zukunft irgendwie investieren wollen. Ich weiß nicht, ob das KI war. Und er sagte dann irgendwie 600 Milliarden Dollar oder was das war, also auch eine unendlich absurde Summe. Und dann war das Mikrofon noch an, als er dann irgendwie ins Gespräch mit Trump ging und dann sagte Zuckerberg zu Trump halt, ja, ich wusste nicht, welche Zahl du hören wolltest, so ungefähr.
Amanda: Oh mein Gott. Ja. Also es ist auch, man muss auch sagen, wenn man diese Zahlen liest, ich kann die auch nicht in ein Verhältnis setzen. Ich verstehe auch gar nicht mehr das Ausmaß von diesen Skalen. Ich finde das sehr schwierig.
Nils: Ja.
Amanda: Jetzt das letzte, der letzte Punkt, den ich noch machen möchte, ist ein Thema, das sie schneidet, ist der Ressourcenverbrauch von natürlichen Ressourcen. Also sie beschreibt, wie diese großen Server Farmen von diesen Hyperscalers, also das sind, ich sag mal, das sind wirklich Fußballfelder voll Gebäuden, die einfach vollgepackt sind mit Rechenpower. Und Servern, ja. Und Servern, genau. Und das braucht natürlich extrem viele Ressourcen, das überhaupt zu bauen. Also so Chips, die brauchen Silizium, die brauchen aber auch viel Kupfer zum Beispiel. Kupfer wird in Chile abgebaut, die brauchen viel Lithium, Lithium wird auch in Chile abgebaut. Deswegen porträtiert sie da auch in Chile einerseits ein paar Menschen, die damit zu tun haben. Diese Server Farmen brauchen aber auch Land und Energie und vor allen Dingen auch Wasser. Und deswegen sind diese Firmen auch immer auf der Suche nach Orten, wo sie das finden, zu möglichst günstigen Preisen und möglichst ohne eine Bevölkerung, die da aufmuckt. Und so porträtiert sie das, wie das in Chile und in Uruguay wohl der Fall war, wie die da hingekommen sind und das bauen wollten und sich dann auch die Menschen gewehrt haben. Und beispielsweise ist es auch so, dass der Energieverbrauch, der wird nie quantifiziert richtig. Und das wird dann so als Geschäftsgeheimnis gehandhabt. Das gleiche übrigens mit dem Wasserverbrauch. Und beim Energieverbrauch, das ist so ein generelles Problem. Und das sagt auch Timnit Gebru, das ist eine Forschende, eine Forscherin, die, ich glaube sie war bei Google.
Nils: Ich meine auch, ja.
Amanda: Und hat dort auch die Forschungsabteilung geleitet. Und früher war das wohl so, dass man sehr offen auch Forschung gemacht hat und publizieren konnte und durfte, ohne da, dass man, wie sagt man, geschweigt, verschweigt, zum Schweigen gebracht wurde.
Nils: Ja, genau. Verschliegenheit war das andere Wort wahrscheinlich, was du besucht hast.
Amanda: Ja, ja, nee, ohne dass sie da plötzlich nicht mehr das machen durften, weil aus irgendeinem Grund. Und sie sagt auch, es sei sehr, sehr schwierig, da zu Zahlen zu kommen, weil egal, wie man anschreibt, die geben das nicht preis. Sagt natürlich schon ein bisschen was darüber aus, dass sie wahrscheinlich was zu verheimlichen haben. Und das macht das Ganze aber sehr schwierig, weil man es eben nicht so gut quantifizieren kann. Und beim Wasser ist es wohl ähnlich. Und ich weiß nicht, ich glaube in Uruguay war es so, dass man, dass dann die Bevölkerung sich wirklich so dagegen gewehrt hat und sie auch dann der Regierung gesagt hat, sie müssen das offenlegen. Das kann nicht sein, dass das unter Verschwiegenheit gehalten wird, bevor das gebaut wird. Und dann hat sich herausgestellt, dass sie tausend, dass das Zentrum, also dieses Serverzentrum tausendmal mehr Wasser gebraucht hätte, als das ganze, die ganze Stadt oder das ganze Dorf, wo es gebraucht wird, pro Jahr. Also stell dir das mal vor, wenn du, und diese, diese Server, die brauchen Trinkwasser. Ja, ja. Das ist, das war den, das war den Menschen nicht bewusst davor, ne. Also das, das, die, wegen der, wegen dem Reinhardtsgrad, das darf dann auch nicht verstopfen und so weiter. Das muss gute Qualität von Wasser sein. Und in einem Ausmaß, das, wie sollst du das denn zur Verfügung stellen, ne. Und sie beschreibt dann das auch, dass das eben auch in Ländern war, die dann sehr von Trockenheit betroffen waren und so weiter. Und das ist natürlich, also das ist komplett gegen, gegen den Willen der Bevölkerung ist, dass da sowas gebaut wird. Und auch dort, ich finde, die, die Menschen oder die Aussagen sind dann erstaunlich, , rekonziliant eigentlich, ne. Also die sagen irgendwie, ja, das Problem ist gar nicht unbedingt das, aber wir kriegen halt gar nichts zurück. Also sie bauen das, sie verbrauchen die Ressourcen, sie schaffen keine Arbeitsplätze, ne. Solche großen Zentren schaffen sehr, sehr wenige Arbeitsplätze. Auch die, die ausgeschrieben wurden, waren dann zum Beispiel auf Englisch ausgeschrieben, also nur Personen, die Englisch konnten. Ja. Ja, steht aber in einem Land, das Spanisch spricht. , und das sei halt wie, ja, sei das große Problem, ne. Und dann kommen sie mit irgendwelchen Kompensationen, Google hat dann irgendwo einen Park gebaut, äh, an einer Stelle, wo niemand je hinkommt.
Nils: Ja, super.
Amanda: , und also die, Karen Howe ist dann den auch anschauen gegangen, da hat gesagt, da standen zwei vertrocknete Bäume und es ist wie so.
Nils: Ein Park.
Amanda: Genau, die Leute wollen keinen Park, ne. Die wollen halt was anderes, wenn man, wenn man.
Nils: Wasser trinken, wäre besser.
Amanda: Korrekt. Ja, , und auch da natürlich, also warum das zustande kommt, ist natürlich, dass die, die Regierungen sind ein Stück weit auch gezwungen, solche Deals anzunehmen, weil es extrem viel Geld bringt.
Nils: Mhm.
Amanda: , und dann haben wir auch wieder die, ich sag mal, die gängige Praxis, , dass man halt den globalen Süden in dieser Hinsicht ausnutzt, , weil man, weil man kann.
Nils: Ja.
Amanda: Ja, das ist so ein bisschen, sind so die, die Hauptpunkte, , zum Schluss, ich find’s schon spannend, oder? Ich, , beim Lesen war mir das nicht ganz so bewusst, warum sie das Empire of AI nennt, aber wenn man sich so ein bisschen Hauptcharakteristika von einem Imperium rauspickt, dann passt das schon ganz gut, ne.
Nils: Ja. Ja.
Amanda: Also, diese Expansion, , auch die Machtkonzentration, also man will ja ein Monopol eigentlich bauen.
Nils: Ja.
Amanda: , sagt auch dann irgendwo, ist ein, ich glaub, ein Zitat von Peter Thiel, das ist auch so ein, ein Tech-Guy.
Nils: Ja.
Amanda: Der sagt, ne, diese ständige Innovation, wenn du was machst und ein anderes Unternehmen macht Innovation in dem gleichen Bereich, das hilft zwar der Bevölkerung oder der Gesellschaft, das hilft dir aber nicht als Unternehmen.
Nils: Ja.
Amanda: , ja, macht Sinn, ne, aber ist halt die Frage, was man, was man gerne hätte. Ja, und auch die ganze, diese Ideologie dahinter und auch diese kulturelle Hegemonie, ne, diese Sprachmodelle, da ist ein, ein einstelliger Prozentsatz vom Input ist nicht englisch. Ja. , und so weiter. Also, das, es passt gar nicht so schlecht, dieser Titel Empire of, of AI.
Nils: Okay.
Amanda: Ja. Was denkst du dazu?
Nils: Bist du, bist du durch sozusagen? Ich bin durch. Du bist durch, auf allen Ebenen. Ja, danke für die, äh, dafür, dass du uns das, äh, das Buch vorgestellt hast. , noch eine weitere spannende Perspektive, glaube ich, auf, äh, auf das Thema KI, jetzt auch so im Rahmen unserer Reihe, ne, letzte Episode, äh, von Holgers Buch, äh, Live 3.0, oder was Holger vorgestellt hat. Das war ja eher so ein bisschen philosophisch, äh, sehr Meta. Und ich glaube, jetzt gucken wir einmal, haben wir einmal so reingeguckt in die, in die dreckige Realität sozusagen. Das finde ich immer einen schönen, schönen Kontrast. Danke dir dafür. , ich hab jetzt thematisch gar nicht so viel zu ergänzen. Ich kann halt noch so ein paar, paar Lesetipps, äh, dazu geben. Ich bin ja in dem Thema schon, schon so ein bisschen drin. , als Episoden jetzt aus, also abgesehen jetzt von den anderen beiden KI-Episoden oder auch von dem, äh, was ist das? The Eyes of Our Master von, , Pasquinelli. Ich glaube, es war Episode 88. Da habe ich jetzt vor allen Dingen zwei nochmal rausgepickt, die, glaube ich, nochmal ganz guten Kontrast geben, oder Kontext geben. Dieses Thema, , Imperialismus, äh, Ausbeutung des globalen Südens. Da haben wir ja die Episode, ich weiß jetzt nicht, welches es ist, ich glaube, es ist 42, , zu Afrika-Infrastrukturen der Externalisierung, äh, wo ich dieses, das Sonderheft sozusagen von dem Architekturmagazin vorgestellt hab. , da muss ich dran denken, wo das einfach auch nochmal historisch eingeordnet wird, genau dieses, diese Entwicklung quasi, , die wir als, als globaler Nord, da ist es jetzt primär Europa, aber das lässt sich ja ausweiten, , eben gerade mit, mit Afrika jetzt im Speziellen. Aber warum sollte sich das nicht auch auf, äh, auf Mittel- und Südamerika übertragen lassen, vom, vom Argument her haben. Und die zweite Episode, habe ich gerade nun mal auch nicht im Kopf, ist von Corridor Road Chokepoint Capitalism. Da musste ich jetzt ganz am Ende dran denken, wo du sagst, ja, es ist halt dann im Endeffekt auch ein Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Das ist ein marktlicher Wettbewerb. Es geht nicht darum, irgendwie die Gesellschaft besser zu machen, , sondern es geht darum, das Unternehmen abzusichern. Und da haben gerade in, in der Tech-Branche gibt’s halt diese, diese Strategie des, des Chokepoints quasi, also zu sagen, , ich hab einfach, mein, mein Monopol ist so groß und so gefestigt, dass mir einfach keiner was kann. Und dann ist mir auch sämtliche Regulierung egal, dann finde ich Regulierung sogar gut, weil ich hab die Ressourcen, die zu bedienen und die abzu, und das zu bezahlen. Irgendwelche Startups, die was Neues versuchen in meiner Branche, aber nicht. Und die muss ich mir also schon mal keine Gedanken mehr machen. Also das fand ich auch nochmal einen ganz, ganz spannenden Punkt. Also hier so zwei, äh, Seit, Seitwege sozusagen, die ich hier auf jeden Fall noch, noch reingeben möchte. , dann haben wir einige Sachen zum Thema, du hast es angesprochen, dieser Ideologie, da gibt’s ja dieses kürze Tescreal, das hab ich wahrscheinlich in meiner Episode, , zu, äh, wie hieß das Buch, äh, der Icon auch schon erwähnt. , da geht’s genau um diese, eine Effective Altruism-Ideologie, die irgendwie so einen ganz perfiden, rationalistischen Blick auf die Welt hat, wo man auch so das Gefühl hat, die sehen eigentlich so den biologischen Menschen, der wir jetzt sind, nur so als Zwischenstation auf dem Weg zu irgendwelchen Cyborgs. Oder zu irgendwelchen künstlichen Intelligenzen, die dann die Weiten des Raumes, äh, entdecken. Also das ist auch irgendwie so eine ganz, ganz seltsame Perspektive. Äh, ich hab noch einen Artikel, den hab ich, glaub ich, bei Icon auch schon vorgestellt. Da ist ein Guardian, der ganz schön genau diese Moderation zeigt. Aber nochmal einen ganz spezifischen Aspekt von dieser Moderation, den du sagtest, weil sich nämlich, ne, dadurch, dass, ich glaub, Nigeria war’s, ist ein ganz zentrales Land eben bei einem dieser KI-Modelle für die, für die Generierung von, äh, für die Moderation von Inhalten. Und auch vor allen Dingen für die Bewertung von Output. Na, die halt sagen, okay, das war eine gute Antwort, das war eine schlechte Antwort. , und dass sich das wohl darin zeigt, dass in den Chat-GPT, äh, aus, ich weiß nicht, ob es Chat-GPT ist, irgendeines dieser Modelle, äh, in den Outputs halt so nigerianische Sprachmanierismen finden. , weil die halt, ne, da gewertet werden. Und was jetzt aber dazu führt, dass Texte, die diese Sprachmanierismen haben, von irgendwelchen KI-Erkennern, als KI-generiert erkannt werden. Was jetzt natürlich wieder dazu führt, dass Texte, die in dem echten nigerianisch geprägten Englisch verfasst werden, häufiger als KI-generiert erkannt werden. , das ist auch wieder, ne, da haben wir auch wieder eine rassistische Dimension drin, also struktureller Rassismus, nicht persönlicher Rassismus. , dann habe ich natürlich noch den Elementalist-Effekt, das ist auch ein sehr schöner Artikel, darüber, warum wir, wenn wir sinnvollen Text lesen, glauben, dass da jemand Intelligentes hintersteht, der diesen Text geschrieben hat. Also, wir lesen Intention in Sprache rein, wir versuchen zu verstehen, was wollte der da sagen, , und das ist halt ein Effekt, den sich, äh, gerade diese Sprachgenerierung zunutze macht, da hatten wir es am Anfang ja auch von. , genau, was habe ich noch? Ein Roman habe ich letztens gelesen, tatsächlich auch zufälligerweise, , wo es genau um diese Organisation der Arbeit ging, von der du sprachst, um diese Moderationsarbeit, das ist Automaton von Berit Glanz. Das ist ein deutscher Roman, , die eben genau das Leben einer alleinerziehenden Mutter, glaube ich, ist es, zeigt, die genau ein solches Leben lebt, , genau diese Aufgaben macht, genau diese, äh, das ist der Amazon Mechanical Turk, ne, das ist die, die rassistische Bezeichnung, äh, dieser Arbeitsweise. , aber Automaton ist im Grunde die, die Neutralisierung, also die, die nicht rassistische Bezeichnung, , das gleiche Gedanke. Und dann, als letztes, äh, ihr merkt, ich lese viel zu dem Thema, , der Newsletter von Ed Citron, äh, der schreibt unglaublich lange Artikel, also, der schreibt irgendwie jede Woche einen Artikel, der bei manchen anderen irgendwie schon fast ein Buch wäre. , und der rekonstruiert hat vor allen Dingen die wirtschaftliche Seite, gerade hinter OpenAI und was investieren die eigentlich gerade und wie realistisch sind Umsatzerwartungen und was passiert eigentlich, wenn die irgendwie keine Kapitalrunden mehr einsammeln und da kam eben auch diese OpenAI-Zahl her. Ich glaub, die sind mittlerweile bei zwei oder drei Milliarden Dollar Kosten für Compute pro Monat und haben halt aber nur irgendwie, ich glaub, eine Milliarde Dollar pro Monat Umsatz. , und da sind alle anderen Kosten, wie Trainingskosten von neuen Modellen und so weiter, sind auch gar nicht eingerechnet. , und haben jetzt irgendwie, was ist das, bei Oracle haben sie jetzt für 350 Milliarden Dollar Compute-Kapazität bestellt für die nächsten fünf Jahre. , oder 250 Milliarden, ich weiß es nicht genau, irgendwie so eine, so eine, so eine Fantasiezahl, , und keiner weiß eigentlich, wie die jemals diesen Umsatz reinfahren soll, weil die nämlich, das fand ich bei dem Ed Citron Beitrag so spannend, die sind noch immer Non-Profit, rechtlich. Ja. Und die kriegen irgendwie so eine große, äh, große Finanzierungscharge nur, wenn sie bis Ende des Jahres kein Non-Profit mehr sind. Aber das sagen alle, das geht eigentlich nicht, weil die haben doch gar nicht erst dafür angefangen, das zu versuchen.
Amanda: Ja.
Nils: , also das, das ist auch einfach super spannend, wenn euch das Thema tiefer interessiert und ihr bereit seid, lange Artikel zu lesen, , schaut euch, äh, schaut euch, äh, Ad Citron’s Newsletter an, der ist da auch sehr, sehr lesenswert. So, jetzt hab ich mal wieder meine üblichen Empfehlungen rausgehauen. Hast du noch welche, Amanda?
Amanda: Äh, sehr gut. Ich hab eine Podcast-Empfehlung, weil die 29er, vielleicht kennt ihr den Podcast, im Salon das gleiche Buch besprochen haben, letzten Monat. Ja, ich hab, ich war da schon dabei, das zu lesen, , da kann man sich das auch noch ein bisschen von einer anderen Perspektive anhören, mit sehr viel mehr Meinung zu, , aber, ja, es ist ziemlich lang, äh, der Salon jeweils, äh, aber, ja, wenn man möchte, kann man, kann man das nochmal von einer anderen Seite, äh, sich anhören. Ich hab noch ein anderes Buch, und zwar, das, auf Deutsch heißt das, was das Valley Denken nennt, von Adrian Daub, da geht es auch ein bisschen so um, um, um dieses Mindset oder um dieses Geschäftsmodell, ne, von dieser Disruption und eben Breakthings und so weiter, äh, der das da ein bisschen beschreibt.
Nils: Das hast du auch selber gelesen schon?
Amanda: , ich hab’s gelesen, ja.
Nils: Okay, aber mir ist das immer noch so, das müsste ich eigentlich mal lesen.
Amanda: Es ist nicht so, es ist, äh, dünn.
Nils: Ja, ja, es ist, ich hab nur so viele Bücher, die ich eigentlich mal lesen wollen würde, äh, selbst wenn die noch so dünn sind.
Amanda: Das stimmt, , er hat noch ein anderes, das weiß ich gerade nicht mehr, äh, das liegt bei mir noch auf, auf der Lese, auf der Leseliste. Ja, auf jeden Fall, , da hat man auch so ein bisschen einen Einblick zu, wie das funktioniert. Ja.
Nils: Gut, äh, genau, zu dem Thema Tescreal kann ich euch auch noch, äh, irgendwie einen Artikel verlinken, den hab ich aber, glaub ich, bei AI-Con auch schon verlegt, insofern, , genau. Gut, hast du noch Punkte, die du mitgeben möchtest, uns mitgeben möchtest zu diesem spannenden Buch?
Amanda: Nein, ich bin gespannt auf die nächste Episode.
Nils: Gut, dann, , ja, vielen Dank, dass ihr zugehört habt, hier bei Episode 98. Das, das wird spannend, das wird spannend. Wenn ihr Episode 99 und natürlich dann auch die 100 und damit das große Finale unseres KI-Themen-Schwerpunktes nicht verpassen wollt, dann abonniert zwischen zwei Deckeln doch am besten auf der Podcast-Plattform eurer Wahl. , als Indie-Podcast freuen wir uns natürlich besonders über Podcasts ein, über Abonnements, einfach über den RSS-Feed. Wir brauchen keine großen Plattformen für dieses Medium, , aber ihr findet uns halt auch auf den Plattformen, weil sonst hört uns keiner. , das, äh, also Spotify. Spotify und so weiter, da könnt ihr uns abonnieren. Ihr könnt natürlich unsere Webseite aufsuchen, dirbtuve.de/zzd, da findet ihr alle relevanten Links. Und wenn ihr uns Kommentare hinterlassen wollt, könnt ihr das auf der Plattform eurer Wahl tun. Ich hab tatsächlich, , letzte Woche erst geschnallt, dass auf Spotify mittlerweile ernsthaft, äh, Podcast-Episoden kommentiert werden. , also könnt ihr uns da Kommentare hinterlassen. Auch da freuen wir uns über die Webseite natürlich auch ganz besonders. , und ihr könnt uns in den sozialen Medien ansprechen. Wir sind auf Blue Sky, sind wir, glaube ich, im Deckeln. Und auf Mastodon sind wir erreichbar unter atzzzd.podcasts.social. Ansonsten bleibt mir bis zu unserer nächsten Episode nur euch zu wünschen viel Spaß beim Lesen.
Amanda: Tschüss zusammen.
Quelle und so
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Der Beitrag 098 – „Empire of AI“ von Karen Hao erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.

Sep 4, 2025 • 1h 15min
097 – Life 3.0 von Max Tegmark
In Leben 3.0 betrachtet Max Tegmark die künstliche Intelligenz mit einem weiten Blick. Er sortiert sie als eine neue Form des Lebens ein, und spekuliert über mögliche Entwicklungen der Menschheit und Künstlichen Intelligenz in der Nahen und fernen Zukunft. Insbesondere betrachtet er auch Fragen, die sich aus dem Blick auf die Zukunft für heutige Entscheidungen zur Künstlichen Intelligenz ergeben.
Shownotes
Buch: „Leben 3.0“ von Max Tegmark (Verlagswebseite, deutsche Version)
Youtube: Cory Doctorow zu Enshitification
Serie: „Sherlock“ (BBC, Wikipedia), zum Thema, wie intelligente Wesen aus dem Gefängnis ausbrechen.
Buch: „Complexities“ von John Law und Annemarie Mol (Verlagswebseite)
Artikel: „Chatbot wird zum Unternehmer – und scheitert grandios“ (TagesAnzeiger, Paywall)
Buch: „Wenn die Sterne verlöschen“ von Isaac Asimov (Open Library)
Buch: „Das Drachenei“ von Robert L. Forward (Verlagswebseite)
Buch: „Computerdenken“ von Roger Penrose (Springer Nature Link)
Buch: „Hyperobjects“ von Timothy Morton (societyandspace.org)
Buch: „The Precipice“ von Toby Ord (80000hours.org)
ZZD015: „Roboterethik“ von Janina Loh
ZZD017: „Hello World“ von Hannah Fry
ZZD022: „Natural-Born Cyborgs“ von Andy Clark
ZZD037: „Im Wald vor lauter Bäumen“ von Dirk Brockmann
ZZD043: „Der erweiterte Phänotyp“ von Richard Dawkins
ZZD049: „The Collapse Of Chaos“ von Ian Stewart und Jack Cohen
ZZD064: „The Web of Meaning“ von Jeremy Lent
ZZD073: „Die unfassbare Vielfalt des Seins“ von James Bridle
ZZD088: „Das Auge des Meisters“ von Matteo Pasquinelli
ZZD096: „The AI-Con“ von Emily M. Bender und Alex Hanna
Quellen und so
Das Bild im Episodencover ist von Evgeny Ozerov.
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
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9 snips
Aug 14, 2025 • 1h 16min
096 - „The AI-Con“ von Emily M. Bender und Alex Hanna
Die Diskussion über die Schattenseiten der Künstlichen Intelligenz steht im Mittelpunkt. Automatisierung könnte zu schlechteren Arbeitsbedingungen und einer Ungleichheit in Sozialsystemen führen. Der Einfluss von KI auf Kreativität und Buchproduktion wird thematisiert, ebenso wie die ethischen Debatten dazu. Außerdem wird die Verbindung zwischen Arbeitsbedingungen und Demokratie erforscht. Abschließend werden die finanziellen Herausforderungen von KI-Modellen und deren Skalierbarkeit diskutiert, sowie verleihen unterschiedliche Perspektiven der Debatte zusätzliche Tiefe.

Jul 24, 2025 • 1h 7min
095 – „Vertrauensfragen“ von Ute Frevert
Ute Frevert rekonstruiert in „Vertrauensfragen – eine Obsession der Moderne“ die Veränderungen des Vertrauensbegriffs über die letzten Jahrhunderte. Sie verfolgt diese Entwicklung von den Anfängen, als man nur Gott vertrauen sollte, über die Romantik, die Vertrauen zur Grundlage der Liebesehe machte, bis hin zur heutigen Verwendung des Begriffs in Politik und Wirtschaft. Dabei zeigt sie, wie Vertrauen von einer privaten, intimen Gefühlshaltung zu einem universellen Werbewort geworden ist. Dabei plädiert die Autorin dafür, zwischen systemischer „Zuversicht“, die moderne Institutionen durch Verlässlichkeit und Transparenz schaffen, und echtem „Vertrauen“ zu unterscheiden, das nur in persönlichen, intimen Beziehungen seine Berechtigung hat.
Shownotes
Buch: „Vertrauensfragen“ von Ute Frevert (Verlagswebseite)
Buch: „Ehrenmänner“ von Ute Frevert (Deutsche Digitale Bibliothek)
Zu Eriksons Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung (kevinhall.at)
„Vom Pädagogik-Paradies zum Skandalinternat: die Odenwaldschule“ (wdr.de)
„Genossenschaftsbank“ (deutsche Wikipedia)
FAQ der Stiftung Warentest
ZZD063: „Epistemische Ungerechtigkeit“ von Miranda Fricker
ZZD069: „Wie Gefühle entstehen” von Lisa Feldman Barrett
ZZD080: „Verfassungsschutz” von Ronen Steinke
ZZD083: „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman
ZZD086: „Regeln“ von Lorraine Daston
ZZD089: „Arbeit. Macht. Missbrauch.” von Lena Marbacher
ZZD092: „Gekränkte Freiheit“ von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey
Buch: „Die Kinderwüste“ von Stefan Schulz (Verlagswebseite)
Buch: „Über Kriege und wie man sie beendet” von Jörn Leonhard (Verlagswebseite)
Buch: „Vertrauen“ von Niklas Luhmann (Verlagswebseite)
Buch: „Das Vertraute unvertraut machen“ von Zygmunt Bauman (Verlagswebseite)
Artikel: „The Department of Good Living“ von John Last im NOEMA Magazin
Buch: „Why trust science?“ von Naomi Oreskes (Verlagswebseite)
Buch: „Liars and Outliers: Enabling the Trust that Society Needs to Thrive“ von Bruce Schneier (Verlagswebseite)
Buch: „Treue“ von Hernan Diaz (Verlagswebseite)
Quellen
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Transkript
Music:[0:00] Music
Amanda:[0:16] Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Zwischen zwei Deckeln, dem Sachbuch-Podcast, in dem wir euch alle drei Wochen, ihr werdet es kaum glauben, ein Sachbuch vorstellen. Ich bin Amanda und ich habe heute Christoph mit dabei.
Christoph:[0:30] Hallo zusammen.
Amanda:[0:32] Hallo. Was steht bei dir gerade an, Christoph?
Christoph:[0:35] Ich habe es im Vorgespräch gerade schon gesagt, vor allen Dingen ganz viel Ehrenamtsvorbereitung, weil ich, also wenn der Podcast erscheint, ist unsere Ferienfreizeit schon vorbei, aber grundsätzlich fahre ich jetzt auf Ferienfreizeit und dafür ist immer viel vorzubereiten, viel zu tun. Ja, das mache ich gerade. Was machst du?
Amanda:[0:57] Ja, ich finde das immer sehr faszinierend, weil bei uns gibt es, also das gibt es wahrscheinlich schon, aber ich kenne das wie eigentlich nicht in der Schweiz, dass man das so macht, Ferienfreizeit. Deswegen finde ich das sehr, sehr cool, dass du das machst und dass es das gibt in dieser Form bei euch. Bei uns, ja, Ferien stehen jetzt dann auch bald an. Ich bin aber im Moment eher ein bisschen mit Nicht-Ferien beschäftigt. Ich muss eine Arbeit schreiben. Da geht es um Roboter und Intimität. Ich versuche da herauszufinden, wie Intimität, die sich ja in der Sozialwissenschaft, ist das ein Phänomen, das sehr unterschiedlich konzeptualisiert wird, wie sich das übertragen lässt auf die Robotik. Weil dort hat man ja eher so ein bisschen ein sehr, ich sag mal, kognitivistisches Credo eher und ja, ob sich das vereinen lässt. Deswegen lese ich ziemlich viele Papers darüber und ja, beschäftige mich ein bisschen mit dem Thema.
Christoph:[1:58] Es klingt auf jeden Fall total spannend. Ich habe ja für so Robotik auf jeden Fall so ein kleines Nebenfable, auch wenn ich es jetzt länger nicht bespielt habe. Das klingt richtig gut.
Amanda:[2:08] Ja, ist auch. Nur ich finde immer, wenn man dann so ein bisschen den Zwang zu hat, gewisse Dinge zu lesen, dann nimmt der Spaß daran proportional ab. Aber ja, das gehört dazu. Ja, heute stellst du uns was anderes vor und zwar das Buch Vertrauensfragen von Ute Frewert. Ute Frewert ist eine deutsche Historikerin. Sie ist im Moment Präsidentin der Max-Weber-Stiftung, hat aber früher an der Uni Bielefeld und in Yale gelehrt und war auch am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin Direktorin.
Christoph:[2:50] Genau. Ich habe vergessen, in die Schaunouts reinzuschreiben, dass das Buch bei C.H. Beck erschienen ist und von 2013, glaube ich, ist. Also ein bisschen älter, aber das ist ja bei so historischen Büchern vielleicht nicht ganz so schlimm.
Amanda:[3:03] Ja, das klingt auf jeden Fall sehr interessant. Vertrauen ist auch so ein Begriff wie Intimität. Da gibt es sehr viele unterschiedliche Auffassungen zu, würde ich mal sagen. Deswegen bin ich gespannt, was du uns erzählen willst. Machst du gleich das TLDL?
Christoph:[3:19] Ja, gerne. Die moderne Institutionen durch Verlässlichkeit und Transparenz schaffen und echten Vertrauen zu unterschreiben, das nur in persönlichen, intimen Beziehungen seine Berechtigung hat.
Christoph:[4:02] Ja, genau, das ist so der Aufriss. Ich muss für unsere Hörerinnen einmal ganz kurz sagen, ich habe es Amanda im Vorgespräch schon gesagt, ich habe hier leider relativ laute Bauarbeiten gerade bei mir zu Hause und genau, dagegen kann ich nichts tun und ich hoffe, es kommt auf der Aufnahme nicht so durch und vielleicht erwischen wir auch eine relativ ruhige Minute. Genau, ich gebe in der Postproduktion alles, das rauszufiltern, aber seht es mir im Zweifel nach, bitte.
Christoph:[4:30] Ja, also sie startet in das Buch mit der zentralen Ausgangsfrage oder Problemstellung, dass sie sagt, naja, Vertrauen mir ist so ein Satz, der unseren Alltag durchzieht, ohne dass so richtig erklärt wird, was damit eigentlich gemeint ist. Und sie stellt sich die Frage, warum eigentlich ausgerechnet an Vertrauen appelliert wird und nicht an zum Beispiel Glauben oder Zuversicht, Sympathie oder auch an den Eigennutz, sondern dass Vertrauen so im Zentrum steht. Und sie sagt, dass Vertrauen in unsere Alltagskommunikation also offensichtlich so natürlich ist, dass es nicht eigens erklärt oder begründet werden muss. Und sie geht dem Ganzen anders nach. Da vielleicht schon ein ganz kleiner Einschub, wie bin ich auf Ute Frewart gekommen? Ich habe mal das Buch Ehrenmänner von ihr gelesen. Im Studium war das bei uns Thema. Da beschäftigt sie sich mit dem Duell als Sozialform und wie sich das entwickelt hat und warum es dann irgendwann ausgestorben ist. Und weil so der Ehrbegriff entstanden ist. Und wir haben ja in Deutschland stark den Begriff der Würde auch. Und ich glaube, sie ist einfach so eine Gefühlshistorikerin und geht eben Gefühlen oder Begriffen so auf den Grund. Und das hat sie jetzt bei Vertrauen eben auch gemacht. Aber so bin ich auf sie gekommen und fand das irgendwie ganz, ganz spannend.
Amanda:[5:48] Das klingt interessant. Das Wort Ehrenmann, das ist, was bei uns ein bisschen lustig klingt, weil im Moment ist das so Slang bei kleinen, nicht bei kleinen Kindern, aber so ist es in Deutschland auch, dass man so sagt, bisschen Ehrenmann.
Christoph:[6:04] Also wir betonen es anders, aber ja, wir sagen das auch. Oder nicht wir, aber ja. Bestimmt die Jugendlichen, die ich ab dem Wochenende sehe, die ganz sicher. Das, was sie voranstellt auch im ersten Kapitel ist, dass Vertrauen erstmal nicht universal ist. Also genauso wie Liebe ist auch Vertrauen von soziokulturellen Rahmungen abhängig und was wir heute unter Vertrauen verstehen, unterscheidet sich dann doch irgendwie erheblich von früheren Epochen.
Christoph:[6:31] Was Sie ganz spannend findet und das finde ich auch spannend, deswegen habe ich es mitgenommen, ist, dass der Begriff in allen europäischen Sprachen existiert und im Englischen sogar doppelt als Trust and Confidence und dann eben mit unterschiedlichen Konnotationen. Also da meint es ja verschiedenes.
Christoph:[6:47] Und was auch noch ganz, ganz interessant ist als Vergleich, der Conman ist im Englischen jemand, der Vertrauen erschleicht, während die Vertrauensperson oder der Vertrauensmann in Deutschland deutlich oder im Deutschen sehr positiv besetzt ist. Also den Begriff gibt es überall, aber die unterschiedlichen Wertungen sind eben ein bisschen verschiedentlich und sie greift dann noch die Anwendungsbereiche des Vertrauens auf, das ist einmal Politik, also wir haben sowas wie die Vertrauensfrage im Parlament als Instrument politischer Kontrolle oder Legitimation und dann natürlich aber auch als Werbethema, darauf kommt es im letzten Kapitel stark zu sprechen, in der Wirtschaft ist es mittlerweile ubiquitär, also Konsumentscheidungen werden an Vertrauensappelle geknüpft.
Christoph:[7:29] Persönliche Beziehung, gerade zwischen Liebenden oder auch zwischen FreundInnen, ist es ein wichtiges Komplex und die übergreifende Frage, die sie sich stellt, ist, was Vertrauen zwischen den Liebenden mit dem politischen oder wirtschaftlichen Vertrauen eigentlich verbindet oder ob es da Verbindung gibt. Vertrauen kann als riskante Vorleistung, der Begriff kommt von Niklas Luhmann, den kennt ihr ja mittlerweile auch, sie war in der Uni Bielefeld, also ich glaube, sie hatte auch gewisse Verbindungen zu, leider macht sie den theoretischen Bezug in ihrem Buch nicht so stark, wie ich es mir gewünscht hätte, aber Luhmann sagt, Vertrauen ist eine Investition und eine riskante Vorleistung, die Früchte tragen soll, also es ist etwas, was ich einer anderen Person entgegenbringe, in der Hoffnung, dass sich das auszeigt gewissermaßen.
Christoph:[8:17] Und das ist ein kleiner Einschub von mir, Vertrauen geht da als moderner Mechanismus zur Komplexitätsreduktion. Wenn ich Vertrauen in die Welt gebe oder zu anderen Personen, dann muss ich mir nicht so viel Gedanken machen. Also ohne Vertrauen lohnt es sich nicht, morgens aus dem Bett zu steigen, beziehungsweise sie macht dann den Unterschied zwischen Vertrauen und Zuversicht aus, aber wenn wir gar kein Vertrauen oder keine Zuversicht in die Welt haben, dann müssten wir eigentlich gar nicht aufstehen und nur so kommen wir durch die Welt. Ja, natürlich hat es aber auch eine Gefühlsdimension und das ist insofern spannend, sie macht den Vergleich zum Lach-Yoga auf, wo sie sagt, naja, wir wissen mittlerweile, Aktionen können Gefühle hervorrufen und nicht nur Gefühle bringen Aktionen hervor. Also wir können lachen, wie beim Lach-Yoga und dann empfinden wir Freude, dadurch, dass wir lachen und nicht andersrum. Und das ist beim Vertrauen ein bisschen anders, weil es immer mindestens zwei Parteien braucht. Also ich kann mir selbst vertrauen, ja, aber auch da begegne ich mir ja spiegelbildlich. Es geht immer um das Verhältnis zu etwas anderem und selbst im Zweifel zu mir als etwas anderem.
Christoph:[9:27] Grundsätzlich kann man aber natürlich sagen, dass Selbstbeschreibungen Vertrauen immer als positive und wohlige Erfahrung beschreiben und genau, sie hat dann noch ein ganzes Kapitel zur Pädagogik, aber grundsätzlich kann man mal sagen, dass Vertrauen auch als etwas skizziert wird, was gelernt werden muss. Also es ist nichts, was uns einfach gegeben ist, sondern es ist ein, ja, also wir wissen oder wir haben es mittlerweile zumindest geframed, als dass Menschen, die nicht vertrauen können, auf jeden Fall in ihrer Persönlichkeitsentwicklung eine Beeinträchtigung haben. Das kann man, glaube ich, so sagen. Ja, das so zum Start erstmal und dann geht sie dazu über, vom 18. Jahrhundert aus Lexikon-Einträge zu vergleichen. Sie sagt, Lexikon-Einträge sind hervorragend, damit man skizzieren kann, was sich eigentlich in einer gewissen Epoche unter einem Begriff vorgestellt wurde. Und da startet sie eben 1746 und dort wird in einem Lexikon geschrieben, dass es Vertrauen nur unter wahren Christen gebe und zwar in ihrem Verhältnis zu Gott.
Christoph:[10:33] Anderen Menschen zu vertrauen scheint da noch relativ naiv, also nur Gott kann man komplett vertrauen und nur das ist wirklich belastbar, das mit den Menschen ist eher schwierig. Ein bisschen Ausnahmen gibt es, wenn man seinem Arzt, seiner Ärztin vertraut, das ist so ein bisschen anders. Finde ich dann ganz spannend mit diesem ganzen Kontext Halbgott, der Arzt als Halbgott. Ich weiß nicht, ob man da eine Verbindung ziehen kann, macht sie jetzt in dem Buch nicht. Aber es sind so Sachen wie, fällt das Vertrauen weg, so haben die Medikamente schon die halbe Kraft verloren. Aber das sind halt die wirklichen Ausnahmen.
Christoph:[11:06] Man solle nicht auf andere Menschen vertrauen. Das wird so ein bisschen mit religiösen Erneuerungsbewegungen anders. Die hatten ein bisschen lockeres Verhältnis zum zwischenmenschlichen Vertrauen und zwischen den Brüdern und Schwestern in brüderlichen Gemeinschaften, sowas wie Orden und so, gibt es dann die zärtliche, vertrauliche, übereheliche Liebe, die dann irgendwann einkehrt. Also da entwickelt sich das so langsam. Und dann im 19. Jahrhundert gibt es dann so eine wirkliche Abkehr von dieser religiösen Dominanz, sondern da kommt dann diese relationale Perspektive stärker raus, die ich gerade eben schon angesprochen habe. Also die Beziehung zwischen einem Kaufmann und einem Kunden wird hervorgehoben. Ein Kaufmann hat Vertrauen, wenn man ihm sein Geld und Geldeswert in gewisser Hoffnung, dass es sicher bei ihm sein werde, übergibt. In Klammern, er hat Kredit. Also da kommt so das erste Mal was Wirtschaftliches auf. Und trotzdem bleibt es aber nicht so ein rationales Kalkül, sondern es gilt weiterhin als etwas zum Wohlfühlen.
Christoph:[12:05] Und es wird auch ein bisschen aufgemacht, dass wenn jemand niemandem vertraue, dann bleibe diese Person einsam, kalt und lieblos. Und das gilt in dieser Zeit, also im 19. Jahrhundert, als das größtmögliche Unglück, weil der Freundschaftskult damals sehr groß war. Also Freundschaften waren super wichtig und Freundschaft ohne Vertrauen war dann nicht mehr denkbar. Und der vertraute Freund zum Beispiel war eine Tautologie. Also jemand, dem man vertraut ist, mit dem ist man automatisch befreundet. Und wenn man einen Freund, eine Freundin hat, dann vertraut man dieser Person auch. Sie macht nochmal den ganzen Punkt der nationalsozialistischen Instrumentalisierung auf.
Christoph:[12:45] Also wie gesagt, diese Vertrauensbeziehung zu Gott verliert an Dominanz und es entstehen schon davor und auch im 19. Jahrhundert entsteht sowas wie der Vertrauensarzt, der Vertrauensmann, das Vertrauensamt, der Vertrauensbeweis, die Vertrauensstellung, alles so Begriffe, die dann neu geschöpft werden. ähm, Und sie sagt, in der Zeit wird Vertrauen zum Lieblingswunsch der Moderne, weil es so viel Wohlgefühl für den Beschenkten als auch den, der es schenkt, bringt. So, das ist die Skizzierung da. Und dann, genau, ich habe gerade schon gesagt, nationalsozialistische Instrumentalisierung, da wird Vertrauen zu einer der wichtigsten Aufgaben der Erziehung. Natürlich ist damit aber nicht nur das Vertrauen untereinander gemeint, sondern natürlich vor allen Dingen das Vertrauen in den Führer, in Adolf Hitler. Das ist total wichtig, dass man in diesem Kontext irgendwie eine Führergefolgschaft an den Tag legt. Und in den Betrieben, ich bin ja nun auch Gewerkschafter.
Christoph:[13:50] Gab es schon länger das System des Vertrauensmanns, also einer Person, die man wählt von den Beschäftigten, die dann in den Konflikt treten kann oder in die Beratung mit der Geschäftsführung. Und das soll aufgehoben werden. Also es gibt dann Vertrauensräte, der Begriff bleibt, aber die sollen den Gegensatz von Kapital und Arbeit aufheben durch ein Band des persönlichen Vertrauens. Also das ganze Gegeneinander in einer marxistischen Lesart, in der modernen Arbeitsweise wird da aufgehoben quasi. Und ja, da wird der Begriff also ein Stück weit ausgehöhlt.
Christoph:[14:27] Und dann in der Nachkriegszeit, also ab den 1950er Jahren, gibt es nochmal eine grundlegend erneuerte Diktion und Vertrauen findet seinen Ort dann eher in der Familie, in der Ehe und in der Freundschaft und im Verhältnis von Arzt und Patient, das ist jetzt aus dem großen Brockhaus, also das Arzt-Patient-Innen-Verhältnis, das bleibt.
Christoph:[14:49] Und ja, genau, so langsam kehrt es dann auch als Vertrauen in Funktionssysteme ein, also im Berufsleben, Wirtschaftslesen.
Christoph:[14:58] Das Thema Vertrauenskrise in der Politik kommt so langsam auf, da geht das dann so ein bisschen los, dass es auch auf andere Funktionssysteme, das ist jetzt meine Lesart, übertragen wird. Und ab den 1970er Jahren gibt es dann noch so das ganze Thema Psychologisierung und Urvertrauen. Also Eriksson ist da glaube ich so der Pädagoge oder Psychologe, den man nennen muss. Das ganze Thema, das ursprüngliche Vertrauen im Verhältnis des Kindes zur Mutter ist so das, was aufkommt und das Urvertrauen als Grundlage für soziale Kompetenz und emotionale Sicherheit. Also im Prinzip zur Personenwerdung wird Vertrauen da ganz massiv angeführt. Und ohne Vertrauen seien Menschen nicht in der Lage, positiv zu denken und ein gutes Leben zu führen. Also das, was ich gerade eben schon mal angerissen habe. Ja, was auffällt, wir haben eine durchgängig positive Bewertung des Begriffs, auch wenn er sich so ein bisschen verschiebt über die Zeit, aber das bleibt.
Christoph:[15:56] Und wir haben drei Hauptbewegungen im Prinzip. Wir haben diese Säkularisierung, weil das Gottvertrauen sich ein Stück weit abschwächt und das Vertrauen in Menschen deutlich an Bedeutung gewinnt. Wir haben eine Expansion von den persönlichen Beziehungen auf entferntere, weniger intime Verhältnisse und die Psychologisierung. Also Vertrauen wird zur Grundlage der psychischen Gesundheit. Das sind so die drei Sachen, die man vielleicht rausnehmen kann. Alles anhand von Lexikon-Einträgen gearbeitet. Das muss man vielleicht ergänzend dazu sagen, weil ja, ich weiß nicht genau, wie prägend das für die ganz breite Bevölkerung im 18. und 19. Jahrhundert war.
Amanda:[16:37] Ich bin gespannt, ob sie jetzt so auch eine, also im Moment hast du einfach Begriffe oder den Begriff Vertrauen und die Verwendung des Begriffs genannt in unterschiedlichsten Kontexten und macht sie jetzt auch so eine eigene Definition, also sucht sie sich sozusagen den semantischen Gehalt daraus, den sie dann auch untersuchen möchte oder geht es wirklich darum, einfach Vertrauen als Begriff und der Wandel des Begriffes darzustellen im Buch?
Christoph:[17:02] Nee, es geht schon primär darum, die Entwicklung nachzuzeichnen. Also so einen eigenen Begriff, so benutzt man Vertrauen jetzt richtig oder so, das macht sie nicht so sehr. Sie hat am Ende auf jeden Fall die Kritik, die Unterscheidung, Zuversicht und Vertrauen drin und das Thema Funktionssysteme und persönliche Beziehungen. So, worum geht es denn eigentlich bei dem Begriff und was verwechselt man da? Das schon, aber sonst eher nicht. Sie geht dann weiter auf den Wandel des Vertrauens in Liebesbeziehungen und der Ehe ein. Sie zitiert ja ganz viel Wagners Lohengrimm, das kann ich nicht besonders gut wiedergeben, weil ich zum einen mit Opern, zum zweiten mit Wagner und so einfach nichts zu tun habe. Also für mich ist es, genau, zu mir spricht es nicht so richtig, deswegen gehe ich da nicht so richtig drauf ein. Aber genau, für die Interessierten da draußen, die Beziehung zwischen den beiden ist ein offensichtlich modernes Verständnis ehelicher Liebe und diese Liebe verträgt keine Geheimnisse und basiert auf Offenheit, Transparenz und wechselseitigem Vertrauen. Das vielleicht dazu wenn ihr die opa kennt dann sagt euch das sicher mehr als es jetzt mir sagt ich weiß nicht ob das ob das ein themenfeld für dich ist.
Amanda:[18:22] Ähm, nee, also nee, aus dem Schlegreif wüsste ich jetzt auch nicht. Aber ich weiß, dass es sehr, ich sag mal, wenn es um Vertrauen und Hochzeit geht, dann ist es auf jeden Fall die Musik, die man sehr oft dazu hört.
Christoph:[18:38] Naja, aber die Romantiker auf jeden Fall so um Friedrich Schlegel ging bei der Ehe dann so langsam von zwei selbstständigen Menschen aus, die sich einander ohne Wenn und Aber anvertrauten. Und ich würde sagen, das ganze Thema, man hat keine Geheimnisse voreinander, in einer Liebesbeziehung ist was, was sich gehalten hat. Ich würde sagen, das ist immer noch ein Ideal, was wir vorfinden.
Christoph:[18:57] Ich kenne, glaube ich, keine Beziehung zumindest, die besonders ohne, also die irgendwie, in denen das ganz normal ist, dass es keine, dass es Geheimnisse voreinander gibt. Also ich habe das Gefühl, das persistiert so. Weiß nicht, ob du da mitgehen würdest. Doch, doch. Ja, dass eine Ehe auf Liebe gründet, das war natürlich so bis zur modernen Ehe, keine Ahnung, irgendwann ab dem vielleicht in Teilen spätes 18. Jahrhundert, dann 19. Jahrhundert so langsam, das war überhaupt nicht vorgesehen. Also so eine Ehe wurde geschlossen, um Arbeit zu teilen, Vermögen zu mehren, Besitz zu vererben oder religiöse Fortschriften zu befolgen. Also Liebe, das vielleicht dazu, das hat… Also habe ich in meinem Studium gelernt, da habe ich einmal so ein umfangreiches Seminar zur Liebe belegt, war im Prinzip lange was, was den Reichen und Schönen vorbehalten wurde. Also wenn man Nebenbeziehungen führen konnte, die konnten dann liebevoll sein, aber so für die allgemeine Bevölkerung war das nicht unbedingt was. Das ist ein ziemlicher Luxus des Adels im Prinzip, Liebesbeziehungen führen zu können.
Christoph:[20:09] Gleichzeitig gab es natürlich Pflichten füreinander, also wechselseitigen Respekt und Fürsorge, das war schon gewünscht und vorgesehen, aber leidenschaftliches Begehren und Hingabe halt nicht. Aber dieses ganze Thema Pflichterfüllung zueinander ist auf jeden Fall was gewesen. Und dann im neuen romantischen Liebescode nahm Vertrauen dann eben einen zentralen Stellenwert ein und sich vertrauen, verloben, vermehlen, waren alle auch so relativ äquivalent zueinander, wie heißt das, synonym benutzt. Also sich vertrauen war das gleiche wie sich verloben, sich vermehlen, spannenderweise.
Amanda:[20:47] Ich finde das interessant, weil vorhin hast du gesagt, anfangs oder früher war das eher dann die Pflicht und da gibt es ja auch ein Vertrauen zu. Also man kann ja auch sozusagen darauf vertrauen, dass jemand seine Pflicht erfüllt. Und dann projiziere ich das Vertrauen zwar nicht auf die Person, aber auf das Regelwerk, in dem die Person handelt.
Christoph:[21:06] Das finde ich einen guten Punkt, stimmt. Ja, sehe ich auch so. Und das wäre dann vielleicht auch der Übertrag da rein, dass wir heute darauf vertrauen. Und da würde sie sagen, naja, ob das so richtig ist, dass unsere Straßenbahn zur Arbeit morgen wieder fährt. Und das ist vielleicht, ja, also ein Vertrauen in Regelwerke gibt es sicherlich, gab es sicherlich damals auch. Sie würde, glaube ich, sagen, dass sich das in der modernen Gesellschaft ausgeweitet hat, dass man früher weniger Vertrauen da reinsetzen konnte, dass die Welt morgen noch genauso funktioniert wie heute. Läuft ein bisschen konträr zu den Krisensemantiken, die wir so haben. Aber ich würde zumindest sagen, der Alltag, den wir so in den westlichen Gesellschaften bestreiten, auf den können wir relativ gut vertrauen, dass der so, dass der ganz gut läuft.
Christoph:[21:54] Wo war ich auch bei der Romantik? Klingt wie eine ganz anstrengende Phase, finde ich übrigens. So alles, was damals geschrieben wurde, als das losging und so, es klingt alles, ist ja auch immer alles sofort mit so, alles endet immer mit Suizid und nur Drama und fürchterlich. Also ich finde, es klingt wahnsinnig anstrengend. Die Frage, die sich natürlich bei der Romantik stellt, wenn man sich am Ende der Liebe, wenn sie dann verflogen ist, nicht direkt suizidieren möchte, dann ist ja ein bisschen die Frage, wie man sich, wie sich Gefühle auf Dauer stellen lassen. Wir können ja nicht uns alle umbringen, nur weil irgendwie die rosa-rote Brille abgesetzt ist. Also die Frage danach, was passiert, wenn die erste Leidenschaft weg ist. Und da ist dann Vertrauen irgendwie so ein maßgeblicher Faktor, den man einbauen soll. Und wenn man feststellt, dass das funktioniert, hat das doch einen Eigenwert und das ist toll, das kommt dann so raus und ja, das ist das, was kommt. Später kommt dann noch die Treue dazu, also ein bisschen, ich habe über Ehre und Würde gesprochen in dem anderen Buch. Treue und vertrauen liegen ja auch irgendwie nah beieinander und tauchen dann im 19 jahrhundert oft als synonyme auf mein ja dann jetzt heute aber auf jeden fall schon noch mal was anderes und das, Es geht da dann langsam los, aber dann ist es eben noch synonym verwendet.
Christoph:[23:21] Ich überlege gerade, wie ich gut weitermache. Ja, 20. und 21. Jahrhundert, da ist, glaube ich, nochmal zu sagen, die kameradschaftliche Treue zueinander, die wird nochmal hervorgehoben. Die gibt es natürlich parallel. Das ist dieser ganze Militärskult, den wir ja gerade hier im Wilhelminischen Deutschland auch stark hatten. Da ist das nochmal irgendwie wichtig und zentral. Und der liegt halt, der wird semantisch ähnlich benutzt. Sie meint aber natürlich, ist das irgendwie unterschiedlich. Wenn man zusammen mit jemandem in einem Schützengraben ist, dann bleibt ja nicht so richtig was anderes, als dieser Person zu vertrauen. Das ist was anderes als das Vertrauen, das wir in Freundschaften oder in der Liebe aufbauen. Weil das viel freiwilliger gewählt ist und deinem Soldaten, Kamerad, dir bleibt nichts, als dem zu trauen. Und genau, ihr seid beide treuer, geben dem Vaterland schön und gut, aber ihr seid da in einer Zwangssituation. Ja. Also die israelische Soziologin, die ganz viel zu Gefühlen arbeitet und ganz viel zu Liebe arbeitet.
Christoph:[24:35] Auf die kommt sie nochmal zu sprechen und sie meint, wir erleben jetzt das Gefühl in die Logik ökonomischer Beziehungen und Transaktionen eingepasst wird. Das Buch ist von 2013, das kann man jetzt sicherlich mit mit den Entstehungen von allen Dating-Apps und so nochmal, kann man sicherlich nochmal schärfer skizzieren oder könnte man. Und trotzdem besteht aber irgendwie der romantische Traum weiter fort. Also obwohl das alles so rational wirkt, bekennen sich Menschen weiterhin zum Traum der Romantik, dass das auch der ihre ist. Zumindest sagt sie das. Ich kann das jetzt empirisch nicht direkt prüfen, aber ich würde das zumindest als Semantik, würde ich da, glaube ich, mitgehen erst mal, so gefühlt.
Christoph:[25:19] Ja, also wir haben Liebe und Vertrauen, die irgendwie nah beieinander sind. Und sie sagt, vielleicht kann man heute sagen, dass sie ein bisschen kürzer getaktet werden, also so das ganze Thema serielle Monogamie vielleicht auch, das hat sie jetzt nicht mit drin. Ich weiß auch nicht, ob es 2013 als Begriff schon so etabliert war, aber wir haben Liebe und Vertrauen, aber vielleicht in einem schnelleren Wechsel zwischen den Personen und einer Anlegung auf Wiederholung und sie meint, damit verliert dieser Liebes- und Vertrauensbegriff ein bisschen das, was ihn eigentlich ursprünglich mal ausgezeichnet hat. Also Exklusivität einerseits zu einer Person und auch die Totalität. Es geht nur um diese eine andere Person. Ja, weiß ich nicht, steht mir jetzt nicht so nah diese Perspektive, aber ich wollte sie euch zumindest mitgeben. Genau, dann kommt sie im nächsten Kapitel zu Freundschaften als gewählte Vertrauensbeziehung. Und ursprünglich war es mal so, dass sich Männer Männer an Vertrauen und Frauen suchen, die Gesellschaft vertrauter Freundinnen. Also Freundschaften zwischen Mann und Frau waren ziemlich unverstellbar im 18. Jahrhundert. Also die Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau stand immer unter Verdacht. Das konnte man sich nicht so richtig vorstellen. Was ging, war, wenn beide Parteien verheiratet waren? Also es war schwierig, aber möglich her, so vielleicht.
Christoph:[26:48] Sie zitiert dann Kants Definition einer moralischen Freundschaft, denn dort geht es darum, dass das völlige Vertrauen zweier Personen in wechselseitiger Öffnung ihrer geheimen Urteile und Empfindung zueinander besteht. Also es ist schon viel Pathos dabei auf jeden Fall. Aber ich habe schon gesagt, Freundschaft hatte in der Zeit Hochkonjunktur im 18. Jahrhundert und am Anfang des 19. Jahrhunderts.
Christoph:[27:15] Und was natürlich, was wir heute auch noch kennen, jetzt vielleicht mehr unter dem Begriff der Wahlverwandtschaft, ist so ein bisschen, das ist ja völlig logisch, aber Freundschaften waren halt anders als familiäre Beziehungen handverlesen. Ist ja klar. Und deswegen konnte man da besonderes Vertrauen reinsetzen. Und die Frage danach, wem man was anvertraut, hat auch die Hierarchie in den Freundschaftsbeziehungen stark mitbestimmt. Also wer die engsten Geheimnisse, tiefsten Geheimnisse kannte, der war quasi ganz oben. Das bedeutet natürlich aber auch, dass FreundInnen sehr viel Macht bekommen haben, weil man natürlich dann Geheimnisse hat, die man verraten kann. Ich weiß nicht, was die Leute damals alles getrieben haben, dass man so unfassbar viel Geheimnisse hatte, aber das scheint wichtig gewesen zu sein. Man kann natürlich der vertrauenden Person schaden und macht sich damit verletzlich. Sie geht da auch noch mal auf das ganze Thema Kameradschaft ein. Also gerade jüngere Menschen sehnten sich nach Wärme und Aufgehobensein im Kreis gleichgesinnter Freunde. Und dann gab es auch diese bündischen Bewegungen und den Kameraden, da hat man fest vertraut. Deswegen nennt man sie ja dann auch Bundesbrüder, wie in der Familie.
Christoph:[28:29] Aber es ist ein bisschen die Frage, ja, vertraut man dem Konzept des Bundes quasi, in dem man da ist, Studentischer Bund oder was auch immer, oder vertraut man eigentlich den konkreten Personen? Und da kann man natürlich schon differenzieren. Und ja, genau. Und Helmut Plessner hat auf jeden Fall damals gewarnt vor zu großer Nähe und Vertrautheit in diesen Strukturen, weil man da so einen, also er hat da einen Radikalismus der Gemeinschaft sowohl auf kommunistischer als auch faschistischer Seite erkannt und damit dann ja auch recht behalten, muss man sagen. Da wächst dann nicht nur Gutes drauf, so historisch. Auf den Punkt gebracht, dass was ich gerade eben meinte, ist, wenn man in so einem NS-Schulungslager zum Beispiel ist, dann ist das natürlich Kameradschaft, die man da erlebt. Und das ist eben gerade nicht das Ergebnis einer freien, selbstbestimmten Entscheidung. Also man ist Mitglied einer Gemeinschaft, aber ist da natürlich irgendwie zwangssozialisiert. Man kann ja nicht so richtig gut daraus machen.
Christoph:[29:35] Ja, und die Verhältnisse erfordern halt, dass man diesen anderen Menschen vertraut. Über die Pädagogik haben wir schon ein bisschen gesprochen. Die wird dann nochmal zum Thema. Und ab dem 18. Jahrhundert wird, sagt sie, avanciert Vertrauen zu einer sozialmoralischen Allzweckwaffe. Das fand ich irgendwie ganz schön. Und es setzt sich die Vorstellung durch, dass Vertrauen eben nicht vom Himmelfeld, sondern gelernt, erprobt und erzogen werden muss. Das, was ich gerade eben schon mal meinte. Und entsprechend waren auch die LehrerInnen als VertrauensbildnerInnen gefordert. Und sie geht dann nochmal explizit, das würde ich jetzt aber ein bisschen ausklammern, auf die Probleme in den Reformschulen, sowas wie der Skandal um die Odenwaldschule, ich weiß nicht, ob der bei euch in der Schweiz so angekommen ist, darauf geht sie nochmal ein, also vor allen Dingen Vertrauensmissbrauch durch LehrerInnen und die Kirchen hat sie jetzt nicht mit drin, da würde ich das aber auch so sehen. Da gab es ja auch in beiden großen deutschen Konfessionen auf jeden Fall Missbrauchsskandale. Und sie spricht da über Gerold Becker von der Ohnenwaldschule nochmal explizit. Also sie hat das Thema Missbrauch von Vertrauen in Machtbeziehungen auf jeden Fall in dieser pädagogischen Komponente mit drin. Ja.
Christoph:[30:56] Die Erfahrungen aus der NS-Zeit und mit dieser Überspitzung des Vertrauens führen zumindest kurzfristig zu einer Abkehr von dem Vertrauensbegriff und man hatte in den 1960er Jahren so ein bisschen die Hoffnung auf eine demokratische Schule in einer demokratischen Gesellschaft, bei der man eben Vertrauen als Leitbegriff so ein bisschen verabschiedet hat. Das währt aber nur kurz, weil dann gesagt wird, naja, ihr habt Vertrauen irgendwie rausgeworfen und jetzt vertraut ihr in nüchterne Daten und nicht mehr in höhere Ideale. Und das kehrt dann doch rechtzügig wieder zurück in die Bildungsagenda und das Ziel der humanen und sozialen Erziehung, auch so humboldtsches Bildungsideal und so, das haben wir ja zumindest hier im deutschsprachigen Raum stark und von daher findet keine richtige Verdrängung davon statt. Ja, das ist so das, was sie zum Themenkomplex Freundschaft, Pädagogik, andere zwischenmenschliche Beziehungen als Ehe zu sagen hat.
Amanda:[31:58] Darf ich kurz nachhaken? Natürlich. Wenn du sagst, die Lehrpersonen waren dafür zuständig, das Vertrauen zu bilden oder Menschen dafür auszubilden. Was ist denn da genau mit gemeint? Also Vertrauen in wen?
Christoph:[32:18] Also, ich glaube erstmal die Kompetenz, vertrauen zu können in andere Menschen, das ist so das eine ganz Zentrale. Dann das Vertrauen da rein, dass einem vorgesetzte Personen, wie zum Beispiel eben BildnerInnen, vertrauenswert sind, kann man das so sagen? Also ich glaube, es geht darum, die Grundkompetenz, diese Idee von, ein Mensch ist nur dann eine gelungene Persönlichkeit, wenn er oder sie vertrauen kann, dass man das entwickelt, dass man das herstellt. Und dazu zählt eben in dem ersten Schritt, dass man dem Lehrer, der Lehrerin stark vertraut und darauf vertraut, dass der Weg, den diese Person für einen einschlägt, schon der richtige ist. Das ist, glaube ich, so gemeint, ganz zentral. Ergibt das Sinn für dich?
Amanda:[33:05] Ja, ich finde das nur interessant, weil ich hätte das nie sozusagen im Schulsystem verortet, sondern immer in der Familie. Also zu lernen, jemandem vertrauen zu können, hätte ich primär in der Familie gesehen.
Christoph:[33:16] Ja, ich meine gerade bei den Reformschulen, bei denen das ganz stark war, das sind natürlich auch häufig Internatsstrukturen gewesen. Das muss man vielleicht dazu sagen.
Christoph:[33:25] Grundsätzlich ist es aber auch ein allgemeines erzieherisches Ideal gewesen. Also es ist schon auch in der Familie verortet, aber eben nicht nur. Kommen wir zur Wirtschaft. Also das ist natürlich ein gewisser, ja, wir kommen richtig in die Moderne, also wir haben den Siegeszug der Konsumgesellschaft und in der Konsumgesellschaft ist Vertrauen die Leitwährung. Also einerseits aus einer Konsumentinnenperspektive, aber auch aus Betriebsperspektive. Die Zeiten… Indem man nur, oder die meisten Menschen nur lokal mit Menschen gehandelt haben, die man eh kannte, oder zumindest eine Person, die man kannte, kannte die nächste Person, sind dann irgendwann endgültig vorbei und das heißt, die ersten Ratingagenturen, sowas wie Moody’s, reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück oder auch die, ich weiß nicht, ob du die Schufa kennst, das ist hier in Deutschland eine Agentur, ich habe vergessen, wofür die steht.
Christoph:[34:15] Im Prinzip hat jede deutsche Person, es gibt eine Erhebung über die Kreditwürdigkeit dieser Person und das läuft bei dieser Privatorganisation zusammen. Also wenn du irgendwo etwas, wenn du eine Wohnung mieten möchtest, dann musst du immer eine Schufa-Auskunft mitbringen und die erfassen im Prinzip, welche Verträge bei dir laufen, wie viele Girokonten du hast, wie deine Zahlungszuverlässigkeit ist und dann kriegst du so einen Score und den musst du immer mit einreichen. Und auch bei allen möglichen Transaktionen über irgendwelche Rechnungssysteme billigst du auch immer zu, dass eine Schufa-Abfrage über dich läuft. Ja, das haben wir hier in Deutschland. Ist schon so datenkrakenmäßig relativ gruselig, ehrlicherweise.
Amanda:[35:01] Ja, finde ich auch. Bei uns ist das einfach das Betreibungsregister. Da musst du immer einen Auszug beilegen, aber sonst gibt es das ja nicht in dieser Form.
Christoph:[35:09] Ja, vielleicht besser. Also dafür, dass wir Datenschutz hier immer so hochhalten, gibt es durchaus Kritik dran.
Christoph:[35:22] Genau, es gab so die ersten, habe ich schon gesagt, im 19. Jahrhundert ging das eben los mit den ersten Büros, die irgendwie Karteien darüber geführt haben, welche Personen oder welche Betriebe auch wie zahlungszuverlässig sind. Und das blinde Vertrauen verschwindet halt bei hochgehender Konjunktur, sondern man möchte schon irgendwie Kenntnis haben, weil nicht jeder Betrieb eben Siemens ist. Wenn du wusstest, du hast Siemens als Auftragnehmer, dann ja, das wird schon gut gehen. Und wenn du bei Tante Emma bist, die kennst du auch schon und kaufst da einen, das ist auch kein Problem. Aber wenn du bei irgendwas dazwischen kaufst, irgendeinem mittleren Betrieb, den du halt nicht kennst, schwieriger. Ja. Traditionelle Geschäftsbeziehungen haben schon aber starke familiäre Wurzeln. Also zum Beispiel die Rothschild-Familie hat es so gemacht, dass der Patriarch da quasi seine Söhne in die Bankhäuser der verschiedenen Städte gesteckt hat. Auch Werner Siemens hat seine Brüder auf Niederlassungen angesetzt. Also da ist noch so eine starke familiäre Verstrickung mit drin. Und man leiht sich auch unter Freunden lange wohl, nicht unbedingt Geld, sondern auch bei schlechten Familienbeziehungen fragt man in der Familie nach Geld. So richtig klar wird mir nicht, woran das liegt aber vielleicht waren die.
Christoph:[36:50] Ja, war die Kontrolle da doch nochmal strenger als in Freundschaften, ich weiß es nicht genau aber ja, Freundschaften waren es auf jeden Fall nicht da, die dienten nämlich höheren und idealen Zwecken und nicht sowas profan wie Kate, das fand ich noch ganz spannend sie sagt nicht so richtig, wann sich das ablöst oder ob sich das überhaupt ablöst, wäre vielleicht auch nochmal eine spannende Frage, wie das heute ist ich weiß das gar nicht so genau aber, Ja, es gab dann irgendwann die ersten Kreditgenossenschaften, sowas wie Reifeisen hier in Deutschland oder ein anderer Betriebe war wohl Schulze-Delitz. Das war dann häufig im Land, also auf dem Land, so Bauerngemeinschaften, die irgendwelche Anschaffungen finanzieren mussten. Und das war eben genossenschaftlich organisiert und das hat stark darauf basiert, dass immer jemand jemanden kannte, spätestens wenn jemand nach Kredit gefragt hat, der diese Person kannte und wusste, naja, der Bauer Müller, das passt schon, sagt Bauer Meier, keine Ahnung, so ungefähr. Und man hat natürlich so eine gemeinsame Haftung, das heißt, man ist auch relativ streng miteinander, also da ist es nicht so besonders freundschaftlich, aber die umfassende soziale Durchleuchtung und der kollektive Erwartungsdruck waren essentiell, damit es funktioniert und das Raiffeisensystem, also ich meine, das Buch ist fünf Jahre nach der großen Finanzkrise erschienen, war damals hoch gelobt, das gibt es auch immer noch hier in Deutschland, auf jeden Fall, dieses Genossenschaftliche.
Christoph:[38:20] Und die haben stark damit geworben, zumindest in der Zeit, jetzt 2013, dass Nähevertrauen schafft. Dadurch, dass man irgendwie noch so einen Bezug zueinander hat, da geht dann Vertrauen langsam in diese Bankenwerbung oder Kreditwerbung mit ein. Obwohl Kredite und Vertrauen ursprünglich mal semantisch nicht verknüpft waren. Also man hat nicht unbedingt um das Vertrauen der Kunden geworben, sondern mehr Verlässlichkeit war eher der Begriff, den man genommen hat und das hat sich dann irgendwann geändert. Also die Deutsche Bank zum Beispiel hat das dann als Werbeslogan für sich entdeckt und wirbt ganz viel mit Vertrauen. Das hat sich irgendwann differenziert. Und ja, also die Unterscheidung zwischen sich vertrauen und sich aufeinander verlassen war offenbar mal stärker. Ich würde sagen, die kennen wir heute nicht mehr ganz so stark. Also ich finde, man kann, wenn man darüber nachdenkt, die Differenz noch ziehen, aber sie ist eher nicht so verbreitet, wäre so mein Argument.
Amanda:[39:21] Ja, ich finde das interessant, auch in Bezug jetzt auf, ich meine, das Buch ist vor ein bisschen mehr als zehn Jahren erschienen und jetzt schwindet ja auch auf dem Finanzplatz extrem das Vertrauen, zum Beispiel in eine Leitwährung wie dem Dollar oder auch eben in wie ein Markt funktionieren kann, was man macht und was man nicht, welche Zölle man erhebt und welche man eben nicht erhebt. Und das finde ich schon auch spannend, weil ich glaube, dass so viele Dinge basieren tatsächlich auf Vertrauen, auch ich sage mal blind ist wahrscheinlich das falsche Wort, aber Vertrauen auf unausgesprochene Gesetze, wie Dinge funktioniert haben in den letzten Jahren und plötzlich wird das alles ein bisschen erschüttert.
Christoph:[40:03] Ja, das stimmt. Bin ich, glaube ich, bei dir. Ja. Sie geht dann auf das ganze Thema Marketing, Verbraucherschutz und so weiter ein. Also da 1939 erscheint das Lehrbuch der Markentechnik und dort wird das erste Mal, sagt sie zumindest, oder da hat sie es gefunden, dafür geworben, dass man doch vielleicht auf öffentliches Vertrauen setzen sollte, wenn man eine Marke hat, die man präsentiert. Und das ging dann auch los. Also in der Zeit hat Omega, hat dann irgendwann den Werbespruch gehabt, also diese Uhrenmarke, Omega hat das Vertrauen der Welt, Nescafé hat geworben mit Vertrauen Sie Nescafé, sehr originell auf jeden Fall. Und da geht es dann so langsam los und was wir dann auf der anderen Seite nochmal haben, ich weiß gar nicht, wie das bei euch in der Schweiz ist, bei uns gibt es hier die Stiftung Warentest, die ist für Kaufentscheidungen, glaube ich, relativ wichtig, die testen alles von Waschmaschinen zu… Kaffeemaschinen über, also sie testen wirklich alles, was man so an Haushaltsprodukten haben kann. Ich weiß nicht, ob ihr da so eine, habt ihr ein vergleichbares Institut?
Amanda:[41:14] Ja, bei uns gibt es einfach, das ist, ich glaube, das ist nicht ein Institut, aber es gibt so eine Publikation und auch im Schweizer Fernsehen gibt es auch so Sendungen, die das machen, also die so Tests machen. Aber was mir hierzu einfällt, ist, ich habe letztens gelesen, es gab in den USA eine Behörde oder ein Institut, das bis in die, ich glaube, in die 50er oder 60er Jahre hinein genau das gemacht hat. Also sie haben eigentlich Verbrauchergüter getestet und dann Empfehlungen rausgegeben, was funktioniert. Also ganz banale Dinge wie diese Seife oder dieses Abwaschmittel oder diese Oberfläche und so weiter. Und das war staatlich. Und der Staat hat sozusagen ein bisschen eine Kontrolle auch auf den Markt ausgeübt und gesagt, hey, eure Produkte funktionieren oder funktionieren nicht mehr. Und das wurde natürlich dann im Zuge der ganzen Deregulation, wurde das alles abgefräst. Und ich finde das interessant, weil du hast ja gesagt, diese Marken, also dieses Vertrauen in Marken, das wurde dann wahrscheinlich zeitgleich mit aufgebaut. Also plötzlich mussten Konsumentinnen, konnten nicht mehr auf eine objektive Institution vertrauen, die dir sagt, das funktioniert das nicht, sondern die Marken selbst mussten jetzt irgendwie dieses Vertrauen sich erkaufen, erarbeiten.
Christoph:[42:30] Das ist interessant, ja.
Amanda:[42:35] Und weil auch das Vertrauen in die staatlichen Institutionen, insbesondere in den USA jetzt, was man auch so hört, ist ja auch sehr stark zurückgegangen. Also das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass der Staat dir sozusagen vorschreiben würde, was du jetzt in deiner Küche rumstehen haben solltest und was nicht.
Christoph:[42:50] Ja, das ging tatsächlich aus einer jetzigen Perspektive ein bisschen absurd. Ich habe gerade nochmal bei der Stiftung Warentest nachgeguckt und ich hatte es so im Ohr, aber sie hat einen staatlichen Auftrag, vertreten durch den Bundesminister für Wirtschaft und ist durch Steuermittel gefördert. Also ich weiß nicht, ob komplett dadurch, nee, sie kann nicht komplett dadurch finanziert sein, weil man auf jeden Fall Tests kaufen muss, wenn man sie freischalten möchte, aber das ist schon spannend. Also sie ist hier auf jeden Fall von staatlicher Seite stark unterstützt, mindestens. Ja, ich glaube, ein funktionierender Staat ist total wichtig, damit es, also ich glaube vor allen Dingen funktionierende Infrastruktur ist in meinen Augen der Hebel, mit dem man so politische Verwerfungen am ehesten bekämpfen kann. Also so Rechtsruck und all das, was dazu gehört, das ist so meine These.
Christoph:[43:46] Ich hoffe, dass ich damit richtig liege. Also wir in Deutschland haben ja gerade für unsere Verhältnisse sehr viel Schulden aufgenommen oder werden sie aufnehmen, um das in Gang zu kriegen und die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu kriegen. Und wenn das nicht reicht, um die politischen Extrembewegungen einzudämmen, dann bin ich langsam ein bisschen ratlos, glaube ich. Also ich hoffe, dass das klappt. Na ja. Heute sieht die Welt natürlich nochmal ein bisschen anders aus. Also Rating- und Zertifizierungsagenturen kennen wir, glaube ich, alle aus beruflichen Kontexten. Zertifikate, damit man Vertrauen ausstellen kann, kann man sich ins Praxiszimmer hängen oder in jede Organisation, sind, glaube ich, ganz normal. Wir kennen heute natürlich aber auch den Konsumenten, die Konsumentin als Bewerter. Also das ist natürlich auch nochmal ganz neu und die sind zwar offensichtlich nicht objektiv, sondern sehr subjektiv, aber die gemittelte Bewertung macht dann ja viel aus bei Kaufentscheidungen. Also ich weiß zumindest, dass sie für mich relativ relevant sind, auch wenn ich weiß, dass die häufig fingiert, untergraben, gefakt und alles sind. Mein Gefühl dazu ist auf jeden Fall wohlig. Wenn alle sagen, das ist toll, dann vertraue ich dem und mir geht es gut damit. Und so ganz falsch liegt man ja häufig dann doch auch nicht. Also das finde ich ist schon nochmal spannend. Ja, dann geht sie nochmal auf die Politik ein, also Vertrauen als Grundlage moderner Verfassungsstaaten.
Christoph:[45:15] Da gibt es so eine…
Christoph:[45:19] Ja, doppelte Vertrauensfunktion, also Zitat, in dem Maße, wie sich moderne Verfassungsstaaten entwickeln, gewann Vertrauen als Argument und Ressource Bedeutung, also es ist beides ein bisschen, also es ist ein Argument für den Staat, aber auch eine Ressource, um überhaupt Vertrauen, also Vertrauen, würde ich sagen, reproduziert sich ja auch ein Stück weit selber.
Christoph:[45:43] Und, dann, ja, also wo fangen wir an? Vielleicht wieder im 18., 19. Jahrhundert, wie die ganze Zeit schon. Da haben wir so die Idee des Landesvater-Modells noch, also der Fürst ist der Landesvater und die Untertanen sind seine Kinder unter väterlicher Führung und da geht es los, dass irgendwie im 18. Jahrhundert das erste Mal ans Vertrauen appelliert wird, also an dieses väterliche Vertrauen. Das beste Ansehen der Regierung ist dasjenige, das aus Liebe und dem Vertrauen des Volkes entspringt. Das wurde 1759 gesagt. Und davor war es noch so, dass Treue und Gehorsam verbunden mit Liebe wichtiger waren. Also das ist dann irgendwann im 18. Jahrhundert so ein bisschen gekippt. Also da auch wieder die Differenz zwischen Treue und Vertrauen. Also du bist halt geboren, du lebst in diesem kleinen Staat, du hast treu zu sein und das ist es. Es wird sich schon gekümmert. Und dann später wird ein bisschen, ich würde sagen, ein Unterschied zwischen Vertrauen und Treue ist schon, dass Vertrauen ein bisschen mehr gedankliche Eigenleistung voraussetzt. Treue scheint mir blinder zu sein in der Gefolgschaft auf jeden Fall. Und die Französische Revolution ist dann natürlich ein Wendepunkt, also 1789. Ludwig der 16. nahm die Revolution als flagganten Treuebruch wahr. Das tut mir natürlich ganz doll leid für ihn, aber es gab sicherlich auch gute Gründe.
Christoph:[47:09] Und das erste Mal haben, oder vielleicht vermutlich nicht das erste Mal, aber in der Breite haben die Herrscher das erste Mal um ihren Thron gebangt und konnten ihrer Bevölkerung nicht mehr so richtig vertrauen, also vielleicht aus der Sicht mal betrachtet.
Christoph:[47:26] Und die Treue zum Staat oder zum Staatsoberhaupt war immer weniger Pflicht und mehr eine Eigenschaft, eine Einstellung oder auch eine persönliche Haltung, also eine Frage der Verhandlung. Wie treu bin ich eigentlich meinem Kaiser, meinem Fürsten, wem auch immer ergeben? Da kommt so langsam auf, dass Menschen da eigene Positionierungen zu haben können und dass das nicht mehr einfach vorausgesetzt werden kann. Ja, dann in der preußischen Nationalversammlung machte das Wort des Vertrauensstaates dann das erste Mal die Runde. Also das Zutrauen, wird da 1808 gesagt, veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen. Also man entwickelt auch eine andere Positionierung gegenüber den eigenen Bürgern. Damals natürlich Frauen noch nicht mit gemeint, sondern es ist ein bisschen die Hoffnung, dass wenn man ihnen vertraut, man vielleicht eigenständigere, cleverere, staatsbewusstere Menschen am unteren Ende quasi erzieht. Und wenn man die ganze Zeit nur von oben herabdiktiert, dann hat man da natürlich keinen besonders mündigen Gegenüber bei sich.
Christoph:[48:43] Ja, und ja, die Kaiser, die sind auf jeden Fall, die haben da so ein Thema mit, die deutschen Kaiser, die appellieren ganz häufig an das Vertrauen des eigenen Volkes zum Kaiser. Und dann hat man natürlich so monarchisch treuergebende Menschen, die das auch total toll finden, aber sie sind dann auch so ein bisschen sehr verletzt, wenn sie das Gefühl haben, das Volk vertraut ihnen nicht mehr so, wie es das sollte. Das fand ich irgendwie nochmal spannend, so zu lesen, weil man erkennt so langsam, dass das monarchische Prinzip an Anerkennung verliert. Also das wird daraus deutlich. Willem der Erste wurde nach zwei Attentaten 1878, hat er gesagt, dass sein Vertrauen auf die alte preußische Treue merklich erschüttert war. Kann ich verstehen. Wenn man zweimal ermordet werden soll, dann vertraut man vermutlich seinen Untertanen nicht mehr so richtig. Aber dass es dafür vielleicht auch Gründe für gibt, das scheint den Herren nicht so sehr klar gewesen zu sein.
Christoph:[49:55] Und Wilhelm II., also der letzte deutsche Kaiser, der dann 1918 zum Ende des Ersten Weltkrieges abgedankt ist, wenn ich jetzt nicht völlig falsch bin, hat sich auch in so einer Demutsgeste immer als treuen Fürsten eines treuen Volkes präsentiert. Also da steckt dann natürlich auch viel Appell drin, man macht sich selbst ein bisschen kleiner, als die eigentliche Rolle vielleicht ist, also man dient dem eigenen Volk, man ist dem so treu ergeben, also schon irgendwie in der ganzen Rhetorik finde ich ein bisschen albern. Und so Leute wie Bismarck haben durchaus auch gesagt, dass der deutsche Patriotismus einer Vermittlung dynastischer Anhänglichkeit bedarf. Also da gab es schon noch irgendwie den rhetorischen Konnex und den Glauben daran, dass das deutsche Wesen das auf jeden Fall benötigt und so eine Dynastie auch braucht. Das finde ich irgendwie sehr, sehr merkwürdig.
Christoph:[50:59] Und dann mit dem demokratischen Neuanfang ab 1918 in Deutschland, also der Weimarer Republik dann bis 1933, ist dann die große Vertrauensfrage gestellt, die das alte Deutschland an das neue Deutschland richtet. Also kann man sich noch auf den eigenen Staat verlassen, auch wenn es davor irgendwie schlecht gelaufen ist. Und in den Verfassungsdebatten zu der Zeit war von Vertrauen wohl offenbar auffällig häufig die Rede, sagt Frewert.
Christoph:[51:28] Und es wird so langsam klar, dass es Vertrauen nicht bedingungslos gibt, also der Unterschied zwischen Treue und Vertrauen, sondern es muss gebildet und aufgebaut werden und es braucht so eine Kette an positiven Erfahrungen, damit Menschen dem Staat vertrauen können und, es ist dann nicht mehr so sehr die riskante Vorleistung, die ich am Anfang mit Newman zitiert habe, sondern es wird klar, dass Vertrauen so ein Teil und das Ergebnis von demokratischen Prozessen ist, Also, dass man sich Vertrauen auch erarbeiten kann und das auch notwendig ist. Man hatte ein bisschen die Hoffnung, dass man in der Präsidialdemokratie der Weimarer Republik mit der Direktwahl des Staats überhaupt so eine grundsätzliche persönliche Verbindung herstellen konnte zwischen Volk und dann eben Präsident. Der Korb war ja auch ziemlich mächtig.
Christoph:[52:16] Und Hindenburg war dann natürlich auch so ein sehr alter Präsident, der sich selbst als Held und Retter Deutschlands dargestellt hat und so eine väterlich-großväterliche Ausstrahlung hatte. Ja, und da wird dann so langsam klar, schreibt Fribert, dass so eine Führersehnsucht in den 1920er Jahren auf jeden Fall weit verbreitet war. Also eine Person, die leitet und der man hinterherlaufen kann. Ja, und Hitlers Machtübernahme ist dann, ja, sollte eine Vertrauensdiktatur werden. Ob das so geklappt hat, sei man dahingestellt. Aber die Nazis skizzieren Vertrauen dann auch als seelische Grundkraft und Substanz der Volksgemeinschaft.
Christoph:[52:59] Das ist irgendwie, ja, also es ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema für das Regime, was natürlich irgendwie ein bisschen konträr dazu ist, also so sicher sich das Regime präsentiert hat, so intensiv hat es gleichzeitig so eine Politik des Verdachts tatsächlich gelebt. Also es ist ja jetzt nicht so, als wäre, als hätte, oder es geht vermutlich für Regime im Allgemeinen, man soll ihnen stark vertrauen, aber das Vertrauen bringen sie jetzt nicht unbedingt ihren BürgerInnen entgegen. In der DDR wird es dann im Prinzip ein Stück weit weitergeführt, nur vertraut man da nicht mehr dem Führer, sondern halt der Partei.
Christoph:[53:38] Und in der Bundesrepublik wiederum auf der anderen Seite im Nachkriegsdeutschland, weicht diese gefühlsbetonte politische Sprache, die wir bis dato kannten, einem Pathos der Nüchternheit. Also man appelliert stark an den mündigen Bürger und die lebendige Demokratie, basiert halt auf ihnen, wird immer wieder stark gemacht. Und da wird dann auch mal gesagt, dass ein gehöriger Schuss Misstrauen auch zu einer funktionierenden Demokratie gehört. Das finde ich einen spannenden Wandel auf jeden Fall. Die Instrumente des Misstrauensvotums und der Vertrauensfrage, das wissen die deutschen HörerInnen vermutlich haben wir hier in Deutschland zwar, aber sie sind nur selten zum Einsatz gekommen. Also man benutzt die eigentlich nur in Ausnahmefällen. Jo, die Wahlkämpfe verändern sich dann natürlich auch, also die CDU, also die konservative Partei bei uns wirbt einmal mit Mut, Glauben und Vertrauen und die SPD, also die Sozialdemokraten machen das dann auch.
Christoph:[54:39] Auch Schröder zum Beispiel 2005 hat geworben, mit gute Politik schafft mehr als Tatsachen, nämlich Vertrauen. Und ja, da ist das natürlich ein schönes Werbewort. Das kann man, glaube ich, dazu im Prinzip sagen. Was vielleicht noch wichtig ist, ist, dass, wenn man sie, sie nennt es die V-Waffe, kann natürlich leicht zum politischen Bumerang werden. Also es ist jetzt nicht so, als würde das, ja, wenn man das übermäßig benutzt, dann wird einem auch schnell nicht mehr geglaubt, weil schon klar ist, dass Vertrauen schnell ein moralisch überfrachteter Begriff sein kann, der sich dann eben ins Gegenteil und ins Misstrauen wenden kann. Ja, genau. Dann kommen wir zum Thema Systemvertrauen und Moderne, würde ich sagen. Also ja, sie sagt, dass moderne, hochdifferenzierte Gesellschaften Systemvertrauen fortlaufend verlässlich herstellen. Das Thema, warum stehen wir morgens eigentlich auf, weil wir schon davon ausgehen, dass der Supermarkt offen hat, dass meine Arbeitsstelle noch existiert, all diese Dinge.
Christoph:[55:46] Und ich finde, das ergibt auch Sinn und ich finde, das ist ein ganz schöner Gegensatz zu eben diesen Krisendiagnosen, die wir allen Teilen haben, zu sagen, naja, wenn man es quasi on the long run betrachtet, dann kann man den gesellschaftlichen Prozessen, die wir so haben, schon stärker vertrauen, als man das früher konnte. Also finde ich eine angenehm positive Lesart, das gefällt mir ganz gut, weil Institutionen, die wir heute haben, schon ein hohes Maß an Transparenz und Zurechenbarkeit und Kontrolle möglich machen. Also viele öffentliche Prozesse können wir einfach ganz gut durchdringen und verstehen. Und auch so Dinge wie die Zuverlässigkeit des Rechtssystems. Ich meine, wenn es krasse Fehlurteile gibt oder so, dann wird es sehr stark skandalisiert und darüber gesprochen. Und das ist dann natürlich schon auffällig dafür, wie reibungslos an vielen Stellen, auch wenn wir das vielleicht nicht Tag für Tag so direkt wahrnehmen, vieles doch funktioniert.
Amanda:[56:46] Finde ich einen sehr guten Punkt und ich möchte hier einwenden, dass es nicht überall auf der Welt so funktioniert natürlich. Also ich habe jetzt gerade kürzlich mit einem Rechtsfall auf Kuba zu tun gehabt und da fand ich wirklich erstaunlich, wie intransparent das alles ist. Also du hast keine Chance, nur schon herauszufinden, an welche Behörde du dich wenden musst, mit wem du sprechen kannst, darfst, wer dir welche Informationen geben kann. Und dann ganz banale Dinge, zum Beispiel jemand sagt, man kann auf einem Dollarkonto das in die Währung umwandeln. Und eine andere Person sagt, nee, das geht nicht. Und eine dritte Person sagt, nee, Dollarkonten gibt es gar nicht. Und du kannst, du findest die Wahrheit nicht und du kannst unmöglich dein Vertrauen in irgendeine Institution aufbauen. Du musst auch dir das Vertrauen aussuchen, wem du das schenken willst, unter Leuten, die du eigentlich als deine Freunde bezeichnest. Und das ist mir wirklich vor ein paar Wochen wieder so richtig klar geworden, da leben wir hier, also ich spreche jetzt Deutschland, Schweiz, in einer ganz anderen Gesellschaft. Das ist schon auch ein Privileg, das wir haben, dass wir, wie du gesagt hast, dass das reibungslos und also wirklich ohne Reibung funktioniert.
Christoph:[58:00] Ja, finde ich einen sehr berechtigten und guten Einwand. Ja, danke. Danke dafür. Sie schreibt nochmal, dass moderne Institutionen eben Zuversicht, nicht Vertrauen ermöglichen. Finde ich, ja, weiß ich nicht genau. Sie möchte auf jeden Fall, also sie, ihr ist diese Trennung als Vertrauen ist was, was zwischen Personen existiert und Menschen. Und dem, was auch immer es ist, was man eben Organisationen und so entgegenbringt, das nennt sie eben Zuversicht. Ich weiß nicht genau, ob ich mit der Differenz so glücklich bin, ehrlicherweise, weil ich glaube, ich würde nicht sagen, ich bin zuversichtlich, dass ich morgen einen Termin in meinem Bürgeramt bekomme, sondern ich vertraue darauf, dass ich einen Termin in meinem Bürgeramt bekomme. Also für mich ergibt es nicht ganz so viel Sinn, glaube ich. Aber sie sieht den genuinen Ort in Beziehungen, die auf Nähe, Intimität und Fürsorge kodiert sind. Im Prinzip hängt das Ganze auch am Begriff der Erwartungssicherheit vielleicht, wenn man es ein bisschen soziologischer formulieren möchte. Aber das sind, glaube ich, Feinheiten. Ja, und damit bin ich am Ende des Buches angekommen.
Amanda:[59:16] Vielen Dank. Darf ich noch eine letzte Frage stellen? Im TLDL hast du das vom echten Vertrauen erwähnt. War das, was du eben gerade genannt hast? Meint sie das mit dem echten Vertrauen?
Christoph:[59:28] Ja, ich glaube, das haut hin, ja.
Amanda:[59:31] Okay. Ja, vielen Dank für diesen Abriss.
Amanda:[59:41] Ich erlöse dich kurz und erzähl mal, was mir dazu eingefallen ist an Literatur weiterführend. Und zwar, ich werde den Artikel verlinken, was ich vorhin gerade erwähnt habe, mit diesem Housekeeping Institute, The Government for the Good Life. Das ist auf Nömer erschienen. Ich fand das ganz interessant zu lesen, wie man da früher auch auf Institutionen vertraut hat, die einem Empfehlungen gegeben haben. Und dann als Folgen sind wir zwei eingefallen. Einerseits Rules von Lorraine Destin. Da haben wir eine Folge zu gemacht. Und ein anderes ist Epistemische Ungerechtigkeit von Miranda Fricker. Da geht es eben auch darum, wem kann ich vertrauen, also in Bezug auf eine andere Person, wie kann ich, ich fange nochmal von vorne an, was bedeutet es, wenn ich jemandem vertrauen kann in Bezug auf, was diese Person sagt, also was muss gegeben sein, damit ich jemandem vertrauen kann oder will oder darf und auch systemisch, wie sich das entfaltet. Also ich finde, das ist ein sehr gutes Buch, wo es eben darum geht, um das Vertrauen auch in Wissen, was kann man wissen, geht.
Amanda:[1:00:57] Dann hätte ich ein Buch von Naomi Oreskes, Why Trust Science. Ich finde sie einfach auch eine tolle Autorin, Wissenschaftlerin und da macht sie auch ein Plädoyer dafür, weshalb eben auch so die soziale Komponente von Wissenschaft eben dazu beiträgt, warum man der Wissenschaft eben auch vertrauen kann und soll.
Amanda:[1:01:20] Und was habe ich mir noch aufgeschrieben? Das letzte, ah genau, das ist ein Sachbuch von Bruce Schneier, das heißt Liars and Outliers und das ist auch schon ein bisschen älter, ich glaube 2012 ist das erschienen und darin geht es eigentlich, es geht wirklich um Vertrauen und auch wie Vertrauen in der Gesellschaft hergestellt wird. Also der Titel meint Liars, Lügner und Outliers, Einzelgänger. Also wie man sozusagen die Gesellschaft zum Funktionieren bringt, obwohl man immer auch Personen hat, die eben da ausscheren. Und was das Sicherheit eigentlich der Mittel zum Zweck ist, um dieses Vertrauen eigentlich herzustellen. Und Schneier ist eigentlich ein Kryptologe und macht da einen sehr interdisziplinären Zugang auf zum Thema, den ich sehr lesenswert gefunden habe. Cool. Und als letzten Tipp hätte ich noch einen Roman und zwar, der heißt auf Englisch, heißt der Trust. Die deutsche Übersetzung ist Treue. Also da sind wir gleich schon in diesem Feld von welches Wort nehmen wir denn? Was meinen wir genau? Das ist ein Buch, das ist vor drei Jahren erschienen, 2022, glaube ich, von Hernan Dias und das hat auch den Pulitzerpreis gewonnen. Da geht es so um, also es ist sehr raffiniert aufgebaut und auch erzählt.
Amanda:[1:02:42] Die Erzählweise ist wirklich sehr interessant und es geht aber eigentlich um die 20er Jahre und um den Finanzkapitalismus und darin auch um eine Emanzipation einer Frau und das Vertrauen zu ihrem Mann und eben auch ins Geld und in die Finanzmärkte. Also es ist sehr lesenswert. Ich fand es einen sehr guten Roman.
Christoph:[1:03:02] Cool, Dankeschön. Ich habe an weiteren Folgen noch, wie Gefühle entstehen. Das ist Folge 69 von Lisa Feldman Barrett.
Christoph:[1:03:12] Ich glaube, weil hier ja auch klar oder hätte klar werden sollen, wie Vertrauen durchaus auch prozedural entsteht. Dann das Buch Verfassungsschutz von Ronen Steinke zum Thema Systemvertrauen vielleicht. Im Grunde gut von Rüdger Brechmann oder wie auch immer man ihn ausspricht. Ist, glaube ich, auch ganz passend. Also Verfassungsschutz ist Folge 80, im Grunde gut ist Folge 83. Dann das Buch aus Folge 89, Arbeiten macht Missbrauch von Lemena Marbacher. Das knüpft natürlich schon vom Titel her an. Und Folge 92 ist Gekränkte Freiheit von Caroline Amlinger und Oliver Nachtwey. Ich glaube, die passen alle thematisch ganz gut. Dann hatte ich schon gesagt, die Habilitationsschrift von Ute Frewart lohnt sich auf jeden Fall. Die heißt Ehrenmänner, Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft ist wirklich erstaunlich spannend dafür, auch wenn man vielleicht kein Historiker, keine Historikerin ist. Dann zum Thema Systemvertrauen auch lohnt sich, glaube ich, ein Stück weit von Stefan Schulz die Kinderwüste, wie die Politik Familien im Stich lässt. Weil man da sicherlich dafür argumentieren könnte, dass Familien, zumindest in Deutschland politisch, nicht genügend beachtet und gesehen werden.
Christoph:[1:04:32] Weil dann über Krieg und wie man sie beendet von Jörn Leonhardt, da geht es auch ganz viel darum, wie sich Konfliktparteien vertrauen müssen, damit Frieden in Kriegssituationen geschaffen werden kann. Das ist eine ganz wichtige Ressource, ansonsten kommt man über Waffenruhen, Waffenstillstände und so nie hinaus, wenn Gesellschaften kein Vertrauen zueinander schäupfen können oder auch VerhandlungspartnerInnen.
Christoph:[1:05:02] Dann Niklas Nuhmann ist, glaube ich, soziologisch da. Auf jeden Fall eine feste Adresse, die man im Blick haben muss. Habe ich ja hier auch schon zitiert. Vertrauen, ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. Ich selber habe es nicht gelesen, aber wurde mir schon oft empfohlen. Und ein weiterer Soziologe im Interview mit Peter Hafner, glaube ich, ist Sigmund Baumann. Von dem habe ich hier im Podcast Modern und Ambivalenz schon vorgestellt. Da gibt es ein Interviewband, der heißt Das Vertraute unvertraut machen. Lohnt sich total, weil Sigmund Baumann einfach eine sehr, sehr spannende Person war, ja auch sehr, sehr alt geworden ist und da eben interviewt wird und sein Ansatz zur Soziologie auf jeden Fall ist, zu sagen, dass die Dinge, die uns so vertraut erscheinen und die wir für so normal halten, können wir soziologisch nur dann gut betrachten und gut analysieren, wenn wir sie uns eben wieder unvertraut machen. damit wir einen neuen Zugang zu ihnen gewinnen. Ja, das wären meine Empfehlungen.
Amanda:[1:06:02] Cool, vielen Dank. Ja, bleibt mir zu sagen, ihr findet uns im Internet, im Netz unter www.dirbtuve.de/zzd. Wir sind jetzt auch auf Blue Sky vertreten unter dem Handel at deckeln und auf mastodon unter czd at podcast.social. Wir freuen uns immer sehr, wenn ihr uns Sternchen verteilt oder Rezensionen schreibt. Das erhöht auch unsere Sichtbarkeit. Und ja, danke dir Christoph fürs Vorstellen. Sehr gerne. Und wir hören uns in drei Wochen. Tschüss. Macht’s gut.
Christoph:[1:06:33] Tschüss.
Music:[1:06:33] Music
Der Beitrag 095 – „Vertrauensfragen“ von Ute Frevert erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.

Jul 3, 2025 • 1h 15min
094 – „Migration: 22 populäre Mythen“ von Hein de Haas
Wir setzen mal wieder unsere inoffizielle Reihe fort, die folgenden Titel tregen sollte: „Dinge, für die einzelne Menschen verantwortlich gemacht werden, deren Ursache eigentlich im dysfunktionalen Kapitalismus liegt“. Diesmal geht es um das Thema Migration:
In ”How Migration really works” widmet sich Hein de Haas verbreiten Annahmen über Migration und zeigt auf, dass viele davon falsch sind, vor allem weil sie nur eine eingeschränkte Sicht auf die Realitäten der Migration und Migranten haben. Er plädiert dafür, auf Daten zu schauen, statt Mythen zu verbreiten und damit einen realitätsnahen Umgang mit Migration zu erreichen.
Transkript (automatisch erstellt)
Music:[0:00] Music
Nils:[0:15] Hallo und herzlich willkommen zu Episode 94 von Zwischen zwei Deckeln, unserem Sachbuch-Podcast, in dem wir euch alle drei Wochen ein neues Sachbuch vorstellen. Mein Name ist Nils Müller und ich habe heute den Holger mit dabei.
Holger:[0:32] Hallo.
Nils:[0:34] Ja, wenn ihr jetzt überrascht seid, warum ihr schon wieder Holgers Stimme hört, den habt ihr doch erst vor drei Wochen hier gehört mit einem Buch. Wir mussten intern ein bisschen umorganisieren, ausgründen und da war Holger schon in Vorleistung gegangen, was das Lesen angeht und konnte deswegen spontan einspringen, in dieser Episode ein Buch vorzustellen. Bevor wir zu dem Buch kommen, aber Holger, womit beschäftigst du dich gerade?
Holger:[0:56] Ja, ich habe gerade so eine interessante Überlegung, die hatte ich die Tage. Und zwar geht es so ein bisschen, also ich war an einem Ort in der Nähe von Bonn, der früher mal ein Club war. Und das war der Club, wo der erste europäische Auftritt, also außerhalb von Großbritannien, der europäische Auftritt von Queen war. Und dann bin ich gestern irgendwie auf so ein Beispiel für so KI-generierte Musik gestoßen. Und das hat bei mir so ein bisschen diese Überlegung ausgelöst, dass dieser Kontrast doch ganz spannend ist. Weil KI kann ja schon wahnsinnig viel und so KI-generierte Musik klingt auch durchaus schon radiotauglich, wenn da jemand das halbwegs ernsthaft macht. Aber wenn man sich ein bisschen überlegt, wie KI funktioniert, dann wird einem klar, dass das natürlich nicht kreativ ist. Und da, finde ich, ist dann Queen halt so ein schöner Kontrast, dass doch da auch viel Kreatives passiert ist.
Nils:[2:03] Ja, stimmt.
Holger:[2:04] Und dann habe ich mir so ein bisschen die Frage gestellt, was heißt das denn für so die Entwicklung der Musik? Also ich glaube, das passiert auch ohne KI, ist das durch Spotify auch schon sehr viel passiert, dass Musik irgendwie so, neue Musik, so eine gewisse Tendenz hat, so ein bisschen Einheitsbrei zu werden, was, glaube ich, durch KI dann noch verstärkt werden wird. Und dann frage ich mich so ein bisschen, wo denn dann die kreativen Impulse herkommen. Und ob dann sozusagen, zwar kann dann jeder irgendwie das, was für ihn der Algorithmus irgendwie optimal findet, kriegen. Aber das ist ja nicht unbedingt, also manche Sachen muss man… Erst mal muss jemand kreativ sein und man das präsentiert bekommen, bevor man auf die Idee kommen kann, dass das interessant wäre. Und das war so ein bisschen eine Überlegung, die ich hatte, wie sich auch solche Dinge wie KI auf Kreativität auswirken werden.
Nils:[3:01] Das ist ein schöner Gedanke. Man sagt ja über Kunst immer, es ist eh nur eine Kombination von Dingen, die es schon gab. Aber KI treibt das halt ins Extrem und macht halt wirklich nur eine Kombination von Dingen, die es schon gab daraus.
Holger:[3:13] Ja, und vor allem macht es die Kombination halt nur auf Arten, wie schon mal kombiniert wurde.
Nils:[3:19] Stimmt, ja.
Holger:[3:20] Also da ist ja Bohemian Rhapsody so ein schönes Beispiel. Das Lied wechselt ja einfach mehrfach den Stil in dem Lied. Und du kannst natürlich sagen, dass diese Elemente gab es wahrscheinlich irgendwie schon in anderer Musik, aber nicht in dieser Kombination. Und KI sucht ja immer nach was ähnlich, nach dem, was am häufigsten auf Dinge folgt. Das heißt, irgendwelche unerwarteten Stilwechsel wirst du in KI-Musik wahrscheinlich nicht bekommen. Das ist das allerletzte.
Nils:[3:48] Was sie machen. Du sagst sie ihm ganz explizit. Ich glaube, dann kriege ich das vielleicht hin, aber nicht aus sich heraus. Das stimmt wohl. Spannend. Ja, ich bin auch tatsächlich gerade so ein bisschen ein kleiner Blogbeitrag, Post, Mastodon-Post und dann mit verbundenem Blogbeitrag, hat mich irgendwie nochmal so ein bisschen zum Nachdenken gebracht. Das war ganz spannend. Wo eine schrieb so nach dem Motto, ich habe gerade meine kompletten Notizen der letzten fünf Jahre gelöscht und ich fühle mich komplett befreit. Ganz so weit würde ich dann doch nicht gehen wollen, aber ihr wisst ja, wenn ihr häufiger reinhört, dass ich da so ein bisschen intensiver unterwegs bin oder wenn ihr auch meine Webseite kennt sogar, dass ich das auch ein bisschen exzessiv betreibe und manchmal denkt man sich auch so, ja, was bringt das eigentlich? Was habe ich hier eigentlich? Und ich schreibe nicht so viel wirklich mehr, als ich eigentlich wollte oder als ich vorher tat oder wie ich eigentlich will. Also vielleicht auch mal weniger oder so. Ja, das sind halt so Dinge, die dann mit so Impulsen auf einmal anfangen zu arbeiten. Zumal ich gerade auch wesentlich lieber Romane lese als Sachbücher oder Schreibe- oder Sachtexte oder so. Aber keine Sorge hier für den Podcast. Sachbücher habe ich weiter auf dem Schirm und werde die auch weiter hierfür lesen.
Holger:[5:03] Ich muss ja zugeben, ich mache mir ja Notizen von so normalen Sachbüchern eigentlich nur, wenn ich weiß, dass ich eine Podcast-Folge dazu aufnehme. Ich habe aber auch irgendwie schon die Überlegung, irgendwie mal so ein bisschen auszumisten, was ich noch so aus dem Studium an Notizen irgendwo rumfliegen habe. Aber ganz ehrlich, also die Sachen davon, die einen irgendwie nochmal interessieren, In Zeiten des Internets und auch von alten Lehrbüchern, die man noch rumstehen hat. Also ob das, was man da dann irgendwie so mitgekritzelt hat, irgendwie nützlicher ist als das, was man in einem Buch nachschlagen kann, wenn man es mal braucht.
Nils:[5:45] Ich habe tatsächlich aus meinem Studium noch ein dreibändiges Lehrbuch am Dachboden stehen, wo ich sagen will, das ist so, das umfasst irgendwie, das ist so das Symbol für mein Soziologiestudium, das werde ich wahrscheinlich behalten, aber auch nicht, um da irgendwie nochmal reinzulesen oder so, sondern einfach so als biografisches Element das im Regal stehen zu haben. Das glaube ich dann schon.
Holger:[6:08] Da habe ich noch ein bisschen mehr hier.
Nils:[6:12] Gut. Aber bevor wir uns in Erinnerung an die alten Zeiten ergehen, wechseln wir doch mal zu dem Buch, das du uns heute mitgebracht hast. Du hast uns nach der Klimaschmutz-Lobby in der letzten Episode bringst du uns gleich das nächste heiße Thema mit. Eigentlich müsste mal jemand hier das Steffen Mauer-Buch Triggerpunkte vorstellen.
Holger:[6:34] Ich glaube, ich habe das irgendwo stehen, aber noch nicht gelesen.
Nils:[6:38] Zumindest klapperst du sie gerade anscheinend mit großer Freude ab in anderen Büchern. Du hast uns mitgebracht How Migration Really Works von Hein der Haas. Das Buch heißt auf Deutsch Migration 22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt. Und ja, es erschien relativ neu, ist glaube ich erst veröffentlicht 2023, vielleicht nochmal 2024 überarbeitet oder zumindest nochmal neu veröffentlicht worden. Und vielleicht magst du uns ja mal eine kurze Zusammenfassung geben.
Holger:[7:12] In How Migration Really Works widmet sich Heine de Haars verbreiteten Annahmen über Migration und zeigt auf, dass viele davon falsch sind, vor allem weil sie nur eine eingeschränkte Sicht auf die Realitäten der Migration und Migranten haben. Er plädiert dafür, auf Daten zu staunen, statt Mythen zu verbreiten und damit einen realitätsnahen Umgang mit Migration zu erreichen.
Nils:[7:38] Ja, danke dir für den kurzen Überblick. Ich hoffe, ihr versteht jetzt, warum ich gerade sagte, das ist ein Hot-Button-Topic sozusagen. Dann stell uns doch mal die 22 Mythen oder eine Auswahl daraus vor.
Holger:[7:54] Ja, also ich, wie man an einem deutschen Namen merkt, das Buch ist ein bisschen ähnlich aufgebaut wie die 23 Lügen über den Kapitalismus. Es ist also immer so ein Mythos. Was wird erzählt und wie ist es wirklich? Also ich will jetzt nicht so sehr mich die konkreten Fragen hier immer vorlesen, sondern einfach so ein bisschen Punkte, die sich schon an seiner Reihenfolge so ein bisschen orientieren, bringen, die ich für wichtig halte. Und ich glaube, ein wichtiger Punkt ist erstmal, dass er davon ausgeht, also Migration gibt es einfach, also es ist ein Fakt, dass es Migration gibt und man sollte sie halt vor allem erstmal untersuchen und verstehen.
Holger:[8:41] Anstatt sie in irgendwelche ideologischen Kategorien reinzupacken. Und wie auch schon in der kurzen Zusammenfassung, sagt er auch, es werden Mythen über Migration weitergetragen und es fängt schon damit an, dass die Sicht, die wir präsentiert bekommen ist oft sehr einsichtig, ja, also Entschuldigung, sehr einseitig also wir kriegen, In gewisser Weise naheliegend kriegen wir immer nur die Sicht aus der Perspektive von Aufnahmeländern. Das, was oft wegfällt, ist die Sicht aus Perspektive der Ursprungsländer. Was aber auch wegfällt, ist die Sicht aus der Perspektive der Personen, die migrieren.
Holger:[9:32] Und das ist auch ein Punkt, der dann später in dem Buch irgendwie noch so richtig schön kommt. Wenn man mal so ein bisschen aus dieser anderen Sicht kommt, dann versteht man manche Dinge auch durchaus anders. So ein erster Mythos, den er gleich am Anfang zerlegt, ist, dass wir heute so viele Migranten haben.
Nils:[9:53] Okay.
Holger:[9:54] Und das ist halt wieder so der klassische Fehler, wenn man auf absolute Zahlen guckt.
Nils:[10:00] Ah, ja.
Holger:[10:01] Also die Weltbevölkerung heute ist natürlich größer als, zumindest soweit wir das sagen können, jemals zuvor. Das heißt, wenn wir einen gleichbleibenden Anteil der Weltbevölkerung nehmen, wird die absolute Zahl immer größer sein.
Nils:[10:14] Ja.
Holger:[10:15] Und das ist auch im Prinzip das, wenn man sich den Anteil der Migranten an der Weltbevölkerung anguckt, dann ist der eigentlich relativ stabil, zumindest so, sagen wir mal, in den letzten 100 Jahren, nämlich etwa drei Prozent.
Nils:[10:34] Sind das Menschen, die migriert sind oder sind das Menschen, die in diesem Jahr ihre Migration beginnen? Drei Prozent, weißt du das spontan?
Holger:[10:42] Nee, spontan weiß ich das ehrlich gesagt nicht. Aber wahrscheinlich eher die migriert sind.
Nils:[10:49] Aber das sind doch, das schienen mir jetzt sehr wenig. Egal, müssen wir mal gucken. Das ist eher so 3% brechen neu auf. Das ist ja auch ein bisschen viel, ne? 30 Jahre haben wir alle.
Holger:[10:58] Genau, also deswegen glaube ich, ist es eher insgesamt. Also man muss natürlich auch sehen, dass die sich ungleich verteilen. Also es war ja schon, ich hatte ja auch schon mal das Integrationsparadox vorgestellt, und da habe ich dann ja gelernt, dass Deutschland Einwanderungsland Nummer zwei weltweit ist. Das heißt sozusagen, unsere individuelle Perspektive ist wahrscheinlich stark verzerrt.
Nils:[11:21] Okay, das kann wohl sein, ja.
Holger:[11:25] Es ist aber so, also da hat man jetzt nicht so genaue Zahlen, aber wahrscheinlich war es in der Kolonialzeit, was ja auch nur so 150 Jahre her ist, deutlich höher. Wobei da sicher auch viel Zwang dabei war. Ja, ja. Also, es gibt ja durchaus auch einige Menschengruppen, die nicht freiwillig da leben, woanders leben als ihre Vorfahren, ohne die jetzt alle im Einzelnen aufzuzählen. Um 1900 schätzt man, dass es etwa 9% der Weltbevölkerung migriert waren. Krass. Und das auch sehr ungleich verteilt. Es gibt dann das Beispiel, dass zu dieser Zeit etwa 41 Prozent der Bewohner der britischen Inseln ausgewandert sind und aus Italien sogar um die 50 Prozent. Also für Deutschland ist jetzt keine explizite Zahl, habe ich gerade nicht parat, aber man kann sich auch überlegen. Hier gab es auch große Auswanderungswellen, gerade im 19. Jahrhundert nach der 1848er Revolution und ähnlichem. Und das ist auch schon mal eine Sache, die gerade in Europa die Wahrnehmung sehr stark verzerrt. Wir hatten, wir haben schon lange viel Migration gehabt, auch in Europa.
Nils:[12:49] Schon immer.
Holger:[12:49] Wir waren aber lange ein Ursprungsland.
Nils:[12:52] Ah, okay. Ja, stimmt.
Holger:[12:54] Weil die Leute woanders hin wollten, weil es ihnen hier nicht gut ging. Die wollten halt in die USA oder auch nach Südamerika, weil sie da nach Freiheit gesucht haben. Teilweise auch in andere Kolonialländer, weil sie da irgendwie… Der Meinung waren, irgendwie Geschäfte machen zu können und ähnliches. Und das hat dazu geführt, dass relativ viele Europäer aus Europa rausgewandert sind.
Nils:[13:17] Ja, stimmt.
Holger:[13:18] Heute haben wir in Europa bessere Lebensbedingungen, wir haben bessere Sozialsysteme, wir haben stärkere Wirtschaft. Entsprechend sind wir jetzt ein Aufnahmeländer geworden. Nicht nur Deutschland, sondern insgesamt sind wir Aufnahmeländer geworden. Also das ist schon mal das Erste, was man sich klar machen muss. Unsere Wahrnehmung ist halt einfach verzerrt, weil wir in der Weltregion sind, die ihre Rolle stark gewechselt hat.
Nils:[13:46] Ah, okay, ja, macht Sinn.
Holger:[13:48] Aber wenn man es jetzt statistisch global betrachtet und so ein bisschen auf sozusagen Durchschnittszahlen geht, dann haben sich Sachen gar nicht so stark verändert. Auch wenn es bei uns vor Ort sich vielleicht stark verändert hat.
Nils:[14:01] Okay.
Holger:[14:03] Es ist auch so, wenn man sich insgesamt die Migration anguckt, passiert viel Migration und das ist vielleicht auch, ich glaube diese drei Prozent sind zwischenstaatliche Migration, die wir eben hatten. Die meiste Migration passiert innerhalb von Staaten. Und das ist was, was man in der Diskussion auch gerne ausblendet. Also ich kann sagen, ich lebe jetzt nicht da, wo ich aufgewachsen bin. Und ich bin nicht da aufgewachsen, wo ich geboren bin. Aber es war alles in Deutschland. Deswegen würden mich die meisten Deutschen nicht irgendwie als Migranten bezeichnen. In der strikten Definition des Wortes ist es aber so. Meine Eltern sind umgezogen, da war ich anderthalb und auch durchaus einige hundert Kilometer weiter. Ich bin nicht ganz so weit umgezogen, aber ich lebe auch 80 Kilometer weit weg von dem Ort, wo ich aufgewachsen bin.
Nils:[15:01] Ja, stimmt.
Holger:[15:02] Das ist auch eine Form von Migration. Und diese Schocks bei der Migration, die man hat, die sind oft größer, wenn man in einem Land auch zwischen Stadt und Land wechselt, also meistens eher vom Land in die Stadt, ist der Schock meistens größer, als wenn man jetzt zwischen Ländern, sagen wir mal, von der Stadt zu der Stadt oder vom Land zum Land wechselt. Das ist also was, was man sich dann klar machen muss. Klar, wenn es Sprachbarrieren gibt, ist es noch ein bisschen anders. Aber auch da, je nachdem, wenn ich jetzt in Deutschland in bestimmte Gegenden in Bayern ziehe und die Leute da irgendwie nicht wollen, dass ich sie verstehe, dann werde ich die auch nicht verstehen.
Nils:[15:54] Zumindest in der gesprochenen Sprache, ja.
Holger:[15:57] Also das ist halt auch was, was man sich klar machen kann. Es ist dann natürlich auch, wenn ich in einem kleinen Land bin, dann ist es so, wenn ich jetzt mein Lebensstil verbessern und umziehen will, je kleiner das Land ist, aus dem ich komme, desto eher muss ich in ein anderes Land. Nur ist es so, dass jetzt bei den Luxemburgern redet halt niemand darüber, weil, aus verschiedensten Gründen, aber das sind auch Faktoren, die da reinspielen können. Und man muss einfach sagen, die meisten bleiben lieber zu Hause oder in der Nähe von zu Hause. Also die meisten Migrationsbewegungen gehen halt entweder im eigenen Land oder nur in Nachbarländer und diese weiten über Kontinente überstreitenden Bewegungen, die hat man eigentlich nur einen sehr geringen Anteil.
Nils:[16:49] Ja.
Holger:[16:50] Und es ist auch so, das ist jetzt ein bisschen, ich würde es als eine These beschreiben, die er dann auch aufstellt, die aber durchaus auch mit gewissen Daten untermauert ist, dass moderne Technik es eigentlich möglich macht, dass man auch ohne zu migrieren bessere Möglichkeiten hat.
Nils:[17:10] Ja.
Holger:[17:11] Also so wie wir jetzt hier online gerade einen Podcast aufnehmen können und also ich zumindest auch… Auch viel Homeoffice mache. Und dann ist es natürlich so, je mehr Homeoffice man macht, desto weniger nötig wird es, dann dorthin umzuziehen, wo man arbeitet. Man hat mehr Möglichkeiten, um da zu bleiben, wo man ist. Und das heißt natürlich auch, dass das Faktoren sind, die Migration eigentlich weniger nötig machen für solche Tätigkeiten, wo das möglich ist.
Nils:[17:44] Und wenn es eben keine Flucht ist, sondern eine gewählte Migration, nennen wir es mal so.
Holger:[17:50] Ja, genau. Aber es ist auch so, es sind so circa sieben bis zwölf Prozent der Migranten sind Flüchtlinge.
Nils:[18:00] Okay, das ist nicht viel.
Holger:[18:02] Also der Großteil der Migranten migriert freiwillig. Ja. Also das muss man auch bedenken. Also heute, ich springe jetzt einfach mal kurz dahin. Heute kommt uns das ein bisschen wieder mehr vor mit den Flüchtlingen das liegt aber daran, dass wir eine gewisse ruhige Zeit, hier in Europa hatten wir hatten Anfang der 90er, da kamen viele Flüchtlinge, da gab es halt auch Dinge wie den Kosovo, den Jugoslawienkrieg dann Ende der 90er Kosovo und das waren Dinge, wo dann Flüchtlinge gekommen sind Und ich habe ja gesagt, die meisten Menschen bleiben irgendwo in der Nähe.
Nils:[18:50] Ja.
Holger:[18:52] Und wenn bei uns in der Nähe halt wenig Konflikte waren, dann sind auch weniger Leute gekommen.
Nils:[18:56] Das ist fair, ja.
Holger:[18:58] Und jetzt haben wir wieder mehr auch bei uns näher dran. Das heißt, im Moment haben wir wieder etwas mehr Migranten. Das heißt aber nicht, dass es weltweit mehr gibt, sondern nur, dass es weltweit mehr Flüchtlinge gibt. Das heißt, nur die Flüchtlinge, die es jetzt gerade gibt, Davon sind mehr näher an uns dran.
Nils:[19:15] Ja, okay, macht Sinn.
Holger:[19:18] Genau, und es gibt auch die Asyl, also wenn man jetzt sagt, wir haben sehr viele, ich tue mich schon mit der Formulierung schwer, also sehr viele unberechtigt Asylbeantragende, was ja dann wieder die Kriegsflüchtlinge im Grunde sind, dann kann man sagen, naja, wenn man sich jetzt anguckt, wie hoch ist denn die Ablehnungsquote von Asylanträgen in Europa, Da muss man sagen, naja, also eigentlich ist die relativ stabil und die Mehrheit der Asylanträge wird positiv beschieden. Also den Menschen wird Asyl gewährt in Europa. Das heißt, wenn jetzt irgendwie behauptet wird, dass da so viele sich einschleichen wollen, dann muss man sagen, das passt halt nicht zu der Realität, die man an Daten prüfen kann. Ah ja. Sondern man muss sagen, naja, also wir nehmen nicht alle an, aber wir nehmen die Mehrheit an und das hat sich eigentlich, hat sich das auch nicht über die Zeit groß geändert. Ja. Sondern das, was wir haben, ist, dass die Medien das im Grunde halt irgendwie hochbauschen.
Nils:[20:24] Ja. Kennen wir ja irgendwo her.
Holger:[20:26] Genau. Und nochmal der Punkt, das, was zu Asylsuchenden führt, sind halt vor allem Kriege. Insgesamt wird die Welt friedlicher, das heißt, das führt eigentlich zu weniger Kriegsflüchtlingen.
Nils:[20:41] Okay, zeigt sich das auch in den Zahlen? Also hat der da Zahlen zu?
Holger:[20:49] Jein. Also das ist so ein bisschen das Problem ist, es gibt vom UNHCR, gibt es Zahlen. Das Problem ist, dass sich da die Datenbasis geändert hat über die Zeit.
Nils:[21:01] Ah, wie so oft.
Holger:[21:04] Und wenn du nur auf diese Zahlen guckst, dann ist es so, dass du glaube ich sogar einen Anstieg siehst. Allerdings war da, als die angefangen haben, ich glaube in den 60ern, waren da… Sehr viel weniger Länder drin als heute.
Nils:[21:21] Ah, okay. Ja.
Holger:[21:22] Und dann ist natürlich, kannst du das halt eigentlich nicht wirklich vergleichen. Und also er ist der Meinung, dass es eher andersrum läuft.
Nils:[21:33] Okay.
Holger:[21:33] Ja, aber das, was er vor allem tut, ist, dass er halt erst mal sagt, warum denn die Zahl, die da gerne gezeigt wird, eigentlich falsch ist.
Nils:[21:40] Ja, ist ja auch schon mal ein Schritt, ne?
Holger:[21:43] Das heißt, für mich klingt es eigentlich auch logisch, Weil wenn man jetzt mal zurückgeht, nach dem Zweiten Weltkrieg, wie viele Menschen sich da so hin und her bewegt haben als Folge dessen. Allein wenn du überlegst, wie viele deutschstämmige, oder weiß ich nicht, wie man das jetzt richtig ausdrückt, also deutsche Minderheitsbevölkerung aus Osteuropa rausgejagt wurden. Und das ist ja nur ein ganz kleiner Anteil von dem, was da alles in Bewegung war. Ja, stimmt. Also da ist ja das, wo wir uns hier drüber aufregen mit Flüchtlingen, ist ja lächerlich.
Nils:[22:25] Ja, also alleine als Zahl ist das lächerlich.
Holger:[22:28] Ja, ja, genau. Und obwohl die Weltbevölkerung inzwischen größer ist. Also das muss man sich auch klar machen. Ja, aber die Frage ist denn, Was führt denn bei der Mehrheit der Leute eigentlich zur Migration? Weil wie gesagt, die Flüchtlinge machen ja irgendwie, sagen wir mal so grob 10% aus Das heißt aber 90% sind keine Flüchtlinge, Und da muss man dann sagen, die meisten der Einwanderer reisen legal in die Länder ein, wo sie hinwollen, Kleines Side-Note, das kommt dann irgendwo später im Buch auch. Das kann durchaus auch sein, dass die mit sowas wie einem Touristenvisum einreisen und dann quasi dadurch zu illegalen Einwanderern werden, dass die halt nicht rechtzeitig das Land verlassen.
Nils:[23:22] Ja, aber sie sind dann trotzdem legal eingereist in der Statistik.
Holger:[23:24] Genau, aber sie wären dann sozusagen unter Umständen schon illegale Einwanderer, aber trotzdem sind die Zahlen, also ich glaube auch wenn du das rausrechnest, du wirst immer dahin kommen, dass die Mehrzahl der Einwanderer legal da ist.
Holger:[23:41] Und es gibt da auch wieder so eine schöne Fehlwahrnehmung es gibt halt bestimmte Ereignisse wo es Peaks gibt, wo besonders viele Menschen einwandern, ja, eins kann man sich überlegen, ist sowas wie wie ein Krieg eine Naturkatastrophe, solche Dinge, aber auch ein Wirtschaftsboom okay wenn ein Wirtschaftsboom ist, dann braucht man nämlich Arbeitskräfte, und dann wirbt man auch gerne im Ausland Arbeitskräfte an. Ja, und das ist ein sehr wichtiger Faktor in der Migration. Also A, Migration generell wegen Arbeit und B, auch bewusste Anwerbung. Was dann passiert, wenn du schon bestimmte Einwanderergruppen im Land hast, dann gibt es auch quasi Anwerbung, die ist dann aber mehr so Mundpropaganda. Also kann man sich überlegen, wenn man jetzt jemanden hat, der meinetwegen in Deutschland lebt, der aus einem anderen Land eingewandert ist und der sieht, ah ja, hier gibt es gerade viele Jobs, dann erzählt der seinen Freunden und Verwandten, mit denen er noch Kontakt hat, ah ja, hier gibt es gerade in der und der Branche viele Jobs und dann gibt es da vielleicht auch Leute, die sagen, ach ja, das wäre ja vielleicht das für mich und die dann, ne?
Holger:[24:57] Was dann in der und solche Peaks werden dann auch in den Medien berichtet, was in der Regel nicht berichtet wird ist, dass auf so einen Peak, wo besonders viele einwandern, dann meistens auch eine Phase kommt, wo besonders wenig einwandern ah ok, also wenn die Naturkatastrophe vorbei ist, dann kommt keiner mehr nach, vielleicht wandern ein paar zurück, wenn der Wirtschaftsboom vorbei ist, werden weniger Stellen das heißt, dann ist die Mundpropaganda eher kommt nicht hierher, dann kommen auch weniger Leute erstmal hierher und es wird auch nicht mehr aktiv angeworben und vielleicht gehen auch einige zurück also das heißt da ist auch wieder eine sehr, eine sehr einseitige Wahrnehmung, Sekunde, Ah ja, genau. Dann finde ich auch sehr schön, es gibt dann immer diese, ich glaube, das ist dann teilweise auch eine positive Darstellung, die dann sagt, die Einwanderung macht uns ja irgendwie diverser, bringt uns so ein bisschen mehr Multikulti rein. Also es gibt Menschen, die finden das gut, es gibt Menschen, die finden das schlecht. Man kann aber sagen, das ist gar nicht so klar, dass wir heute diverser sind als meinetwegen vor 300 Jahren.
Nils:[26:14] Ah, auch schön.
Holger:[26:16] Also vor 300 Jahren war die Gesellschaft auch irgendwie ein bisschen zersplitterter, als wir uns das so denken. Da waren halt die Gruppen, die sich unterschieden haben, andere. Also zum einen gab es natürlich auch schon Einwanderer. Aber dann, also ich kann jetzt sagen, noch vor 70 Jahren war es ein Problem, wenn ein Katholik und ein Protestant heiraten wollten.
Nils:[26:38] Ja, ein Katholik und ein Protestant sowieso.
Holger:[26:41] Ja, oder eine Person katholischen und eine Person protestantischen Glaubens heiraten, das war ein Riesenproblem. Und mit Menschen jüdischen Glaubens, die haben wir da noch gar nicht drin, die es da ja auch gab. Und das ist jetzt nur in Deutschland. Und auch da gab es Einwanderer. Das waren halt andere Gruppen. Also das heißt, dass das heute so viel multikultureller ist, ist gar nicht klar.
Nils:[27:10] Okay.
Holger:[27:11] Sondern was man auch beobachten kann, ist, dass die Einwanderer sich in der Regel in so zwei, drei Generationen immer mehr assimilieren. Das war das schöne Beispiel in dem Buch, dass wenn man sich anguckt, welche Namen den Kindern gegeben werden, so in der ersten Generation sind das noch Namen, die sind sehr so am Herkunftsland orientiert. In der zweiten und dritten Generation ist das gar nicht mehr so klar.
Nils:[27:36] Okay, spannend.
Holger:[27:39] Und das zeigt dann, dass immer eine stärkere Assimilation dann auch passiert. Und dass die Gruppen auch weniger als fremd wahrgenommen werden. Also so das Beispiel, dass auch in den USA Iren, Italiener, Deutsche früher quasi nicht als Teil der weißen Mehrheitsbevölkerung angesehen wurden, wäre dann nur eins davon. Man kann sich auch hier mal überlegen, wenn man irgendwie im Ruhrpott unterwegs ist oder im Telefonbuch guckt, wie viele Menschen haben da Nachnamen, die höchstwahrscheinlich polnisch sind, wo aber jetzt niemand auf die Idee käme, dem zu sagen, hey du Pole.
Nils:[28:20] Ja, klar.
Holger:[28:22] Also, weil die sind dann halt im 19. Jahrhundert irgendwie gekommen, um in Fabriken zu arbeiten. Ja, und da wird jetzt keiner mehr so weit zurückgehen.
Nils:[28:33] Gehört jetzt halt dazu, ne?
Holger:[28:35] Ja, und das zeigt sich teilweise auch bei, ich finde auch das Wort ist ein bisschen kritisch, aber ich benutze es jetzt mal bei so Ghettoisierung, wo du halt bestimmte Stadtviertel hast, wo dann halt Einwanderer sich sammeln, wo du auch das Phänomen hast dass das sozusagen in dem selben Teil der Stadt wenn du so in die Geschichte zurückkommst auch schon andere, die schon von anderen, Einwanderergruppen dominiert waren die dann aber je mehr sie sich integriert haben, halt mehr sozusagen da weggezogen sind, verteilt haben, mehr vermischt haben mit dem Rest der Bevölkerung, und dann kam halt die nächste Einwanderergruppe dahin weil das wahrscheinlich immer noch eine relativ günstige Gegend war und dann hast du hast du solche Prozesse. Genau, also das ist also schon mal zeigt schon mal, dass ich, dass das gar nicht so klar ist, dass wir da irgendwie eine stärkere stärker Multikulti, wie auch immer man es nennen will, haben als früher. Wir haben halt irgendwie nur vielleicht ein verzerrtes Bild darüber, wie es früher war.
Nils:[29:43] Okay, ja, ist auch gut. Auch gut, sich mal vor Augen zu halten.
Holger:[29:46] Ja.
Nils:[29:47] Oder vielleicht ist es auch einfach so, dass es tatsächlich in so viel integrierter ist, als dass man mehr davon mitbekommt. Es gibt ja auch bei Migration, gerade wenn du größere Migrationsgruppen hast, gibt es ja diese zwei Ideen. Einmal, dass du es strategisch auch so für dich planst, dass du halbwegs, dass du sagst, migrantische Gruppen kriegen sozusagen einen Stadtteil. Dann hast du sowas wie Chinatown oder Little Italy oder so, wo sich das halt konzentriert, wo das auch eine bewusste Strategie ist, wo man die aber auch sozusagen einfach ignorieren kann. Oder du hast dich halt, ich sag jetzt mal, dezentral überall in der Gesellschaft, wo man sie eben auch ständig sieht und wahrnimmt. Dann wirkt das natürlich auch so, als wären das viel mehr, obwohl es gar nicht mehr sind.
Holger:[30:30] Ja, du hast mir jetzt aber gerade eine Öffnung gemacht, wo ich eh gerade hinabbiegen wollte.
Nils:[30:34] Ja, sehr schön.
Holger:[30:35] Du hast da nämlich jetzt eine Sache, also du hast das jetzt wieder aus Sicht, ich sag mal, eines Stadtplaners betrachtet. Ja, genau. Es ist natürlich auch, besteht auch die Möglichkeit, aus der Sicht von den Einwandernden zu gucken.
Nils:[30:49] Definitiv.
Holger:[30:50] Und da gibt es natürlich auch Einwanderer, die dann sagen, es ist ja eigentlich ganz nett, wenn ich in einer Gegend bin, wo andere mit einem ähnlichen Hintergrund sind.
Nils:[30:56] Ganz klar, sicher.
Holger:[30:57] Damit ich irgendwie noch bestimmte Möglichkeiten aus der Heimat habe. Und sei es nur, dass ich meine Sprache spreche. Klar. Sei es, dass ich meine Religion da einfacher ausüben kann. Also früher weiß ich nicht, wie stark das war, aber heute sicher auch, dass es da den Supermarkt gibt, der Sachen aus meinem Ursprungsland importiert.
Nils:[31:19] Alles klar.
Holger:[31:20] Und das kann natürlich dazu führen, dass die Menschen, ohne dass da irgendjemand das groß plant.
Nils:[31:25] Sich bewusst irgendwo ansammeln. Definitiv. Das ist sogar wahrscheinlich der Hauptgrund dafür. Also ich meine, planen kann man immer viel, aber was dann wirklich passiert?
Holger:[31:34] Ja, also wo man jetzt einschränken muss, das betrifft uns hier in Europa jetzt nicht so direkt, Aber in den USA gab es durchaus eine Politik, die die farbigen US-Bürger in bestimmte Gegenden und auch schlechte Gegenden gezwungen hat. Also das muss man sagen, das ist einfach ein Fakt. Aber das ist halt dann davon auszugehen, dass das überall so ist, wo sich bestimmte Gruppen sammeln, das ist einfach falsch.
Nils:[32:03] Ja, das stimmt.
Holger:[32:04] Und auch in selbst in Europa, selbst in Gegenden, wo man denkt, ach da ist das ganz extrem, ist das wenn man sich die Daten anguckt, gar nicht so extrem wie man denkt. Also ein Beispiel, das er hat, sind hier die Vororte von Paris, die Bonlieues, heißen sie glaube ich? Bonlieues. Ja, wo diese Vermischung also wo mehr Vermischung ist, als man denken würde, wenn man so auf die Klischees guckt.
Nils:[32:28] Okay.
Holger:[32:29] Wo es sicher auch ein paar Brennpunkte gibt, aber wo es nicht so ist, dass das überall da riesige Trennung nach Herkunft gibt.
Nils:[32:40] Und oft ist das ja dann weniger eine Herkunftstrennung als eine Armutssegregation.
Holger:[32:47] Genau, und das ist auch so ein bisschen ein Punkt, der immer mal wieder durchkommt, dass an vielen Stellen es eigentlich gar nicht so viel Sinn ergibt, primär auf die Herkunft zu gucken, sondern eigentlich primär auf die soziale Herkunft, also schon auf die nationale Herkunft, sondern auf die soziale Herkunft. Das ist nämlich auch zum Beispiel eine Sache, wenn man jetzt so ein bisschen sich wieder die Migranten anguckt, wer denn migriert, dass das oft gar nicht so, also wir nehmen jetzt mal die Flüchtlinge raus, weil A sind die nicht die Mehrheit und B haben die natürlich ganz andere Hintergründe noch. Aber wenn man sich jetzt die anderen, den Rest der Migranten anguckt, dann sind das oft gar nicht so die richtig armen. Okay, stimmt. Kann man sich auch überlegen. Also wenn du jetzt jemanden hast, der eine etwas weitere Strecke zurücklegen muss, dann muss der sich das auch erstmal leisten können.
Nils:[33:42] Ja, fair.
Holger:[33:43] Das heißt, man hat den erstmal etwas konterintuitiven Effekt, dass es sein kann, dass in einem Land, wenn der Wohlstand steigt, auch die Auswanderung steigt.
Nils:[33:58] Okay.
Holger:[34:00] Weil es dann mehr Menschen gibt, die es sich leisten können auszuwandern. Ah, okay, ja. Und da muss man gucken, warum machen die das? Die machen das dann, wenn ihnen in dem Land nicht die richtigen Möglichkeiten geboten werden. Ja. Also wenn sie halt sagen, im Ausland habe ich bessere Perspektiven, sei es, dass ich eine Ausbildung gemacht habe und in meinem Land gibt es entweder nicht genug Stellen für diese Ausbildung oder die werden nicht gut genug bezahlt. Und dann sage ich, ich kann es mir halt leisten, in ein anderes Land auszuwandern, ich habe eine Qualifikation und dann kann ich zum Beispiel auch etwas weiter auswandern, als nur in das nächste Nachbarland. Ja, klar. Und da kann es dann auch sein, dass selbst wenn sie jetzt zum Beispiel nach Europa kommen und hier Arbeitsbedingungen haben, wo wir sagen würden, die sind schlecht im Vergleich zum Beispiel des Landes, kann es aber sein, dass sie auch herkommen und sagen, naja, ich arbeite jetzt hier unter diesen schlechten Bedingungen für eine bestimmte Zeit, verdiene da Geld, mache da Erfahrung und kann das nutzen, um dann wieder in mein Ursprungsland zurückzugehen und da wird es mir dann super gehen.
Nils:[35:12] Ja, klar.
Holger:[35:14] So was kann dann auch wieder Impulse in die Ursprungsländer bringen. Also da gibt es zum Beispiel das Beispiel, dass so diese IT-Industrie in Indien, dass das sehr stark gewachsen ist, weil es halt viele Inder gab, die aus den USA zurückgekommen sind.
Nils:[35:34] Ja klar, macht Sinn.
Holger:[35:35] Das heißt, es kann auch für das Ursprungsland positiv sein über die Zeit, in dem Moment nicht unbedingt. Aber auch, dass es dieser Brain Drain, das ist ja auch so eine Aussage, die gemacht wird, man nimmt den Ursprungsländern die ganze Intelligenz weg. Das ist auch nicht so klar, dass das so ist. Weil zum einen, wenn die gute Perspektiven hätten, würden sie wahrscheinlich gar nicht auswandern. Das ist auch ein Problem im Ursprungsland, dass den Leuten die Perspektive nicht gegeben wird. Und wie gesagt, und es gibt dann zwei mögliche Effekte. Zum einen kommen die vielleicht auch wieder. Und was aber, was man auch beobachten kann, wenn es genug gibt, die auswandern und in den anderen Ländern irgendwie erfolgreich sind, dann gibt es mehr Motivation für die, die da sind, sich um eine gute Bildung zu kümmern.
Nils:[36:25] Ja, klar, macht auch Sinn.
Holger:[36:27] Weil du, weil dann weißt du, wofür es gut ist. Klar, das ist ein Vorbild. Genau, das heißt, es ist wieder so ein Beispiel, wo die Effekte sind, halt nicht diese einfachen Effekte, die man sich immer so erstmal so, ich sag mal naiv überlegt und die naiv auch irgendwie Sinn ergeben, aber wenn man genauer hinguckt, dann ist es so, oh, funktioniert ja ganz anders.
Nils:[36:48] Oder zumindest komplexer, also viel schichtiger.
Holger:[36:52] Ja, ja. Und genauso ist es auch, wenn man jetzt sagt, ob Einwanderer, die in Land kommen, machen da, nehmen da Jobs weg, drücken Preise und so weiter. Dann muss man sagen, dass es im Mittel nicht so ist. Weil zum einen werden Migranten vor allem dann angeworben, wenn die Wirtschaft gut läuft. Ja, sonst würden sie auch nicht kommen. Ja, klar. Sie füllen offene Jobs, das heißt, welche, wo man anscheinend Probleme hatte, sie zu füllen. Und weil sie vor allem kommen, wenn Wachstum herrscht, kommen sie auch in der Zeit, wo viele offene Ställe vorhanden sind. Und das heißt, sie nehmen gar nicht in dem Sinne so viele Jobs weg, weil sie ja vor allem Jobs besetzen, die im Land nicht gefüllt werden können.
Nils:[37:50] Ja, macht Sinn. Was ja auch teilweise gesetzlich quasi vorgegeben ist.
Holger:[37:56] Gut, also es hängt immer ein bisschen vom Land ab.
Nils:[37:58] Ja, natürlich, ja, darüber will ich hinaus. Also das wird ja auch politisch so gesteuert zum Teil zumindest versucht, genau diesen Effekt zu erzielen.
Holger:[38:06] Sie sind auch bereit, schlechter bezahlte Jobs zu übernehmen, wo man im Einwanderungsland, äh, Entschuldigung, doch in dem Land, in das sie einwandern, vielleicht gar nicht genug Leute findet. Da gibt es dieses schöne Beispiel aus der Corona-Zeit. Erinnert sich vielleicht der eine oder andere noch dran. Da gab es ja das Problem irgendwie, dass man nicht genug Leute hatte zum Pflücken auf den Feldern in Deutschland. Und dann hat man versucht, Deutsche dazu zu animieren. Und das Resultat des Ganzen war, dass man die Leute dann doch irgendwo aus Osteuropa eingeflogen hat, weil man im Inland halt nicht genug Leute dafür gefunden hat.
Nils:[38:46] Die hat es länger als eine Stunde machen wollen.
Holger:[38:49] Ja, und das sind auch Migranten. Selbst wenn die nicht dauerhaft hier leben, sind das trotzdem Arbeitsmigranten. Auch wenn die vielleicht nur für einen Monat kommen und dann wieder in die Heimat zurück. Aber das ist nebenbei auch ein Punkt in der Migration, da komme ich später noch zu, dass man guckt immer nur auf die, die reinkommen. Man guckt nie, wie viele gehen raus. Und das führt auch zu ziemlich dummer Politik, wie wir gleich noch lernen werden. Genau, aber man hat auch untersucht, was für Auswirkungen solche Einwanderungsschocks auf Löhne haben, wo plötzlich viele Einwanderer kommen. Und die Auswirkungen sind relativ gering.
Nils:[39:37] Okay.
Holger:[39:38] Und auch der Einfluss auf die Zahl der offenen Stellen ist relativ gering. Das kommt zum einen daher, dass Einwanderer vor allem in bestimmten Bereichen arbeiten. Sie erhöhen aber auch, wenn sie arbeiten, die Wirtschaftsleistung. Und dadurch werden unter Umständen auch wieder neue Jobs geschaffen, sodass der Gesamteffekt eigentlich relativ gering ist.
Nils:[40:00] Ja, macht Sinn.
Holger:[40:02] Auf der anderen Seite sind viele Einwanderer auch sehr innovativ. Viele gründen Firmen oder auch… Also Gründen allgemein. Ich glaube, das ist auch, wenn man so in einer deutschen Großstadt mal ein bisschen rumläuft, wird man auch viele Läden finden, die von Einwanderern betrieben werden. Und sei es das klassische Futter, was da irgendwie organisiert wird oder jetzt Shisha-Bars oder weiß ich nicht was. Ich glaube, jeder wird da tausende Beispiele finden.
Nils:[40:35] Ich glaube, wenn du in die Gastronomie schaust, also wenn man mal verfolgt, so neue Restaurants eröffnet und das müssen ja noch nicht mal dann Restaurants der eigenen Herkunft sein sozusagen. Ich glaube, das ist mittlerweile ein Geschäft, ein Bereich, wo sich da einfach ganz viele Möglichkeiten bieten.
Holger:[40:51] Ja, und da ist halt auch eher so ein bisschen die Offenheit bei Einwanderern, dass sie das dann machen und dann auch einen harten Job machen, einfach weil sie für sich dadurch immer noch eine bessere Perspektive sehen.
Nils:[41:06] Klar.
Holger:[41:07] Und ich habe mir das hier so ein bisschen in meinen Notizen etwas plakativ zu diesem Themenbereich hingeschrieben, dass die Einwanderer werden gern als Sündenböcke für die Folgen von neoliberaler Politik genommen.
Nils:[41:21] Ja, klar.
Holger:[41:22] Also die Zahlen geben es halt nicht herzusagen. Die Einwanderer sind schuld, dass es irgendwie die Löhne sinken, dass es nicht genug Stellen gibt oder dass man keinen günstigen Wohnraum findet. Aber das sind alles politische Entscheidungen gewesen, die mit den Einwanderern überhaupt nichts zu tun haben. Wo sie jetzt aber irgendwie gerne als Sündenböcke genommen werden. Also muss man sich halt nochmal klar machen, dass die Zahlen geben das absolut nicht her, dass das der Fall ist.
Nils:[41:56] Gut zu wissen.
Holger:[41:59] Genau, also jetzt nochmal zum Beispiel, wenn man sich anguckt, wie ist es denn mit dem Sozialsystem, beziehungsweise mit den Staatsfinanzen, wenn man da, je nachdem, wie man versucht, das zu analysieren, gibt es mal positive oder mal negative Effekte, aber die sind immer ziemlich klein.
Nils:[42:20] Okay.
Holger:[42:21] Also egal, ob jemand jetzt sagt, es ist gut, dass wir Einwanderer in unser Sozialsystem haben oder es ist schlecht. Du wirst immer irgendwie eine Studie finden, die dein Argument untermauert, aber das sind immer so Effekte im einstelligen Prozentbereich. Das heißt irgendwie, es ist weder das Riesenproblem noch die Riesenlösung. Ja, gut. Genauso muss man sagen, wenn gesagt wird, wir haben zu wenig Wohnraum, das liegt an den Einwanderern, dann muss man sagen, naja, eigentlich liegt es daran, dass man halt zu wenig Wohnungen gebaut hat und da sind auch die Quoten, also sozusagen wie viel man baut, auch gerade wie viel sozialer Wohnungsbau gemacht wird, sind einen einfach runtergegangen. Hätte man noch dieselben Quoten wie vor, weiß ich nicht, 30, 40 Jahren, dann gäbe es das Problem nicht auch mit Einwanderern, weil da hat man einfach noch deutlich mehr gebaut und dann war einfach deutlich mehr an Wohnungen da.
Holger:[43:15] Genau. Wir hatten ja eben schon mal den Punkt, dass vieles eigentlich mehr von der sozialen Klasse abhängt, als von der, ich nenne es jetzt mal nationalen Herkunft. Und das zeigt sich auch beim Bildungserfolg. Ja, und das heißt, wenn man aus einer Familie kommt, die schon gut gebildet ist, egal wo die herstammt, dann hat man eine höhere Chance auf Bildungserfolge. Ja. Ja. Und das ist auch wieder eine Frage des Integrationserfolges. Der hängt nämlich davon ab, wie viele Chancen haben die Einwanderer. Und das hält ab von Bildung, das hängt ab davon, hat man Arbeit und wie gut ist die Arbeit. Und das hängt davon ab, hat man irgendwie einen vernünftigen Wohnraum. Also, die einzige Integrationspolitik, wo man wirklich, das sind ja alles Punkte, die sind gar nicht so direkte Integrationspolitik, die eine integrationspolitische Maßnahme, die wirklich einen messbaren Effekt hat, möchtest du mal raten, was das ist?
Nils:[44:20] Arbeitsgenehmigung.
Holger:[44:22] Nee.
Nils:[44:23] Sprachkurse.
Holger:[44:25] Nee.
Nils:[44:25] Dann weiß ich es nicht.
Holger:[44:27] Wie einfach ist es, Staatsbürger zu werden?
Nils:[44:31] Okay.
Holger:[44:33] Also das ist das Einzige, wo es einen messbaren Effekt gibt. Wenn es einfacher ist, Staatsbürger zu werden, dann hat das einen positiven Effekt.
Nils:[44:40] Lustig, genau das, was wir gerade wieder zurückdrehen.
Holger:[44:42] Genau. Also die Kurzaussage ist, das, was bei uns in den Medien hier immer propagiert wird mit Einwanderungspolitik, ist halt genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich machen sollte.
Nils:[44:54] Das überrascht mich nicht. Bei konservativen Regierungen überrascht mich das einfach nicht.
Holger:[45:00] Es gibt ja auch dieses schöne Klischee, dass Einwanderer halt irgendwie zu mehr Verbrechen führen. Das ist eigentlich nicht klar. Also wenn man für soziale Faktoren so rausrechnet, sprich junge Männer sind gewalttätiger als alte Damen. Wenn man das rausrechnet, dann sind Einwanderer sogar oft gesetzestreuer. Und wenn sie illegal im Land sind, sind sie oft sogar besonders gesetzestreu, weil sie halt möglichst wenig mit dem Gesetz in Konflikt kommen wollen. Und gerade auch, wenn es solche Einwandererviertel gibt, dann gibt es sogar mehr soziale Kontrolle, die dann noch weiter einschränkt, wie viel die Leute machen. Klar, man muss das dann relativieren in dem Sinne, dass man sagt, klar, wenn ich jetzt besonders viele junge Männer an Einwanderern habe, was oft so ist. Junge Männer, egal wo sie herkommen, neigen halt einfach mehr dazu, Probleme zu verursachen.
Nils:[46:03] Ja, definitiv.
Holger:[46:04] Ich war auch mal ein junger Mann, ich darf das dann sagen. Aber das hat halt nichts mit der Herkunft zu tun, sondern einfach damit, dass es junge Männer sind.
Nils:[46:14] Ja, und dann vielleicht auch mit der Alters- und der Herkunftsverteilung. Also ich meine,
Holger:[46:19] Das ist auch so ein Thema demografischer Alterung. Genau, wenn du halt einfach, sehr viel mehr junge Männer hast, die Migrationshintergrund haben, dann steigt auch der Anteil der Verbrechen, die junge Männer mit Migrationshintergrund begehen. Aber wenn du jetzt sozusagen einfach nur guckst, sind diese jungen Männer denn, machen die mehr Unsinn als junge Männer mit einer anderen Herkunft, dann kommst du halt dahin, dass es nicht so ist.
Nils:[46:44] Ja, genau.
Holger:[46:44] Wobei es allerdings gewisse verzerrende Faktoren gibt, durch bestimmte Stereotypen, durch so Sachen wie Racial Profiling, Deswegen werden diese Leute aber dann unter Umständen stärker beobachtet und werden auch, da wird eher vom Gesetz durchgegriffen bei denselben Dingen.
Nils:[47:01] Ja, und es gibt dann noch die Straftaten, die nur sie begehen können. Sowas wie Aufenthaltsrechtsdelikte und so.
Holger:[47:10] Genau, aber die habe ich jetzt gar nicht mal reingenommen. Aber genau, das ist auch eine Verzerrung, die wir haben und auch durch die Medien. Und eigentlich ist es so, wenn man sich die Verbrechenstatistiken mal so einfach insgesamt anguckt, dann geht das Verbrechen einfach zurück. Und auch schon, ich glaube auch, das ist auch schon ein ziemlich lange vorherrschender Trend. Das heißt, da muss man auch immer ein bisschen vorsichtig sein, was in den Medien da so erzählt wird.
Nils:[47:43] Wobei wir, glaube ich, in den letzten Jahren so ein bisschen den Effekt hatten, dass, glaube ich, Eigentumsdelikte deutlich abnehmen, aber irgendwie körperliche Gewalt ein bisschen zunimmt. Also jetzt auch nicht in irgendwie besorgniserregenden Zahlen, aber irgendwie so ein bisschen mehr ist es geworden. Also es verschiebt sich auch immer ein bisschen zwischen den Arten der Verbrechenden. Aber wer sie dann wieder begeht, keine Ahnung. Also versteht das jetzt nicht falsch.
Holger:[48:02] Ja. Was man allerdings schon sagen muss, wenn man sich jetzt so insgesamt anguckt, die positiven Effekte der Einwanderung landen vor allem bei denen, die schon wohlhabend sind. Also bei den richtigreichen natürlich, weil die sich darüber freuen, wenn sie günstige Arbeitskräfte haben auch in gewisser Weise bei der Mittelschicht, weil wenn Einwanderer kommen, um bestimmte Services zu geben dann profitieren die auch davon, da wo es das kann schon sein, dass es jetzt in bestimmten Orten dann auch noch andere Probleme gibt, man muss immer gucken, wie gesagt sagen, es ist ein Durchschnittswert Und klar, es kann sein, dass in einem Ort das da zu ernsten Problemen kommt, aber letzten Endes ist es immer wieder so, die, die leiden, sind die sozialen Schwachen. Das liegt aber eher daran, so an unserem neoliberalen Wirtschaftssystem, als an den Einwanderern an sich.
Nils:[49:03] Was ich jetzt wieder schön fand, weil du von sozial Schwachen sprachst, das sind natürlich eigentlich die ökonomisch Schwachen, nicht die sozial Schwachen.
Holger:[49:09] Ja, du hast recht.
Nils:[49:10] Weil die sozialen Strukturen sind natürlich oft besser als bei den ökonomisch Starken.
Holger:[49:17] Ja, also sagen wir bei den ökonomisch Schwachen, die leiden vor allem unter den Effekten der Einwanderung. Also auch die, sagen wir mal, Inländer, die ökonomisch schwach sind. Und die sind dann natürlich auch offen für solche Rhetorik gegen Einwanderung. Beziehungsweise blicken auch, wenn jemand für Einwanderung argumentiert, blicken die auch zu Recht kritisch darauf, weil sie letzten Endes diejenigen sind, die da die Probleme kriegen.
Nils:[49:51] Das finde ich nochmal interessant zu gucken, dass man da einfach nochmal auch unterscheiden muss, wer profitiert eigentlich davon. Aber dass ja dann die Reaktion auch bestimmt, weil ich nicht mehr sagen kann, die Gesellschaft profitiert davon, sondern es gibt halt bestimmte Gruppen, die davon profitieren und solche, die auch tatsächlich einfach manifeste Nachteile haben und dann auch irgendwie nachvollziehbarerweise Schwierigkeiten damit. Was aber wieder nicht an den Einwandernden liegt, sondern, wie du schon sagtest, an den neoliberalen Strukturen, die wir uns so aufgebaut haben.
Holger:[50:20] Ja, das ist, also man muss ja sagen, weiß ich nicht, das ist irgendwie fast schon ein Thema, was bei uns im Podcast immer wieder kommt, finde ich, dass man immer wieder dahin kommt zu sagen, ja, es gibt diese neoliberalen Strukturen, die sind relativ gut da drin, davon abzulenken, dass sie bestimmte Probleme verursachen. Und das auf andere umzulenken. Und das bringt dann an anderer Stelle auch wieder Probleme. Also das ist ja auch letzten Endes in meiner letzten Buchvorstellung mit der Klimaschmutz-Habie. Da waren es ja eigentlich auch immer wieder ähnliche Themen.
Nils:[50:56] Ja. Ja, habe ich letztens tatsächlich ein schönes Buch zugelesen. Es ist nicht lang genug, nicht, also nicht lang genug, um hier einen Podcast zu rechtfertigen, aber Capitalist Realism, der eben genau das argumentiert, wir sind gar nicht mehr in der Lage, uns eine Welt ohne Kapitalismus vorzustellen und deswegen sehen wir den gar nicht mehr als Ursache für Dinge, sondern wir sehen halt nur die Dinge, die wir uns anders vorstellen könnten als Ursache, zum Beispiel weniger Migration.
Holger:[51:22] Ja, aber wie gesagt, wenn man auf die Daten guckt, dann stimmt es halt gar nicht. Das ist dann auch wieder auch wieder so ein interessanter Fakt, dass er sagt, man denkt, also gerade konservative Parteien stellen sich immer gerne als immigrationsfeindlich dar und eher linke Parteien als immigrationsfreundlich.
Nils:[51:43] Ja.
Holger:[51:45] Aber wenn man sich die praktische Politik anguckt, da gibt es eigentlich gar nicht so große Unterschiede. Man kann sogar sagen, je mehr Rhetorik es gegen Einwanderer gibt, da gibt es oft gleichzeitig ich viel mehr legale Einwanderung.
Nils:[52:00] Ja.
Holger:[52:02] Und, ähm, Und zumindest so in den modernen westlichen Demokratien ist es auch schwierig, Einwanderer auszuweisen, weil da immer sozusagen der Wert der Menschenrechte immer weiter hochgegangen ist und es ist schwerer, sie auszuweisen. Deswegen will man halt eine härtere Politik bei der Einreise machen. Auf der anderen Seite, wenn die Wirtschaft die Arbeitskräfte braucht, dann wird auch ein konservativer Politiker oder ein rechter Politiker die Einwanderung ins Land zulassen, weil ihm sonst die Wirtschaftsleute auf die Füße treten.
Nils:[52:41] Ja, das sieht man ja gerade in den USA, wo es ja genau jetzt kürzlich, also wir nehmen jetzt auf Mitte Ende Juni 2025, wo man jetzt gerade gesehen hat, dass der gute Herr Trump in den USA dann wirklich seine Anti-Immigrationspolitik tatsächlich, dass er bestimmte Wirtschaftsbranchen davon ausnimmt, nämlich Hotellerie und Gastro und ich glaube Landwirtschaft auch, einfach weil die sonst an anderer Stelle ein Problem kriegen.
Holger:[53:09] Ja, und das ist ja bei uns auch nicht anders. Egal, was bei uns der Herr Merz sagt. Wenn man hier eine funktionierende Wirtschaft weiterhaben will, dann wird man diese Einwanderer brauchen.
Nils:[53:23] Ja, definitiv.
Holger:[53:24] Das ist einfach so. Und auf der anderen Seite gibt es durchaus auch linke Parteien, die einwanderungskritisch sind, wenn die nämlich irgendwie noch mit Gewerkschaften verbandelt sind und die Gewerkschaften sehen das halt erstmal als Billiglohnkonkurrenz. Zumindest so lange, bis die entsprechenden Einwanderergruppen nach ein, zwei Generationen hier integriert sind, dann werden sie als potenzielle Gewerkschaftsmitglieder gesehen. Und du hast auch in rechten Parteien, gerade wenn die so einen religiösen Hintergrund haben, wo gesagt wird, man soll sich halt um die Schwachen kümmern, die sind dann wieder einwanderungsfreundlich und am Ende führt es dann dazu, dass du sagen kannst, dass viele politische Parteien, egal wie ihre Rhetorik ist, intern eigentlich relativ gespalten zu dem Thema sind.
Nils:[54:09] Macht ja auch Sinn. Es ist halt wieder, weil die Realität halt anders ist als die Erzählung, haben wir halt die, die an die Erzählung glauben und die, die auf die Realität gucken.
Holger:[54:18] Genau. Und die Erzählung ist halt, wie wir jetzt schon festgestellt haben, in vielerlei Hinsicht einfach falsch. Und auch nicht hilfreich. Interessanterweise ist es auch so, dass wenn man jetzt etwas differenzierte Umfragen in den Bevölkerungen in westlichen Ländern macht, dass die meisten Menschen eine eher nuancierte Meinung dazu haben. Ja, also dass sie eben nicht einfach Anti-Einwanderung sind, sondern dass sie durchaus unterscheiden können, dass es ein kompliziertes Thema ist und man das nicht so einfach abgestücken kann, wie es die Politik gerne tut. Egal jetzt auf welcher Seite. Was im Grunde der Autor, also Heide Haas, dann auch irgendwie als so ein Hoffnungsschimmer sieht, dass es irgendwie die Polarisierung ja vielleicht in vielen Dingen mehr herbeigeredet ist als faktisch da und auch Potenzial.
Nils:[55:12] Aber wenn ich sie genug herbeirede, ist sie dann irgendwann auch faktisch da, ne?
Holger:[55:17] Sicher, sicher. Das ist so ein Problem. Also ich erinnere mich dran, weiß ich nicht, vor so ein, zwei Monaten haben meine Frau und ich eine Folge der Heute-Show geguckt. Und da war dann auch irgendwie so gegen diese Einwanderung, gegen Aussagen zur Einwanderung, wo dann der Moderator sagte, auch wenn es ein Problem ist, und meine Frau meinte, es ist interessant, wie noch nicht mal hinterfragt wird, ob das überhaupt ein Problem ist. Selbst wenn man da kritisch gegenüber den Methoden ist, sagt man trotzdem nicht, das ist ja eigentlich ein herbeigegeltes Problem. Soweit sind wir schon in der öffentlichen Diskussion.
Nils:[55:55] Ja, definitiv.
Holger:[55:58] Dann ein Phänomen, das sicher bekannt ist, dass in Gegenden, wo es wenig Einwanderer gibt, es herrscht eine negative Meinung gegenüber Einwanderern. Einfach, weil man irgendwie nur solche Horrorbilder kennt, aber nicht irgendwie die faktische Erfahrung gemacht hat.
Nils:[56:21] Den Alltag einfach lebt.
Holger:[56:22] Genau. Und ich würde das mal so jetzt in meinen Worten einfach sagen, wenn man nicht die faktische Erfahrung macht, dass es in einer Gruppe halt die meisten Gruppen von Menschen sind gleich. Es gibt viele nette Menschen und ein paar Menschen, die es nicht sind und mit denen man nichts zu tun haben will. Genau. Wenn man diese Erfahrung dann halt nicht gemacht hat, dann hört man nur die Geschichten über die schlechten Menschen und hat halt ein verzerrtes Bild. Also das ist Ganz klar. Und es gibt natürlich auch noch, also muss man auch ehrlicherweise sagen, es gibt auch noch Rassismus, der eine Rolle spielt. Sicher. Der aber im Verhältnis zur Vergangenheit schon deutlich weniger ist. Also da macht man sich wahrscheinlich oft auch gar nicht klar, wie schlimm das früher schon mal war. Genau, dann hätte ich jetzt noch einen Punkt, den ich ziemlich spannend finde. Nämlich, was ist denn, wenn man solche Einreisekontrollen macht und Grenzen zumacht? Was bewirkt das denn wirklich? Und da war wieder, dass man halt nicht so richtig, dass man nur auf eine Seite der Gleichung guckt. Also man sagt, okay, wir haben ein Problem, wir haben Einwanderung, wir wollen, dass wir weniger Einwanderer im Land haben, dann machen wir die Grenze zu. Was ist das Resultat?
Nils:[57:49] Weiß ich nicht, du guckst mich, wir sehen uns gegenseitig, du guckst mich so an, so fragend.
Holger:[57:54] Das Resultat ist, dass ich nachher mehr Einwanderer im Land habe.
Nils:[57:58] Okay, ja.
Holger:[57:59] Warum ist das so? Weil ich in meiner Gleichung halt einen Teil ignoriere. Was an der Grenze passiert ist, wenn die relativ offen ist, dann gibt es Leute, die kommen rein, Leute, die gehen raus.
Nils:[58:11] Ah.
Holger:[58:12] Wenn ich die Grenze zumache, dann wird es immer noch Leute geben, die wollen reinkommen, wenn es dafür wirtschaftliche Gründe gibt. Und die wollen dann aber nicht mehr raus, weil wenn sie einmal raus sind, dann kommen sie nie mehr rein. Das ist ein Effekt, den kann man in den USA an der Grenze zu Mexiko hervorragend beobachten. Das ist ein Effekt, den kann man auch hier am Mittelmeer beobachten, wo früher die Leute aus Marokko zum Beispiel relativ einfach in die europäischen Anrainerstaaten ein- und ausreisen konnten.
Nils:[58:48] Als Saisonarbeiter oder so.
Holger:[58:49] Genau, als Saisonarbeiter oder auch so wie es heute gibt, ja, die Möglichkeit in Australien so ein Arbeitsvisum zu machen und so ein bisschen Abenteuer rumreisen. Und das haben früher viele von diesen Menschen halt genauso in Europa gemacht. So, jetzt geht das nicht mehr. Jetzt müssen sie die Entscheidung treffen. Das heißt, sie reisen ein und sie reisen dann aber nicht aus, zumindest nicht, wenn sie nicht irgendeine legale Möglichkeit kriegen, wieder einzuwandern.
Nils:[59:18] Macht Sinn, ja.
Holger:[59:18] Das kann paradoxerweise dazu führen, dass sie dann mit einer permanenten Aufenthaltsgenehmigung wieder in die Heimat zurückgehen, weil sie ja jederzeit die Möglichkeit haben, zurückzukommen.
Nils:[59:26] Ja, klar.
Holger:[59:27] Und dann halt auch wirklich sagen können, ich bin halt mal zwei Monate im Jahr für irgendeine Ernte in Italien oder Spanien, verdiene mir da gut Geld dazu, sonst bin ich zu Hause.
Nils:[59:37] Ja, macht Sinn, ja.
Holger:[59:39] Das heißt, auch da ist das, was als Politik gemacht wird, weil halt einfach die eine Hälfte der Gleichung nicht gesehen wird, nämlich dass Leute ja auch rausgehen und dass ich da irgendwie so ein Gleichgewicht habe, das wird ignoriert, ich mache das Gleichgewicht kaputt und erreiche genau das Gegenteil von dem, was ich möchte.
Nils:[59:55] Ich fand das ganz spannend. Ich habe, als ich meine Disc geschrieben habe, bei mir ging es jetzt nicht um Migration, aber es gibt ja in der Migrationstheorie diese Push-and-Pull-Faktoren, die immer irgendwie diskutiert werden. Also was sind Faktoren, die Leute aus ihrem Land wegtreiben und was sind Faktoren, die Leute in ein bestimmtes Land hineintreiben. Und irgendwie ein Autor sagte da mal, ja, das ist immer schön, dass wir über diese beiden Ebenen reden, aber wir vergessen, wie du gerade sagtest, die zweite Hälfte der Gleichung, wir vergessen nämlich die Keep- und die Repel-Faktoren. Also wir vergessen die Faktoren, die die Leute in ihrem Heimatland halten und wir vergessen die Faktoren, die die Leute von ihrem Zielland abstoßen. Das würde die Gleichung dann halt vervollständigen.
Holger:[1:00:31] Und da gibt es sogar so richtig Beispiele. Wenn angekündigt wird, dass Grenzen zugemacht werden, dann kriegst du einen Einwanderungspiek.
Nils:[1:00:40] Ja, klar.
Holger:[1:00:41] Weil dann viele halt sagen, ja, jetzt möchte ich das noch schnell nutzen. Klar. Und es gibt da, er hat ein sehr schönes Beispiel, es gibt Suriname-Goyana und Französisch-Goyana.
Nils:[1:00:52] Ja.
Holger:[1:00:53] Französisch-Goyana ist ein Departement von Frankreich. Das heißt, die Menschen da haben einen französischen Pass. Bei Suriname und Goyana, ich überlege gerade, was da das Kolonialmacht war, ob das Großbritannien war, ich bin gerade nicht sicher.
Nils:[1:01:09] Das weiß ich auch nicht.
Holger:[1:01:10] Aber auf jeden Fall wurde da dann von den ehemaligen Kolonialmächten gesagt, wir werden hier die Einwanderung aus diesen Ländern einschränken. Das hat zu Rieseneinwanderungswellen oder Auswanderungswellen aus diesen Ländern geführt.
Nils:[1:01:24] Nach Französisch-Goyana?
Holger:[1:01:26] Nee, nee, in die ehemalige Kolonialmächte. Also wenn du mal in Holland unterwegs bist, also surinamesisches Essen kriegst du ja überall. Also das ist auch gut. Kann ich aus Erfahrung sagen. Aber du merkst, wenn du in Holland ein bisschen häufiger mal unterwegs bist, Surinamesen gibt es da viele. Als Resultat dessen.
Nils:[1:01:48] Ja, okay, macht Sinn.
Holger:[1:01:50] Aus Französisch-Goyana gibt es nicht viele Menschen, in Festland Frankreich. Also gibt die natürlich. Aber weil die einfach jederzeit kommen und gehen können, wie sie wollen, gab es halt nie so einen Peak, nie so eine Welle. Also das heißt, da hat man so ein richtig schönes Beispiel dafür, wie diese Politik eigentlich genau das Gegenteil von dem erreicht, was man will.
Nils:[1:02:11] Stimmt, ja.
Holger:[1:02:14] Also das finde ich halt… Finde ich halt so ein sehr schönes Beispiel dafür, wie einfach diese ganze Politik irgendwie in so eine ganz, ganz komische und dumme Richtung läuft.
Nils:[1:02:28] Ja, verstehe ich.
Holger:[1:02:31] Genau, also wir sind jetzt im Grunde auch so durch meine Hauptpunkte durch. Es gibt klar, es gibt noch so ein paar kleine, ich habe jetzt nicht alles ausführlich gehabt, es gibt noch so ein paar kleine Sachen, die man noch ermähnen kann. Zum Beispiel führt er aus, dass das mit den Klimaflüchtlingen, dass das gar nicht so klar ist, wie es manchmal dargestellt wird, weil Menschen schon immer sich auch in gefährlichen Gegenden angesiedelt haben, also nahe dem Fluss, der häufig überflutet. Das heißt, also er sagt jetzt nicht, dass es die nicht gibt, aber es ist halt nicht so klar, wie immer gesagt wird, dass es da Riesenbewegungen geben wird. Auch sehr schön, dass wenn Leute sagen, wir müssen, um den demogrammischen Wandel auszugleichen, das wollen wir durch Einwanderung lösen, da da so die schöne Beispiel, naja, dafür müssten wir die jetzt zum Beispiel in Deutschland die Einwanderung in etwa verzehnfachen, da müssten wir also um die drei Millionen Menschen pro Jahr annehmen, das heißt, das ist jetzt wahrscheinlich auch nicht so die Lösung.
Nils:[1:03:39] Das wird nicht passieren.
Holger:[1:03:40] Also, auch ein wichtiger Punkt, wenn man jetzt sagt, das stimmt, das ist noch ein wichtiger Punkt, man sagt, dass Menschenschmuggel ist ja sowas, wo die armen Menschen, die einwandern wollen, ausgenutzt werden. Man muss sagen, naja, also Menschenschmuggel gibt es deswegen, weil die Einreisekontrollen so streng sind und diejenigen, die es sich leisten können und bereit sind, das Risiko einzugehen, dann halt zu Menschenschmuggel angreifen müssen. Das heißt, die beste Politik gegen Menschenschmuggel ist halt aufzuhören mit irgendwelchen übertriebenen Anwendungsregelungen. Genau. Und auch so diesen modernen Sklavenhandel, der irgendwie gerne auch in irgendwelchen Dokumentationen mal dargestellt wird, ist oft eher eine Ausbeutung als eine richtige Sklaverei. Das heißt, die Leute unterschreiben das schon freiwillig und sind oft nicht sich dessen klar, wie ausgebeutet sie sind, aber es ist halt auch nicht so, dass die gegen ihren Willen da entführt werden.
Nils:[1:04:55] Okay, aber das ist dann auch eine Frage von Tomato, Tomato irgendwann. Also, ich hatte lange Diskussionen mit meinem Theorie-Prof, ob es freier Wille ist, wenn man eine Pistole an den Kopf gesetzt kriegt und gesagt kriegt, jetzt unterschreibt mal bitte. Also ein bisschen überspitzt natürlich. Ja, okay, ich habe tendenziell eine freie Entscheidung, aber habe ich die wirklich?
Holger:[1:05:15] Naja gut, wobei hier der Unterschied ist, dass du ja unterschreibst, bevor die Pistole an deinen Kopf gesetzt wird und dann vielleicht feststellen.
Nils:[1:05:22] Ja, aber Drohne, Hungersnot und Versprechen von gutem Einkommen sind in ökonomisch angespannten Zeiten schon, können eine ähnliche Macht entfalten, formulieren wir es mal so.
Holger:[1:05:33] Ja, wobei ich sagen würde, es ist nicht unbedingt direkt die Hungersnot, sondern es ist erstmal die Aussicht auf ökonomische Verbesserung. Ja, gut. Ja und da muss man dann auch sehen, muss man in den Einzelfällen gucken, ob die Leute das dann, wie gesagt, es ist ein komplexes Thema, deswegen sage ich auch, Ausbeutung ist es sicher. Aber es gibt halt noch einen Unterschied zwischen Ausbeutung und Sklaverei. Also Ausbeutung kannst du halt.
Nils:[1:06:00] Die im Neoliberalismus rechtfertigbare Ausbeutung, äh Sklaverei es geht so weit man es ausdehnen kann ohne dass es Sklaverei wird dehnt man es halt aus
Holger:[1:06:12] Ja aber da ist jetzt ja auch wieder das Problem dann der Neoliberalismus.
Nils:[1:06:16] Ja natürlich, immer, also nicht immer, aber oft fast immer ich suche nach einer Ausnahme
Holger:[1:06:24] Genau damit wäre ich jetzt aber jetzt wirklich durch die Kernthemen des Buches durch. Wie gesagt, also das Buch ist sehr dicht. Es sind wirklich, 370 Seiten, die sehr dicht mit Input sind. Insofern, wer das jetzt spannend fand und da noch mal in die Tiefe gehen will, dem würde ich auch empfehlen, dass ich das Buch selber noch mal zu Gemüte zu führen. Würde jetzt an dieser Stelle aus meiner Perspektive das dann aber beenden.
Nils:[1:07:06] Alles klar. Danke dir, Holger, für die Vorstellung von How Migration Really Works oder Migration 22, populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt. Gut, schön, dass du uns das Buch vorgestellt hast. Ich habe natürlich gleich parallel an meine letzte Episode denken müssen, an die Folge 92, Gekränkte Freiheit, wo ja genau diese Mechanismen, die du beschrieben hast, sie werden zu Sündenböcken gemacht. Oder es gibt die Experten, die sich zum Thema äußern, die nicht wirklich eine Ahnung davon haben. All diese Themen genau im Grunde aufgezeigt werden.
Nils:[1:07:43] Und eigentlich schön geschildert wird, warum diese Gruppen, die Migranten zu Sündenböcken machen, warum die gerade einen Sündenbock suchen. Und warum da Migranten auch näher liegen. Auch wenn es nicht unbedingt, das fand ich auch ganz spannend, dass sich das hier widerspiegelt, nicht unbedingt inhärent, was mit Rassismus zu tun hat, das machen die Autoren da auch, sondern tatsächlich auch dieser ökonomische Aspekt, der sozioökonomische Aspekt, die nutzen uns oder die kosten zu viel. Im Mittelpunkt steht und weniger eine inhärente Abwertung, auch wenn die natürlich mit den ganzen Klischees und Vorurteilen irgendwie noch dazuspielt oder wenn die einen fruchtbaren Boden bietet. Aber das ist nicht das primäre Argument an der Stelle. Das macht es nicht unbedingt besser. Aber es eröffnet vielleicht noch mal andere Ansatzpunkte, um damit umzugehen. Und das war das eine Buch, also gekränkte Freiheit von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ist mir eingefallen. Dann, wir haben es auch schon thematisch ein, zweimal angesprochen, das Nomadische Jahrhundert von Gaia Wins, Episode 77, wo es eben genau um diese anstehende Klimavölkerwanderung, wie sie das ja nennt, das hat mit klassischen Fluchtbewegungen ihrer Schilderung nach nicht mehr viel zu tun oder wird nicht viel damit zu tun haben, sondern nochmal auf ein ganz anderes Niveau sich bewegen. Kann man jetzt wahrscheinlich den guten Herrn De Hain und Frau Winz einmal gegeneinander diskutieren lassen. Das fände ich mal ganz spannend.
Holger:[1:09:03] Da sind sie auf jeden Fall unterschiedlicher Meinung. Aber das ist ja auch okay.
Nils:[1:09:06] Ja, natürlich. Und dann habe ich noch so ein paar, diese allgemeinen Zeitdiagnose, Krisenbücher, Lage der Nation, die Klimaschmutzen, glaube ich auch alleine deine letzte Folge. Die spielt ja auch schon so ein bisschen rein, so die Verzerrung von Themen oder wie irgendwie zugrunde liegende Realitäten, medial und politisch irgendwie geframed werden, merkt man ja auch ganz schön. Du hattest ja auch, glaube ich, Merchants of Doubt, hattest du ja auch vorgestellt von Naomi Oreskes. Das geht ja auch in dieselbe Richtung. Dann haben wir natürlich die Altenrepublik zum Thema demografischer Wandel. Das haben wir ja auch hier ein bisschen gestreift. Und die Episode 42, Europa, Infrastrukturen, De-Externalisierung. Auch ganz schön, weil da auch dieses Motiv, Afrika ist unser Ressourcenlieferant hier in Europa, einmal schön auseinandergenommen wird. Und wenn wir gerade geredet haben, damit wir irgendwie unseren Arbeitskräftemangel ausgleichen können, müssen wir Menschen aus Südafrika importieren, aus Afrika importieren oder aus anderen Teilen der Welt, da ist ja auch schon wieder diese, die versorgen uns mit Ressourcenlogik irgendwie eingebettet und ja, auch spannend, sich da mal ein bisschen genauer, ein bisschen ausführlicher mit auseinanderzusetzen. Hast du noch Bücher, Ideen, die ich jetzt nicht genannt habe?
Holger:[1:10:15] Ja, also ich habe auch noch ein paar alte Folgen zuerst. Zum einen, Die Folge 89, Arbeit macht Missbrauch, wo es ja auch so ein bisschen darum geht, da kommt ja auch unter anderem vor, wie dann auch Einwanderer vielleicht mehr bestimmten Machtmissbräuchen ausgesetzt sind. zum Thema.
Holger:[1:10:41] Neoliberalismus noch die Folge 79, der Allesfresser von Nancy Fraser, ich glaube da, das ist, wie wir auch festgestellt haben ein Thema, was immer wieder kommt wie der Neoliberalismus sich so auswirkt und dann auch noch eine alte Folge das Integrationsparadox, wo ja auch schon Über jetzt sozusagen dann aus der deutschen Sicht, wie wir mit Einwanderung umgehen, das finde ich sehr schön beschrieben ist und auch in gewisser Weise, dass manche Sachen vielleicht gar nicht so schlimm sind, wie sie gerne erzählt werden oder dass manches auch sozusagen manches, was problematisch erscheint, eigentlich auch zeigt, dass wir schon so weit sind, dass wir überhaupt uns damit befassen können. Dann habe ich noch drei Bücher. Zum einen als erstes von Marcel Fratscher, Verteilungskampf, warum Deutschland immer ungleicher wird. Ich denke, da ist klar, in welche Richtung das geht. Dann habe ich möglicherweise auch schon mal empfohlen, Michael Hartmann, die Abgehobenen. Das ist also ein Elitenforscher, also auch Soziologe, der da so ein bisschen beschreibt, wie so die Eliten so denken und warum sie vielleicht auch nicht so verstehen, was für den Rest der Bevölkerung so wichtig ist. Ja.
Holger:[1:12:09] Was dann vielleicht nochmal hilft, so ein bisschen zu verstehen, wie so gewisse Politiker sich äußern. Und Naomi Oreskes hatten wir eben schon mal erwähnt. Und sie und Eric Conway haben nach Merchants of Doubt noch ein zweites meiner Meinung nach extrem wichtiges Buch geschrieben, The Big Myth, in dem sie darstellen, wie denn sich so dieses ganze neoliberale Denken, wie das so verbreitet und in die Mehrheit der Bevölkerung gebracht wurde. Also so ein bisschen, warum sind wir denn an dem Punkt, wo wir uns gar nichts anderes mehr vorstellen können? Und das ist halt auch von bestimmten Interessengruppen bewusst herbeigeführt worden und das nehmen sie da sehr schön auseinander. Und dann habe ich als letztes noch, wer noch Interesse hat, jetzt an der Migration. Es gibt auch einen Vortrag von Heinde Haas selber, der im Hörsaal vom Deutschlandfunk erschienen ist, etwa nicht ganz eine Stunde lang. Er macht es auch auf Deutsch, entschuldigt sich am Anfang des Vortrags dafür, dass es das erste Mal ist, dass er einen Vortrag auf Deutsch hält. Ist aber alles sehr gut zu verstehen. Also er spricht ziemlich gut Deutsch, halt mit so ein bisschen holländischem Akzent. Aber das ist ja überhaupt kein Problem. Das heißt, wer dann nochmal ihn selber zu dem Thema hören möchte, das tun wir dann auch noch in die Shownotes. Genau.
Nils:[1:13:33] Ich habe jetzt ein Buch gerade noch vergessen, Capitalist Realism von Mark Fischer. Das hatte ich im Podcast auch einmal angesprochen. Das scheint so ein bisschen in die gleiche Richtung zu schlagen, wie das von Naomi Oreskes und Conor die du gerade angesprochen hattest. Also diese Etablierung, dieser Selbstverständlichkeit des Kapitalismus, die spielen wahrscheinlich ganz gut zusammen.
Holger:[1:13:53] Ja, kann ich mir vorstellen.
Nils:[1:13:56] Gut, hast du noch Punkte, die nicht angesprochen worden sind, die du noch loswerden möchtest?
Holger:[1:14:03] Nö, ich konnte ja erzählen, was ich wollte.
Nils:[1:14:07] Dann bleibt mir nur, euch auf unsere Webseite zu verweisen. Wenn ihr diesen Podcast spannend fandet, mehr zu uns wissen wollt, mehr Episoden finden wollt, könnt ihr das natürlich auf unserer Webseite tun, dirbtuve.de/zzd. Dann sind wir aber auch zu finden auf allen gängigen Podcast-Plattformen, Spotify, Apple Podcasts und so weiter und so fort. Hinterlasst uns da auch gerne Sterne, Kommentare, Bewertungen. Wir freuen uns, von euch zu hören. Mittlerweile auch wieder zuverlässig auf YouTube sonst in den sozialen Medien könnt ihr uns folgen bei Mastodon sind wir at ZZD at podcasts.social und auf Blue Sky sind wir glaube ich at Deckeln folgt uns da gerne rein und verpasst keine neuen Episoden ihr könnt uns aber natürlich einfach da abonnieren wo ihr all eure Podcasts ohnehin abonniert habt jetzt bleibt mir nur bis zum nächsten Mal euch zu wünschen viel Spaß beim Lesen Tschüss
Music:[1:15:04] Music
Quellen und so
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Der Beitrag 094 – „Migration: 22 populäre Mythen“ von Hein de Haas erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.

Jun 12, 2025 • 1h 9min
093 – „Die Klimaschmutzlobby“ von Susanne Götze und Annika Joeres
In „Die Klimaschmutzlobby“ zeigen Susanne Götze und Annika Joeres auf, wie Interessengruppen aus unterschiedlichen Gründen und mit diversen Methoden den Kampf gegen den Klimawandel sabotieren und damit die Zukunft gefährden.
Shownotes
Buch: „How Migration Really Work“ von Hein de Haas (Verlagswebseite)
Podcast: „Hörsaal“ von Deutschlandfunk Nova
Buch: „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien (Verlagswebseite)
„Die Klimaschmutzlobby“ Susanne Götze und Annika Joeres (Verlagswebseite)
„Subventionen für den Braunkohleabbau“ (Green Planet Energy)
„Einsatzbereiche sauberen Wasserstoffs“ nach Schätzungen von Michael Liebreich (deutschprachige Wikipedia)
„Wasserstoff – Schlüssel im künftigen Energiesystem“ (Umweltbundesamt)
„Zusammensetzung des Benzinpreises (Super E10) in Deutschland pro Liter“ (Statista)
„Fragen und Antworten zur Klimawirkung von Methan“ (Akademie der Naturwissenschaften der Schweiz)
„Der EU-Emissionshandel wird umfassend reformiert“ (Umweltbundesamt)
„Wie funktionierten die CumEx-Geschäfte?“ (Finanzwende)
weitere Folgen & Literatur
ZZD053: „Zukunft als Katastrophe“ von Eva Horn
ZZD079: „Der Allesfresser“ von Nancy Fraser
ZZD072: „Die Faltung der Welt“ von Anders Levermann
ZZD058: „Merchants of Doubt“ von Naomi Oreskes und Erik M. Conway
Podcastfolge: „Kreislaufwirtschaft: Nachhaltig produzieren, Ressourcen schonen“ (Deutschlandfunk Hintergrund)
Buch: „Die Nachhaltigkeitstransformation in Deutschland“ von Jörg Radtke (Verlagswebseite)
Buch: „Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden“ von Holler et al. (Verlagswebseite)
Buch: „Konsum“ von Carl Tillessen (Verlagswebseite)
Buch: „The Big Myth“ von Naomi Oreskes und Erik M. Conway (Verlagswebseite)
Buch: „Klimahandel“ von Mojib Latif (Verlagswebseite)
Buch: „Männer, die die Welt verbrennen“ von Christian Stöcker (Verlagswebseite)
Buch: „Lobbyland“ und „Korrumpiert“ von Marco Bülow (Webseite zu den Büchern)
Transkript
Music:[0:00] Music
Christoph:[0:16] Herzlich willkommen zur 93. Folge von Zwischenzweideckeln, eurem Sachbuch-Podcast. Mein Name ist Christoph und ich habe heute Holger mit dabei.
Holger:[0:24] Hallo.
Christoph:[0:25] Bevor wir gleich ins Buch starten, Holger, was treibt dich gerade um? Womit beschäftigst du dich?
Holger:[0:33] Es ist eigentlich auch ein anderes Buch und eins, wo ich mir auch gut vorstellen kann, das mal im Podcast vorzustellen. Ich höre das im Moment als Hörbuch, das ist How Migration Really Works. Von Hein de Haas, also das ist, soweit ich das im Kopf habe, ein niederländischer, ich glaube auch Soziologe, der halt wirklich zum Thema Migration forscht und der das, also ich bin noch nicht durch mit dem Buch, aber schon ein gutes, also, weiß nicht, zwei Drittel, drei Viertel, irgendwie sowas um den Dreh. Und der auch vieles, was so an Mythen auch in der politischen Diskussion immer so verbreitet wird, mal aus wissenschaftlicher Sicht da drauf guckt und was wahrscheinlich die wenigsten unserer Zuhörer, so wie ich sie einschätzen würde, überraschen wird, dass dabei dann rauskommt, dass an vieler Stelle da eigentlich ziemlicher Unsinn erzählt wird.
Christoph:[1:37] Das stelle ich mir relativ frustig vor, mir das anzuhören. Also ich glaube, im Kontrast zum politischen Diskurs quasi.
Holger:[1:45] Ja, also ich bin durch den über, es gibt diesen Hörsaal-Podcast vom Deutschlandfunk oder Deutschlandradio, da bin ich gerade nicht sicher. Ich glaube, D-Radio ist es eigentlich, aber und da war mal ein Vortrag von ihm. Und dann bin ich irgendwie neulich mal in den Buchladen gelaufen und dann lag das Buch da und dachte, ah, Moment. und genau also auf jeden Fall, Finde ich eigentlich auch ganz angenehm, wenn dann doch noch mal irgendjemand irgendwie da komische Meinungen vor sich gibt und man in der Situation ist, wo man vielleicht das nicht so stehen lassen will, wenn man dann auch ein bisschen mehr über die Fakten weiß, was es eigentlich ist. Wie sieht es denn bei dir aus? Was schwirrt dir so im Kopf rum?
Christoph:[2:38] Ich habe jetzt gerade letztes Wochenende, bin ich von dem vorbereitungslangen Wochenende meiner Ferienfreizeit wiedergekommen, die ich ja immer noch mitmache. Ich habe die Leitung mittlerweile abgegeben, aber ich bin noch regulärer Betreuer. Genau, und wir waren über das lange Wochenende mit 30 Kindern weg, also nicht so viele für unser großes Team und haben den Sommer aber auch parallel vorbereitet. Das heißt, das ist viel in meinem Kopf, weil ich mich damit viel auseinandergesetzt habe. Und ich habe mich nochmal auf eine Reise begeben. Ich glaube, ich fange jetzt das dritte, vierte Mal. Ich weiß es nicht genau, Herr der Ringe an. Genau, ich habe es bisher immer abgebrochen. Der letzte Versuch ist, glaube ich, aber auch schon zehn Jahre her. Und bis jetzt bin ich ganz zuversichtlich, dass ich zumindest mal das erste Buch tatsächlich lesen werde. Ob es danach dann weitergeht, mal schauen. Aber genau, ich habe mich auf den Weg begeben, da nochmal einzutauchen. Und das ist irgendwie, ja, so ganz schön.
Holger:[3:36] Ja, das ist ja nicht schlecht. Also ich muss gestehen, ich fand damals Herr der Ringe, also ich habe das jetzt auch nicht so in einem Rutsch durchgelesen. Ich glaube, ich bin relativ schnell mit dem ersten Buch gewesen und dann im zweiten Buch, so die zweite Hälfte, da, ja, das war mir irgendwie ein bisschen zu dröge. Das hat echt gedauert, bis ich da durch war. und als ich da durch war, dann ging es irgendwie wieder recht schnell bis irgendwie so das letzte Stück von dem letzten Buch.
Christoph:[4:09] Das ging dann, glaube ich,
Holger:[4:10] Auch ein bisschen langsamer. Also, ich kann das gut verstehen. Ich habe es irgendwie durchgehalten, aber… Es kann schon herausfordernd sein.
Christoph:[4:21] Also ich bin gespannt. Ich habe einen sehr guten Freund, der großer Herr der Ringe-Fan ist. Und irgendwie mache ich es ihm zuliebe ein bisschen. Und zum anderen denke ich so, naja, es gehört glaube ich schon zum Kanon von Dingen, die man mal gelesen haben könnte. Das sind die beiden Dinge, die mich antreiben. Ja, ich würde vorschlagen, dass wir zum heutigen Buch kommen. Und bevor du uns gleich eine Zusammenfassung geben kannst, sage ich noch zwei Takte zu den Autorinnen. Du stellst uns vor die Klimaschutzlobby von Susanne Götze und Annika…
Holger:[4:53] Die Klimaschmutzlobby.
Christoph:[4:55] Ah, Klimaschmutzlobby. Klimaschmutzlobby. Danke für die Korrektur. Die Klimaschmutzlobby von Susanne Götze und Annika Jöris. Und Susanne Götze ist promovierte Historikerin und arbeitet als Journalistin, unter anderem als Wissenschaftsredakteurin für den Spiegel. Sie ist auch Radiojournalistin beim Deutschlandfunk und als Autorin für die SZ, die Frankfurter Rundschau, Zeit Online und noch weitere Medien unterwegs. Also eine umtriebige Journalistin, würde ich sagen. Und Annika Jöris wiederum arbeitet in Frankreich für korrektiv.org, vielleicht auch eine bekannte Webseite, die ihr dann ja auch in den Shownotes finden werdet. Und dann noch für weitere deutsche Medien wie die Zeit auch oder die Taz, ist auch für die ARD unterwegs oder den Spiegel. Und genau, mit diesem kleinen Ab-A, wer es nicht noch sagen kann, als Hardcovers ist 2020 erschienen und zwar bei Pipa, wenn ich es jetzt hier richtig in den Notizen sehe. Und damit gebe ich ab an dich und freue mich auf eine kleine Zusammenfassung des Buches.
Holger:[6:01] In die Klimaschmutzlobby zeigen Susanne Götze und Annika Jörges auf, wie Interessengruppen aus unterschiedlichen Gründen und mit diversen Methoden den Kampf gegen den Klimawandel sabotieren und damit die Zukunft gefährden.
Holger:[6:19] Und vielleicht noch, ich habe die Taschenbuchausgabe gelesen, die ist 2022 erschienen, mit einem Vorwort von Harald Lesch, der aus irgendeinem Grund in dem Buch dann auch, also wird nicht als Autor aufgeführt, aber irgendwie in den Lebensläufen dann irgendwie auch dabei steht, das fand ich irgendwie ein bisschen kurios.
Christoph:[6:41] Gut, nehmen wir so, ja.
Holger:[6:42] Genau. Also im Grunde geht es in dem Buch darum, warum wird eigentlich nicht mehr gemacht, um den Klimawandel zu bekämpfen. Und die Frage stellt sich halt, na klar, eine Möglichkeit wäre, dass es einfach irgendwie nicht so ernst genommen wird. Aber man kann ja auch fragen, warum wird das so ernst genommen und liegt das vielleicht daran, dass Menschen dagegen arbeiten. Also sowohl, dass der Klimawandel ernst genommen wird, als auch, dass man wirklich was dagegen tut. Und sie identifizieren im Grunde drei Gruppen, die was gegen den Klimawandel tun. Entschuldigung, das ist falsch ausgedrückt, die was gegen den Kampf gegen den Klimawandel tun. Das ist ja ein sehr großer Unterschied. Und dann gibt es, also so kurz, es gibt einmal die Klimawandelleugner.
Christoph:[7:45] Ja.
Holger:[7:47] Also ich sage gleich zu den einzelnen Gruppen noch zwei, drei Worte mehr jeweils. Es gibt Rechtspopulisten. Und es gibt etwas, das nennen sie Klimawandelbremser. Und eigentlich gibt es auch große Überschneidungen bei all diesen Gruppen und Zusammenspiel. Also Klimawandelleugner, das sind… Also die richtigen Leugner, die gibt es heutzutage nicht mehr so viele von, gibt es aber noch. Das sind häufig ältere Männer, die in irgendeiner Form, ich sag mal ein bisschen böse, sich für kompetent halten, was dazu zu sagen. Also sprich, oft sind das gerade keine Klimawissenschaftler, sondern haben schon irgendwie einen naturwissenschaftlichen oder technischen Hintergrund, aber sind eben nicht in diesem Feld unterwegs, finden aber immer wieder Begründungen, warum sie denn denken, dass der Klimawandel so nicht existiert. Beziehungsweise in der neueren Version es wird halt immer schwerer zu behaupten, dass das nicht existiert, aber dann gibt es, inzwischen sind viele dazu übergeschwingt, dass sie dann halt entweder argumentieren dass er zwar existiert, aber dass er nicht vom Menschen gemacht ist, und oder, dass er eigentlich ja auch gar kein Problem gar kein Problem ist.
Holger:[9:14] Also dass es diese negativen Auswirkungen dann aus welchen Gründen auch immer dann angeblich nicht gibt.
Holger:[9:24] Genau. Also ich muss jetzt auch gestehen, sozusagen aus meiner Lebensgeschichte, ich habe ja auch Physik studiert und als ich so im Studium war vor 20 Jahren, da war man dann, was Klimamodelle betrifft, also jetzt nicht offizielle Meinung oder sowas, aber ich würde sagen, dass da, glaube ich, ich selber und wahrscheinlich auch viele andere Physiker immer so ein bisschen kritisch gedacht haben, Wie gut können denn diese Modelle sein? Einfach aus dem Wissen heraus, wie schwer es ist, solche Modelle zu bilden.
Holger:[10:03] Trotzdem, also ich meine, meiner Meinung nach, jetzt kann man das gar nicht mehr so bestreiten. Und auch damals schon bin ich letzten Endes davon überzeugt worden, dass es irgendwo mal gesagt wurde, man muss das eigentlich wie eine Versicherung sehen. Auch wenn es nicht sicher ist einfach um das Risiko zu verhindern hätte es sich gelohnt Geld einzusetzen und das ist dann, muss man sagen irgendwann nicht mehr getan worden, also eigentlich ist es na gut da komme ich später zu es gab eine Zeit da wurde das ernster genommen als heute was natürlich auch wieder ein bisschen zeigt wie erfolgreich solche Lobbys sind, die zweite Gruppe neben also den Klimawandelleugnern, die das aus welchen persönlichen Gründen auch immer leugnen. Gibt es die Rechtspopulisten, die, leider ja politisch in vielen Ländern inzwischen ziemlich präsent sind. Und bei denen gibt es dann auch schon wieder verschiedene Motive. Also es ist einmal ist irgendwie der Klimawandel ideologisch aufgeladen inzwischen also aus sicht der rechtspopulisten ist es einfach ein linkes oder auch grünes projekt und.
Holger:[11:24] Das wird dann auch als Argument daneben benutzt. Also das Buch ist ja ein gutes Stück vor der letzten Bundestagswahl gewesen, aber wenn man mal sieht, wie da auch gerade gegen die Grünen und auch im Verlauf der Ampelregierung gegen Robert Habeck gehetzt wurde, Das sind ja schon relativ klare Zeichen, dass das auch einfach nicht nur von den Rechtspopulisten als Wahlkampfthema benutzt wird.
Holger:[12:01] Und was dabei dann auch genutzt werden kann, ist, dass man den Klimaschutz sehr schön als einen Angriff auf den Lebensstil darstellen kann. Weil es ist immer einfacher den Leuten zu sagen, du musst nichts ändern als du musst was ändern und, damit kann man dann auch gerade sozial benachteiligte Gruppen natürlich, aktivieren weil es ist natürlich einfach so wenn man schon Probleme hat, wie man seine Miete zahlen soll und wie das Essen wie man, halbwegs vernünftig sich ernähren soll oder gar nicht vernünftig sondern ausreichend Dann ist es, wenn dann jemand kommt und sagt, wir müssen hier Geld für den Klimaschutz ausgeben, dann kann er natürlich sehr gut gegen polemisiert werden. Auch wenn, an dieser Stelle nur als kleine Anerkung, auch wenn das natürlich immer totgeschwiegen wird, dass ja auch wie viel Geld denn im Moment für klimaschädliche Dinge ausgegeben wird.
Christoph:[13:08] Oh ja, das ist einiges.
Holger:[13:12] Genau. Und die letzte Gruppe sind dann, noch ganz kurz zu den Rechtspopulisten, Entschuldigung, die sind international aktiv. Und ironischerweise, obwohl sie selber ja so ein bisschen immer die Schiene fahren, dass sie sich so aufs Nationale konzentrieren, international sehr gut vernetzt miteinander, um ihre gemeinsamen Ziele zu verfolgen. Und man kann auch sagen, dass sie immer wieder den Klimaschutz auch erfolgreich ausgebremst haben. Man denke da an Trump, der in seiner ersten Amtszeit auf jeden Fall da sehr viel ausgebremst hat. Und auch jetzt in seiner zweiten Amtszeit da schwierige Politik macht. Also so lange macht das jetzt ja noch nicht, aber ich glaube, da sind die, also seine zweite Amtszeit, für diejenigen, die es irgendwann später hören, wir sind jetzt im Anfang Juni 2025, die zweite Amtszeit ist noch nicht so lange, aber ich glaube, das zeichnet sich doch schon sehr klar ab, dass da vieles schwierig ist und auch zum Thema Klimaschutz erwarte ich mir da nichts.
Christoph:[14:34] Meine Frage jetzt zu diesen drei Gruppen wäre zentral, es gibt ja auch einen sehr rationalen Ansatz, sich nicht um Klimaschutz zu bemühen und der kommt mir jetzt für mich noch nicht so ganz klar vor oder ich glaube, für mich ist noch nicht so klar, wo er ist. Also einfach die großen Gas, also die fossile Industrie muss ja nicht, also sie hat, glaube ich, lange geleugnet und hat er aber einfach auch ein reales Geschäftsmodell und da wäre meine Frage genau, ob da nicht einfach kapitalistische Logiken oder Verwertungslogiken wirken oder auch, naja, du hast halt Stakeholder, du hast Aktionäre, du bist dazu verpflichtet, Gewinn zu machen und das ist halt der Weg. Also
Holger:[15:27] Ja, im Grunde ist das die dritte Gruppe, wo ich gerade so ein bisschen abgebrochen habe, um nochmal zu den Rechtspopulisten zurückzugehen. Das sind die Klimabremser. Da sind vor allem Wirtschaftsinteressen, die da eine Rolle spielen. Und genau das, was du gesagt hast, das wird als Motivation genutzt und auch als Begründung benutzt, um die Maßnahmen dann auszubremsen. Und das fängt dann an bei dem Argument, also wenn man jetzt als Industrie nicht sagen will, das schallt ja uns selber, dann kommen die Argumente, die man auch in der öffentlichen Diskussion immer wieder hat. Es ist zu teuer, es bedeutet Wohlstandsverlust, jetzt auf Deutschland bezogen, wir haben ja eh nur so und so viel Anteil daran und können das ja gar nicht alleine schaffen. Genau diese Geschichten, die würden dann unter die Klimabremser fallen.
Christoph:[16:33] Ja, okay, verstehe.
Holger:[16:36] Und auch da, es ist ja ganz perfide. Es ist ja ähnlich wie bei der Tabakindustrie auch, die eigentlich schon lange Zeit, bevor es öffentlich wurde, wusste, dass Tabakkonsum halt gesundheitlich gefährlich ist und aber trotzdem dann im Prinzip so Pseudowissenschaft gefördert haben, um das in der öffentlichen Diskussion halt irgendwie aus der öffentlichen Diskussion diskussion rauszunehmen dasselbe ist passiert im grunde zum thema klimaschutz auch also wenn ich das jetzt gerade richtig im kopf habe also das habe ich mir jetzt nicht in meinen notizen aber wenn ich es gerade richtig im kopf habe dann gibt es quasi interne papiere von ölkonzernen oder zumindest von einem ölkonzern von 1977 wo man dann schon zum ergebnis gekommen ist dass so der ausstoß von co2 halt die atmosphärische veränderung und klimawandel bewirken bewirkt also noch gar nicht mehr bewirken kann sondern bewirkt ja und generell die chemischen prozesse die das tun die sind seit.
Holger:[17:50] Ich bin nicht sicher, ob das nicht sogar noch im 19. Jahrhundert war, aber auf jeden Fall seit über 100 Jahren bekannt. Ja, also es ist nicht so, dass das irgendwie plötzlich vom Himmel gefallen ist, sondern es ist auch so, dass auch hier wieder aus wirtschaftlichen Interessen da Dinge halt einfach runtergespielt wurden.
Christoph:[18:11] Und genau, ich will das auch gar nicht in Abrede stellen, ich weiß noch, ich habe am Montag mit einem, also für euch zur Info, wir nehmen an einem Freitag auf, also ich habe vor ein paar Tagen mit einem Kollegen von EWE gesprochen, der da im Bereich der Transformation unterwegs ist und der aber einfach ganz klar sagt, ja wir sind da total bemüht, wir sind da hinterher, das kann man jetzt glauben oder nicht, also ihm persönlich glaube ich es auf jeden Fall, weil ich ihn kenne und der meint, ja gut, aber unser Geld verdienen wir halt gerade primär mit Gas. Das ist das, womit wir unser Geld verdienen. Und das bringt unfassbar viel Geld und damit können wir irgendwie Transformationen im Zweifel finanzieren, bla bla bla bla bla, alles was da dran hängt. Aber ich finde, das wirkt dann manchmal wie so eine, als wären da so große dunkle Mächte am Werk, die in so einer halben Verschwörungstheorie das machen wollen würden. Und das mag, also wenn es interne Papiere gab und so Leugnungsprozesse, die von oben quasi verordnet wurden, dann mag das glaube ich so gewesen sein. Ich frage mich, inwiefern das immer noch bei allen Akteuren zumindest stimmt. Also ich glaube, da sind bemühte Leute und trotzdem sind halt teilweise wirtschaftliche Zwänge, so wie sie sind. Das ist irgendwie wenig witzig, aber genau, ich weiß nicht, ob wir da die Wirtschaftskreisläufe, muss man halt auch ernst nehmen und sehen, wie sie einfach laufen. Also es gibt ja auch eine tatsächliche Nachfrage nach fossilen Produkten.
Holger:[19:37] Ja, Ich würde dem nur bis zu einem gewissen Punkt zustimmen. Also jetzt in der Ist-Situation ist das auf jeden Fall die richtige Beschreibung. Das ist aber natürlich auch Folge von einem Weg, den wir genommen haben.
Christoph:[19:57] Ja, auf jeden Fall.
Holger:[19:58] Und es ist ja auch nicht so, dass… Also man hätte auch in der Vergangenheit andere Dinge entscheiden können und dann zu anderen Prozessen kommen können. Also ich springe jetzt mal ein bisschen.
Holger:[20:12] Ich springe mal ein bisschen nach vorne in dem, was ich eh erzählen wollte. Es gab ja eine Zeit, wo der Klimaschutz deutlich höher auf der Tagesordnung stand und wo man auch durchaus versucht hat, Dinge in Gang zu setzen. Also in Deutschland, kurz vor der Wende, eigentlich gab es schon Politiker und zwar auch auf verschiedenen Seiten des politischen Spektrums, die sich für Klimaschutz eingesetzt haben. Es gab auch Gesetze, die dann, gerade unter Rot-Grün, wo dann Dinge wie Solarförderung groß geschrieben wurden. Aber man muss eben auch sagen, das ist dann halt bewusst abgewirkt worden in Deutschland.
Holger:[21:04] Und das ist so ein Punkt, wo man dann sagen muss, ja, wenn man jetzt sagt, als Industrie, wir müssen uns da einsetzen und im Moment gibt das die wirtschaftliche Situation einfach nicht her. Dann muss man sagen, naja, ihr habt, also es wurde bewusst verhindert und gerade in der Merkel-Zeit, sage ich mal, wurden viele Sachen, die es eigentlich schon gab, wieder zurückgefahren. Also da erinnern sich viele vielleicht gar nicht dran, aber es gab mal eine Zeit, das ist auch gar nicht so lange her, 10, 12 Jahre, da war Deutschland in der Solartechnik verführend.
Christoph:[21:48] Ja.
Holger:[21:50] Und dann zu der Zeit hat man halt hier gesagt, wir fördern das. Das war auch eine Regierungsentscheidung. Und dann hat man beschlossen, das zusammenzustreichen. Und dann kann man sich natürlich überlegen, welche Lobbys hatten denn daran Interesse, das zu tun. Und klar, natürlich, wenn ich jetzt, mein Hauptgeschäft ist fossile Energie, dann werde ich natürlich sagen, also, natürlich ist das Konkurrenz und ich versuche, was gegen die Konkurrenz zu tun. Auf der anderen Seite, wenn ich sehe, naja, mein Geschäftsmodell wird auf Zukunft nicht tragfähig sein, dann könnte ich mir auch überlegen, ob ich nicht umdisponiere. Und das ist halt in großem Maße nicht geschehen und quasi sogar verweigert worden und teilweise ja auch mit… Also bis heute mit Kampagnen, also ich denke da nur an diese Kampagne gegen die Wärmepumpen.
Christoph:[22:50] Die da von der Springerpreise,
Holger:[22:52] Wo ich sagen muss, für die Leute, die sich jetzt eine Gasheizung oder eine Ölheizung gekauft haben, wegen dieser Springerkampagne, die wird das echt Geld kosten.
Christoph:[23:03] Ja, genau.
Holger:[23:04] Also weil Wärmepumpe, das ist jetzt unabhängig von der, von irgendwelchen Klimagesetzen oder sonst was, ist das halt das, was jetzt in Neubauten größtenteils eingebaut wird, weil das halt einfach das, das, sagen wir mal, das preisstabilste und effizienteste ist, was man machen kann.
Christoph:[23:23] Da ist richtig, also gerade in dieser Wärmepumpendiskussion ist wirklich extrem viel kaputt gegangen. Das ist sehr, sehr traurig und ja,
Holger:[23:33] Und auch nochmal, wie gesagt, ich springe jetzt ein bisschen, ich mache da nahe und will nochmal eine Schleife zurück. Aber es sind auch in dem, was so in der öffentlichen Diskussion erzählt wird, es wird, unser Staat gibt immer noch, also ich weiß jetzt nicht genau, was die Beträge sind, Aber ich gehe davon aus, dass es immer noch Milliarden sind, die ausgegeben werden, um die Kohleförderung in Deutschland noch zu erhalten. Mit dem Argument, dass man da dann einige zehntausend Arbeitsplätze verliert. Als man damals die Subvention der Solarindustrie zusammengestrichen hat, sind deutlich mehr Arbeitsplätze verloren gegangen, als wir hier irgendwie an Kohlekumpels noch in Arbeit halten. Und das ist das, warum ich irgendwie so ein bisschen, also dieses Argument halt so ein bisschen schwierig finde. Weil es wird halt auf der einen Seite benutzt, aber auf der anderen Seite, da hat man ja auch irgendwie… Da hat man auch Entscheidungen getroffen, die halt dann andere Dinge kaputt gemacht haben und die im Grunde, wenn man es jetzt so im Gesamtbild sieht, für, ich sage jetzt mal für das Land, ich könnte auch sagen für den Planeten, insgesamt gesehen deutlich schlechter waren.
Christoph:[24:52] Ganz kurz, Green Planet Energy schreibt, dass 2022, ich meine das jetzt auch schon ein bisschen her, dass für den Abbau der Braunkohle, dass die noch mit 1,7 Milliarden Euro gefördert wurde. Davon kommen 1,2 Milliarden direkt aus dem Staatshaushalt. Also das sind schon krasse Zahlen. Das ist schon heftig.
Holger:[25:14] Also danke, dass du meine Intuition bestätigt hast. Genau, das sind so Punkte, man muss da immer ein bisschen vorsichtig sein.
Christoph:[25:27] Ja, man muss da total vorsichtig sein, absolut. Mein einziger Punkt ist, dass man, glaube ich, andersherum genau hingucken muss, zumindest in der aktuellen Situation. Was historisch gelaufen ist, ist, glaube ich, so das eine. Und genau, ich meine, ich habe beruflich mit dem ganzen Thema Wasserstoffhochlauf zu tun. Da gibt es auf jeden Fall auch viel, wo man genau auf die Finger gucken muss, weil es definitiv Lobbyinteressen gibt, die sowas wie Heizen mit Wasserstoff nach vorne bringen wollen.
Holger:[25:54] Ja, und das ist ja totaler Unsinn.
Christoph:[25:56] Genau, und das ist totaler Unsinn und das kann man auch sehr glaubhaft so vertreten, ohne zu sagen, dass wir Wasserstoff überhaupt nicht brauchen. Und auch so Ideen von, naja, also absehbar wird grüner Wasserstoff zum Beispiel preislich nicht konkurrenzfähig zu Erdgas sein. Das ist das, was wir sehen. Das ist traurig, aber ist so. Und dann ist jetzt die Frage, inwiefern man auf blauem Wasserstoff, also fossil hergestellten Wasserstoff mit CO2-Abscheidung setzt, Und da kannst du dann so fossile Lock-Ins haben und so. Und wenn das von der Industrie entsprechend vorangetrieben wird, dann kann man dastehen und merken, ah ja, in 20 Jahren, wir sind immer noch von Erdgas und dann halt mit CO2-Abscheidung abhängig. Da gibt es echt Probleme in dem konkreten Weg, weil man berechtigterweise trotzdem sagen kann, für den Hochlauf werden wir vielleicht aber blauen Wasserstoff brauchen, damit das überhaupt in Gang kommt. Und da so eine ungetrübte Perspektive zu kriegen und den richtigen Weg einzuschlagen, ist total schwierig. Merke ich beruflich.
Holger:[26:53] Ja, wobei ich auch sagen muss, also bei der ganzen Wasserstoffthematik, jetzt einfach mal aus meiner Perspektive, so vom Physikstudium her drauf geguckt. Da lernt man im, ich glaube es war noch im ersten Semester, lernt man, dass bei jedem Prozess von Energieumwandlung wird ein Teil der Energie nicht mehr nutzbar. Das heißt, für die Energienutzung ist der dann verloren. Das heißt, immer wenn ich irgendeine Methode habe, wo ich mehr Schritte habe, wird die wahrscheinlich weniger Anteil der erzeugten Energie am Ende nutzbar rauskriegen.
Christoph:[27:37] Natürlich, ja, ja.
Holger:[27:38] Und mit dem Wasserstoff, ich werde auch allergisch, wenn irgendwelche Politiker dann erzählen, wir wollen hier technologieoffen sein und es mit Wasserstoff machen. Weil ich dann denke, ich weiß nicht genau, was der Wirkungsgrad ist, wenn man Wasserstoff… Also im Prinzip, was man macht, ist, man spaltet Wassermoleküle auf, um den Wasserstoff zu gewinnen. Ich weiß nicht genau, was da der Wirkungsgrad ist. Aber ich bin mir relativ sicher, dass es deutlich weniger effizient ist, Strom zu nutzen, um Wasserstoff aufzuspalten und dann den Wasserstoff zu verbrennen, um Energie zu erzeugen. Ist deutlich weniger effizient, als wenn man den Strom einfach direkt in eine Batterie packt und damit was antreibt. Also da bin ich mir ziemlich sicher.
Christoph:[28:26] Ohne jetzt die genauen Zahlen zu kennen. Das stimmt.
Holger:[28:28] Und das heißt, jeder, der mir erzählt, dass man für Dinge, wo man auch einfach direkt den Strom nehmen kann, Wasserstoff nehmen soll, dem sage ich, das ist Bull, Entschuldigung, das ist dumm. Das ist dumm.
Christoph:[28:42] Das ist aber auch Konsens in der fundierten Debatte.
Holger:[28:45] Ja, aber nicht immer in der öffentlichen Debatte. Deswegen will ich das hier gerade nochmal so klarstellen. Und ich weiß auch, es gibt Nutzungen, wo man das halt mit Strom nicht machen kann. Und einen Hochofen kann ich halt nicht mit Strom betreiben.
Christoph:[29:02] Das ist der wichtige Punkt,
Holger:[29:03] Den ich so gemacht hätte. Oder wenn ich jetzt ein Flugzeug habe.
Christoph:[29:08] Ganz kurzer Einwurf, in der neuen Stahlproduktion wird Wasserstoff auch nicht verbrannt, sondern zur stofflichen Reduktion direkt genutzt. Also er wird da nicht als Hochtemperatur-Brennstoff eingesetzt. Also die stoffliche Nutzung, das macht eine Ecke effizienter, eine gute.
Holger:[29:26] Okay, da stecke ich dann selber nicht in dem Thema drin.
Christoph:[29:29] Alles gut, ich wollte es nur sagen.
Holger:[29:32] Auch bei Flugzeugen, also zumindest im Moment ist die Batterietechnologie halt noch nicht so, dass das irgendwie sinnvoll mit Flugzeugen betrieben wird, wobei ich auch, vor ein, zwei Wochen in einem Podcast über Batterien gehört habe, dass es jetzt irgendwie so Entwicklung ist von so Festzählenbatterien, die halt auch was anderes gleichzeitig sein können, also sozusagen die auch als Wand dienen können.
Christoph:[29:57] Zum Beispiel. Ja, spannend, ja.
Holger:[29:59] Und wenn Wenn man das, die Technik, an den Punkt kriegt, ich meine, jetzt ist das Flugbenzin auch im Flügel. Wenn man die Batterie in den Flügel kriegt und die genug Energiedichte hat, dass man damit einen Propeller betreiben kann, Aber deswegen, also ich sehe halt so diese Themen so ein bisschen kritisch, weil ich halt sage, da spielen, glaube ich, auch Interessen mit rein, dass man sagt, wir möchten, dass da Leitungen gelegt werden. Und dann ist ja die Argumentation, jetzt ist da Gas und später dann Wasserstoff drin, wo ich dann sagen würde, wenn ich jetzt die Wahl habe, dasselbe Geld zu investieren, um eine neue Leitung für Gas zu legen oder einen Windpark irgendwie aufzubauen und eine Stromleitung von dem Windpark zu legen, dann ist, glaube ich, Zweiteres deutlich sinnvoller.
Christoph:[30:51] Ja, lass uns nicht zu tief in die Wasserstoff. Entschuldigung. Nee, alles gut, ich habe sie ja aufgemacht. Ich verlinke vielleicht ein, zwei kleine Texte und lass uns im Buch nochmal weiter gucken. Beim Wasserstoffzentral ist das vielleicht als Einsatz. Genau, es gibt Anwendungen, da wird er in Zukunft alternativlos sein und da werden wir ihn brauchen und dann gibt es ganz, ganz viele Anwendungen, bei denen wir direkt elektrifizieren können und da sollten wir das tun, unbedingt.
Holger:[31:18] Naja. Ich spring nochmal zurück, weil eigentlich waren wir ja noch bei der Industrie an sich hängen geblieben. Da sind nämlich noch ein, zwei Punkte, die ich für wichtig halte nämlich, dass da auch eine Denkschule die uns schon ein paar mal begegnet ist wieder eine große Rolle spielt, nämlich diese neoliberale ich nenne es mal Ideologie, wo es auch da gibt es oder sagen wir generell die neoliberalen Thinktanks die es so in der Welt gibt da fällt zum Beispiel auch die Heritage Foundation drunter, die ja auch für Trump dieses Project 2025 geschrieben hat, was da im Moment in der Politik umgesetzt wird. Das ist so eine dieser zentralen Größen. Und diese Thinktanks haben auch durchaus… Klimaskeptische und auch klimaverhabenlosende Politik gefördert. Sie fördern auch, ich will es gar nicht wirklich, also so, kurze Vormerkung, in Deutschland darf sich ja jeder Institut nennen. Das ist kein geschützter Begriff.
Holger:[32:38] Und solche Thinktanks fördern auch solche Institute. Ich glaube, das bekannteste in Deutschland ist EIKE. Was also im Prinzip eigentlich schlechte Wissenschaft macht, mit der man versucht, irgendwie zu leugnen, dass es den Klimawandel gibt. Und da gibt es, also weltweit gesehen, gibt es da dann einige von. Und das spielt dann wieder eine Rolle, weil diese Institute, die liefern dann Argumente für Leute, die, für die anderen, ne, also ich meine, jetzt, wenn man Eike als Beispiel nimmt, das ist halt so jemand, das sind halt so Leute, die dann von der AfD eingeladen werden, in Diskussionen, um zu erzählen, dass der Klimawandel ja nichts tut, ne, das heißt, da ist dann irgendwie etwas, was die, was die rechte Lobby halt nutzt, um die, ich sag mal den wissenschaftlichen Konsens zu untergraben und zu hinterfragen, halt für die Öffentlichkeit, die da einfach in dem Thema nicht so drin steckt, und das ist natürlich auch was wo dann auch, wenn irgendwie andere Interessengruppen, jemanden brauchen, der da ein bisschen Zweifel sät, um einfach irgendwelche Aktionen oder irgendwelche ernsthaften Aktionen nach hinten zu schieben, dann sind solche…
Holger:[34:08] Dann sind solche, wie gesagt, Institute natürlich sehr willkommen. Also man sieht, ich tue mich schwer damit, es so zu nennen, weil irgendwie fühlt sich das falsch an.
Holger:[34:25] Aber es sind auch andere Wirtschaftszweige, die dann letzten Endes auch wieder aus wirtschaftlichen Interessen bestimmte Maßnahmen bekämpfen. Und das sind auch Stellen, wo man nicht spontan darauf kommt. Also ein großer Punkt ist zum Beispiel die Agrarlobby. Und die Agrarlobby vertritt vor allem die industrielle Landwirtschaft. Und die industrielle Landwirtschaft ist halt oft weniger klimafreundlich als jetzt, also klar, es ist eine ökologische Landwirtschaft, die sich da mehr Mühe gibt, aber was man sich auch nicht klar macht, dass die industrielle Landwirtschaft halt auch im Prinzip viele Kleinbauern aufschluckt und das, was die Lobbys so vertreten, für kleine Bauern oft gar nicht so hilfreich ist. Dann guckt man auch auf die Klimaproteste, die es in der Ampelregierung gab, Entschuldigung, auf die Bauernproteste die es in der Ampelregierung gab, guckt man dann auch mal mit einem etwas anderen Blick wenn man sagt, eigentlich ist das was da so gefordert wurde.
Holger:[35:37] Ob das jetzt so dem man hat ja vielleicht noch so dieses Bild von dem von dem unabhängigen Bauern, der so seinen kleinen Hof hat, ob das ob der jetzt der wirklich derjenige ist, der da profitiert, ist gar nicht mal so klar. Weil in irgendwelchen Subventionen da zählt Fläche, aber da zählt nicht, ob man irgendwie klimaneutral ist. Das heißt, ein kleiner Bauer, der vielleicht eher ökologisch anbaut, Der hat halt eine kleine Fläche, der kriegt dann wenig Förderung, wegen der Fläche, während ein Großbauer, der einfach sagt, naja, oder ein Bauer hat so ein großer Landwirtschaftsbetrieb, muss man ja eigentlich eher sagen, wo dann ein großer Teil der Fläche einfach brach liegt und auf einem kleinen Teil der Fläche unter hohem Düngemitteleinsatz gearbeitet wird, der kriegt eine Riesenförderung. Weil es halt nicht bestraft wird, wenn man viel CO2 ausstößt. Und das ist natürlich so, dass die entsprechenden Lobbys, also die damit zusammenhängen, das sind auch die Düngemittelhersteller zum Beispiel, weil die natürlich einen Grund haben zu lobbyieren, dagegen, dass man da alternative Ansätze ausprobiert.
Christoph:[36:58] Ja.
Holger:[37:01] Genauso, auch im Thema Landwirtschaft, Fleischkonsum. Wobei ich ehrlich sagen muss, ich bin alles andere als ein Vegetarier. Ich muss mir auch an die eigene Nase fassen. Aber es ist halt auch so, dass das auch zu höherem CO2-Ausstoß führt. Sicherlich dann auch nochmal ein bisschen, auch das kann man unterschiedlich gestalten. Aber es ist halt einfach auch so, dass da sehr viel, also, dass man auch mit weniger Fleisch auskommen würde und dass da die Lobbys halt auch sehr aktiv sind, um da zu verhindern, dass zum Beispiel Fleisch teurer wird. Was dann ja, wenn man jetzt in so einer reinen Marktlogik denkt und sagt, die Leute sollen selber entscheiden können, dann sind das ja eigentlich Steuerungsinstrumente, dass man Dinge teurer macht und nicht, dass man Dinge verbietet.
Holger:[38:01] Und es ist natürlich auch immer wieder diese neoliberale Ideologie, diese Behauptung, dass der Markt ja immer alles regelt. Da haben wir schon einige, haben wir glaube ich schon ein paar Bücher gehabt, wo dann das so ein bisschen hinterfragen kann, ob das wirklich so ist. Und irgendwie ist dieser ganze Komplex für mich auch nochmal so ein Beispiel, dass das glaube ich nicht unbedingt so stimmt.
Holger:[38:27] Es gibt auch noch viele andere Beispiele also hier in meinen Notizen ist dann auch nochmal, Gas wird erfolgreich als Übergangsenergie beworben also das Bewerben ist erfolgreich, und das ist ja sogar als irgendwie von der EU glaube ich sogar als grüne Energie erklärt worden und also ich meine da jeder der so ein bisschen Ahnung von Physik oder Chemie hat, dem muss ja eigentlich klar sein, naja, das ist ja auch, da verbrenne ich ja auch was, was CO2 erzeugt beziehungsweise Methan erzeugt und das ist jetzt zumindest kurzfristig gesehen nicht besser als wenn ich Gas, als wenn ich Öl verbrenne. Also es ist noch ein bisschen anders, weil in Gas ist mehr Methan, wird mehr Methan als CO2 freigesetzt. Das baut sich schneller in der Atmosphäre ab, aber dafür ist es halt in dem Moment, wo es in die Atmosphäre gelangt, macht es einen deutlich stärkeren negativen Effekt als CO2. Also so, dass ich glaube mittelfristig man da nichts gewinnt, wenn man, also langfristig, okay, es ist schneller abgebaut, aber kurzfristig ist es eigentlich auch keine gute Idee, das so zu tun.
Christoph:[39:42] Ja, das stimmt.
Holger:[39:46] Und das sind halt immer wieder so Beispiele, auch dass, dass die Luftfahrt in der EU, dass es mal Diskussionen gab, ob man vielleicht eine Flugsteuer erhebt, um einfach eine Lenkung zu haben, dass die Leute weniger fliegen. Das ist auch abgeblockt worden. Und, Auf der anderen Seite ist Kerosin halt immer noch steuerfrei. Das ist so irre, finde ich.
Christoph:[40:18] Das ist so verrückt.
Holger:[40:22] Also das heißt, dann ist es natürlich auch, selbst wenn wir eine gut funktionierende Deutsche Bahn hätten, wäre es für die ja immer noch unter Marktbedingungen schwierig, preislich mit irgendwelchen Fliegern zu konkurrieren, einfach weil die auf all ihren Treibstoff auch Steuern zahlen müssen. Also das sind irgendwie Dinge, wo man dann denkt, also ich würde das auch eine Subvention nennen.
Christoph:[40:55] Ja, bin ich bei dir.
Holger:[40:57] Also kann man natürlich drüber streiten, also es wird jetzt nicht direkt Geld ausgezahlt, aber es wird halt Geld nicht eingenommen, was man irgendwie sehr wohlbegründet einnehmen könnte und was bei anderen halt eingenommen wird.
Christoph:[41:08] Genau, was man bei anderen Energieträgern völlig ohne Frage macht. Also, ja. Ich weiß nicht, Diesel und Benzin sind doch auch extrem hoch besteuert, oder? Den Preis, den wir an der Tankstelle zahlen, hat, glaube ich, relativ wenig mit dem…
Holger:[41:24] Also, ja. Ja. Also, ich habe gerade eine Zahl im Kopf, ich bin mir dabei nicht sicher, ich habe gerade sowas wie, 67 Cent pro Liter im Kopf, aber ich bin nicht ganz sicher und das ist ja irgendwie auch so, dass auf den also, dass man, die Mineralölsteuer anwendet und darauf wird dann auf den Preis inklusive Mineralölsteuer wird dann nochmal die Mehrwertsteuer darauf angewandt das ist, fand ich auch immer ganz kurios, dass man quasi die Steuer auch nochmal besteuert also, klar da wird halt einfach, man weiß gar nicht so genau, wie man das beschreiben soll, was da eigentlich passiert.
Christoph:[42:11] Mein Punkt ist nur, wenn das da geht, im Pkw-Verkehr ist es irgendwie ganz merkwürdig, dass es im Flugverkehr nicht läuft und also ist für dich deine Beschreibung als Subvention sehr richtig, weil es offensichtlich sehr vergleichbare Produkte sind.
Holger:[42:28] Ja. Kunde… Ja, es ist halt auch so, dass zum Beispiel dann auch, es gibt ja dieses Modell des Emissionshandels, was ja so ein Versuch ist, irgendwie einen Preis auf CO2-Ausstoß oder eigentlich ja Ausstoß von Klimagasen generell zu packen. Also ich denke mal, die meisten Hörer werden das wissen, aber es gibt ja viele Klimagase, es ist nur so, dass CO2 das häufigste ist und dann bewertet man andere Klimagase halt immer danach, wie stark die sich im Verhältnis zu CO2 auswirken. Also bei Methan, wenn ich es richtig im Kopf habe, ist das sowas wie ein Faktor 200.
Christoph:[43:15] Ja, Methan ist irre. Methan ist völlig irre.
Holger:[43:17] Ja, aber genau, also eigentlich soll dieser CO2-Handel ja an sich die Emissionen von klimaschädlichen Gasen reduzieren, aber da war es auch so, dass auch gerade Deutschland da in der EU sich eingesetzt hat, dass relativ schwach das durchgesetzt wurde. Und es ist auch die Frage, ob das so die sinnvollste Art ist, es zu tun, weil dieser Handel, dafür wird halt eine Rieseninfrastruktur aufgebaut. Es ist ein kompliziertes Gesetz mit einer Rieseninfrastruktur. In dem Buch kommt diese Zahl, das ist eine Schätzung, die in dem Buch erwähnt wird, dass es.
Holger:[44:08] Grob 670 Millionen Euro im jahr kostet diesen emissionshandel zu betreiben und dann stellt sich die frage warum man nicht einfach eine steuer macht um um den ausstoß teurer zu machen die halt wesentlich weniger zusätzliche kosten und zusätzlichen aufwand verursacht und das ist das ist dann punkt auch wenn man sich die frage stellt wie sind die prozesse wo diese, also wie die Lobbyinteressen, sage ich mal, durchgesetzt werden, beziehungsweise warum da eigentlich nicht so viel passiert. Ich hatte ja schon mal erwähnt, jetzt gerade in Deutschland, gab es eigentlich ja schon mal den Willen zum Klimaschutz. Dann kam die rot-grüne Regierung und da wird auch einiges dann wirklich umgesetzt. Und dann hat sich das geändert, als die Große Koalition kam. Und dann kann man sich ja so ein bisschen fragen, welche Prozesse spielen denn da so eine Rolle?
Holger:[45:10] Also man kann sagen, bei dem Wechsel zur Großen Koalition, dass im Umweltministerium der Klimaschutz halt geschwächt wurde, da wurde dann auch jemand da als Abteilungsleiter eingesetzt, der jetzt eher nicht so, ich sag mal, für den eingreifenden Staat in dem Thema war. Und halt gesagt hat, ja, dann kam dieses Ganze, die Märkte sollen das lösen. Das ist ja auch immer sowas, wo man dann schön gucken kann. Es ist ja jetzt auch irgendwie 20 Jahre her, dass Angela Merkel Kanzler wurde. Also noch nicht ganz, aber bald 20 Jahre her. Und man kann ja mal gucken, wie gut das funktioniert hat, dass wir das den Märkten überlassen und ich würde halt sagen, das hat nicht funktioniert.
Christoph:[45:54] Mhm.
Holger:[45:56] Na, nebenbei der Umweltminister, der unter dem das so entzahnt wurde, war Sigmar Gabriel. Für Leute, die sich für sowas interessieren. Ähm.
Holger:[46:09] Und es gibt halt so ein paar Faktoren, die dann noch einspielen, warum, oder sagen wir so, es gibt so ein paar Methoden und Faktoren, die eine Rolle spielen jetzt, warum da eigentlich nicht so viel passiert. Einmal ist, wo wir jetzt gerade bei Umweltminister sind, es ist so, dass viele Umweltminister das Thema halt nicht für so wichtig erachtet haben, zumindest so in der Zeit der Großen Koalition. Das hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass das in Deutschland ein relativ unbedeutendes Ministerium ist. Das heißt, wenn jemand da politische Karriere macht, dann ist das halt nur ein Zwischenschritt. Und wenn man da dann aber sich zu aggressiv verhält, damit kann man halt nichts gewinnen. Also wenn du starke Klimapolitik machst, dann hast du einen Konflikt mit dem Wirtschaftsminister, du hast vielleicht auch noch einen Konflikt mit dem Arbeitsminister, Das sind deutlich mächtigere Ministerämter. Und dann machst du dir unter Umständen auch deine Chancen auf weitere Parteikarriere so ein bisschen kaputt. Und das ist dann ein Grund, warum man dann als Umweltminister vielleicht nicht so sehr pusht, wie man könnte. Dazu kommt noch, dass auch die Landesregierungen da teilweise sich sperren oder die Bürokratien in den Ländern auch Ärger machen und dann ist es als Umweltminister unter Umständen einfacher, da halt einfach relativ wenig zu tun.
Holger:[47:37] Dann eine Methode, die gerne genutzt wird, man macht Gesetze kompliziert. Da ist das gerade schon genannte Beispiel mit der CO2-Steuer. Das wäre halt ein relativ einfaches Gesetz, ein einfacher Vorgang. Man muss halt sagen, was ist die Steuerbasis, klar, das wird wahrscheinlich auch einige Seiten in Anspruch nehmen, aber wenn man festgelegt hat, wie wird die Basis, auf der die Steuer ermittelt wird und wie hoch ist die Steuer, dann wird die halt eroben und fertig. Stattdessen hat man halt einen Emissionshandel, der wahnsinnig kompliziert ist, wo man ja auch ehrlicherweise sagen muss, dass lange Zeit, also eigentlich bis jetzt, die Zertifikate zu günstig sind. Um nennenswerte Steuerungswirkung zu haben. Das ist ja auch vielen nicht klar, dass in dem Moment, dass dann es quasi ein freier Handel am Markt wird und dass dann zum einen ja viel mehr Volatilität ist, also dass viel mehr schwanken kann und es auch durchaus nicht wenig, also oder es gibt durchaus Experten, die denken, dass dann der Preis auch enorm ansteigen wird. Wo sich dann die eben schon mal erwähnten leute die dank der bild zeitung ist eine gasheizung also haben wir mal eine.
Holger:[48:59] Mit fossilen Trägern betriebene Heizung gekauft haben, sich dann bei der Bild-Zeitung bedanken werden. Weil dann wird das plötzlich deutlich teurer sein, als wenn man irgendwie Strom hat, das im Strommix dann irgendwie doch noch mehr Erneuerbare enthält.
Christoph:[49:17] Ja, und ich glaube, das wird total spannend. Also wenn der ETS 2 kommt ab 27, müssen wir, glaube ich, wirklich mal sehen, wenn dann die CO2-Preise auf irgendwie 200 Euro pro Tonne ansteigen werden. Es gibt auch Prognosen, die sagen, Weißt du als Vergleich,
Holger:[49:34] Wo er jetzt ist? Ja, 85, 85 Euro.
Christoph:[49:38] Glaube ich, 80, 85, sowas. Es gibt aber auch Prognosen, die sagen, initial könnte der Preis erstmal fallen. Also ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Was mich langfristig interessiert ist, wie gehen wir politisch damit um? Weil Leute, die sich jetzt eine Gasheizung einbauen und die über 20 Jahre jetzt laufen lassen möchten, also bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Deutschland klimaneutral werden soll. Wie will man damit umgehen, wenn die horrende Preise bezahlen? Also ich habe ein bisschen die Sorge, dass wir diese politische Schmutzkampagne gefahren haben oder die gefahren wurde, dann jetzt falsche Entscheidungen getroffen werden und wir als Gesellschaft trotzdem alle drauf zahlen, weil wir irgendwann sagen, die Preise, die dafür aufgerufen werden, dass Leute heizen, zu Hause sind in der Form nicht zumutbar. Also ich glaube, wir könnten da doch nicht bezahlen. Die Leute haben Investitionskosten, haben sich falsch entschieden, bezahlen hohe Preise und die tragen wir dann als Allgemeinheit mit. Das ist wirklich, glaube ich, an vielen Ecken und Enden sehr, sehr dumm gewesen.
Holger:[50:33] Ja, ja, aber das, ich mache hier gerade den Punkt noch zu Ende. Sorry. Nein, nein, ich bin da voll auf deiner Seite, sonst verliere ich zu sehr den Faden, wo ich gerade bin. Aber auch ein Beispiel für ein kompliziertes Gesetz ist das EEG, das Energieeffizienzgesetz. Das ist ein Ding von 150 Seiten. Plus, was in dem Buch gar nicht erwähnt wurde, was ich jetzt zufällig weiß, weil ich mich da ja letztes Jahr mit auseinandergesetzt habe. Das verweist dann ja teilweise noch auf irgendwelche DIN-Norm, wenn es so um Hausbau geht, das sind dann DIN-Norm beziehungsweise das NIN-DIN ist Norm, aber das sind dann irgendwelche offiziellen Normen die dann auch nochmal, ich weiß jetzt nicht genau wie viele Seiten die entsprechende Norm hat aber das sind Hunderte also das sind echt dicke Wälzer, wo man dann auch irgendwie so eine Sache, die ein bisschen komisch ist, wo man Geld dafür zahlen muss, um sie zu bekommen. Obwohl sie im Gesetz teilweise explizit genannt sind.
Christoph:[51:47] Das ist wirklich abstrus, ja.
Holger:[51:49] Da gibt es auch, glaube ich, Leute, die versuchen dagegen zu klagen und sagen, dass zumindest Normen, die in Gesetzen festgeschrieben sind, dass man die kostenlos erhalten sollte. Ja. Das ist ja irgendwie auch ein bisschen seltsam. Aber gut, das sind halt Sachen, wo man sagen kann, da müssen die Sachen so kompliziert sein. Und das ist natürlich auch Absicht, weil je komplizierter es ist, desto schwieriger ist es nachzuvollziehen, desto einfacher ist es natürlich auch, irgendwelche Lücken zu finden. Beziehungsweise auch irgendwie, selbst wenn man irgendwie dagegen verstößt, je komplizierter das ist, desto schwerer wird es einem, das nachzuweisen.
Christoph:[52:31] Mhm.
Holger:[52:34] Da hatte ich auch die Tage mit einem Bekannten, der nicht nur Jurist, sondern auch Richter ist, zu den Cum-Ex-Fällen, wo er dann auch sagte, naja, eigentlich, dass das rechtswidrig ist, war immer klar.
Christoph:[52:47] Ja, ja.
Holger:[52:48] Also, aber irgendwie ist das so, haben es da Leute auch lange in der öffentlichen Diskussion geschafft, das irgendwie so zu verkaufen, dass das ja so eine Gesetzeslücke ist und was auch immer.
Christoph:[53:00] Ja, und man tut auch so, als wäre das so wahnsinnig kompliziert. Da muss man ja auch einfach sagen, ja, das erklärt sich vielleicht nicht direkt in einem Satz, was genau man da gemacht hat, aber das ist schon verständlich. Also der Betrug an sich, man kann den schon verstehen.
Holger:[53:13] Ja, aber man macht es für die Öffentlichkeit halt absichtlich schwierig nachzuvollziehen. Und wo man dann vielleicht auch sagen muss, manchmal versagt da vielleicht auch so ein bisschen der Journalismus, anstatt halt einfach zu sagen, jetzt kurzes Abschweifen, aber im Fall von CumEx kann man einfach sagen, okay, jemand hat sich eine Steuerrückzahlung geben lassen für eine Steuer, die er nie gezahlt hat und das teilweise sogar mehrfach.
Christoph:[53:39] Ja.
Holger:[53:40] Das ist ja, das ist ein Satz. Und dass das irgendwie ja nicht okay ist, ist ja eigentlich klar, aber so beschreibt es halt keiner. Es ist, genau. Eine Sache, die auch passiert ist, dass man Studien, zum Thema Klimawandel halt dann klein gehalten hat und auch aus Ministeriums Sicht teilweise einfach die Veröffentlichung rausgezögert hat und erst in dem Moment wo man keine Wahl mehr hatte, das veröffentlicht hat. Es gibt wohl eine gesetzliche Vorlage, dass man sowas veröffentlichen muss aber es gibt halt, das heißt an irgendeinem Punkt, wenn da mal eine Nachfrage kommt, muss man es veröffentlichen, aber so nicht so, also Studien mit nicht genehmen Ergebnissen, die wurden dann halt nicht groß angekündigt, sondern halt irgendwann mal online gestellt. Also, ja. Aber das kickt dann halt auch keiner mit, der da nicht, der sich nicht aktiv damit befasst. Genau. Also ich glaube, ja, also in dem Buch sind wie man jetzt auch schon gemerkt hat viele viele beispiele.
Holger:[54:54] Die man jetzt nicht alle aufzählen muss, was vielleicht noch ganz spannend ist, dass auch in Frankreich, auch gerade durch die Regierung Macron, da ist vor allem, wenn es um Klima geht, ist vor allem das Thema Auto ein großes Thema, weil es halt auch noch sehr viel Ländliches gibt. Und ich musste in dem Buch lernen, also eigentlich sehe ich ja immer so ein bisschen sind diese Grand Lien, also diese großen Bahndinien in Frankreich, immer sehr, sehr, ja, eigentlich vorbildlich, dass man halt mit den Zügen, mit Zügen da sehr schnell, mit schnellen Zügen wirklich ganz gut durchs Land kommt. Aber da sind auch einige von zusammengestrichen worden, musste ich lernen.
Christoph:[55:40] Oh, das ist ja traurig.
Holger:[55:43] Also ich glaube, es ist immer noch besser als in Deutschland, aber auch da gab es Rückschritte.
Christoph:[55:47] Es sind sehr unterschiedliche Herangehensweisen auf jeden Fall daran, wie man ein Warnsystem strukturiert. Das ist nochmal eine ganz eigene Diskussion.
Holger:[55:56] Und es gibt auch so etwas, wie irgendwie, dass in Polen die Kohle noch sehr stark ist. Und da gibt es halt auch das größte Kohlebergwerk, ich glaube, Europas steht auch in Polen.
Christoph:[56:08] Das kann gut sein, ja.
Holger:[56:11] Also wer sich für solche Fakten interessiert, der kann sowas auch in dem Buch finden. Ich würde jetzt aber trotzdem mal zum Ende springen. Und da wird so ein bisschen gesagt, was man denn eigentlich besser tun sollte. Und das sind dann die Maßnahmen der Klimaschutzlobby, um dem entgegenzuwirken.
Christoph:[56:39] Diesmal richtig.
Holger:[56:40] Genau. Und genau, sie schlagen also als Konzepte vor zum einen, dass man den klimaschädlichen Konsum teurer macht. Und ich glaube, als Beispiel nennen sie dann Schweden, dass halt einfach auf jede Tonne CO2 schon seit Mitte der 90er Jahre einen Preis erhebt von über 100 Euro pro Tonne. Und man kann auch sehen, dass in Schweden halt, die Schweden halt einfach schon sehr viel weiter sind dabei, CO2 zu reduzieren. Dann schlagen sie vor die Menschen davon zu überzeugen, weniger Fleisch zu essen, die Kohlekraftwerke früher zu schließen also dazu noch eine Anmerkung, in Deutschland, hat man ich glaube, plant man sogar noch Kohlekraftwerke die werden dann so ein bisschen, da wird dann gesagt die brauchen wir als Backup also idealerweise stehen die ungenutzt rum aber da schiebt man halt trotzdem noch Geld rein, als Backup, wenn die Erneuerbaren nicht funktionieren.
Holger:[57:55] Ja. Also man könnte auch, das ist jetzt glaube ich in dem Buch nicht so wirkliches Thema gewesen oder nur am Rande vorgekommen, auch die Art, wie der Strompreis berechnet wird, ist ja auch eine, die, die es erschwinglich machen kann, dass man lieber ein Kohlekraftwerk weiter heizen lässt und stattdessen halt Strom von Photovoltaik nicht ins System aufnimmt, wo man dann auch mal hinterher fragen kann, ob das so schlau ist, aber das ist gerade wie nur eine Randbemerkung. Dann ist die Idee Müll zu vermeiden, weil einfach sowohl Produktion als auch Entsorgung von Müllenergiekosten, ganz mal davon abgesehen, je nachdem was ich da herstelle an Verpackungen und wie Wegwerfprodukten, das erzeugt auch alles. Dabei wird auch CO2 verbraucht und dass man halt versuchen sollte, mehr zu recyceln und mehr Sachen wiederzuverwenden. Und schließlich, dass der Verkehr stärker für Fußgänger und Radfahrer ausgelegt werden sollte. Ich glaube, sie beziehen sich da vor allem auf Städte.
Holger:[59:21] Ich würde da dann, glaube ich, noch hinzufügen, auch gerade im Ländlichen, dass man da auch öffentlichen Nahverkehr stärkt. Auch das ist immer so eine Sache, mir fällt jetzt gerade mal so ein, Es gibt da irgendwie so einen schönen Kommentar von einem amerikanischen, ich weiß gar nicht, wie man das nennt, so ein linker, also es ist ja erst nicht Politiker, sagen wir mal linker Influencer, der dann irgendwie meinte, in der Diskussion mal meinte, wo es um so selbstfahrende Autos ging und das dann dargestellt wurde, als dass er das Verkehrsproblem löst und wo der meinte, naja, es gibt halt schon eine Lösung, diese Lösung heißt Bus. Also insofern, dass man da vielleicht auch solche Lösungen noch stärkt. Genau, und das wäre so ein wilder Ritt durch die Klimaschmutzlobby.
Christoph:[1:00:31] Ja, vielen, vielen Dank dir. ich habe nebenbei ein, zwei Sachen aufgeschrieben die vielleicht zum weiteren Lesen oder Hören gut sind den Hörsaal Podcast, der gehört übrigens zu Deutschlandfunk Nova, also diesem jungen Format, genau den können wir glaube ich beide empfehlen ich habe euch einen Text vom Umweltbundesamt zum Thema Wasserstoff im künftigen Energiesystem verlinkt
Christoph:[1:01:00] Ansonsten konkret noch weiterführende Dinge Weil wir jetzt am Ende über Müllvermeidung und Co. Gesprochen haben, ich habe die Tage einen Deutschlandfunk-Hintergrund zur Kreislaufwirtschaft gehört, auch ein Podcast-Format, was ich gerne empfehle, immer 18 Minuten und ja, ein Thema in kompakt und meist gut, finde ich. Dann an weiterführender Literatur oder weiterführenden Folgen von uns. Mir ist auf jeden Fall noch eingefallen Zukunft als Katastrophe von Eva Horn. Holger wird euch gleich noch ein paar Folgen mehr nennen, dann habt ihr da auch wieder ein, zwei Folgen, an die ihr anknüpfen könnt. Und an Büchern habe ich die Nachhaltigkeitstransformation in Deutschland von Herrn Radgerich, mir ist der Vorname gerade entfallen, der beleuchtet im Prinzip verschiedene Felder in seinem, das ist so ein Springer Essential, es sind nur so 50 Seiten oder sowas, da beleuchtet er verschiedene Felder der Energiewende oder der Nachhaltigkeitstransformation, wie er das nennt und guckt, wie es da so steht. Und da geht es auch um Agrar, da geht es auch um Wälder, das sind verschiedenste Sachen. Und weil wir am Anfang fürs Vorwort mindestens und mit seinem Lebenslauf Herrn Lesch hatten, es gibt ein Buch, das heißt Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden. Das ist von Lesch und weiteren AutorInnen. Ich weiß gar nicht genau, wer noch mit dabei ist. Das habe ich auf jeden Fall auch gerne gelesen, ist sehr anschaulich, so wie man das eben von Herrn Lesch kennt.
Christoph:[1:02:27] Und da werden eben verschiedene Erneuerbare durchdiskutiert und ihre Rolle und wie es so weitergehen kann.
Christoph:[1:02:35] Und vielleicht nochmal, um das Ganze auf so eine etwas persönlichere Ebene zu heben, auch wenn ich jetzt kein großer Fan des CO2-Fußabdrucks bin, den haben wir auch der fossilen Lobby, in dem Fall BP, zu verdanken, um das ganze Thema Klimawandel oder Klimaschutz zu individualisieren. Trotzdem fand ich lesenswert das Buch Konsum, Carl Tillissen, der sich damit auseinandersetzt, warum wir all das kaufen, was wir vielleicht gar nicht brauchen und woher so Überkonsum kommt. Und wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe, kommt Tillissen aus der Werbeindustrie ursprünglich, also hat ein gutes Gespür dafür, wie man Dinge verkauft, die man gar nicht braucht. Ich finde, das knüpft hier auf jeden Fall auch ein bisschen an, auch wenn es vielleicht ein Meter weg vom heutigen Thema ist. Und damit würde ich an dich abgeben, Holger.
Holger:[1:03:26] Ja, also ich habe auch noch mal alte Folgen mir überlegt, die da interessant sein können. Da ist einmal der Allesfresser von Nancy Fraser, wo es ja auch so ein bisschen um, sagen wir mal, den Kapitalismus geht, wenn ich das richtig im Kopf habe. Dann hatten wir in der Folge 72, das hatte ich auch vorgestellt, die Faltung der Welt von Anders Levermann. Ich glaube, das waren auch wir beide.
Christoph:[1:03:53] Ja, ich glaube auch. Ja, ja, ja.
Holger:[1:03:59] Was etwas optimistischer Blick ist zu dem Thema, wie man auch zum Beispiel mit Klimawandel umgeht, in mancher Hinsicht aber auch ein sehr trockener Blick. Also ich erinnere mich noch dran, dass in dem Buch im Prinzip gesagt wird, naja, also wir wissen eigentlich ziemlich genau, was passiert, wenn wir alles CO2 in die Luft blasen. Dann haben wir halt Verhältnisse wie zu der Zeit, bevor das eingelagert wurde, also welche entsprechenden höheren Temperaturen und ähnliches es gab, wissen wir eigentlich ziemlich genau. Dann Merchants of Doubt habe auch ich in der Folge 58 vorgestellt. Das ist also von den Wissenschaftshistorikern Naomi Oreskes und Eric M. Conway. Da geht es mehr um, ich glaube schwerpunktmäßig ging es da mehr um die Tabakindustrie, aber auch die Industrie, die den Klimawandel leugnet, kommt da am Rande auch vor und es war, soweit ich weiß, das erste Mal, dass jemand das wirklich gut journalistisch aufgearbeitet hat, wie da auch im Prinzip die Wissenschaft zur Manipulation benutzt wurde. bzw. Auch falsche wissenschaftliche Ergebnisse und Wissenschaft dadurch diskreditiert und manipuliert wurde.
Holger:[1:05:21] Und dann hätte ich auch noch ein paar Büchertipps. Vielleicht als erstes von denselben Autoren gibt es auch ein Buch namens The Big Myth. Das habe ich auch schon mal erwähnt. Das beschreibt so ein bisschen, wie überhaupt diese, ich nenne es mal die Ideologie des Neoliberalismus, irgendwie so bekannt gemacht wurde und überhaupt dazu kommen konnte, dass die angenommen wird. Dann zum Thema Klima noch zwei Bücher, die auch relativ neu sind, also einmal das Buch Klimahandel von Mojib Latif, ich hoffe ich habe es richtig ausgesprochen, ist also auch wirklich ein deutscher Meteorologe oder Klimaforscher, dann von der Meteorologie herkommt. Und Männer, die die Welt verbrennen von Christian Stöcker, ich glaube, das ist das neuste von den Büchern. Genau, da kann man sich am Namen auch schon mal überlegen, ganz gut überlegen, worum es geht.
Holger:[1:06:32] Allgemein zum Thema Lobbyismus, zwei Bücher von Marco Bülow, also es ist ein ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, der, ja, ich nenne es immer, die Bücher sind schon so ein bisschen ja wie soll man es ausdrücken also aktivistisch ja genau ich glaube aktivistisch trifft am besten das sind etwas aktivistische bücher in denen er also die missstände die er so aus seiner bundestags erfahrung im umgang mit lobbys sieht darstellt das erste das ist schon was älter ist lobby land und das zweite das ist glaube ich, Dieses Jahr erschienen, also wahrscheinlich das wirklich das Neueste unter den Sachen, die ich jetzt erwähne, das heißt korrumpiert. Wer also mal so einen Blick haben möchte, wie denn so generell Lobbys bei uns im Staat arbeiten, immer mit dem Sternchen, dass natürlich auch Marco Bülow da so seine persönlichen Ansichten reinbringt. Bringt, aber bei diesem Thema vielleicht ganz passend, weil er einer seiner Schwerpunkte war, auch Klimapolitik. Insofern passt das hier, glaube ich, ganz gut.
Christoph:[1:07:55] Okay, das klingt, als wärst du mit deinen Empfehlungen auch zum Ende gekommen. Ich glaube, ihr habt ordentlich Futter, um noch tiefer ins Thema einzusteigen. Wenn ihr mit uns in die Diskussion kommen wollt, dann besucht uns doch auf dirbtuve.de/zzd und schreibt uns einen Kommentar unter diese Folge oder wenn ihr alte Folgen gehört habt, gerne auch unter die. Dann können wir darauf Bezug nehmen, wenn ihr ins Gespräch kommen wollt, ist das der einfachste Weg, glaube ich, oder der konstruktivste. Wenn ihr uns auf Social Media folgen wollt, dann könnt ihr das tun auf Blue Sky, da heißen wir einfach nur Add Deckeln, also wie das letzte Wort des Podcasts. Und wenn ihr das bei Mastodon machen wollt, da findet ihr uns unter podcast.social slash at zzd. Also, oder wenn ihr halt, wenn ihr im Mastodon, wie heißt das, Fettiverse sucht, dann findet ihr uns auch unter Zwischenzwei-Deckeln. Ja, das wär’s für heute von unserer Seite und in drei Wochen gibt’s die nächste Folge. Ich glaube, Amanda ist dran und präsentiert. Ich weiß noch nicht genau, in welcher Kombination, aber ja, wir freuen uns, wenn ihr da wieder zuhört. Macht’s gut, viele liebe Grüße und bis dahin. Tschüss.
Music:[1:09:12] Music
Quellen
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Der Beitrag 093 – „Die Klimaschmutzlobby“ von Susanne Götze und Annika Joeres erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.

May 22, 2025 • 1h 21min
092 – „Gekränkte Freiheit“ von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey
In „Gekränkte Freiheit“ entwickeln Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey einen Erklärungsansatz für das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremistischer politischer Einstellungen. Sie sehen die Ursache dafür in erster Linie in den überzogenen Versprechen individueller Freiheit, die durch den real existierenden Kapitalismus aber nicht eingelöst werden können. Dies wiederum löst eine Kränkung aus, weswegen sich die Menschen gegen das bestehende System wenden.
Transkript (automatisch erstellt)
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Amanda:[0:17] Hallo und herzlich willkommen zur 92. Folge von Zwischen zwei Deckeln. Ich bin Amanda und habe heute Nils mit dabei.
Nils:[0:26] Hallo zusammen.
Amanda:[0:28] Uns ist gerade aufgefallen, dass ich jetzt zum vierten Mal in Folge hier dabei bin. Deswegen habe ich gedacht, ich ziehe mir ein bisschen eine Erkältung zu, damit er auch zumindest von der Stimme her ein bisschen eine Modulation hört. Nee, Quatsch. Also ich freue mich sehr, heute Nils zuhören zu dürfen. Und ihr kennt das ja, wir beginnen ein bisschen so, womit wir uns aktuell beschäftigen. Und tatsächlich bin ich nicht so ganz zum Lesen gekommen in der letzten Zeit. Habe aber was ganz Cooles hier aufgesetzt gekriegt von meinen Freunden. Und zwar haben wir einen Chat, in dem wir uns jetzt so gegenseitig interessante Artikel zusenden. Und man kennt das so ein bisschen aus der Wissenschaft. Da teilt man halt so Publikationen und hat so geteilte zum Beispiel Literaturlisten und so weiter. Und ich hatte das bisher nicht so im Freundeskreis und es passiert ja schon oft, dass man dann diskutiert man über was und jemand hat da was gelesen oder einen Podcast gehört. Und jetzt haben wir das so aufgesetzt in einem Chat und ich finde das echt mega cool. Das ist so eine demokratisierte, geteilte Wissensbasis eigentlich.
Nils:[1:34] Das ist ein cooles Konzept, da ich beruflich Wissensmanagement mache, finde ich das natürlich immer spannend.
Amanda:[1:40] Ja, also ich kann das sehr empfehlen, dass man sich da sowas zutut mit interessierten Freundinnen und Freunden, also das ist echt bereichernd.
Nils:[1:50] Ich würde jetzt sagen, dafür habe ich Mastodon, aber ja, das macht natürlich nochmal was anderes, wenn es persönlich bekannte Menschen sind.
Amanda:[1:57] Ich finde schon, es ist so, je länger, desto mehr finde ich so wieder das persönlich Kuratierte einfach unschlagbar. Also wenn man jemanden kennt und auch abschätzen kann, ob das der Person passt oder nicht, dann finde ich das echt, das sind die besten Empfehlungen.
Nils:[2:12] Ja, definitiv.
Amanda:[2:14] Was steht bei dir an, Nils?
Nils:[2:15] Ja, tatsächlich gelesen, klappt in letzter Zeit ganz gut. Ich habe jetzt auch passend zu diesem Buch letzte Woche gelesen von Mark Fischer, Capitalist Realism. Ich weiß nicht, ob dir das was sagt. Das war wohl in UK, Ende der 2000, der Nullerjahre, wie man so schön sagt. So ein bisschen ein gehyptes Buch und ich fand es auch tatsächlich ganz cool. Es ist ein relativ kurzes Büchlein von 100 Seiten. und es geht vor allen Dingen darum, wie wir uns gar keine andere Gesellschaft als die kapitalistische mehr vorstellen können und wie wir da hingekommen sind und was das für Konsequenzen hat und das schließt tatsächlich auch ziemlich gut an das Buch an, was ich euch heute vorstellen möchte, deswegen passt das ganz hervorragend.
Amanda:[2:59] Perfekt, ja das Buch, das du uns heute vorstellst, das nennt sich gekränkte Freiheit, ist geschrieben von Caroline Amlinger und Oliver Nachtwey Und ich kenne das schon sehr gut aus den Bücherregeln, weil das hat so ganz ein prägnantes Cover mit so weiß und so einem gelben Kreuz darauf. Ist nicht mehr ganz so neu. Das ist 2022 bei Surkamp erschienen. Und die Autorin ist Literatursoziologin an der Uni Basel. Und Nachtwey ist Professor der Sozialstrukturanalyse, auch an der Uni Basel. Ich weiß nicht ganz genau, was das ist oder was das bedeutet, aber beide sind wohl an der Uni tätig, sind SoziologInnen und deswegen bin ich sehr erfreut, dass du uns das Buch vorstellst. Ich bin vielleicht nicht ganz die perfekte Zuhörerin dafür, da müsst ihr wohl Christoph fachlich unterstützen, aber trotzdem, ich höre dir sehr gerne zu.
Nils:[3:58] Ja, immer gerne. Und ich glaube, das Buch profitiert davon, wenn nicht nur FachexpertInnen in dem konkreten Thema und der konkreten Disziplin sozusagen darüber reden. Dann gewinnt das nochmal an Verständlichkeit.
Amanda:[4:14] Sehr gut. Ja, magst du uns das TLDA geben?
Nils:[4:17] Ja, sicher, sehr gerne.
Nils:[4:24] In gekränkte Freiheit entwickeln Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey einen Erklärungsansatz für das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremistischer politischer Einstellungen. Sie sehen die Ursache dafür in erster Linie in den überzogenen Versprechen individueller Freiheit, die durch den real existierenden Kapitalismus dann aber nicht eingelöst werden können. Dies wiederum löst eine Kränkung aus, weswegen sich die Menschen gegen das bestehende System wenden.
Amanda:[4:56] Okay, das klingt hochaktuell.
Nils:[4:58] Genau, ja, ja, also du sagtest gerade, das Buch ist ein bisschen älter, aber es ist ehrlich gesagt, ja okay, die Beispiele, es wird vielleicht heute andere, bessere Beispiele geben, aber an der inhaltlichen Argumentation hat sich sehr, sehr wenig geändert, die hat sich eher weiter bestätigt, insofern ist das definitiv hier keine Schwäche des Buchs.
Amanda:[5:19] Okay.
Nils:[5:21] Gut, ja. Ein paar Vorworte zum Buch. Ich habe, das ist glaube ich so das Buch, wo ich am meisten habe, puzzeln müssen, um irgendwie die Stränge, die so da durchziehen, durch die verschiedenen Kapitel so zusammenzufügen, dass sie irgendwie einen konsistenten Argumentationsstrang geben. Also ich glaube, ich habe noch kein Buch gehabt, wo ich so das Gefühl hatte, die sagen irgendwie in jedem Kapitel zu zehn Argumentationssträngen jeweils einen Schritt, anstatt einfach mal einen Strang durchzugehen und dann den nächsten Strang durchzugehen. Entsprechend ist es von der Struktur her, orientiere ich mich jetzt wenig an der Struktur des Buchs, sondern habe eher versucht, da mal so eine Argumentationsstruktur durchzubringen, weil die ist tatsächlich, finde ich, sehr überzeugend und sehr hilfreich zumindest, auch wenn sie, ja, es ist halt sehr soziologisch-theoretisch, es kommt auch aus einer gewissen marxistischen Lesart. Und das sind ja so Texte, die dazu neigen, nicht immer die zugänglichsten zu sein. Deswegen auch nochmal ist es vielleicht sogar ganz gut, dass du die Fragen stellen kannst, die wir SoziologInnen glauben, verstanden zu haben. Und dass es dann meistens aber die besten Fragen sind.
Nils:[6:32] Genau, also ich habe die Grundthese gerade im TLDL schon angetickt, ich werde die jetzt noch ein bisschen aufmachen natürlich und einen Punkt, den man ein bisschen vorweg schicken will, was den beiden ganz, ganz wichtig ist, dass sie sozusagen einen Gleichklang oder einen engen Zusammenhang sehen zwischen Fortschritt und Regression. Also zwischen, es entwickelt sich an vielen Stellen weiter, es wird für viele Menschen besser, es wird vieles besser, aber gleichzeitig birgt diese Entwicklung sozusagen auch ihren eigenen Rückschritt wieder in sich. Das ist so eine Doppelung, sie nennen das regressive Modernisierung, dass wir eben nicht ein, wie man das klassisch-historisch, so ein historisches Bild, alles wird irgendwie immer besser. So eine Zeit kommt der Fortschritt oder wie war das, der Bogen der Weltgeschichte ist lang, aber er tendiert Richtung Freiheit oder was das war. Ich glaube, es war Martin Luther King, der das mal gesagt hat. Und die beiden sind da halt ein bisschen
Nils:[7:37] Skeptischer oder kommen halt eher von so einer Perspektive, es ist immer beides irgendwie da, beides gleichzeitig und wenn die Modernisierung beschleunigt, dann wird auch die Regression stärker und schärfer, weil eben Konflikte aufbrechen, weil eben ja einfach, wenn sich Dinge verändern, haben wir Menschen dann doch auch ab und an mal ein Problem damit. Genau, das so ein bisschen vorweg geschickt. Ich habe so ein bisschen überlegt, was ist so das eine zentrale Argumentum, dass sich fast alles rankt und bin dann lustigerweise bei einer Songtextzeile gelandet aus einem Song von ach, jetzt habe ich vergessen, wie die Band heißt, das ist natürlich ganz clever das kann ich mal kurz nachgucken, die Zeile ist auf jeden Fall Give me something to believe in this hell you call a dream genau, das ist von The Warning aus dem Lied
Nils:[8:31] Wie das Lied heißt, weiß ich nicht, es ist vom Album Keep me fed. Und dieser Satz, also give me something to believe in this hell you call a dream, gerade dieser zweite Teilsatz in this hell you call a dream, das beschreibt, glaube ich, so das Kernargument von Armlinger und Nachtweih sehr, sehr gut, weil es eben, weil wir auf der einen Seite ein Gesellschaftssystem haben, dass sich Freiheit ganz, ganz groß auf die Fahnen geschrieben hat, dass sich auch Individualismus ganz, ganz groß auf die Fahnen geschrieben hat, individuelle Selbstverwirklichung, es wird immer alles besser und besser und Fortschritt und Freiheit. Diese Freiheit existiert, wenn man genau hinguckt, aber erstmal mehr oder weniger nur auf dem Papier. Oder in der Rhetorik. Das, was viele, viele, viele Menschen, die allermeisten Menschen faktisch erleben, ist in gewisser Weise eine Art der, da kommt jetzt der Marxismus durch, der Unterdrückung durch den Kapitalismus. So. Das heißt, wir haben ein System, was Freiheit verspricht, aber nicht liefert.
Amanda:[9:31] Machen Sie eine Definition von Freiheit? Was verstehen Sie darunter?
Nils:[9:37] Jein, also Sie sind sich sehr dessen bewusst, dass man darunter sehr viele verschiedene Dinge verstehen kann. Ich weiß gar nicht, ob Sie an der Stelle so viel von Freiheit reden. Das Buch heißt schon gekränkte Freiheit. Sie machen nicht selber einen Begriff von was Sie unter Freiheit verstehen, sondern Sie diskutieren eher, was Menschen unter Freiheit verstehen. Okay. Also Sie an der Stelle reden, Sie viel von individueller Selbstverwirklichung und all diesen Methoden. Sie kommen dann, ich komme da auch gleich noch zu dem Thema, zu der Freiheit konkret hin.
Nils:[10:11] Wir haben halt irgendwie dieses individualisierte System, das uns aber dann durch seine Dynamiken, durch sein Funktionieren, im Grunde zu einer Konformität zwingt und wo wir ständig an irgendwelche Grenzen stoßen. Ich würde das jetzt gerne machen. Das ist das, was ich machen will, aber dann erlaubt mir dieses System das nicht. Das ist ein ständiges an Grenzenstoßen in einem System, was irgendwie die große Freiheit verspricht, was auch Selbstwirksamkeit verspricht. Du kannst es schaffen, du kannst es ändern, aber wenn man es dann versucht, hat man dann nicht wirklich irgendwie eine Chance, was zu tun. Erfährt diese Selbstwirksamkeit halt nicht tatsächlich. Und auch die ganzen Optionen, die man hat, Und ja, man hat vielleicht viele Optionen, aber man wird eben doch auch dafür bestraft, also ich bin jetzt ein bisschen in dieser marxistischen Rhetorik, man wird eben auch dafür bestraft, wenn man die falsche Wahl trifft. Man wird eben dafür bestraft, wenn man Literaturgeschichte studiert und Gedichte schreiben möchte. Ja, man hat die Wahl, das zu tun, aber das hat sehr viele Konsequenzen auf das Leben und auf das, was man sonst noch so tun kann im Leben potenziell. Aber
Nils:[11:23] Dazu kommt dann auch, das fand ich auch ein schönes Beispiel, dass wir in diesem System auch, das ist jetzt eine Entwicklung der letzten 20, 30 Jahre, dass sowas wie Aufstieg nicht mehr wirklich planbar ist. Das ist jetzt eine Entwicklung, wenn man so den klassischen 50er, 60er, 70er Jahre Kapitalismus hat, wo man eben durch konstantes Arbeiten, durch gutes Arbeiten im Unternehmen aufsteigen konnte, irgendwie eine gewisse Sicherheit hatte,
Nils:[11:47] Auf die man irgendwie sich verlassen konnte. Also das gibt es in dem Fall, in diesem Maße nicht mehr.
Nils:[11:56] Was unter anderem dazu führt, das ist jetzt eher Nebenstranken, aber den fand ich ganz spannend, dass so Abkürzungen interessant werden. Sowas wie, ich will YouTuber werden oder ich will Popstar werden oder so, dass das auf einmal interessant klingt. Weil wenn ich mich durch ehrliche Arbeit in irgendeinem klassischen Beruf sowieso nicht nach oben arbeiten kann, dann kann ich auch versuchen eine Abkürzung zu nehmen. Oder es wirkt irgendwie realistischer. Also das fand ich ein spannendes Nebenargument. Und wir haben auf der einen Seite diesen Punkt, dass der Aufstieg nicht mehr planbar ist. Auf der anderen Seite haben wir aber auch den Punkt, dass es im Grunde keinen, nicht wirklich einen sicheren Rückfallpunkt mehr gibt wie eine Normalbiografie. Also dass man sagt, ja, ich werde jetzt vielleicht nicht aufsteigen und Abteilungsleiter werden, aber wenn ich hier meinen Job mache, bin ich für die 30 Jahre meines Berufslebens, muss ich mir zumindest ökonomisch keine Gedanken darum machen. Was wir stattdessen haben, ist irgendwie dieses Versprechen, du kannst dich selbst verwirklichen, aber du musst dich halt auch ständig irgendwie in dem System halten und irgendwie neu erfinden und neue Wege finden, weil das, was du die letzten drei Jahre gemacht hast, das braucht jetzt keiner mehr. Und es verändert sich halt alles in einem ganz anderen Tempo. Das ist so ein bisschen dieses Unsicherheitsgefühl. Ich habe mich da auch so ein bisschen an Hartmut Rosa erinnert gefühlt, mit seiner, wie heißt das, dynamischen Stabilisierung. Man muss in Bewegung bleiben, damit man nicht zurückfällt. Und das ist so ein bisschen das System, was einen dazu sehr viel zwingt und gleichzeitig eben große Freiheit verspricht.
Amanda:[13:25] Okay.
Nils:[13:27] Der damit eng verbunden ist auch, dass wir sehr gut darin sind oder eigentlich als Gesellschaft mittlerweile so denken, dass gesellschaftliche Probleme zu individuellen Problemen werden. Also nicht die Gesellschaft ist dafür, es verändert sich mittlerweile ein bisschen, aber nicht die Gesellschaft ist dafür verantwortlich, dass Menschen im Rollstuhl irgendwie öffentliche Gebäude betreten können, sondern die sollen sich halt selber darum kümmern, wie sie das hinkriegen. Oder du bist in Armut, ja, dann hast du wohl was falsch gemacht. Oder du bist krank geworden, ja, dann hast du wohl die falsche Medizin gewählt und warst nicht bei den richtigen Ärzten. Also diese Individualisierung von gesellschaftlichen Schwierigkeiten, gesellschaftlichen Problemen, was auch einfach dazu führt, dass man es als Individuum immer schwieriger wird, sozusagen mildere Umstände für sich gelten zu machen. Da sind sie nicht so ganz klar, weil ich finde, da ist so, dass das europäische Gesellschaftsbild schon noch ein anderes als das US-amerikanische und beide sind ja eigentlich, ich weiß jetzt nicht, ob sie ursprünglich Schweizer oder Deutsche sind, also sie kommen ja eigentlich aus dem europäischen Kultursystem und da finde ich, überziehen sie dieses Argument ein kleines bisschen, aber ich glaube, die Tendenz ist zumindest in gewissen Bereichen definitiv da.
Nils:[14:42] Und wo sie dann hinkommen bei dieser Individualisierung des Scheiterns dass das zwei Dinge ganz stark stärkt, die dann sich nachher irgendwie die uns, die zum Problem werden sozusagen, das sind Gefühle von Scham und von Schuld ich bin selber schuld und ich schäme mich dafür dass ich irgendwie arm bin oder und das führt zu drei unterschiedlichen Arten von Gefühlen, da differenzieren sie jetzt Das fand ich ganz spannend. Da greifen sie auch irgendjemanden auf, ich weiß aber gerade nicht mehr wen. Groll, Zorn und Ressentiment. Das fand ich eine sehr schöne Unterscheidung, sie differenzieren das tatsächlich.
Nils:[15:21] Während der Groll so ein bisschen dann in den Punkt geht, ich will nicht länger das Opfer sein, ich will irgendwie selber ins Handeln kommen, ich will mich von diesem System nicht so zwingen lassen. und der richtet sich dann im Grunde nach oben, so auf das System, auf die Eliten. Dann haben wir den Zorn, der richtet sich dann schon so ein bisschen konkreter auf irgendetwas ganz Konkretes, auf die Grünen, wenn wir das jetzt in Deutschland mal sehen. Und dann haben wir das Ressentiment, das ist so ein verallgemeinertes Gefühl der Missgunst. Also das ist das, was man jetzt eben im Kontrast in der Diskussion um Migration und so weiter dann erlebt und gefühlt so dieses verallgemeine Gefühl, das sind die, die nehmen uns das weg, die haben das, was wir eigentlich kriegen sollten oder die sind verantwortlich dafür, dass wir das nicht kriegen, warum auch immer und das ist so ein bisschen, das sind so diese drei Gefühle, Groll, Zorn und Ressentiment, die sie da einmal differenzieren. Das fand ich ganz spannend, sich da mal ein bisschen Gedanken zu machen.
Nils:[16:20] Was wir in dem System auch noch haben, das fand ich auch noch ein ganz spannendes Argument, wir sind immer noch bei diesem Thema, das System erlaubt uns die Freiheit nicht oder der Kapitalismus, das System klingt immer nach einer großen Verschwörungstheorie, so ist es nicht gemeint, der Kapitalismus erlaubt uns nicht die Freiheit, die er uns verspricht. Und da ist noch ein schöner Punkt, dass wir als Individuen nicht mehr so abhängig sind von Einzelpersonen, wie das vielleicht historisch früher war, also von irgendwie einem Gutsherrn oder einem konkreten Einzelherrscher, aber dass wir dafür vielmehr darauf angewiesen sind, dass die Infrastrukturen unserer Gesellschaft funktionieren. Man kriegt das mit, wenn der öffentliche Dienststreik, also die Bahnen nicht fahren oder der Müll nicht abgeholt wird, dann wird das ganz schnell schwierig. Ja.
Amanda:[17:09] Da setzt bei mir dann immer so ein bisschen auch das Problem an, wenn es um Libertarismus geht, wo das reinkommt. Also ich verstehe nicht ganz, wie man auf diesem Auge blind sein kann.
Nils:[17:19] Ja. Könnte man jetzt an anderer Stelle darüber diskutieren. Ich glaube, das war in dem Buch Unterwerfung von Philipp Blom, war das so ein bisschen Thema, dass wir in unserer christlich geprägten westlichen Gesellschaft vergessen haben, dass das Materielle irgendwie auch eine Rolle spielt. Dass wir zu verkopft geworden sind, sozusagen. Vielleicht, also wir immer als kollektives ideologisches Grundgerüst dessen, wie wir die Welt sehen. Nicht als konkreter Personenkreis, das ist vielleicht noch ein ganz wichtiger Hinweis. Und eben diese Angewiesenheit auf die Infrastruktur, die ist halt auch wieder, ich soll so frei sein, aber ich kann jetzt nicht da hinfahren, weil da fährt keine U-Bahn hin. Oder weil, ich soll so frei sein, aber die wollen mir jetzt mein Tempo 200 auf der Autobahn wegnehmen. Also die U-Bahn fährt nicht, finde ich schlimmer, als ich darf nur 120 auf der Autobahn fahren, aber das sehen andere vielleicht auch anders, weil sie keine U-Bahn fahren. Und gleichzeitig ist diese Welt, diese Strukturen, auf die wir so angewiesen sind, wirken die irgendwie feindlich auf uns und nicht durchschaubar, also jetzt in der U-Bahn vielleicht noch, aber was jetzt bestimmt, warum wir einen Job kriegen, warum wir irgendwie einen anderen Job kriegen, warum wir befördert werden oder entlassen werden, warum unsere Firma jetzt aufgekauft wird und auf einmal alles anders passiert.
Nils:[18:43] Da hat man so keinerlei Einfluss drauf und es wird immer mehr, eben weil diese grundlegende Sicherheit fehlt, eben auch als Bedrohung wahrgenommen. Und das finde ich auch noch einen guten Punkt, der einfach diese Unsicherheit, diese diffuse Unzufriedenheit sehr, sehr gut erfasst. Das Ganze ist dann noch verbunden mit einer großen Ungleichheit. Also wenn man sich zurückdenkt so an die historischen Prozesse um Freiheit, da ging es immer um Freiheit und Gleichheit. Was wir jetzt haben ist, Für eine Ungleichheit in der Freiheit, drücken wir es mal so aus, sie nennen es selber nicht so, aber in gewisser Maße eine Ungleichheit in der Freiheit, weil die oberen Klassen, wer Geld hat, wer Bildung hat, wer es einmal geschafft hat, so ein bisschen den Fuß auf den Boden zu kriegen, der wird tendenziell auch freier.
Nils:[19:30] Also die, wir haben das bei Corona gesehen, die in dem Homeoffice arbeiten können die irgendwie die Möglichkeit haben eben nicht sich die Infektionsgefahr im selben Maß aussetzen zu müssen das sind die, die auf einmal Freiheitsgrade gewinnen und irgendwie Mitarbeitende im medizinischen System, Ärzte Pflegekräfte und ähnliches die müssen auf einmal sogar irgendwie zu Hause in separaten Zimmern wohnen, um sich bloß nicht anzustecken oder werden irgendwie in Wohnheimen untergebracht in der heißen Phase gab es glaube ich das ein oder andere Mal und verlieren dadurch auf einmal ein massives Maß an Freiheit. Während die einen anfangen Sauerteigbrot zu backen, sind die anderen froh, wenn sie sich in ihren 12-Stunden-Schichten nicht irgendwie mit Corona anstecken. Das ist jetzt ein Extrembeispiel, aber strukturell ist es halt oft sehr ähnlich.
Nils:[20:21] Und das ist halt auch, dass wir diese Ungleichheit ins System auch an der Stelle reinkriegen und dass wir dann gleichzeitig auch ja, halt Vergleiche ermöglichen. Auf einmal sehen wir, wie andere leben und was andere tun und wir haben eben auch den Anspruch, ja, warum sollte ich denn, ich arbeite nicht weniger hart und so weiter und so fort, warum schaffe ich das nicht, was die schaffen? Auch da wieder, gerade wenn wir in diese Performance reinkommen, also irgendwelche Influencer, die irgendwie ihr Bling-Bling-Leben zeigen, was natürlich auch für die Kamera inszeniert ist im Normalfall, werden aber trotzdem dann irgendwie zu so einem Vergleichsmaßstab Was halt auch dann irgendwie schwierig ist. Und wir haben auch noch ein stärkeres Unrechtsbewusstsein dafür. Da kommt diese regressive Modernisierung ins Spiel. Auf der einen Seite werden sich immer größere Teile der Gesellschaft dieses Unrechts bewusst. Und auf der anderen Seite merken sie aber auch, dass sie halt eventuell am negativen Ende dieses Unrechtes stehen und entwickeln dadurch eben genau, was wir gerade hatten, Groll, Zorn, Ressentiment aus guten Gründen auch zum Teil, was dann dagegen arbeitet im Grunde.
Amanda:[21:30] Finde ich spannend. Ich habe das von ein paar Freunden gehört, die so ein bisschen im Krisenmanagement mit Jugendlichen arbeiten. Und interessant ist, dass insbesondere auch Jugendliche aus, ich sag mal, sozial benachteiligten Schichten das ganz anders wahrnehmen. Da sind die Beispiele und die Vorbilder, das sind genau diese Personen, die sie sein möchten. Und da ist gar keine Ungleichheit, das wird nicht so wahrgenommen oder eine Ungerechtigkeit, sondern im Gegensatz zu, ich kann das auch schaffen. Und zwar aber komplett realitätsfremd, also das geht, das finde ich interessant, weil ich frage mich dann, bei wem das tatsächlich diesen Neid auslöst, also wo man dann hinkommen muss, um das zu empfinden.
Nils:[22:24] Also ich glaube, das ist tatsächlich, hier geht’s wie, also das sieht man ja auch, wenn man in die ganzen Bewegungen guckt, also sie haben nachher noch eine Analyse von drei solcher Bewegungen, von Querdenkern, von wie nennen sie das, gefallenen intellektuellen und von tatsächlich dann eher rassistisch-rechtsextremistisch eingestellten Menschen. Da geht es selten um die Jugend. Da geht es eher so um um die gesetzten Erwachsenen.
Amanda:[22:52] Okay, man hat was probiert im Leben und das hat nicht funktioniert und dann schaut man sich mal so.
Nils:[22:57] Ja, oder es hat sogar funktioniert, nur man ist sich nicht mehr so sicher, ob es noch weiter funktioniert. Das ist, glaube ich, fast eher der Punkt, weil wenn man jetzt gerade auch so in Deutschland auf die AfD-Wählerschaft guckt, das sind nicht nur die Gruppen, die man typischerweise als gesellschaftlich benachladigt verstehen würde. Das sind auch die Gruppen, die eben genau so ein bisschen ja, die Einfamilienhausbesitzer in den baden-württembergischen Kleinstädten und Dörfern. So, das sind jetzt nicht ökonomisch benachteiligte Gruppen im Normalfall. Wo aber trotzdem diese Dynamiken und dieses Unwohlsein im Grunde entsteht.
Amanda:[23:35] Okay.
Nils:[23:37] Genau. Ja, das ist dann tatsächlich noch ein Punkt, der da auch reinkommt, weil genau diese Einschränkung, die es gibt, das widerspricht sich jetzt diesem, die oberen Klassen sind freier als die Unteren, das spricht ihm eigentlich nicht, weil genau diese Einschränkungen sich jetzt auf einmal auch auf sozioökonomisch wohlhabendere Menschen erstrecken. Da ist natürlich das klassische Beispiel Corona, weil auf einmal sagt der Staat auch mir, was ich zu tun habe, wo ich hinzugehen habe und was ich nicht darf. Das sind die Empfänger von Hartz-IV oder Bürgergeld in Deutschland, die sind das schon immer gewohnt. Die kennen das nicht anders, die kennen den Staat nicht anders. Aber auf einmal, wenn ich jetzt ein oberer Mittelschicht-Dude bin, dem irgendwie ein Haus gehört und so. Auf einmal geht der Staat mir so um wie mit den Armen, das geht ja gar nicht.
Amanda:[24:24] Ja. Wobei ich da, ich verstehe ein bisschen, wenn man wieder das Individualisierungsargument nimmt, bei Impfungen ist das natürlich schon so, die positiven Effekte, die werden ja gesamtgesellschaftlich getragen. Wohingegen die negativen, da bist du wirklich als Individuum ganz alleine auf dich gestellt. Also klar, im besten Fall kriegst du da Unterstützung und so weiter, aber die Folgen, die trägst du als Einzelperson und ich glaube insbesondere in dieser Individualisierungstendenz hat das einfach ein größeres Gewicht gekriegt.
Nils:[24:54] Ja, das ist ein super Beispiel. Würden die auch, glaube ich, genauso mitgehen. Weil es auch genau, das ist jetzt ein Argument, das bringen sie dann, das ist deren Kernargument, was ich am Ende bringen wollte, aber gehe ich jetzt schon mal darauf ein, dass es tatsächlich darum geht, um so eine Absolutsetzung von Freiheit. Also um eine und vor allen Dingen eine Individualisierung von Freiheit. Also es ist meine Entscheidung, was ich darf und was nicht und jede Einschränkung dieser Entscheidung ist erstmal illegitim, egal ob ich die eventuell sogar mittrage. Also vielleicht sage ich sogar, ja, ich habe kein Problem damit, mich impfen zu lassen, aber ich finde die Impfpflicht scheiße. So, um an dem Beispiel zu bleiben. Das ist genau diese Verabsolutierung, ich darf das für mich entscheiden und ich entscheide mich so, aber alle, jeder soll das auch für sich entscheiden dürfen, egal was das gesellschaftlich bedeutet. Das ist ein schönes Beispiel dafür.
Nils:[25:43] Genau, jetzt sind wir an dem Punkt, wo wir so ein bisschen in die kleineren, diffizileren Einzelargumente erstmal gehen, bevor wir dann nochmal zu diesen drei großen Gruppen kommen, von denen ich gerade sprach. Also das ist so der ganz große argumentative Bogen im Grunde, der das Buch durchzieht. Es gibt noch so ein paar Nebenargumente, die in einzelnen Teilen auftauchen. Da haben wir einmal den Punkt, dass unsere moderne Gesellschaft ja nicht mehr so sehr darauf setzt, durch eine externalisierte Kontrolle, also so sehr der Staat irgendwelche Regeln macht. Wir sind in einer massiv weniger regulierten und einer offeneren Gesellschaft, als man das vor 100, 200, 300, 400 Jahren war, wo eben irgendwelche religiösen Autoritäten oder ähnliches wirklich sehr detailliert Dinge vorgeschrieben haben und auch sehr minutiös kontrolliert wurde. Das merkt man alleine schon irgendwie auch in Familien, dass irgendwie Erziehungsziele sich verändert haben und so weiter und so fort. Das heißt, wir haben weniger so eine Beherrschung von außen. Was wir aber haben, das ist jetzt auch kein neues Argument, gerade aus der Theorielinie der kritischen Theorie, ist, dass wir diese Unterdrückung oder diese Herrschaft im Grunde internalisiert haben. Also, dass nicht mehr der Chef hinter mir stehen muss, so du arbeitest jetzt aber, sondern dass wir selber ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir mal länger Pause machen als alle anderen.
Nils:[27:06] Und das sind ja auch Motive, die immer weitergehen, auch wenn man so Richtung New Work und Flexibilisierung der Arbeit, zumindest in manchen Wirtschaftsbereichen geht, da funktioniert das ja auch genauso. Die funktionieren dann besonders gut, wenn die Leute nicht mehr angetrieben werden müssen, sondern das selber tun. Das ist wieder eine sehr kapitalismuskritische Perspektive. Man hat da sicherlich auch positive Aspekte drin, wenn man frei genug und sicher genug und etabliert genug ist und selbstbewusst ist und genug gebildet ist und so weiter und so fort, um sich dann da auch wieder seine eigenen Freiräume zu schaffen, ist das was anderes. Aber wenn man das eben nicht hat, dann fehlt dann diese Unterdrückung da einfach immer stärker und eben auch sozial verstärkt. So was, was bist du schon vor 18 Uhr gegangen, so ungefähr.
Nils:[27:52] Wir sind auch an dem Punkt, wo trotz allem das Leben für viele Menschen in gewisser Weise leichter geworden ist. Weil wir für bestimmte Dinge halt nicht mehr so viel tun müssen. Also bestes Beispiel, wie komme ich an Musik? Sie ist billiger geworden, sie ist zugänglicher geworden, ich muss jetzt nur noch suchen und klicken.
Nils:[28:15] All das, also das Leben ist leichter geworden, auch Grundnahrungsmittel sind billiger geworden und ähnliches. Es nicht heißt, dass es nicht immer noch Leute gibt, denen das schwerfällt, das zu finanzieren, das will ich gar nicht implizieren und dann ergreifen sie dann auf Sloterdijk zurück, das fand ich auch ganz spannend ist aber auch ein Argument, das kommt nicht nur von ihm dass wir natürlich eine Gesellschaft leben, der es immer schwieriger fällt irgendwelche Gratifikationen irgendwelche positiven Gefühle aufzuschieben zu sagen, ich spare jetzt mal zwei Jahre und dann kaufe ich mir irgendwie den Computer, nein, ich kaufe den Computer jetzt und finanziere ihn so, das vielleicht auch nochmal als Beispiel und dass wir da immer weiter uns hin bewegen und das auch nicht aufhört bis jetzt und jede Forderung nach einer Zügelung als Überforderung wirkt. Also wie, ich kann das nicht jetzt sofort, das kann ja nicht sein und das darf ja nicht und ich muss das aber jetzt sofort kriegen.
Nils:[29:08] Und interessanterweise, das machen sie jetzt glaube ich nicht explizit, ist ja genau dieses Aufschieben von Belohnung, ist ja im Grunde das, was Weber als Kern der protestantischen Ethik ausmacht. Und so im Grunde ja als Grundlage des Kapitalismus und das haben wir uns jetzt aber wieder abgewöhnt und dann wird es halt schwierig, dann kommen wir halt in Konflikte. Und jetzt kommen wir zu einem spannenden Punkt, weil sie auch von einem libertären Autoritarismus reden, das klingt ja auch erstmal nach einem begrifflichen Widerspruch und das machen sie jetzt hier das erste Mal auf, weil sie sagen, im klassischen Autoritarismus ist dieser Triebverzicht, also diese Fähigkeit, irgendwie Belohnung aufzuschieben oder zu warten, bis irgendwie was passiert oder auf etwas hinzuarbeiten, ist die an eine Führungsperson gebunden. Hängt das an einem Menschen, der sozusagen uns hilft, uns zu kontrollieren? So, kann man jetzt gut finden, also hat seine Vorteile, hat seine Nachteile an der Stelle.
Nils:[30:09] Im libertären Autoritarismus, also das, was die beiden diagnostizieren, Da unterwirft man sich eben nicht der Person, sondern dem eigenen Gefühl sozusagen, dem eigenen Blick auf die Welt, der eigenen Freiheit. Und das ist, glaube ich, das, was sie mit diesem libertären Autoritarismus meinen, dass ich mich nicht mehr der Person, einer externen Person unterwerfe, sondern irgendwie einem, ja im Grunde, wenn man es mit Freud sagen will, dem Ich, komplett. Und dass ich gleichzeitig geschwächt wird, weil wir eben immer mehr, immer stärker diese sofortige Gratifikation irgendwie anstreben und dann dem, bei Freud wäre es das eh, dem S irgendwie den Raum lassen und uns dem dann auch noch komplett unterwerfen, weil es eben anders als den klassischen Autoritarismus nicht die Führungsperson von außen gibt, die das sozusagen verstärkt. Ich weiß nicht, ob ich das Autoritarismus, Ich finde das eher so ein Paternalismus oder sowas irgendwie in den begrifflich nehmen, aber der Kontrast wird, glaube ich, trotzdem deutlich.
Nils:[31:18] So, was haben wir noch? Wir haben noch eine andere Sache, wo wir so ein bisschen das Problem haben, dass wir so eine gewisse Unterwerfung irgendwie brauchen. Das ist nämlich, dass unsere Gesellschaft immer abhängiger geworden ist vom Wissen. Vom Wissen, wie Dinge funktionieren, wie unsere Technologie funktioniert, wie irgendwelche bürokratischen Abläufe funktionieren und so weiter. Und dass die Risiken, die wir in dieser Gesellschaft haben, immer diffuser werden.
Nils:[31:48] Also das große Risiko ist im Normalfall bei den meisten Menschen in unseren Gesellschaften nicht, dass wir diese Woche verhungern. Das Risiko ist eher, dass wir in einem Jahr unseren Job verlieren, weil KI. Oder dass wir in zehn Jahren irgendwie wegmigrieren müssen, weil unsere Region zu heiß wird. Das sind eher so diffuse Risiken, die weit weg sind und die erleben wir nicht mehr selbst. Dafür brauchen wir jemanden, der sie uns nennt. Das sind irgendwie Experten logischerweise oder ExpertInnen, die gleichzeitig dabei auch noch immer spezialisierter werden. Ich fand das sehr, sehr schön, sehr, sehr spannend zu beobachten, als wir mitten in Corona steckten. Gab es ja in Deutschland diesen Corona-Podcast mit Christoph Trosten, dem Virologen, der dann wirklich irgendwie gefragt wurde nach dem Vergleich zur Grippe. Und der dann erstmal ansetzte und drei Minuten erzählte, wie wenig er eigentlich über die Grippe weiß und dass er da nicht Experte für ist. Dass er jetzt erstmal nur so als allgemeiner Mediziner antworten kann, dass es da aber bessere Experten gibt, die das besser erklären können. Er wäre ja nur Experte für die Coronaviren.
Nils:[32:53] So, das ist genau diese Spezialisierung, wo sich die Experten, ExpertInnen dessen auch meistens sehr bewusst sind. Manchmal auch nicht, wenn sie dann irgendwie über gesellschaftliche Themen reden, von denen sie weniger Ahnung haben als andere, aber da kommen wir nachher noch zu. Aber diese Experten werden dann eben auf einmal, gerade wenn wir in so Situationen sind, wo wir im hohen Maß von Wissen abhängig sind, wie Klimakatastrophe, wie Corona-Pandemie, werden die auf einmal auch als politische Machtfiguren wahrgenommen. Was sie ja faktisch auch in gewisser Weise sind. So, da wird dann auch, ja, ich bin hier nur der Wissenschaftler, ich gebe hier nur die Wissenschaft wieder. Ich verstehe das aus der einen Position, aber andererseits, nee, tust du nicht, weil wissenschaftliche Autorität hat eine Machtposition. Und wenn du die gerade äußerst, dann machst du auch eine politische Äußerung in gewisser Weise. Das muss ich zumindest nicht wundern, wenn es so wahrgenommen wird. Weil wir da auch als Gesellschaft einfach schlecht gelernt haben, mit umzugehen. Und so gibt es halt auch einfach in den Spezialgebieten immer mehr Wissen und es gibt immer weniger Menschen, die die Welt wirklich verstehen. So in ihren komplexen, groben Zusammenhängen auch einfach. Weil dieses Wissen eben immer spezialisierter wird und immer genauer wird und man eigentlich selbst bei den gut gebildeten Leuten immer weniger Leute hat, die so alles im Großen und Ganzen verstehen, meistens immer nur in ihren Teilgebieten sind.
Amanda:[34:17] Würdest du das so unterschreiben? Für mich klingt das so, ich verstehe das, wenn man sich 300, 400 Jahre zurück begibt und dann irgendwie so eine allgemeine Gelehrtheit, konstatieren kann. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt so als aktuelle Gegenwartsdiagnose auch so sehen würde?
Nils:[34:40] Doch, würde ich schon. Einfach weil die Prozesse so komplex sind. Also wenn man jetzt, also wenn man darauf blickt, was passiert, warum schaffen wir es nicht, auch wenn 90 Prozent der Leute sagen, wir brauchen mehr Klimaschutz, warum schaffen wir es nicht ernsthaft, das Thema ernsthaft anzugehen? Das ist ein ganz komplexer Prozess im Hintergrund. Nicht nur einer, sondern ganz viele.
Amanda:[35:03] Ich frage mich dann, ob der Prozess, dass der komplex ist, das verstehe ich, dass die Sache an sich komplex ist auch, aber es ist ja, ich sage mal, der Output von Klimakrise oder was wir tun müssen, das ist ja eigentlich ganz einfach.
Nils:[35:17] Ja, aber das ist richtig, aber wie man es hinkriegt.
Amanda:[35:21] Und da meinst du, würde es helfen, also da gäbe es Leute oder da gab es früher Leute, die das besser überblicken konnten.
Nils:[35:30] Weil die Strukturen einfacher waren.
Amanda:[35:31] Im Sinne von…
Nils:[35:31] Also auch wenn wir jetzt in den Kalten Krieg zurückdenken, geopolitisch, ließ sich dann doch ein sehr gewaltig großer Teil aller Entwicklungen auf die zwei Blöcke reduzieren mit China, das irgendwie noch so ein bisschen die Füße stillgehalten hat. Wenn man jetzt da reinguckt, ist das an so vielen Stellen so unterschiedlich individuell komplexe Dynamiken. Ich meine, vielleicht kennt man sie jetzt auch nur besser, dass man jetzt weiß, dass man jetzt zumindest eine Ahnung hat, wie komplex es ist, ohne es wirklich zu durchdringen. Dass man früher noch nicht mal geahnt hat, wie komplex es eigentlich ist, das könnte auch sein.
Nils:[36:04] Aber wir haben, wie war das mit dem, wer sagte doch auch immer, es gibt wahrscheinlich keinen Menschen auf der Welt mehr, der wirklich komplett weiß, wie ein Computer funktioniert. So, es gibt Leute, die irgendwie die Hardware-Architektur kennen, es gibt Leute, die die Physik und die Elektrotechnik dahinter kennen, ein bisschen ins Detail, es gibt die Leute, die das kennen, die jenes kennen, aber jemand, der so wirklich alles kennt, was wir da gebaut haben, gibt es in der Form nicht mehr. Das ist glaube ich so ein bisschen eher die Richtung in die das geht, das geht eher so in dieses wir haben nicht mehr das ausreichende Wissen über die Welt um uns selbstwirksam in ihr bewegen zu können das ging früher vielleicht auch noch einfacher, weil die Strukturen, in denen wir uns bewegen mussten einfachere waren da war es halt der Dorfstammtisch mit 20 Leuten und nicht mehr Twitter mit 200 Millionen Nutzenden so, also das ist glaube ich eher der Punkt das ist ein berechtigter Einwand
Nils:[37:05] Genau. Was sie dann eben auch sagen, wir haben immer mehr Bildung, aber immer weniger Wissen. Fand ich auch ganz spannend. Also der Anteil dessen, was wir in der Bildung noch vermitteln können, von dem, was man eigentlich wissen müsste, wird immer kleiner. So würde ich das jetzt interpretieren. und wir sind auch in der Gesellschaft, die auf der einen Seite berechtigterweise aus so einer sozialkonstruktivistischen Wissenschaftskritik, also die auch einfach mal so ein bisschen den sozialen Aspekt von Wissenschaft betont, so dieses Thema feministische Mathematik, das sind ja so Dinge, die dann gerne mal weggelacht werden auf der einen Ebene, dass das auf der einen Ebene ein ganz wichtiger Punkt ist, dass das auf der anderen Ebene aber auch ein Aspekt ist, der Wissenschaftsskeptiker eine Munition liefert. Weil das ist ja auch nur eine Meinung. Wenn Wissenschaftler sich nicht so sicher sind, wenn die das nicht sicher wissen, dann ist meine Meinung genauso viel wert wie deren. Auch ein Top-Hosen-Motiv, was wir in der Corona-Zeit doch immer wieder gesehen haben.
Nils:[38:05] Damit sind wir in einer Struktur, wo eigentlich mehr Vertrauen in Experten, Expertinnen nötig wäre. Die wissen schon, wo dieses Vertrauen aber erodiert. Und das ist natürlich eine gefährliche Situation, weil das ist genau der Moment, wo dann so Individualperspektiven entstehen. Sieht das auch ganz schön, muss ich gerade dran denken, ich glaube, ich habe das Buch nicht hier vorgestellt. Ich habe hier vorgestellt von Christoph zusammen, haben wir die Vereindeutung der Welt in der Episode 20, haben wir das, glaube ich, gemeinsam vorgestellt. Da gibt es noch ein ausführlicheres Buch zu und auch Bücher von anderen Autoren, die eben auch sowas wie religiösen Extremismus darauf zurückführen, dass wir eine Individualisierung haben. Klingt erstmal paradox, aber die halt sagen, ja, weil es eben nicht mehr die eine Autorität gibt oder in anderen Religionen noch nie gab, die gesagt hat, so ist die Auslegung und die auch mal eine Änderung der Auslegung, eine Anpassung der Auslegung an moderne gesellschaftliche Gegebenheiten irgendwie vorgenommen hat, ist es jetzt so, ja, interpretier du das mal für dich. So, und das führt dazu, dass es dann eben nicht offizielle und individuelle Gurus, sag ich jetzt mal halbwegs religiös neutral, gibt, die ihre Interpretation anbieten und die dann natürlich einfach, weil sie einfach ist, weil sie attraktiv ist, irgendwie aufgegriffen wird und dann diese Menschen mobilisieren können, für was auch immer sie sie mobilisieren wollen. Ich versuche mal, das möglichst neutral zu formulieren.
Nils:[39:32] Fand ich auch ein spannendes Argument. Das machen die jetzt hier nicht explizit, aber ich glaube, das ist ziemlich genau dieses Motiv, was wir da auch nochmal sehen.
Amanda:[39:39] Okay.
Nils:[39:41] Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir eben als Gesellschaft dieses Nicht-Wissen-Können, das tut uns irgendwie in unserem Weltbild weh. Da sind wir auch wieder bei dem Philipp Blom und wir dominieren die Welt und wir können das alles und wir Menschen sind die Größten und die Besten. Und jetzt auf einmal haben wir das Gefühl, wir wissen da ganz viele Dinge nicht und da passieren Dinge, die wir nicht abschätzen können. Und da sehen Sie so zwei Reaktionen. Das eine nennen Sie sehr schön epistemische Regression. Das heißt, wir kündigen einfach das Prinzip auf, dass es sowas gibt wie eine echte Realität. So, da sind wir jetzt im Grunde bei den linken Sozialkonstruktivisten in der Soziologie. Faktisch nutzen tut das aber irgendwie so die Regierung Trump, die man jetzt nicht als linke Sozialkonstruktivisten beschreiben würde.
Amanda:[40:31] Ja, nicht ganz.
Nils:[40:32] Aber da sehen wir auch wieder, wie dieses wissenschaftliche Motiv, Argument, wie das in einem anderen Kontext gesetzt, höchst destruktive Folgen hat. Weil es eben nicht mehr ein wissenschaftliches Prinzip bleibt, sondern absolut gesetzt wird.
Amanda:[40:47] Ja.
Nils:[40:47] Was natürlich auch mal ein dummer Gedanke ist. Das ist der eine Weg. Und der andere Weg ist, dass sich so, das ist auch wieder was, was Sie, glaube ich, primär aus Corona abgeleitet haben, so eine Identität über geteiltes, exklusives Wissen. Also sagen, ja, wir sind hier die Insider, wir wissen, wie es wirklich ist und das ist nicht das, was der Mainstream sagt und es geht dabei eigentlich gar nicht so sehr um das Wissen und irgendwie um das Handlungsfähigsein und darum Corona zu verhindern, sondern es geht darum, eine soziale Kohäsion in einer bestimmten Gruppe herzustellen und Identität zu schaffen. Und in dieser sozialen Gruppe gibt es dann eben genau wieder dieses, ich habe das Gefühl, ich verstehe das, ich kenne das. Es gibt die eine Person oder die zwei Personen, die sagen mir dieselbe Wahrheit. Und so ergibt sich eben eine soziale Kohäsion, bei der es ums Inhaltliche eigentlich gar nicht mehr geht. Das fand ich auch einen spannenden Punkt. Also wir haben da auch einfach dieses andere Verhältnis zum Wissen.
Amanda:[41:42] Und anders auf welchen Bezugspunkt hingesehen als früher?
Nils:[41:52] Ich glaube, sie würden das tatsächlich sowohl als eine Entwicklung auf der Ebene der Jahrzehnte als auch der Jahrhunderte verstehen. Weil ich glaube, es ist eher eine Entwicklung dieser Aspekt, eher der Jahrzehnte tatsächlich. Also ich glaube nicht, dass sie da jetzt so eine 17., 16., 17., 18. Jahrhundertwelt vor Augen haben im Kontrast. Weil da war ja einfach der Zugang zu Wissen generell noch ganz anders strukturiert. Also ich glaube schon, dass sie das jetzt gegenüber so einer 50er, 60er, 70er, 80er-Jahre-Welt, der Welt des 20. Jahrhunderts, wie man so schön sagen kann, glaube ich, da machen sie den Kontrast auf. Und dann so die letzten 10, 20 Jahre, dass sich das massiv verschoben hat.
Amanda:[42:31] Ja, ich finde das interessant, das mit der epistemischen Regression. Ich finde halt auch diese ganze Diskussion mit ExpertInnen, vertrauen wir darauf. Manchmal habe ich das Gefühl, dass man früher das einfach akzeptiert hat. Man hat akzeptiert, dass es Menschen gibt, die mehr wissen als man selbst. Und man musste nicht versuchen, das zu hinterfragen. Ich hatte mal eine Diskussion geführt, da hat mir eine Person gesagt, Corona gibt es nicht, weil man hat den Virus noch nie gesehen. Und dann, klar, wo beginnt man dann? Also wenn man nur an Dinge glaubt, die man selbst gesehen hat, ja dann ist man, also dann, das muss, da kommt man zu keinem geteilten Weltbild mehr. Also da verstehe ich diese epistemische Regression, dass das darin mündet, finde ich dann ganz plausibel. Also ich tue mich ein bisschen schwer mit dieser ExpertInnen-Diskussion. Deshalb, weil ja schon auch jetzt in den Entwicklungen, sagen wir in den USA, ist es ja schon so, dass diese eigentlich meiner Meinung nach aus demokratischer Sicht viel zu viel Gewicht kriegen. Also im Sinne von nicht mehr legitimiert demokratisch, sondern ich sage mal auch viel selbsternannte ExpertInnen.
Nils:[43:57] Und da ist auch wieder die große Gefahr, wer bestimmt eigentlich, wer ein Experte ist und da kommen genau die sozialen Strukturen wieder ins Spiel, das ist natürlich eine demokratische Partei, andere Personen als Experten benennt, als eine republikanische Partei ja, exakt aber ich glaube, da sind wir genau an diesem Punkt, wo wir auch bei der Spezialisierung sind und wo wir auch dieses Gesamtwissen irgendwie da nicht mehr haben, also wenn selbst ein Experte, wie jetzt ein Virologe wie jetzt ein Christoph Drosten, was man von halten mag oder auch nicht Ich glaube, sein Hintergrund ist erstmal unbestreitbar. Wenn selbst der halt sagt, ich kann nicht sagen, wie wir politisch darauf reagieren sollen. Wenn der selbst sagt, ich kann nur über diesen einen Virus was sagen. Weil da spielen aber natürlich so viele Dinge zusammen, gerade auch in der Zeit, als man noch nicht so viel wusste. Wenn dann selbst die Experten sagen, wir wissen nicht so genau und wir versuchen jetzt mal und wir gucken mal, es müsste eigentlich in diese Richtung gehen, dann braucht das schon sehr, sehr viel Reflexion, gerade wenn man noch eine Gesellschaft kennt, in der das Expertenwort das Armen war, sozusagen, ist das sehr, sehr schwierig, damit umzugehen, glaube ich.
Amanda:[45:07] Ich finde aber sogar, dass es eigentlich in eine lernunfreundliche Situation mündet. Nehmen wir mal als Beispiel, wenn es um Ökonomie geht. Da gibt es viele ExpertInnen. Aber was nimmst du denn als Referenzpunkt? Du kannst sagen, diese Ökonomie, keine Ahnung, hat in den 20 Jahren von 1940 bis 1960 funktioniert. Sind das jetzt nun die ExpertInnen, die, ich sage mal, valide Argumente haben? Sind es diejenigen, die danach gekommen sind? was auch für eine Zeitspanne sehr wohl funktioniert. Und da sehe ich halt ein bisschen das Problem, ja, also was nimmt man denn da? Weil für mich mündet das, du kannst nicht die Daten nehmen und kommst dann zu einer informierten Entscheidung, sondern du bist in einem System drin, das eben Lernen unfreundlich ist, in dem Sinne, dass du keine, also die Entscheidung, die wir treffen müssen, die muss oder die wird insofern einfach getroffen, weil wir sie demokratisch treffen jetzt bei uns. Ja, aber das.
Nils:[46:03] Ist ja glaube ich glaube ich, genau dieses Argument, was die beim Thema Wissen machen. Es gibt, oder wo wir auch gerade über dieses, niemanden, der das Gesamte mehr überblickt. Ich glaube, das ist genau der Punkt. Es gibt die Experten für die neoklassische Ökonomie, für den Keynesianismus, für den Neokensianismus und jetzt auch für die Modern Monetary Theory und ich habe nicht einen Experten, der alles kennt und dazwischen abwägt, sondern ich habe für jede Theorie ihre ExpertInnen. Und alleine diese Entscheidung, die ich dann treffen muss für die brauche ich im Grunde auch schon wieder jemanden, der mir diese Expertise geben kann, zu sagen okay, was ist denn jetzt für die jetzige Welt das Bessere, was immer das auch heißt dann kommen wieder die demokratisch bestimmten Ziele ins Spiel das ist glaube ich genau die Schwierigkeit, diese Abgrenzung zwischen wo sind wir bei demokratischen Entscheidungen und wo sind wir bei einfach ja, wenn du Corona verhindern willst, haben wir nichts Besseres als Impfen. So, jetzt entscheide ich, ob du das verhindern willst oder nicht. Und diskutiere nicht, ob eventuell Pferdebleiche wirkt.
Nils:[47:13] Ich glaube, das ist genau dieses Spannungsfeld, was die da aufmachen. Und wo man sich als, gerade wenn man nicht diese Debatten jetzt seit Jahren verfolgt mit einer gewissen Reflexion, einfach weil man durch eine wissenschaftliche Ausbildung gegangen ist, auch zum Teil, oder auch durch eine, die gleichzeitig noch Selbstreflexion ermöglicht, das ist ja auch nicht selbstverständlich. Ich glaube, wenn man das nicht hat, dann ist das extrem schwierig, sich da drin zu orientieren es fällt ja uns schon schwierig wenn wir gerade in Diskussion gemerkt haben wir haben da ja nun wirklich alle Vorteile mitbekommen, die man so mitbekommen kann genau, so jetzt haben wir noch zwei kleine Punkte, das erste ist auch eine gewisse Frustration mit der Demokratie weil sie einfach durch diese Vielschichtigkeit und die Pluralisierung einfach langsam wird und während die Gesamtgesellschaft sich immer schneller entwickelt und die Technologie sich immer schneller entwickelt, sind wir in der Entscheidungsfähigkeit werden wir immer langsamer was einfach die Demokratie mit sich bringt wenn man sie plural denkt, was wir ja im Grunde dann doch wollen und nach das ist wieder eine Enttäuschung vom System das verspricht so viel, aber es hält es nicht
Nils:[48:23] Und dann haben wir auch, dann kommen wir auch genau zu diesem Aspekt, den du gerade angesprochen hast, zu dem Thema Alternativlosigkeit Dann kann man halt am Ende nur noch auf die zwei Experten hören, die man gerade halt mal berufen hat, weil sie aus irgendeinem Grund im sozialen System Wissenschaft gerade an der Stelle sind, dass sie halt die Personen sind, die man fragen muss. So, und dann ist die Selbstwirksamkeit für den Einzelnen endgültig weg. Und auch noch ein Aspekt, da kommt jetzt das Buch, was ich vorhin kurz angeschnitten habe raus von Mark Fischer, der Capitalist Realism dass wir auch einfach nicht mehr in der Lage sind, ganz viele dieser Krisen und dieser Entwicklungen auf ihre gemeinsame Ursache zurückzuführen das ist nämlich der Kapitalismus den setzen wir als gegeben und hinterfragen ihn nicht mehr und dann haben wir auf einmal 10 verschiedene Probleme wo wir sagen würden 6 von denen ließen sich vielleicht dadurch beheben wenn wir mal ernsthaft nachdenken ob wir das nicht ein bisschen anders an der Stelle zuschneiden. Und das ist auch nochmal so ein, es wirkt irgendwie so unkontrollierbar, weil wir über das eine, was vielleicht tatsächlich ein gemeinsames Problem sein könnte, nicht nachdenken können oder wollen.
Nils:[49:29] Und vor allem diesem diffusen Hintergrund, wozu hat das geführt, dass wir Freiheit anfangen, das ist jetzt ein bisschen deren theoretisches Fazit, dass wir anfangen, Freiheit als einen individuellen Besitzstand zu verstehen und nicht als einen gesellschaftlichen Zustand. Das finde ich eigentlich eine ganz schöne Begrifflichkeit, dass wir sagen, ich besitze meine Freiheit, nicht wir als Gesellschaft sind frei. Das ist, glaube ich, der entscheidende Unterschied, weil es eben ignoriert, dass Freiheit durch Gesellschaft und Staat durchgesetzt werden muss. Ich bin nur dann wirklich frei, wenn der Staat oder irgendjemand meinen Nachbar daran hindert, mich zu verkloppen, wenn ich aus der Wohnungstür gehe. So, ich überspitze jetzt mal. Also im Grunde schon mal Thomas Hobbes.
Nils:[50:18] Und wozu führt das, dass wir eben sämtliche gesellschaftliche Anforderungen, nicht nur staatliche Anforderungen, sondern auch so moralische Anforderungen in gewisser Weise als eine Zumutung empfinden. Also diese negative Konnotierung des Begriffs moralisieren, finde ich da sehr, sehr, sehr schön. Seit wann ist Moral was Negatives geworden? Wo sind moralische Anforderungen auf einmal was Negatives geworden, was Böses, wo man ausweichen muss? Dass man mal mit ihnen spielt und mal sich nicht so ganz an sie hält und mal bei ein oder zwei Sachen sagen, ja das ist jetzt irgendwie das ist jetzt nicht so meins, okay aber dass Moral an sich etwas Negatives geworden ist es führt eben dazu, dass dieses neue Freiheitsbild nicht nur gegenüber dem Staat gilt, sondern gegenüber allen Normen und dann fängt es halt an schwierig zu werden
Nils:[51:13] Ja und was wir dann haben ist eben auch, dass sich im Grunde so unser Begriff des Freiheitskampfes im Grunde verändern muss der Freiheitskampf üblicherweise war wir müssen das Subjekt befreien aus der individuellen Unterdrückung das haben wir jetzt zum Großteil geschafft wo wir jetzt hin müssen ist die gesellschaftliche Bedingtheit der Freiheit wieder klar zu machen
Nils:[51:40] Da gab es doch, wer war es? Joachim Gauck mit seinem Buch Freiheit in Bezogenheit. Ich habe es nicht selber gelesen, aber der Titel klingt sehr genau nach dem, was gemeint ist. Dass Freiheit eben ein gesellschaftlicher Zustand ist und nicht ein individueller Besitzstand. Und dass es eben auch dazu gehört, um die gesellschaftliche Freiheit zu sichern, die individuelle Freiheit einzuschränken. An gewissen Stellen. Und das ist eben genau das, wo dieser libertäre Autoritarismus eben sagt, nein, die Gesellschaft hat kein Recht, die individuelle Freiheit einzuschränken. So, und wenn wir das dann wieder ernst nehmen, dann kommen wir genau an den Punkt, weil da sind wir ja jetzt auch in vielen Bereichen schon, wo genau diejenigen, die halt eine gewisse Machtposition haben, über Machtmittel verfügen, die können sich genau diese Art von Freiheit leisten und kaufen und sichern. Die, die nicht haben, können das eben nicht. Und da kommt jetzt der nächste Punkt, die sind das aber nicht individuell schuld, dass sie das nicht können, das ist ein gesellschaftliches Problem, dass sie das nicht können. So, und dann schließt sich im Grunde der Kreis zu dem Argument, was wir vorhin hatten. Sie haben da noch, weil wir gerade über den historischen Bogen gesprochen haben, einen ganz schönen Dreiklang, den sie so ein bisschen historisch über das 20., bis ins 21. Jahrhundert ziehen. Ja, schon eher vom 19., 18. Jahrhundert Anfang dann darüber.
Nils:[53:01] Freiheit hieß es erstmal Bürger zu sein. Oder erst wollte das Individuum Bürger sein, dann wollte das Individuum Angestellter sein und jetzt will es kreativer, selbstverwirklicher sein. Das fand ich einen schönen Sprünger sozusagen, nur als Motiv. Genau, das war der theoretische Rahmen. So, und jetzt kommen wir noch zu diesen drei kurzen Gruppen. Das halte ich jetzt aber mal bewusst ein bisschen kurz, weil wir sind schon fast an der Stunde dran. Also sie beschreiben dann noch drei Gruppen von libertär-autoritären sozusagen. Sagen, das sind einmal die gefallenen Intellektuellen, das sind die Querdenker, ich weiß nicht, ob sie sie Rassisten nennen, aber im Endeffekt ist es genau das. So, und die klassischen Intellektuellen, oder die gefallenen Intellektuellen, das sind klassische Intellektuelle, die keinen Platz mehr in der Gesellschaft haben, weil ihnen eben all ihre Funktionen, all ihre Rollen weggenommen worden sind. Es sind nicht mehr die progressiven Aufklärer an den Universitäten, weil das ist mittlerweile so differenziert, diffundiert, das machen so viele Leute an so vielen Stellen, das ist so Mainstream geworden, damit kann man irgendwie keine Position mehr beziehen. Eine andere Position ist die revolutionären Aufwiegler.
Nils:[54:24] Ja, so diese progressive Revolution, die haben wir gerade nicht, die ist gerade nicht, die hat gewonnen im Grunde, erst mal, auf einer gewissen Ebene würde ich das schon so sagen, und ist der Anwalt für Schwache. Dafür braucht es die auch nicht mehr, weil die Schwachen können das mittlerweile auch selber.
Nils:[54:44] Und sie sind halt auch eher Generalisten und die Generalisten schaffen es nicht mehr, das ganze Spezialwissen tatsächlich angemessen zu generalisieren das heißt, sie haben im Grunde all ihre Rollen verloren und brauchen jetzt irgendwie so ein bisschen eine neue Rolle, sag ich jetzt mal
Nils:[55:09] Sie werden dann auch noch ständig durch die Wissenschaft widerlegt, weil das, was sie vor 30 Jahren mal irgendwann in ihrem Studium gelernt haben oder sich auch mühsam selbst erarbeitet haben, will ich ja gar nicht in Abrede stellen. Das gilt halt in der Form nicht mehr. Und auf einmal fehlt irgendwie so ein bisschen das, ja, was mache ich hier eigentlich noch? Und dann kommen wir genau wieder zu diesen Gruppen mit dem Spezialwissen. Das sind halt genau so Gruppen, die noch einen revolutionären Aufwiegler brauchen, die sich als Schwache fühlen und Anwalt wollen und wo es auch wieder Aufklärung braucht, nämlich von diesem Spezialwissen, was eben nicht irgendwie im Mainstreaming-System etabliert ist. Ja, das ist so ein bisschen deren Charakterisierung ein bisschen zugespitzt. Ich sehe dich lachen, ich höre dich lachen. Du scheinst das nachvollziehen zu können.
Amanda:[56:02] Ja, klar.
Nils:[56:06] Und in dem Kapitel, das hat aber eigentlich jetzt gar nicht mit dem Thema so viel zu tun, kommt noch ein schöner Gegensatz. Der progressive Blick will einen geregelten Markt und eine freie Gesellschaft. Der konservative Blick will einen freien Markt und eine geregelte Gesellschaft. Fand ich einen schönen, fand ich auch ein schönes Schlaglicht sozusagen aus dem Buch. So, das waren die gefallenen Intellektuellen. Dann kommen wir zu den Querdenkern. Ich weiß nicht, gibt es diese Diskussion unter dem Namen, gab es die in der Schweiz auch in der Form oder
Amanda:[56:36] Ähm, ja, ich frage mich gerade, sag mal, mach mal das Argument und dann weiß ich vielleicht den Begriff.
Nils:[56:46] Also Querdenker sind an der Stelle, das war halt primär in der Corona-Zeit eben die, die sich so dem Corona-politischen Mainstream entgegengestellt haben aus der Perspektive, das ist Freiheitseinschränken, Corona gibt es doch nicht und das ist alles eine Verschwörung und die Pharmaindustrie und so weiter und so fort. Also diese Kritiklinie im Grunde an der Corona-Politik nicht die Kritiklinie, es macht zu wenig, das ist nicht und so weiter und so fort, sondern eher so dieses, was jetzt in Deutschland sich in echten Rechtspopulismus im Grunde bewegt hat. Genau da sehen die, wolltest du was sagen?
Amanda:[57:19] Ja, also die gab es natürlich bei uns auch, ja. leider dann oft so ein bisschen als Schwurbler bezeichnet, wenn dann halt wieder so Elemente von Verschwörungsideologien reinkommen. Ich bin da nicht so Fan von solchen Charakterisierungen, weil das, ja, ich finde das, man muss das definieren, was man damit meint.
Nils:[57:39] Ja, ja, genau. Also Sie haben halt, in Deutschland gab es halt diese politische Bewegung, wo man eben geguckt hat, die war inhaltlich auch sehr diffus, die ließ sich schwer und Sie versuchen jetzt halt so ein bisschen das zusammenzubringen. Warum treffen sich genau diese Gruppen? Und das hast du gerade schon den Schwurbler-Aspekt sozusagen angesprochen. Das kommt dann tatsächlich, das taucht auch auf. Also bei denen, sie argumentieren einmal diesen Aspekt, auf einmal greift der Staat auch in das Leben der Mittel- und Oberklasse ein. Auf einmal merken die auch mal staatliche Regressionen, staatliche Regulierung, wie sie bei den Armen, bei den Benachteiligten schon immer war. So, das ist natürlich erstmal eine Kränkung. dann haben wir eben tatsächlich auch diese enge Verzahnung von Wissenschaft und Politik. Wir haben eine politische Wissenschaft und eine wissenschaftliche Politik. Es klingelt kurz an meiner Tür. Ich bin in einer Minute wieder da. Dass wir da dann genau diesen Aspekt auch haben, ich muss kompliziert, es ist sehr komplex, ich muss sehr schnell handeln, also komme ich genau in diese Alternativlosigkeit rein sozusagen, von der wir gerade auch schon gesprochen haben, wo das im Grunde so Entscheidungen einfach entpolitisiert werden.
Nils:[59:04] Und das berechtigterweise, haben wir ja gerade auch schon angesprochen, führt natürlich auch zu einer gewissen Reaktion und zu einer gewissen Reaktanz vor allen Dingen auch. So will ich das nicht und dann stelle ich mich dem entgegen. Dann ist das tatsächlich auch so dass diese Gruppe und jetzt kommen wir in dieses Identitätsthema rein sich auch einfach als eine nicht respektierte Minderheit verstehen und sehen wobei dieses nicht respektiert da kann man jetzt sehr viel drüber diskutieren weil wenn es um Talkshowpositionen und ähnliches geht kann man nicht behaupten, dass das nicht Thema gewesen wäre und nicht irgendwie angesprochen worden wäre es hat sich halt nachher im demokratischen Prozess nicht politisch durchgesetzt oder ich würde auch nicht sagen, dass es sich nicht durchgesetzt hat es hat halt einfach Einfluss genommen vielleicht in dem Auge nicht weit genug politisch durchgesetzt. Aber dann sind wir wieder im demokratischen Prozess und da haben sie dann auch noch mal so ein schönes, nee, dann ziehen sie noch den Bogen zu dem, die Verbindung eben zum linksökologischen Milieu, also zu dem, was man so Richtung Esoterik oder das, was du jetzt gerade als Schwurbler, also in Deutschland war das weniger die Verschwörungstheorie als eher so dieses esoterische, es gibt ja keine Viren, weil ich habe sie noch nie gesehen, was du gerade auch angesprochen hast, wo sich dann auch Esoterik und Verschwörungstheorie so ein bisschen vermischen, die ja schon immer so ein bisschen den Aspekt des exklusiven Wissens und
Nils:[1:00:27] Der Gegenposition gegen das Mainstream und auch gerade gegen eine Naturwissenschaft sozusagen hatten, ist das natürlich für die dann massiv anschlussfähig. Weswegen dann auch eben genau Menschen, die sich immer eher als links gesehen haben, auf einmal auch in diese Gruppe, in diese Bewegungen fallen oder sich da zuordnen und dann auch verständlicherweise ein Problem damit haben, wenn sie auf einmal rechtspopulistisch genannt werden, weil sie sich ja selber immer irgendwie als links gesehen haben. Aber sich da eben genau, weil dieses Gegenwissen Motiv so ein bisschen die politische Seite gewechselt hat,
Nils:[1:01:01] Sich jetzt auf einmal mit ungewohnten Verbündeten sozusagen konfrontiert sehen. Fand ich ein spannender Punkt. Und diese Gruppe zieht dann eben ihre Legitimation so ein bisschen aus dem Widerstand zur Mainstream. Das ist so ein bisschen dieses, wir stellen uns dagegen, weil die respektieren uns nicht. Das ist eine kalte Gesellschaft und nicht eine warme Gemeinschaft. Das ist auch noch so eine Rhetorik, die sie aufgreifen, wo sich dann eben genau so eine Blase sozusagen bildet.
Amanda:[1:01:32] Okay, aber dann wieder Mainstream aus deren Sicht.
Nils:[1:01:35] Ja, genau, klar. Ja gut, ich meine, das ist glaube ich genau dieser Punkt, wo Nachtwey und Amlinger auch sagen, also ich glaube, sie würden sagen, der progressive Blick hat auf vielen Ebenen gesellschaftlich tatsächlich, gewonnen ist übertrieben, aber es ist der Mainstream geworden an vielen Punkten. Da ist ja auch eine Menge dran. Weil man sieht jetzt gerade in den USA mit der Regierung Trump 2, sieht man mal, was es eigentlich alles an Errungenschaften gab, die gerade wieder abgesägt werden. Also aus so einer Perspektive denken sie, glaube ich, daran. Das ist ja auch dieses Motiv, der Fortschritt ist da, aber er bringt sozusagen seinen eigenen Downfall gleich mit sich. Das ist ja auch was, was dem Marxismus als Motiv, als Argument jetzt nicht fremd ist. Und ich glaube, das würden sie schon sagen, Dass wir sehr, sehr weit gekommen sind in vielen Dingen und das, was früher eben nicht der Mainstream war, das ist jetzt immer mehr Mainstream geworden, aber weil es dann halt doch nicht um das Inhaltliche ging, sondern eher um die Gemeinschaft des gegen den Mainstream-Seins, hat man jetzt auf einmal aus einer politischen Perspektive von oben gewisserweise die Seite gewechselt. Das ist, glaube ich, ein bisschen das Argumentationsmotiv, was da drin steckt.
Amanda:[1:02:55] Ja, ist ja auch so ein bisschen das Selbstverständnis. Wir sind weder links noch rechts. Genau.
Nils:[1:03:00] Wir sind dagegen.
Amanda:[1:03:01] Genau.
Nils:[1:03:03] Da ist tatsächlich nach dem Argumentationsmotiv ist da auch was dran. Das wird halt nur gerade in erster Linie von der politischen Rechten mobilisiert. So. Und warum? Das ist jetzt der dritte Punkt. Das schließt jetzt gut an. Das ist nämlich genau die dritte Gruppe, die die Amlinger und Nachtweide aufmachen. Das sind nämlich die Gruppe, die, ich weiß nicht, wie sie sie nennen, ich habe sie jetzt in meinen Notizen Rassisten genannt. Also aber jetzt eher als ein politischer Offengelebter, weniger als der Internalisierte, den wir dann doch zum Großteil mit uns rumtragen.
Nils:[1:03:33] Die haben ganz oft in ihrem Leben irgendwelche Arten von Brüchen erlebt. Also ich muss vielleicht nur dazu sagen, diese drei Gruppen, die wir da haben, sie haben qualitative Interviews geführt. Das habe ich jetzt gar nicht erwähnt. Das ist nicht nur eine theoretische Herleitung. Das sind nicht unendlich viele. Sie haben, ich glaube, 20 qualitative Interviews eben geführt mit AktivistInnen aus den verschiedenen Bewegungen und haben daraus dann im Grunde diese Klassifikation gebaut und auch diese Analyse hergezogen. Das hätte ich vielleicht noch im Vorhinein schon sagen sollen. Also was sie bei denen, die sie Rassisten nennen, erlebt haben, die ja meistens irgendwelche Brüche erlebt und machen dafür jetzt erstmal ganz diffus das System verantwortlich. So, weil irgendwer das System heißt jetzt nicht die Politik oder irgendeine verschwörerische Gruppe sondern das kann auch der Chef sein oder das kann irgendwie der Bürgermeister wäre jetzt wieder Politik aber das kann irgendwie alles mögliche sein was ihnen irgendwie von außen aufgedrängt wird, was sie nicht selber irgendwie in der Kontrolle und im Blick haben und dieses diese Brüche und dieser Gräuel gegen das System führt dann zum destruktiven Misstrauen und nicht einer konstruktiven Kritik. So, das ist so ein bisschen so die Gabel, habe ich so das Gefühl, wo die sagen, man kann halt entweder in Richtung konstruktive Kritik und aktives Gestalten erstmal abbiegen oder in Richtung destruktives Misstrauen und dann auch einfach ein Gefühl der Ohnmacht. Weil eben die Selbstwirksamkeit nicht ins Spiel kommt. Das System verspricht uns, wir werden alle gehört, wir dürfen uns alle beteiligen, aber was passiert denn faktisch? Da ist auch wieder genau dieses Motiv.
Amanda:[1:05:03] Ja, wobei ich dann finde, ich verstehe dann die politischen Auswirkungen, sagen wir mal, in einem Zweiparteien-System, wo das hingeht, aber schauen wir auf Deutschland. Das wurde ja dann demokratisch kanalisiert, Wobei damit, also wir haben jetzt da ein Problem konkret mit der AfD, wo man sich dann fragt, ja lassen wir das dann doch zu oder nicht.
Nils:[1:05:27] Ja genau, nur weil es eine Partei in einem demokratischen System ist, so muss ich es formulieren, ist es halt noch nicht unbedingt eine demokratische Partei. Und das ist ja genau das, was wir jetzt auch, wenn ihr das hier hört, vor ein paar Wochen oder noch früher, also wir reden jetzt gerade im Mai 2025. Was wir ja genau gerade hatten durch eben diese Erklärung, diese Einstufung als gesichert rechtsextrem. Das ist genau der Punkt, wo das hinkommt. Und diese politischen Konsequenzen finde ich ganz spannend, dass du das jetzt ansprichst, weil das ist genau der Punkt, den ich als nächstes stehen habe. Warum sich das so wendet, wie es sich gewendet hat. Da ist also dieses Gefühl der Ohnmacht, dieses Misstrauen, dieses Skepsis, dieses Brodelnde auch schon da. Und dann kommt 2015 die große die große Flüchtlingsbewegung. Auch gerade nach Deutschland, dann kommt der markante Satz, wir schaffen das.
Nils:[1:06:25] Und mein Eindruck ist, wir haben das auch geschafft, wenn man mal auf die Fakten guckt. So, das ist ein anderes Thema. Aber das bietet auf einmal einen Kristallisationspunkt für diese diffusen Gefühle. Auf einmal gibt es für zentrale Akteure wieder, oder nicht für zentrale, oder für einzelne Akteure wieder die Möglichkeit, das auf die Ausländer zu schieben. Weil es ist politisch auf einmal groß, es wird drüber geredet und wir hatten das tatsächlich in Deutschland eine ganze Zeit ganz gut gefühlt im Griff, dieses Thema, aber dann 2015 wendet sich das eben mit der AfD steht auch eben eine politische Partei bereit, die das irgendwie aufgreifen kann und dann bietet sich das so ein bisschen als Kristallisationspunkt an, weil es auf einmal etwas gibt, worauf ich diese Gefühle projiziere und wo ich sie andocken kann. Auf einmal bin ich wieder, habe ich wieder handlungsmächtig, weil ich habe jetzt sowas, was ich zu verstehen glaube, wo ich was tun kann, ich kann dagegen demonstrieren und dann wird sich das schon so, dann machen die das schon so. Ich habe auf einmal dieses Thema. Das merkt man auch daran, das geben die jetzt aus ihren Interviews so wieder, da würden mich größere Umfragen tatsächlich interessieren,
Nils:[1:07:36] Dass diesen Rassismus oder diese Forderung nach einer ausgrenzenden Politik, dass die weniger stark, also nicht gar nicht, aber weniger stark kulturalistisch geprägt ist. Klar, das wird immer mal wieder, das ist ein Motiv, aber dann eher aus den schon immer eher rechtsextremistischen Kreisen, sondern ganz stark eher so eine soziopolitische Kritik ist. So, die bekommen das Geld, die nehmen uns irgendwie die Jobs weg, die nehmen uns irgendwie die Wohnungen weg.
Nils:[1:08:07] So, und eben nicht eine kulturalistisch explizite Ablehnung von dem Fremden oder den Ausländern. Weil sonst hätte man ja auch nicht diese Unterscheidung, die man ja auch immer wieder hat von den guten und den bösen Ausländern. Das ist ja auch so ein Motiv. Die, die uns was bringen dürfen, bleiben und die, die uns nichts bringen dürfen, gehen. Das ist eigentlich kein kulturalistisches Argument, weil man zumindest schon mal zugesteht, es liegt nicht daran, dass die Ausländer sind. Sondern es liegt nur daran, dass die Ausländer sind und uns nichts bringen. Ich hoffe, du verstehst die Anführungszeichen und das, was ich gerade da zitiere, auch als solches. Und da ist auch, glaube ich, was dran, so mein Eindruck. Weil mein Eindruck war irgendwie, wenn man in die 90er zurückdenkt in Deutschland mit Solingen und den Brandanschlägen, die es da gab und ähnliches, Da war das, oder Roland Kochs Kinder statt Inder, das war noch ein etwas anderes Argument. So, ich bin froh, dass, man sieht es in der AfD jetzt aber wieder hochkommen. Das ist, glaube ich, auch genau so ein bisschen der Punkt, dass es jetzt über diesen soziopolitischen Weg irgendwie wieder anschlussfähiger wird und auf einmal man dem dann auch zustimmt.
Nils:[1:09:21] Genau, so, und dann kommen wir noch zu zwei Gruppen, die sie unter diesen ich weiß jetzt nicht, ob es nur bei den Rassisten ist oder bei, ich glaube, es geht über alle Gruppen hinweg, unterscheiden sie noch zwei Gruppen, nämlich die autoritären Innovatoren und die regressiven Rebellen. Das finde ich auch noch zwei sehr schöne Wörter. Also die autoritären Innovatoren, das sind die, die sagen, das bestehende System ist nicht in der Lage, das Problem, was auch immer jetzt genau das Problem ist, zu lösen. Das sind oft die Menschen, die so eine diffuse Angst haben, obwohl sie eigentlich persönlich es ihnen ganz gut geht. Die haben nur so eine diffuse Angst, dass das vielleicht nicht so bleibt. Wo dann auch vielleicht so ein bisschen eine Reaktanz darauf herkommt, warum die so empfindlich reagieren, wenn man sich auf die Klimakatastrophe anspricht. Das macht es nicht unbedingt einfacher zu glauben, dass es einem in Zukunft noch immer so gut gehen wird.
Nils:[1:10:20] Und dann haben wir auch, da sieht man eben genau, nee stopp, wo bin ich jetzt gerade in meinen Notizen, genau, was bei denen aber der große Vorteil sozusagen noch ist, die stehen zumindest noch auf dem Boden der geteilten Realität. So, die sind irgendwie argumentativ auf eine gewisse Weise noch zugänglich, irgendwie Sachargumenten in der Realität, aber sind halt sehr, sehr frustriert, weil sie große Erwartungen ans demokratische System hatten, die aber nicht erfüllt worden sind, ans demokratisch-kapitalistische System. Und da wir den Kapitalismus komplett internalisiert haben und die Demokratie auch irgendwie eigentlich noch in Ordnung finden, richten sie sich halt auf die Fremden.
Nils:[1:11:01] So, also das ist so ein bisschen das Motiv an der Stelle. Und dann haben wir noch die regastriven Rebellen. Das sind, sagen sie hier, oft kleine Selbstständige oder Dienstleister, das sind die, die die Macht des Kapitalismus im eigenen Leib erfahren, die Macht des Marktes und den Kunden so unmittelbar unterworfen sind und die sich so gegen die Sozialordnung als Ganzes irgendwie wenden. Die sich irgendwie auch nicht mehr komisch fühlen in der Gesellschaft, nicht mehr wertgeschätzt fühlen in der Gesellschaft und dafür andere verantwortlich machen. Und da bieten sich halt einfach die Fremden als das Ziel genau dieser Affekte einfach an, ohne dass sie jetzt sachlich oder inhaltlich irgendwas damit zu tun haben müssten. Und da gibt es noch ein schöner, ich glaube es ist ein Zitat, der Selbsthass ist trotz Anstrengung nicht geschafft zu haben, verwandelt sich in Hass auf Fremde. Und dieser internalisierte Selbsthass, da kommen wir dann aus der Internalisierung des Scheiterns und der Individualisierung des Scheiterns raus, genau zu diesem Prozess hin, dass sich der dann externalisiert. Und die nehmen sich halt die Macht, die sie sich nehmen wollen. Das ist dann so eine gewisse Selbstermächtigung. Ich lasse mir das jetzt nicht länger von irgendwem sagen, ich nehme das jetzt selber in die Hand.
Amanda:[1:12:17] Ist auch so eine gewisse eine beicht abstinenz also wir sehen die schuld nicht mehr bei uns.
Nils:[1:12:24] Ja sondern
Amanda:[1:12:25] Nur noch bei den anderen.
Nils:[1:12:26] Genau und eben nicht beim system was auch immer jetzt genau darunter versteht beim kapitalismus bei konkreten politikern bei konkreten entscheidungen sondern bei den fremden ja Also auf die wird es ja auch gerade kommunikativ immer mal wieder gerichtet.
Nils:[1:12:43] Genau, das war im Grunde der ganz große Bogen. Nochmal kurz zusammengefasst, was diagnostizieren die beiden? Also diese Verabsolutierung individueller Freiheit. Meine eigene Freiheit steht über allem. Aber gleichzeitig eben von dem Gefühl, dass diese Freiheit in einem ganz engen Korsett von Zwängen steckt. Und das gibt natürlich irgendwie eine Spannung, Frustrationstoleranz. Sie haben auch das schöne Zitat, es sind Machtfragen, die im Register der Moral ausgetragen werden.
Nils:[1:13:12] Das fand ich sehr, sehr schön, weil wer hat eigentlich noch Einfluss in dieser Gesellschaft? Es sind halt nicht mehr die alten Eliten, also nicht mehr die alten Intellektuellen, jetzt bei den gefallenen Intellektuellen, oder die mittelständischen Eigenheimbesitzer aus den baden-württembergischen Kleinstädten. Zumindest sind sie nicht mehr alleine. So. Und was sie dem Linksliberalismus vorwerfen, sagen es ist in gewisser Weise ein progressiver Neoliberalismus, da ist ja auch was dran, green growth und sowas, das sind ja genau diese Motive, der unterschätzt die materiellen Fragen. Und Schatz schafft damit so ein bisschen Raum für das Libertärautoritäre, also genau die gesellschaftlichen Verteidigungsfragen, die Frage nach der gefühlten Sicherheit und so weiter, das fand ich auch ein ganz schönes Argument, das ist ja auch so ein bisschen das Kernargument bei Bell Hooks, ich weiß nicht mehr, wie das Buch hieß, das wir ja auch im Podcast vorgestellt haben, gewesen, warum Klasse noch zählt oder sowas.
Nils:[1:14:14] Was schlagen Sie vor, und das sind natürlich super abstrakte Vorschläge. Das eine ist Freiheit anzufangen, immer etwas Soziales zu begreifen. Nicht als etwas Individuelles. Wenn wir das hätten, wären wir schon weit. Und dann kommt auch wieder der Vorschlag, den ich aus ihrer Analyse raus teile, der aber auch an vielen Stellen wieder schwierig ist, wo man unglaublich aufpassen muss. Das ist Alternativen offenlegen und transparent kommunizieren und diskutieren. Das ist im Grunde genau das, was du auch gerade sagtest, dieses Expertise offenlegen, demokratisch offen diskutieren, das ist aber natürlich auch sehr, sehr voraussetzungsvoll, dass das funktioniert.
Nils:[1:14:54] Was man noch so ein bisschen ausgelesen hat, das war so meine Schlussfolgerung raus, was vielleicht reichen würde, wäre zumindest mal anzufangen, den aktuellen Stand nicht so als bestmöglichen zu kommunizieren. Man merkt es ja jetzt wieder mit der Regierungsbildung in Deutschland, ich weiß nicht wie du das mitkriegst so ja und wir werden das lösen und wir werden das verbessern und wir werden das verändern und es glaubt im Grunde schon niemand mehr dass die wirklich Dinge lösen, verbessern oder verändern das war ja auch so ein Politikstil, den man jetzt im Wahlkampf zumindest bei den Grünen sehr gesehen und der auch sehr gelobt wurde von vielen dieses offene und wir müssen da gucken und wir müssen da abwägen und wir sind uns da nicht sicher demokratisch belohnt worden ist es nicht auch wenn ich persönlich es für das Richtige halte man muss konstatieren, dass es demokratisch nicht belohnt worden ist deswegen bin ich mir da auch nicht so sicher, wie weit das eine Lösung ist auch wenn das ist im Grunde erstmal das Zielbild wenn wir da sind, dass wir das können, dann haben wir eine Menge gewonnen, aber wie kommen wir da hin, dass wir das können und da sagen sie leider nichts zu aber das war jetzt auch der Ritt durch dieses Buch durch diese 400 Seiten und hast du noch Fragen?
Amanda:[1:16:05] Nein, vielen Dank Nils für die Vorstellung.
Amanda:[1:16:12] Sollte ich gleich mal überleiten, was mir an Literatur eingefallen ist? Ja, gerne. Okay. Ich mache es kurz mit den Episoden. Ich glaube, ganz viele Episoden würden zum Thema passen, die wir aufgenommen haben. Du hast die Unterwerfung von Philipp Blum erwähnt. Das ist Folge 81. Mir ist noch der Allesfresser von Nancy Fraser in den Sinn gekommen, wo es auch so um Kapitalismus geht und wie der halt seine eigenen Grundlagen eigentlich auffrisst und zerstört. Kann man so ein bisschen auch übertragen auf diese Regression, die sie konstatieren, also Fortschritt und Regression. An Büchern hätte ich drei Empfehlungen. Und zwar einerseits ist das ein kleines Büchlein herausgegeben von Steffen Mau und Nadine Schöneck, Ungerechte Ungleichheiten. Wobei das UN immer in, wie sagt man? Klammern. Klammern steht, genau. Da sind verschiedene kleine Essays zum Thema. Ein anderes Buch, das ist von Christoph Möllers und heißt Freiheitsgrade. Das passt auch sehr gut zum Thema. Auch da wird diskutiert, natürlich aus verschiedenen Sichtweisen, wie kann Freiheit verstanden werden? Auch eben, wie kann individuelle Freiheit die gesellschaftliche Freiheit einschränken? Und auch umgekehrt.
Amanda:[1:17:33] Ich tue mich ein bisschen schwer als Laie, wie man dann liberal, libertär und so genau voneinander abgrenzen kann. Aber ja, das kann man sehr gut lesen. Es ist sehr gut oder sehr klar strukturiert, das Buch. Ich kann man sich mal anschauen. Und die letzte Empfehlung … Es springt da ein bisschen ab. Hier liegt Bitterkeit begraben über Ressentiment und ihre Heilung von Fleury. Ich weiß nicht mehr, ich habe den Vornamen vergessen. Das ist ein Buch, das wurde sehr gefeiert und unternimmt den Versuch, dieses Gefühl des Ressentiments, das du auch genannt hast, auch psychoanalytisch und gesellschaftlich zu verknüpfen. Also was ist das Verhältnis davon, wie kann man das aufgreifen und ich finde das, also es ist wirklich ein sehr gutes Buch und kann ich sehr empfehlen.
Nils:[1:18:37] Ja, danke dir. Ja, ich habe glaube ich tatsächlich so die meisten Züge, die ich gezogen habe, im Text schon gemacht. Ich habe das nochmal kurz angesprochen, die Vereindeutung der Welt, weiß ich gerade nicht mehr, wie der Autor heißt, haben wir in Episode 20 vorgestellt. Bietet sich da auch noch eben an Hartmut Rosas Resonanz, zumindest der erste Teil, der so ein bisschen seine Gesellschaftsdiagnose ist. Da kann man sicherlich aber auch seine Beschleunigung für lesen. Und dann eben das Buch von Bell Hooks, das wir hier im Podcast vorgestellt haben, das ist mir auch noch eingefallen. Das lässt sich da sicherlich auch noch mal ganz gut anschließen, eben genau für diesen Aspekt des Materiellen. Und dann tatsächlich das Buch, was ich euch ganz am Anfang des Podcasts schon angesprochen habe von Mark Fischer, Capitalist Realism. Das sind tatsächlich nur 100 Seiten, aber das fasst das einmal sehr schön zusammen, wie wir irgendwie in diese Situation gekommen sind, dass wir diesen komischen Kapitalismus so absolut setzen und eigentlich als eine Gegebenheit unserer Welt sehen, fast schon naturgesetzlich und nicht als ein gesellschaftlich gestaltetes Ding, mit dem man irgendwie auch anders umgehen könnte, wenn man das wollen würde. So, genau, das wären jetzt meine Vorschläge auch schon gewesen. Es gibt da draußen noch unglaublich viel andere Literatur. Wer mir auf Mastodon folgt oder meinen Blog liest oder abonniert oder so, der kriegt da auch regelmäßig Texte und Argumente, die genau in diese Richtung gehen, noch weiter frei Haus geliefert.
Amanda:[1:20:02] Sehr schön. Vielen Dank, Nils. Es bleibt mir zu sagen, ihr könnt uns hören auf Zwischenzweidecken.de. Das ist unsere Webseite. Dort findet ihr auch alle Infos zu den Folgen, zu unserem Podcast. Natürlich könnt ihr euch die Folgen runterladen, von welchem Podcatcher auch immer ihr nutzt. Wir freuen uns immer auf Rezensionen, auf Sternchen, was auch immer, ihr uns da verteilen mögt. Zu finden auf Social Media sind wir auf Blue Sky unter dem Handy Deckeln und auf Mastodon unter zcd-podcast.social. Ich bedanke mich nochmals Nils für die Vorstellung und ich freue mich auf das nächste Mal.
Nils:[1:20:45] Tschüss zusammen. Sehr gerne, bis dann.
Music:[1:20:47] Music
Quellen und so
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Der Beitrag 092 – „Gekränkte Freiheit“ von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.

May 1, 2025 • 1h 25min
091 – „Leben und Sterben“ von Alena Buyx
Alena Buyx stellt in „Leben und Sterben“ die großen Fragen. Wann und wie darf die moderne Medizin vor, während und direkt nach der Lebensentstehung eingreifen? Wann ist sie vielleicht sogar moralisch dazu aufgefordert? Was bedeutet modernes Sterben? Wie kann es besser gelingen – und welche Vorsorgemaßnahmen sollten wir alle dafür treffen? Buyx stellt auch dar, wie ein gelingendes Ärzt*in-Patient*innen-Verhältnis unter aktuellen Bedingungen von Zeitknappheit möglicherweise besser gelingen kann. Zuletzt widmet sich sie dem Einsatz moderne KI und Algorithmen in der Medizin.
Shownotes
ganz viele Rasierhobel in einer Übersicht (mr-razor.com)
Film: „Konklave“ (deutsche Wikipedia)
Buch: „Leben und Sterben“ von Alena Buyx (Verlagswebseite)
Advance Care Planning (deutsche Wikipedia)
zum Themenkomplex Sterbehilfe (Stiftung Warentest)
Pressemitteilung vom Bundesverfassungsgericht: „Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig“ (Webseite des BVerfG)
Verweise
Podcast: Freakonomics, Episode 40: The Suicide Paradox
Buch: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ von Bronnie Ware (Verlagswebseite)
Film: „Gattaca“ (deutsche Wikipedia)
Buch: „Der Tod meiner Mutter“ von Georg Diez (Verlagswebseite)
Buch: „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“ von Norbert Elias (Verlagswebseite)
Buch: „Die Pest“ von Albert Camus (Verlagswebseite)
ZZD011: „Religion für Atheisten“ von Alain de Botton
ZZD086: „Regeln“ von Lorraine Daston
ZZD015: „Roboterethik“ von Janina Loh
Transkript
Music:[0:00] Music
Holger:[0:16] Herzlich willkommen zu unserer 91. Folge von Zwischen zwei Deckeln. Heute stellt Christoph uns ein Buch vor und ich bin Holger, um das ein bisschen zu moderieren.
Christoph:[0:30] Hallo zusammen.
Holger:[0:33] Genau. Wie geht’s dir?
Christoph:[0:36] Mir geht es gut soweit. Ich habe 2018 auf einem Flohmarkt in Südfrankreich mir einen Rasierhobel von Gillette gekauft. Und ich wusste, der ist alt. Und ich habe irgendwann schon mal recherchiert und nicht rausgefunden, wie alt und welches Modell genau. Ich habe bei Gillette sehr viele unterschiedliche Rasierhobel hergestellt. Und es gibt erschreckenderweise eine große Online-Community, die sich damit beschäftigt. Und ich habe mich nochmal in die Recherche diesbezüglich gestürzt und habe es jetzt rausgefunden. Und genau, weiß jetzt, welches Modell ich habe. Es ist ein bisschen jünger, als ich dachte. Kommt aus den frühen 50ern, aber trotzdem habe ich mich jetzt sehr darüber gefreut, dass ich mich mit einem bald 70 Jahre alten Rasierhobel rasiere, nach allem, was ich weiß. Das fand ich irgendwie witzig darüber. Genau, das war so ein kleines Rabbit Hole die letzten Tage. Genau, so geht es mir gut und mit solchen Dingen beschäftige ich mich manchmal in meiner Freizeit. Wie ist die Lage bei dir?
Holger:[1:40] Ich bin jetzt gerade verwirrt, ein Rasierhobel ist das das, wo man sich mit eincremt?
Christoph:[1:47] Nee, das ist der Rasierpinsel. Der Rasierhobel ist der Vorläufer des modernen Systemrasierers mit Dreifachklingen und so. Aber in so einen Rasierhobel setzt du einfach eine Rasierklinge ein. Die sind genormt und haben auf jeder Seite eine Klinge. Viele kennen das noch von ihrem Großvater zum Beispiel. Ich werde euch was verlinken in den Shownotes.
Holger:[2:15] Das ist ja spannend. Man lernt doch immer wieder was Neues.
Holger:[2:21] Das stimmt. Ja, was beschäftigt mich? Also ich muss sagen, ich bin also nur zur Referenz. Wir nehmen hier jetzt.
Holger:[2:31] Ende April 2025 auf, falls jemand das später mal hört. Und wir sind also so noch nicht mal eine woche nachdem der papst franziskus gestorben ist und das beschäftigt mich so ein bisschen auch einfach daraus was das so bedeutet an interner politik der kirche aber auch wie man da immer noch mal so ein bisschen merkt was für tradition und strukturen dahinter stecken und wie man kann jetzt da natürlich jede meinung zur katholischen küche haben die man haben möchte es ist aber auf jeden fall eine organisation die schon ziemlich lange bestand hat und irgendwie auch eine Kontinuität oder zumindest den Anschein einer Kontinuität, sehr gut vermittelt und auch immer wieder in ihren Prozessen, zeigt, dass sie so ein bisschen mit ihrer Tradition auch anders ist als so der Mainstream und das ist, ich bin mal gespannt ich finde das immer ganz spannend, wenn dann so die Konklave anfängt oder das Konklave, ich bin da selber nicht sicher, ich glaube das Konklave.
Christoph:[3:52] Ich glaube auch das Konklave,
Holger:[3:54] Ja Genau, also das ist bei mir so ein bisschen gerade im Kopf, also auch wenn ich mich damit gerade nicht super intensiv beschäftige, aber ich habe das in der Vergangenheit schon mal etwas intensiver getan und dann erkennt man natürlich immer wieder die Täter.
Christoph:[4:12] Hast du den Film Konklave geguckt, der letztes Jahr ins Kino kam?
Holger:[4:19] Nein, und ehrlich gesagt hatte ich den auch gar nicht so auf dem Schirm, bis er jetzt irgendwie erwähnt wurde, weil mal wieder ein Konklave ansteht. Also ich habe weder den Roman gelesen, noch den Film gesehen. Insofern ist vielleicht was, wo man mal gucken kann, ob der irgendwie irgendwo relativ einfach zur Verfügung steht. Das habe ich noch nicht gecheckt.
Christoph:[4:46] Ich habe ihn im Kino gesehen und fand ihn wirklich gut. Also er ist ja jetzt keine Reportage und auch keine Dokumentation, deswegen weiß ich nicht, wie akkurat er ist, aber macht auf jeden Fall Freude, den zu gucken und man hat schon das Gefühl, mal nah an so einem Prozess dabei zu sein und wenn das halbwegs solide recherchiert ist, nimmt man inhaltlich halt auch nochmal ein bisschen was mit. Also zumindest das Thema der verschiedenen Richtungen in der katholischen Kirche und wer wird da wie repräsentiert und welche Allianzen gibt es und genau, nimmt man jetzt den italienischen konservativen Hardliner oder probiert man sich irgendwie weiter zu öffnen, das wird da schon spannend abgebildet. Also ich fand den Film lohnenswert und gut und habe mich gut unterhalten gefühlt und passt dann jetzt natürlich auch.
Holger:[5:36] Ja, es ist natürlich so, dass offiziell man ja auch nicht wirklich viel aus dem Konklave wissen darf. Klar, ja. Ich habe aber zumindest in Bezug auf den Roman, hatte ein Journalist die Tage dann auch kommentiert, dass er mal mit einem Insider gesprochen hat, der meinte, das wäre nicht so schlecht. Also wäre jetzt keine so schlechte Abbildung von dem, was passiert, aber das offiziell darf da ja eigentlich nicht viel gesagt werden. Das ist ja auch Teil des Besonderen daran, dass es halt so einer der wenigen Räume ist, wo noch so etwas alte Regeln gelten sollen in der Praxis. Gibt es da Leute, die da irgendwas verkünden im Voraus. Also ich weiß noch, als Benedictic der 16. gewählt wurde, hat ein Bekannter von mir, zu der Zeit Theologiestudent gemeint, dass irgendwie in Bonn das Gerücht gab, dass die Glocken ein bisschen früher geläutet haben, als offiziell angekündigt wurde, dass der Papst gewählt wurde. Und ob da dann jemand in Bonner Münster da irgendeinen Draht hatte.
Holger:[6:52] Weiß man natürlich alles nicht. Das ist jetzt auch sowas, was natürlich niemand jetzt überprüfen kann im Nachhinein. Aber ich glaube, was auf jeden Fall ist, dass es da diese politischen Richtungen gibt und dass da durchaus auch Konflikte stattfinden. Ich glaube, dass wenn man halbwegs informiert ist, dann ist es eigentlich klar.
Christoph:[7:15] Ja, das auf jeden Fall, was wollte ich sagen? Ja, ach und solche Spekulationen machen ja auch, die bringen ja ein bisschen Freude ins Leben. Das ist ja irgendwie ganz interessant, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Holger:[7:26] Ja, da fällt mir ein, ich weiß nicht, ob man das noch online gut findet. Es gab, als Johannes Paul II. gestorben ist von der Daily Show, so eine lustige Nummer, wo dann damals Stephen Colbert, der jetzt ja auch recht erfolgreich mit seiner eigenen Show ist, irgendwie mit Jon Stewart so eine Nummer macht und dann so die verschiedenen Kandidaten vorstellt und am Ende meint, ach ja, ist eigentlich egal, das wird eh Ratzinger. Und damit auch recht hatte. Genau, ist ganz amüsant, ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.
Christoph:[7:58] Spannend, wobei ich die Tage habe ich gelesen, dass es wohl den Spruch eigentlich gibt, wer als Papst in das Konklave geht, geht als Kardinal wieder raus. Also, dass dieses große, jemand ist ein Favorit und der wird es auf jeden Fall historisch nicht so gut hingehauen hat. Aber ja, wir werden es sehen. Ich bin ganz gespannt. Ja, da kann natürlich auch jetzt viel konservativer Backlash passieren, der mich persönlich jetzt nicht so begeistern würde. Also es ist die Frage, gibt es vielleicht dann mal einen Papst aus konservativeren Weltregionen oder geht man wieder zurück nach Europa? Und also, ja, es ist auf jeden Fall ein spannendes Thema, das ja auch immer noch viele Menschen betrifft und ich meine, wir kennen das in Deutschland als mit vielen Austritten und so, aber das ist ja nicht repräsentativ für die ganze Welt.
Holger:[8:51] Ja, und es ist natürlich auch immer die Frage, dieses simple Muster, konservativ, progressiv, das ist ja vielleicht dann auch ein bisschen zu schlicht.
Christoph:[9:02] Ja.
Holger:[9:03] Es kann ja durchaus sein, dass man Kandidaten hat, aus aus einem Entwicklungsland wieder und der dann in einigen Themen, sich einordnet auf eine Art, die wir eher als progressiv bezeichnen würden, vielleicht bei sozialen Fragen, wirtschaftlichen Fragen, vielleicht auch Umweltschutzfragen und der dann in anderen Fragen, gerade wenn es um um, ich sage jetzt mal ganz breit, Geschlechter Verhältnisse geht, eher auf der sehr konservativen Seite ist. Also dieses, da hatte ich jetzt die Tage auch nochmal drüber nachgedacht, jetzt über dieses Thema hinaus, dass dieses einfache Einteilen in, ja es gibt immer zwei Seiten und es gibt progressiv, konservativ, das ist natürlich auch viel zu einfach. Also selbst bei mir selber, ich habe Themen, also insgesamt würde ich mich schon als ganz klar progressiv entscheiden, aber es gibt auch so ein, zwei Themen, wo ich merke, dass ich in meiner Meinung vielleicht auch eher etwas konservativ bin. Also und ich glaube, das ist ja bei den meisten Menschen so und dann muss man sich das im Einzelnen angucken, was dann passieren wird.
Christoph:[10:16] Ja, wir dürfen gespannt sein. Bei der nächsten Folge ist es vermutlich schon geklärt. Ja, vermutlich schon, könnte zumindest.
Holger:[10:25] Ja, hängt ein bisschen davon ab, wie lange sie brauchen mit der Wahl. Das gab es in der Geschichte, das war jetzt auch in einem Podcast, das ich gehört habe, die längste das längste konklave hat wohl ich glaube noch 1000 tage und wie sowas um den dreh also deutlich über zwei jahre gedauert wo.
Christoph:[10:49] Das ist also
Holger:[10:50] Deswegen gab es dann ja irgendwie auch die tradition dass die eingemauert werden um das ein bisschen zu verkürzen und den druck zu erhöhen weil es dann irgendwann auch unangenehm für die Kardinale geworden ist. Wobei sie jetzt ja irgendwie doch wieder etwas angenehmere Bedingungen haben. Aber wer weiß. Aber ich denke, wir richten uns dann mal auf, oder unsere Aufmerksamkeit mal auf das Buch, das du uns vorstellen möchtest. Und zwar ist das Leben und Sterben von Alena Büx. Also Alena Büchs ist Professionin für Medizinethik Sie ist Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der TU München Sie ist auch die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Und ich glaube, wer so ein bisschen Talkshows in der Corona-Zeit verfolgt hat Wird sie da vielleicht auch mal gesehen haben Also ich weiß, dass ich sie da irgendwie auf jeden Fall mehr als einmal gesehen habe, Also das Buch ist erschienen beim S. Fischer Verlag und zwar dieses Jahr, ist also ganz frisch.
Holger:[12:05] Und genau, ich freue mich auf die Vorstellung. Ich hatte das, bevor wir aufgenommen haben, schon gesagt, das hatte ich die Tage mal im Buchladen gesehen und überlegt, ob das was wäre, was man mal kaufen könnte. Insofern ist jetzt natürlich bei mir offene Türen eingerannt, dass ich das vorgestellt bekomme. Genau, ich bin also gespannt.
Christoph:[12:33] Sehr gut. Ja, ich kenne Alena Büx, ich kannte die nicht, weil ich extrem wenig Talkshows gucke. Von daher hat sie mir nichts gesagt. Aber ja, ich starte mal mit der Zusammenfassung. Alena Büx stellt in Leben und Sterben die großen Fragen. Wann und wie darf die moderne Medizin vor, während und direkt nach der Lebensentstehung eingreifen? Wann ist sie vielleicht sogar moralisch dazu aufgefordert? Was bedeutet modernes Sterben? Wie kann es besser gelingen und welche Vorsorgemaßnahmen sollten wir alle dafür treffen? Büx stellt auch klar, wie ein gelingendes Ärzt-Innen-Patient-Innen-Verhältnis unter aktuellen Bedingungen von Zeitknappheit möglicherweise besser gelingen kann. Zuletzt widmet sie sich dem Einsatz von moderner KI und Algorithmen in der Medizin.
Christoph:[13:23] Also du merkst, es sind wirklich die großen Fragen.
Christoph:[13:30] Dadurch, dass sie Professorin ist und aus der Medizin kommt, hat sie viele Fallbeispiele an der Hand und damit garniert sie das Buch. Das macht es, finde ich, einfach zu lesen, vielleicht einfach. Also falls ihr da draußen das euch selbst aneignen wollt, ich würde sagen, wenn ihr keine absoluten Berührungsängste von den Themen, also mit den Themen habt, dann kann man das auf jeden Fall gut machen. Und sie hat vier Kapitel, also das erste, da beschäftigt sie sich mit, das ist überschrieben mit Leben, dann das zweite ist Sterben und das dritte widmet sich dann eben, wie gesagt, dem ganzen Thema Arzt, Ärztin, Patient in Verhältnis und wie das aussehen kann vor moderner Realität im Medizinsystem, die wir alle kennen. Und dann am Ende geht es in meinen Augen um eben moderne Techniken, Algorithmen, KI. Das sind so die vier Sachen. Und sie startet in das Buch damit, dass sie erstmal sagt, woran sich Medizinethik heute eigentlich orientiert als Fach. Also oder was eine Rolle spielen soll in Behandlung von PatientInnen. Es sind vier Prinzipien. Zum einen ist das das Prinzip des Respekts vor Selbstbestimmung von PatientInnen. Das ist ihr immer wieder ganz wichtig und das hat sich sicherlich auch ein Stück weit gewandelt, weil wir früher hatten wir es mit Halbgöttern und Halbgötterinnen zu tun. Ich weiß nicht, wie man das vernünftig gendert.
Holger:[15:00] Halbgöttinnen.
Christoph:[15:00] Halbgöttinnen, so, ja, genau. Und das ist halt ein bisschen vorbei, da ist ein bisschen mehr Symmetrie, Augenhöhe eingekehrt. Und dann gibt es das Prinzip des Nichtschadens. Da geht es dann darum, dass die Behandlungen, die man durchführt, nicht mehr Schaden anrichten sollen, als sie Nutzen bringen und dass man auf jeden Fall unerwünschte, also oder Nebenwirkungen und dann, die sind dann eben unerwünscht, dass man die auf jeden Fall im Blick hat bei den Behandlungen, die man durchführt. Und genau, Prinzip der Fürsorge und des Wohltuens ist das dritte, das ist, glaube ich, auch klar. Und genau, das Prinzip der Gerechtigkeit, das war mir nicht so klar, da geht es vor allen Dingen um die Ressourcenverteilung, also wie viel wendet man für einen Patienten, eine Patientin auf und inwiefern führt das dann zu einer Ressourcenknappheit bei anderen Menschen, die man zu behandeln hat. Also dass man da durchaus in Abwägungsprozessen ist. Genau.
Holger:[16:03] Ja, und ich glaube gerade dieser letzte Punkt mit der Gerechtigkeit ist ja auch eigentlich der entscheidende Punkt gewesen in der ganzen Diskussion der Corona-Zeit.
Christoph:[16:14] Oh ja, absolut.
Holger:[16:15] Da gab es ja auch dieses Missverständnis, dass man gesagt hat, die Angst ist, dass so viele Menschen sterben. Also die war natürlich auch da. Aber gar nicht nur wegen dem Virus selber, sondern auch, weil Viruserkrankte dann Plätze für andere blockieren. Und dann hätte es halt sein können, also das war ein Grund für die ganzen Lockdowns, dass man halt verhindern wollte, dass die Krankenhäuser so überlastet sind. Sind, dass man dann vor diesen harten Entscheidungen steht, wen behandelt man und wen nicht.
Christoph:[16:50] Ja, finde ich einen wichtigen Punkt. Was sollte ich dazu sagen? Ja, wir hatten es dann ja auch ganz häufig damit zu tun, dass es auch so Personalknappheiten einfach gab, also es jemanden, der sie bestellen konnte, solche Sachen ja auch.
Holger:[17:09] Naja, also man muss da, denke ich, einfach vielleicht einfacher sagen, die Betreuung, also wie viele Patienten können sinnvoll betreut werden. Und unter dem Gesichtspunkt ist es ja dann auch immer wieder eine Frage, wenn im Gesundheitswesen zusammengekürzt werden soll. Also wenn ich mich recht erinnere, gab es irgendwo mal die Aussage in der Corona-Zeit, dass wir eigentlich Glück hatten, dass wir nicht so viel das Gesundheitssystem zusammengekürzt haben, wie es manche Leute in der Vergangenheit wollten, weil wir dann noch wesentlich knapper mit den verfügbaren Kapazitäten gewesen wären. Das ist jetzt aber, ich weiß nicht mehr genau, wo es war und wie vertrauenswürdig, aber ich habe da irgendwie sowas im Hinterkopf, dass mir das irgendwo mal begegnet ist.
Christoph:[17:58] Genau, ich lasse das einfach so stehen und springe zurück ins Buch. Am Anfang startet sie mit einem Fallbeispiel von Zwillingen, die als Frühgeburten auf die Welt kommen und das eine Kind entwickelt sich ziemlich gut und das andere hat Hirnblutung. Und genau, es ist ein bisschen die Frage, wie sich dieses Kind entwickeln wird und welche Rechte hat dieses sehr junge Leben. Und die Eltern sehen ihr Kind mit irgendwie Schläuchen und Reanimation und Hirnblutung und entscheiden irgendwann oder möchten entscheiden, dass ihr Kind nicht mehr weiter am Leben erhalten wird. Und die Behandlung der Ärztinenschaft ist aber absolut dagegen und sagt, naja, für dieses Kind ist es weiterhin das einzige Leben, das es hat und die Chancen, dass es überlebt, sind eigentlich ziemlich gut. Und ob es eine leichte geistige Beeinträchtigung hat oder nicht, ja, kann sein, muss aber nicht.
Christoph:[19:08] Kann sich eigentlich auch noch ganz, also relativ normal entwickeln. Und ja, Da macht sie eben dieses Spannungsfeld auf, dieses Thema der Selbstbestimmung, gerade am Anfang bei sehr jungen Menschen. Wer entscheidet darüber? Weil natürlich sind die Eltern irgendwie relevante Bezugspersonen, aber sie dürfen nicht alleine einfach, also sie dürfen bei vielen Dingen alleine entscheiden, aber da eben nicht, weil man eine Annahme darüber treffen muss, was dieses Kind wollen würde. Und die Ärztinnschaft hat da offensichtlich auch überlegt, als die Eltern nicht nachgeben wollten, ob man nicht probiert, den Eltern das Sorgerecht zumindest temporär zu entziehen, um es weiter behandeln zu können.
Christoph:[19:50] Ja, damit startet das Buch, das ist schon irgendwie ganz spannend und am Ende stellt sich dann raus, genau, in vielen Gesprächen und in viel Kontakt konnte man die Eltern dann offensichtlich überzeugen, muss man in dem Fall einfach sagen, dass man sich weiter um dieses Kind kümmert, es nicht versterben lässt und dann konnte man gemeinsam entscheiden, ohne Sorgerechtsentzug, dass dieses Kind überlebt und es scheint sie auch gut entwickelt zu haben, aber genau, sie macht da eben auf, wie schwierig das gerade am Anfang ist, wenn man auf der einen Seite Ärztinnen hat, dann eine noch nicht mündige Person, die wirklich auch noch gar nicht sich irgendwie mitteilen kann und deren Prognose man annehmen muss und ja, Eltern, die das eine oder das andere wollen können, das kann sicherlich auch in die andere Richtung kippen, dass man vielleicht sagt, dieses Kind ist so schwer krank, alles was wir hier jetzt weiter behandeln, führt zu noch mehr Leid und bringt möglicherweise keine Linderung. Und die Eltern würden dann nicht wollen, dass dieses Kind, würden unbedingt wollen, dass das Kind weiter behandelt wird und wie schwierig da so Kompromissfindungen sind. Das ist so ihr erster Punkt.
Christoph:[21:07] Und das, worum es natürlich dann geht, ist die Frage von, ja, was ist eigentlich ein lebenswertes Leben und wer kann das entscheiden? Ja, so startet das Buch. Also es ist auf jeden Fall ein steiler Einstieg und auch ohne Lösung in dem Sinne. Also ich glaube, viel von Büx, also Büx geht, glaube ich, viel darum, dass man sich einfach mal mit zentralen Fragen auseinandersetzt, um da ins Denken zu kommen, was ich erstmal sehr sympathisch finde.
Holger:[21:36] Naja, und es ist ja auch es sind ja auch immer die Fragen, die eben nicht so klar sind wo dann die Diskussion kommt also ich denke, Dinge, die eigentlich vollkommen klar sind, erfordern halt auch einfach keine Diskussion Ja, ja und das ist natürlich immer so ein bisschen das Problem mit der Innenansicht, die man halt einfach nicht haben kann, also des Anderen, Und gerade wenn sich jemand noch nicht mal äußern kann, also es ist ja teilweise unter manchen Umständen, selbst wenn jemand sich äußern kann, die Frage, wie sicher man diese Aussage dann sehen kann. Das ist ja auch, ich glaube, bei vielen Sterbehilfedebatten immer wieder ein Thema, wo gesagt wird, wissen wir denn, ob die Person das wirklich will oder nur nicht zur Last fallen will oder Ähnliches. Und die können sich ja sogar äußern.
Christoph:[22:36] Was da natürlich dann auch eine Rolle spielt, oder was ich da nochmal wichtig hervorzuheben finde in diesem Fallbeispiel, ist eben, man hat dieses schwerkranke Kind und dann kann man natürlich, also die Eltern sehen, das Kind leiden am Anfang und möchten das nicht, das finde ich erstmal nachvollziehbar und die Eltern haben ihren Standard davon, was offensichtlich ein lebenswertes Leben ist. Und entscheiden dann, wenn dieses Kind mit einer geistigen Behinderung groß werden würde, das würde nicht unserem Standard unbedingt entsprechen oder wie auch immer.
Christoph:[23:06] Und das, was Bücks stark macht, es geht aber nicht darum, was die Eltern wollen, weil man quasi einfach den Interessenstandpunkt dieses Kindes einnehmen muss und sich überlegen muss, was würde dieses Kind wohl wollen. Und da es nun mal nur dieses eine Leben hat nach allem, was wir gesichert wissen, ist eben das in den Blick zu nehmen und auch nicht die Betreuungslasten der Eltern oder so später, sollte es da welche geben, das darf alles keine Rolle spielen, weil es um diesen einen Patienten gehen muss, den man da in den Blick nimmt, das fand ich nochmal wichtig, dass man nicht darauf achtet, was macht denn, wie ist das Umfeld belastet und sonst wie, sondern welche gesellschaftlichen Herausforderungen in Form von sonderpädagogischer Förderung oder was auch immer man sich vorstellen könnte, kommen da auf uns zu, sondern es geht darum, was könnte oder sollte oder würde dieser Mensch wollen. Und ja, naja, das geht auf jeden Fall gut aus, aber so, dann habt ihr eine Vorstellung davon, wie dieses Buch strukturiert ist. Mit solchen Fallbeispielen wird da immer wieder gearbeitet.
Holger:[24:09] Dann kommt mir jetzt so eine etwas abstraktere Frage. Nimmt sie denn einen Standpunkt ein, also so wie du es jetzt beschreibst, klingt es so, dass sie doch eher… Also ihr Ethikansatz eher als einzelne Individuum zielt.
Christoph:[24:25] Ja, absolut.
Holger:[24:26] Weil es gibt ja auch das Gegenmodell, wenn ich das jetzt richtig ausspreche, der utilitaristische Ansatz, der dann sagen würde, man guckt ja eigentlich in dem auf die Gruppe und versucht es für die Gruppe nach irgendwelchen Maßstäben optimal rauszuholen. Und da würde man natürlich schon in Betracht ziehen, was für ein Aufwand ist das und wäre das sozusagen das, was an Leben und Lebensqualität für das Kind erreichbar wäre, ist das den Aufwand wert. Also ich persönlich würde jetzt auch zum individualistischen Ansatz neigen, aber es ist vielleicht doch auch ganz gut zu wissen, dass es den anderen gibt.
Christoph:[25:15] Ja, ich glaube, der macht in der Medizinethik einfach begrenzt viel Sinn, weil dann kannst du fast jede Behandlung abschreiben. Also gerade, wenn es nicht ist, ja, ich habe mir den Knöchel verstaucht, sondern du kommst da, also es geht dann um schwere Erkrankungen, dann kannst du das einfach lassen. Also dann, ich glaube, deswegen kommt er hier einfach nicht so explizit vor. Sie thematisiert häufig die Gegenposition, die es zu ihrer Haltung gibt, aber genau das, ich glaube, an der Stelle macht es für sie, glaube ich, nicht so viel Sinn, das zu skizzieren.
Christoph:[25:52] Ja, genau, mit Blick auf die Zeit spricht sie als nächstes über künstliche Befruchtung und Präimplantationsdiagnostik. Ich weiß noch, dass das bei mir auf jeden Fall in der Schulzeit schon irgendwie ein großes Thema war.
Christoph:[26:07] Und genau, sie führt dann erstmal auf, welche Argumente es gegen künstliche Befruchtung gibt. Also IVF ist die, glaube ich, die künstliche, die gängige Abkürzung in Vitro-Fertilisation.
Christoph:[26:24] Also erstmal gibt es Menschen, die Fortpflanzung nicht als Teil privater Lebensführung verstehen wollen und deswegen, also die passiert halt, wenn überhaupt natürlich und ist im Zweifel durch Natur, Gott, wen auch immer vorgegeben und deswegen, ja, könnte man dagegen sein, weil wenn es dann nicht funktioniert, dann funktioniert es halt nicht. Und das sind halt eben häufig religiöse Gründe und die lehnt sie ab, weil sie sagt, naja, religiöse Argumente mögen ja für die persönliche Lebensführung spannend sein, aber erstmal sind das partikulare ethische Argumente und deswegen dürfen sie in so einer allgemeinen Betrachtung keine Rolle spielen. Wenn man für sich persönlich künstliche Befruchtung aus religiösen Gründen ablehnt, ist das ja das eine. Wenn man das aber für andere zum Standard erhebt, dann funktioniert das irgendwie nicht. Und sie sagt, diese Natürlichkeitsargumente machen irgendwie begrenzt viel Sinn, weil wo fängt man an, wo hört man auf? Also, keine Ahnung, dürfen wir dann kein Insulin mehr verabreichen, weil das so künstlich ist? Und wie ist es mit der Unfallchirurgie? Dürfen wir die dann auch nicht mehr haben? Was ist mit der Krebsbehandlung? Das sind ja auch alles künstliche Eingriffe, deswegen macht das für sie nicht so richtig viel Sinn.
Christoph:[27:45] Da zu sagen, deswegen sollte man das ablehnen und genau, dann sagt sie, gibt es noch das sogenannte Slippery Slope Argument, beziehungsweise das Argument der schiefen Ebene, wobei es darum geht, dass wenn man in vitro Fertilisation zulässt und sie ist ja zugelassen, das muss man vielleicht auch einmal dazu sagen, dass man dann von, dass man gleich in so ein Rutschen kommt. Also von der einen Technologie zur nächsten Technologie und am Ende sind dann die viel beschworenen Designer-Babys und sie meint, naja, das ist irgendwie ein schwaches Argument. Also erstmal basiert es auf der Annahme, dass medizinisch-gesellschaftliche Entwicklungen meist negativ sind und sie meint, das können wir einfach historisch so nicht nachzeichnen. Zum anderen ist es mega spekulativ. Also wir wissen das einfach nicht. Und genau, also wir haben schon auch historisch gesehen, dass medizinische Entwicklungen gestoppt werden können. Also keine Ahnung, Kokain und Heroin als Stärkungsmittel haben wir auch wieder gelassen. Problematische Eingriffe in der Psychochirurgie, keine Ahnung, ich schätze sie später auf Dobotomin an, haben wir auch wieder gelassen. Oder Elektroschocktherapien, qualvolle. Also sie meint, naja, diese Automatismen gibt es historisch einfach nicht. Genau. Und ja, das finde ich erstmal irgendwie ganz, ganz gut.
Holger:[29:08] Ja, ich finde das schlüssig. Ich habe, also ich glaube, dass sie vielleicht den religiösen Punkt etwas unterkomplex dargestellt hat. Ich habe… Ich habe irgendwie auch hier wieder im Hinterkopf, dass ein Kritikpunkt auch ist, also auch aus religiösen Kreisen, dass bei einer künstlichen Befruchtung mehr als ein Embryo erzeugt wird in der Regel und dann wird halt ausgewählt, welcher davon eingepflanzt wird, also der mit der höchstens Überlebenschance. Und wenn man das jetzt sehr extrem betrachten will, wenn man jetzt die Sicht hat, dass Leben mit der Befruchtung anfängt, dann würde man natürlich dann auch Leben schaffen, das entweder irgendwie eingefroren wird oder vernichtet wird. In dem Fall, dann ist man bei einer ähnlichen Argumentation wie einer Abtreibungsdiskussion, wo es aus meiner Beobachtung auch sehr stark davon abhängt, ob man jetzt glaubt, dass es sowas wie eine menschliche Seele gibt und in welchem Moment die menschliche Seele in den Körper kommt. Und wenn man halt sagt, mit der Befuchtung passiert das, ist man eher gegen Abtreibung. Und hier hätte man eigentlich eine ähnliche Problematik. Also müsste jemand, der aus diesem Argument gegen Abtreibung ist, dann auch zumindest ein prinzipielles Problem mit künstlicher Befuchtung haben.
Christoph:[30:34] Ja, ich glaube, das ist noch nicht unbedingt bei künstlicher Befruchtung so, aber, und das sagt sie, das ist die Kernfrage des Ganzen, was sie erfasst, mindestens bei Präimplantationsdiagnostik ist das eben so. Da hast du dann mehrere Embryonen und davon, da guckst du dann halt entsprechend drauf, welche, wenn du nach zum Beispiel genetischen Prädispositionen guckst für Krankheiten, dann schaust du da eben drauf. Und dann ist eben die Frage, wann beginnt eigentlich das menschliche Leben und welcher Zustand hat welche moralischen Rechte. So, genau. Und ja, dass die befruchtete Eizelle der Beginn des menschlichen Lebens ist, das ist soweit Konsens, aber umstritten ist eben die Frage danach, ab wann der volle moralische Status und die vollen Schutzrechte eintreten. Und da gibt es eben schon die Position, die du skizziert hast. Der Embryo hat von der Befruchtung an die vollen Schutzansprüche. Und genau das Argument ist, dass es die potenzielle Fähigkeit gibt, sich zu einem vollständigen Menschen zu entwickeln. Ja.
Holger:[31:50] Oder wie gesagt, in religiösen Kontexten dann in die Frage, wann kommt die Seele in den Körper. Und die wird auch nicht von jeder Religion gleich geantwortet. Nebenbei auch im Christentum gab es da auch Änderungen der Vorstellungen. Also lange Zeit hat auch die katholische Kirche, die, ich glaube, das geht auf Aristoteles, die Meinung vertreten, dass das, ich glaube, nach 90 Tagen die Seele in den Körper kommt.
Christoph:[32:17] Ja.
Holger:[32:17] Also dann nochmal unterschieden irgendwie bei Männern, ich glaube bei männlichen Kindern nach 90 und bei weiblichen irgendwie nach 180, also das ist auch wieder so eine Frage. Aber gut, das alte Giechenland war in vieler Hinsicht fortschrittlich, aber in der Hinsicht nun wohl nicht. Ja, ja, ja. Und erst mit, das hat mir auch mal ein bekannter Theologe erzählt, dass erst mit dem Dogma, dass Maria schon unbefleckt geboren wurde, dann irgendein Papst gesagt hat, naja, das kann ja gar nicht sein, dass deren Seele dann nicht schon von Befruchtung an nimmt. Da war irgendwie. Und erst dann wurde das geändert.
Christoph:[32:59] Ja. Das ist spannend. Also das mit dem Seele-Ding mit 90 und 180 Tagen finde ich weht.
Holger:[33:09] Ja, aber das sind halt so Sachen, auch da können sich Meinungen ändern. Und hätte jetzt jemand, der sagt, die Seele kommt halt erst, ich glaube, es gibt auch Religionen, die dann sagen, es kommt halt erst mit der Geburt in den Körper. und in den kontexten ist abtreibung halt auch wenig diskussionsthema.
Christoph:[33:29] Was natürlich noch ein wichtiger Zeitpunkt ist, ist die Nidation, also die Einnistung der Eizelle und die erfolgt auch bei der PID erst zwischen dem 10. und 14. Tag nach Befruchtung. Genau, also das ist noch so ein weiterer Punkt. Und durchgesetzt haben sich natürlich irgendwie, zumindest hier bei uns, so gradualistische, also so Mittelpositionen. Also der moralische Status eines Embryos nimmt mit seiner Entwicklung zu, hat von Anfang an eine gewisse Schutzwürdigkeit, aber entwickelt sich erst zum Menschen nach eben der Nidation. Und in Deutschland hat sich dann zur Präimplantationsdiagnostik auch diese gradualistische Position etabliert. Also unter sehr eng gesetzten Bedingungen ist sie erlaubt.
Christoph:[34:18] Dazu gehört aber immer auf eine Ethikkommission, die jeden Fall individuell bewertet. Und das führt bei ihr dazu, dass sie sagt, okay, also man darf das dann nur zur Vermeidung von schwerwiegenden Erkrankungen, was auch immer das dann jetzt genau meint. In dem Beispiel ist, glaube ich, ein Fall von diesem Angelina Jolie-Gen wird es genannt, also einer genetischen Prädisposition für eine Form von Brustkrebs. Und da wurde es, glaube ich, nicht zugelassen, obwohl Eltern das haben wollten, weil dann gesagt wurde, naja, also die Chance, dass das Kind diese Mutation bekommt, liegt nur bei 50 Prozent, weil beide Eltern haben einen Anteil und selbst mit der Mutation ist es keine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit, dass der Brustkrebs entsteht. Und ja, Brustkrebs ist schlimm, aber nicht schwerwiegend genug. Und die Chancen, dass es tatsächlich eintritt, sind auch nicht hoch genug, als dass man dann so eine PID da genehmigt hat. Das fand ich spannend. Genauso schwerwiegende Erkrankungen, Tod und Fehlgeburten.
Christoph:[35:23] Genau und ja, sie sagt auf jeden Fall, so ein Dammbruch-Szenario gibt es bisher auf jeden Fall nicht, weil wir halt so einen hohen Verfahrensaufwand haben und damit kommt sie, das fand ich erstmal, fand ich das ganz gut, weil dieses Dammbruch-Argument, merke ich, habe ich auch im Kopf, dieses, wenn wir damit erstmal anfangen und das zulassen, dann kommt doch bestimmt ganz schnell, kommen wir zu so Selektionsverfahren und so weiter. Und das bricht sich dann bestimmt Bahn und in 20 Jahren sieht die Welt ganz, ganz anders aus als heute und sie sagt, naja, empirisch können wir das bis jetzt einfach noch nicht nachweisen und das fand ich irgendwie eine angenehme Position. Ja, und das ist das erste Kapitel, würde ich sagen.
Holger:[36:06] Ja, ich glaube, generell ist es ja auch wahnsinnig schwer, vorher zu sagen, wie sich die Zukunft entwickelt.
Christoph:[36:14] Ja, ja, das mit der Zukunft ist notorisch schwierig, das stimmt.
Holger:[36:18] Da sind ja, wie war das, so Leute, die ja professionell die Zukunft vorhersagen, die liegen oft nicht so richtig. Witzigerweise sind Science-Fiction-Autoren, also haben immer mal wieder ganz gute Treffer. Also jetzt nicht von dem ganz Konkreten, aber so von den Ideen her.
Christoph:[36:39] Die Frage, wie sehr sich die Zukunft an der Vergangenheit orientiert und ob nicht ein paar interessante Ideen dazu, technischen Durchbrüchen, Innovationen und so weiter in der Vergangenheit liegen könnten.
Holger:[36:51] Ja, das ist das schöne iPad-Beispiel. Da gibt es irgendwelche alten Folgen von Star Trek Next Generation, wo sowas vorkommt. Und dann ist halt die Frage, wie sehr die Entwickler durch die Fernsehserie inspiriert waren. Ich glaube, das hat dann eine Rolle gespielt, als es da irgendeinen Patentstreit gab, wegen der Form, ob dann jeder Apple Geld zahlen muss und dann war ein Argument der Gegenseite, dass es das ja schon, diese alten Fernsehserien hier sowas gab und dass es deswegen die Idee ja eigentlich… Gar nicht so innovativ und damit patentwürdig wäre. Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, wie der Prozess ausgegangen ist.
Christoph:[37:32] Also nach dem ersten Kapitel zum Thema Sterben geht es dann weiter. Nein, das erste war zum Thema Leben, das zweite ist zum Thema Sterben. Und da startet sie mit dem allseits bekannten Wunsch, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich wünscht, friedlich im eigenen Bett irgendwann einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen. Und dann der harten Realität, dass mindestens über 70 Prozent der Menschen in medizinischen Einrichtungen sterben und die Tendenz ist steigend. Und da ist ein bisschen die Frage, wie geht man damit um, wenn das Sterben nicht den Vorstellungen und Wünschen der sterbenden Menschen entspricht? Das ist ja irgendwie doof.
Christoph:[38:11] Ja, man muss einfach sagen, seit den 1960er Jahren hat sich der medizinische Fortschritt beim Sterben dramatisch verändert, also Dinge wie Wiederbelebung sind deutlich besser geworden, künstliche Beatmung, das sind alles noch, also naja, die 1960er Jahre sind in meinem Kopf nicht so lange her, aber sie sind es mittlerweile ja schon doch auch, aber sie sind zumindest nicht so ultra alt, in zumindest guter Qualität. Und ja, wenn früher Sterbenteil des Familienlebens war und meist zu Hause stattfand, ist das halt heute im medizinischen System. Und ja, wir können auch eine gewisse Wertverschiebung sehen. Also früher war ein bisschen die Idee, dass halt Gott darüber entscheidet, wann er dich zu sich holt. Und heute haben wir halt den Prozess hin zu mehr Selbstbestimmung. Und ja, sie macht dann zwei Fallbeispiele auf. Das ist einmal ein Herr, der mit fortgeschrittener chronischer Lungenerkrankung ins Krankenhaus kommt. Und er hat keine Patientenverfügung, keine Vorsorge vollmacht. Keine Angehörigen sind direkt erreichbar und er wird wiederholt wiederbelebt.
Christoph:[39:14] Obwohl er eine schlechte Prognose hat. Und ja, die Pflegekräfte äußern so ein bisschen das Bauchgefühl, dass der möglicherweise eine andere Behandlung sich gewünscht hätte. Aber wenn man es nicht weiß, dann ist man natürlich dazu angehalten, die Person, solange es geht, am Leben zu erhalten und auch immer wieder zurückzubringen. Und genau, da ist so ein bisschen die implizite Kritik, die sie aufmacht, dass in dem Pflegeheim, in dem der Herr war, sich offensichtlich nicht darum gekümmert wurde, was denn so die Wünsche am Lebensende von diesen Personen dort sind. Und ja, entsprechend wurden dann keine Dokumente aufgesetzt, niemand ist informiert und am Ende verstirbt die Person, ohne dass jemand weiß, ob das so war, wie der Herr sich das gewünscht hat. Und das genaue Gegenteil ist eine Frau, die eingeliefert wird oder ins Krankenhaus kommt und sie hat fortgeschrittenen Brustkrebs, war schon mehrfach in Therapie und hat aber die klare Entscheidung für sich getroffen bei klarem Verstand, dass sie keine weitere Krebsbehandlung mehr möchte. Das ist jetzt irgendwie, ich weiß nicht, seit wie vielen Jahren sie in Therapie war. Und genau, sie hat klar festgelegt, dass ihr Mann im Zweifel entscheiden darf. Der ist genau darüber informiert, was sie möchte. Also er ist eingesetzt, ich habe schon wieder den Begriff dafür vergessen. Und sie entscheiden sich dann in Kombination mit dem behandelnden Ärzteteam für eine palliative Behandlung. Sie wechselt auf die Palliativstationen. Ich glaube, nach Hause hat sie es nicht geschafft, auch wenn das ihr Wunsch war.
Christoph:[40:43] Und die Familie ist beteiligt und unterstützt und man hat so das Gefühl eines guten Endes mit entsprechender Begleitung und das ist eben gelungen, weil die Person sich damit auseinandergesetzt hat, was sie denn mal möchte, ihr Umfeld informiert hat. Und ja, genau, also Büx spricht sich dafür aus, dass man sich auf jeden Fall mit dem Thema mal auseinandersetzen sollte und sich überlegt, wie man das gerne hätte, also Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, möchte man, dass jemand vom Gericht eingesetzt wird oder nicht, möchte man, dass die Person, die man selbst als entscheidende Person einsetzt, vom Gericht begutachtet wird oder kontrolliert wird, ja, all sowas.
Christoph:[41:28] Es gibt dann natürlich trotzdem noch Auslegungsprobleme, weil Patientenverfügungen nie jede Situation perfekt abdecken können. Also man kann ja nicht alles perfekt beschreiben, aber trotzdem sind sie natürlich erste Anhaltspunkte. Genau, da wünscht sie sich auf jeden Fall, glaube ich, einen anderen Umgang und ich möchte euch Hörende auf jeden Fall auch mal dazu ermuntern, sich damit auseinanderzusetzen und wenn es das vielleicht noch nicht ist, vielleicht zumindest mal einen Organspendeausweis auszufüllen und sich auch in das Organspenderegister, das es jetzt gibt, einzutragen. Genau, ihr könnt zu allem Ja oder Nein sagen, aber es ist cool, wenn ihr was sagt, damit niemand raten muss, was im Falle des Falles passieren soll. So, das, genau, ich glaube, das ist nicht so überraschend. Wenn man diese Fallbeispiele liest, ist das auf jeden Fall sehr, sehr eindringlich. Das lohnt sich, solltet ihr ins Buch mal reingucken wollen.
Holger:[42:30] Ja, es ist natürlich auch für die Angehörigen auch gar nicht mal so einfach unbedingt.
Christoph:[42:38] Ja, absolut.
Holger:[42:39] Ja, also wir hatten jetzt auch in der Familie eine Operation vor kurzem, wo dann vorher auch so ein Gespräch war. Und das ist dann halt auch, wo man als Angehöriger denkt, ja, jetzt geht es um Entscheidungen, die ich dann nachher gar nicht treffen will. Also selbst wenn man sich gut informiert, also wenn man irgendwie Anweisungen bekommen hat, wo man sagt, alles klar, und einem das Vertrauen ausgesprochen wurde.
Christoph:[43:10] Ja, ich finde, man kann auch sehr begründet zu dem Schluss kommen, dass man sagt, möchte ich eine Person, die ich gut kenne, die in einem emotionalisierten Zustand ist, im Zweifel darüber entscheiden lassen. Man kann ja auch zu dem Schluss kommen, ich hätte ganz gerne, dass die versammelte Ärztinnenschaft entscheidet, wobei auch die, glaube ich, immer probieren wird, zu gucken, was denn vielleicht gewollt worden wäre und auch dann wird man eben mit möglichst nahestehenden Personen sprechen. Deswegen, ich glaube, so ganz kommt man nicht raus, aber ich finde es zumindest mal, also ich finde in der Diskussion klingt es immer so wie, naja, man sollte sich halt eine Person suchen, der man vertraut und die man mag und mit der über alles sprechen und dann macht die das schon und dann denke ich, naja, das ist halt auch sehr, sehr viel… Sehr, sehr viel Verantwortung, die man da einer Person gibt und eben in einer emotional nicht so einfachen Position. Von daher kann man sich, glaube ich, vielleicht auch auf das Fachpersonal verlegen, aber genau, da bin ich nicht tief genug drin. Aber es lohnt sich, ich habe es mir jetzt auf jeden Fall auch vorgenommen, nochmal in das Thema reinzugehen und zu gucken, was man so an Vorsorgevollmachten, PatientInnenvollmachten und so ausfüllen sollte. Genau.
Christoph:[44:24] Sie spricht sich dann noch für das Konzept der vorausschauenden Versorgungsplanung aus, Advanced Care Planning, das sind immer so Sachen, bei denen ich denke, hä, also dafür brauchen wir einen eigenen Namen, geht es dann im Prinzip darum, dass PatientInnen, VertreterInnen und die Behandelnden in einen Dialog treten, kontinuierlich, gerade bei solchen degenerativ verlaufenden Krankheiten ist das natürlich gut machbar oder auch bei eben schweren Krebserkrankungen oder so, bei denen irgendwie die Prognose nicht so optimal ist, damit man da immer wieder im Dialog ist, was die Person jetzt möchte und ob sie das verändert sehen will und so weiter. Und sie plädiert auf jeden Fall dafür, dass es in Pflegeheimen auch mehr kommt. Und da denke ich mir immer, also schön, dass wir dafür jetzt einen coolen Namen haben und dass der Goldstandard ist, aber das klingt eigentlich so wie so ein No-Brainer, aber scheint es offenbar nicht zu sein.
Holger:[45:16] Ja gut, aber da gibt es ja immer mal wieder Beispiele, dass das eigentlich recht simple Sachen dann gebrandet werden, wahrscheinlich auch, weil irgendjemand dann da Schulungen für anbieten will, um damit Geld zu machen. Also ich habe das auch schon gehört, dass es Leute gibt, die im Prinzip anbieten, oder als Therapieform etwas anbieten, was sie Waldbaden nennen und letzten Endes ist das halt ein Waldspaziergang. Also mit Therapeuten dann, aber es ist jetzt nicht Also wahrscheinlich spielen bei solchen Labeling-Sachen auch solche Geschichten immer mal wieder in der Rolle.
Christoph:[45:56] Ja, guter Punkt auf jeden Fall. Sie kommt dann auf das ganze Thema Sterbehilfe zu sprechen und dazu, was so in Deutschland erlaubt ist und was noch in der Grauzone stattfindet und was eben auch verboten ist. Und ja, da können wir auf jeden Fall auch einmal durchgehen. Erlaubt ist die passive Sterbehilfe, also das Zulassen des Sterbens durch Unterlassen oder Beenden lebensverlängernder Maßnahmen. Und genau, das ist halt, das ist erlaubt und also da geht es dann um sowas wie das Einstellen von künstlicher Beatmung, was dann überhaupt gar kein passiver Vorgang für die behandelnden ÄrztInnen mehr ist. Also es kann sehr aktiv sein, das zu machen. Und die Frage, die sich dabei immer wieder stellt, ist, wann beginnt die Phase, in der Sterben zugelassen werden soll. Also den Zeitpunkt da zu treffen, dass Personen konkret im Sterben liegen. Und ja, das ist nicht so ganz trivial.
Holger:[46:58] Und natürlich kommen da dann auch wieder so, ja letzten Endes auch wieder die Gerechtigkeitsgedanken mit rein. Also wenn das Krankenhaus halt nur eine bestimmte Anzahl von Geräten hat, um Menschen am Leben zu halten und da kommt jemand rein, wo man das braucht und dann stellt sich ja schon die Frage. Also ich weiß, es ist natürlich immer ein bisschen hypothetisch, also man weiß nicht, wie oft das wirklich vorkommt, aber ich glaube, ein Teil von solchen ethischen Überlegungen ist ja, dass man sich zumindest mal auf den Fall vorbereitet.
Christoph:[47:33] Ja, Triage behandelt sie gar nicht in dem Buch. Vielleicht ein guter Kritikpunkt, weil das auf jeden Fall was ist, was die Medizinethik betrifft. Kommt aber, wenn ich jetzt nichts vergesse, überhaupt nicht vor. Und das wäre in dem Kontext sicherlich richtig. Bei der passiven Sterbehilfe spricht sie da jetzt aber zumindest auf gar keinen Fall drüber.
Christoph:[47:55] Sie meint, dass es für ÄrztInnen echt ein Problem ist, passive Sterbehilfe manchmal durchzuführen, weil eben eine Beatmungsmaschine abzustellen, zwar unter passive Sterbehilfe fällt, sich aber überhaupt nicht danach anfühlen muss. Und da werden dann, glaube ich, teilweise auch Leben verlängert, die rein vom PatientInnenwunsch heraus nicht mehr verlängert hätten werden sollen. So, genau. Was, glaube ich, sehr unumstritten ist, ist die indirekte Sterbehilfe, also die nicht beabsichtigte, in Kauf genommene Lebensverkürzung als Nebenwirkung einer palliativen Maßnahme, sowas wie das Geben von Morphium oder so. Also da sprechen wir dann nie immer Monate oder so, um die es da geht, sondern meist empirisch, man kann das nicht so genau differenzieren, geht es da um wenige Stunden, vielleicht mal einen halben Tag, vielleicht auch mal zwei Tage, aber nie um so ganz… Krass verkürzende Maßnahmen und genau, da geht sie auf die Lehre von der Doppelwirkung nochmal kurz ein. Also es ist völlig zulässig, Handlungen durchzuführen, die gute und schlechte Folgen haben, also die Schmerzlinderung oder vielleicht die Linderung der Atemnot bei gleichzeitiger Verkürzung des Lebens.
Holger:[49:16] Ja, ich denke, dass es, wenn sich jemand schon in der Palliativbehandlung befindet, dann ist es ja eigentlich schon klar, dass der Sterbevorgang im Gange ist. Und dann, ich glaube, das macht dann auch nochmal einen Unterschied. Während wenn man jetzt eine Person in Behandlung hat und dann einfach zum bestimmten Zeitpunkt feststellt, eigentlich müssen wir jetzt in Palliativ übergehen, indem wir zum Beispiel ein Gerät abschalten. Das ist dann, glaube ich, einfach nochmal eine andere Frage. Oder wenn es Fälle gibt, wo man sagen würde, eigentlich diese Person ist körperlich, wäre sie bei einer vernünftigen Behandlung noch in der Lage, über einen längeren Zeitraum zu leben. Dann ist es auch nochmal eine andere Frage. Aber ich glaube schon, dass man ja in Palliativbehandlungen zu einem Zeitpunkt kommt, wo klar ist, okay, wir reden hier bestenfalls von Monaten, wahrscheinlich eher nur von Wochen, vielleicht sogar nur von Tagen.
Christoph:[50:21] Was in Deutschland verboten ist, ist die aktive Sterbehilfe bzw. Tötung auf Verlangen. Das ist, glaube ich, auch soweit bekannt, vermute ich. Also die absichtliche Tötung eines unheilbar kranken Menschen durch ärztliche Medikamentengabe. Das dürfen wir in Deutschland nicht. Die Argumente dafür sind offensichtlich. Also Selbstbestimmung, der Wunsch nach einem selbstbestimmten Sterben und auch der Leidvermeidung. Und auch da gibt es dann so Dammbruch-Argumente als Gegenargumente. Und ja, die Sorge vor Missbrauch, also inwiefern werden solche Menschen gedrängt von ihrem Umfeld, das in Anspruch zu nehmen, inwiefern, was macht das mit einer Gesellschaft, wenn das als Beispiel um sich greift, also das sind so die Gegenargumente. Ja und dann gibt es natürlich auch ich hatte das schon angeführt ich glaube bei der PED die Vorstellung dass Gott oder das Schicksal die letzte Entscheidung über das eigene Leben zu treffen haben und eben nicht man selbst ja genau ich glaube Selbstmord
Holger:[51:33] Ist ja nicht strafbar wenn ich das richtig im Kopf.
Christoph:[51:38] Habe. Ich bin jetzt kein Jurist, aber ich glaube, mich zu erinnern.
Holger:[51:42] Also es wäre natürlich auch irgendwie relativ sinnfrei, das strafbar zu machen.
Christoph:[51:47] Aber eine Sünde ist es doch schon im Christentum, oder?
Holger:[51:52] Ja, zumindest traditionell, wobei auch da gibt es ja Entwicklungen. Ich weiß nicht, wie jetzt die neueste Ausrichtung da ist. Das kann ich gerade nicht sagen, weil ich diese Diskussion nicht so verfolgt habe. Also geht mir jetzt gerade nur vom Gedanken her, die Differenzierung, man bestraft Menschen, die da helfen, also nur um das klarzustellen, das finde ich auch richtig. Wenn eine Person das selber will, die kann man dann ja gar nicht bestrafen.
Christoph:[52:30] Ja, also genau, Bestrafung ist da in meinen Augen auch völlig albern. Ja, also Dammbruchargumente genau hatte ich schon gesagt
Christoph:[52:42] Dann gibt es natürlich noch das Gegenargument dass man gar nicht psychisch gesund zu dem Schluss kommen könnte dass man sterben wollte und da sagt sie naja, das stimmt nicht, also es gibt selbstbestimmte Sterbewünsche die nicht einem Missverständnis und einer psychischen Erkrankung entspringen das kann man sich ja auch einfach von entsprechenden Fachpersonen bestätigen lassen und sie meint, naja, der Gedanke Also Zitat, der Gedanke, wenn es mal ganz schlimm wird, kann ich mich an jemanden wenden, muss ja nicht automatisch als Drohkulisse einer kalten gesellschaftlichen Normalität schlimmer Tode aufgefasst werden. Das finde ich ist auch richtig.
Christoph:[53:19] Ja, und was ich noch spannend finde, ist, dass sie sagt, in Deutschland kann man diese Debatte deutlich schlechter und viel befangener wird sich hier geführt als in anderen Ländern aufgrund der historischen Vergangenheit, die wir eben haben. Das fand ich nochmal ganz spannend sie meinen, also ne, KollegInnen von ihr mindestens meinen, naja, in den Benelux-Staaten kann man da, oder in Großbritannien kann man da einfach viel unbefangener drüber sprechen weil nicht gleich irgendwie Argumente der Nazi, mit der Nazi-Keule quasi kommen ja, und apropos Benelux-Staaten empirisch, das finde ich spannend, gegen diese Dammbruch-Argumente da ist ja aktive Sterbehilfe erlaubt, also ich weiß nicht, ob in allen drei Ländern gleich, aber ne, prinzipiell ist das zumindest mal möglich und die Zahlen sind über die letzten 20 Jahre ziemlich stabil geblieben, aber sie steigen in den letzten Jahren wohl etwas. Das finde ich erstmal, also sie meinten, das muss man beobachten, mal gucken, wie sich das weiterentwickelt, aber das ist irgendwie interessant.
Holger:[54:24] Ja, das ist, hätte ich jetzt den Gedanken, inwieweit das vielleicht auch so generell, mit so generellen, wirtschaftlichen sozialen entwicklungen zu tun hat aber ja das ist jetzt nicht mein gebiet da bist du dann näher dran zumindest was die sozialen entwicklungen angeht und, Ich glaube, ich habe auch diese dunkle Erinnerung, dass es auch wieder kulturell ein bisschen damit zusammenhängt, wie anerkannt solche Dinge sind. Ich erinnere mich, es gab mal eine Folge von Revisionist History, ein Podcast von Malcolm Gladwell, wo es um Ungarn ging und die Tatsache, dass da eine relativ hohe Selbstmordrate ist. Aber dann, also in diesem Podcast ging es auch so ein bisschen darum, dass das auch mit der anderen Kultur zusammenhängt. Dass der Stellenwert oder die Art, wie die Kultur drauf guckt, eine andere ist. Und ich glaube, dasselbe ist auch mit Japan der Fall. Die auch verhältnismäßig hohe Selbstmordraten haben. Also da gibt es auch so kulturelle Ideen, die da, glaube ich, auch stark reinspielen.
Christoph:[55:41] Ja, auf jeden Fall. Also das ganz sicher. Sie spricht sich dann am Ende auch nicht direkt für das Einführen aktiver Sterbehilfe ein. Also sie hält sie prinzipiell für ethisch zulässig, aber sie plädiert nicht aktiv dafür, sie einzuführen. Also genau so formuliert sie es, weil sie eben die steigenden Zahlen in den Nachbarländern schon für einen schleichenden Prozess der Normalisierung halten könnte. Und sie meint, da muss man auf jeden Fall nochmal ein bisschen das im Blick behalten. Vielleicht ist ein Ausweg ja der assistierte Suizid. Und die, ja, wir haben nämlich von 2020 gibt es ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, das sagt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist und das umfasst auch die Freiheit, sich das Leben zu nehmen und dabei Hilfe zu suchen, anzunehmen.
Christoph:[56:43] Und genau, da geht es dann im Prinzip um solche Verfahren, wie wir das aus der Schweiz kennen. Wie heißt der Verein Dignitas, die das durchführen? Ich glaube, dass man da einen Medikamenten-Cocktail dann im Normalfall trinkt, das ist glaube ich so das Standardmodell, das halt aber eigenständig tut und das eben nicht von außen durch einen Arzt, eine Ärztin durchgeführt wird. Und Bücks ist diese Unterscheidung auch sehr wichtig, dass bei der aktiven Sterbehilfe eben eine Person von außen das Medikament zuführt und man nicht bis zum letzten Moment die Entscheidungsgewalt darüber hat. Aber wenn man durch ein Strohhalm einen Medikamentencocktail trinkt, das natürlich anders ist. Man kann das noch im Mund haben und da könnte man noch in der letzten Sekunde vor dem Schlucken entscheiden, ich möchte das wieder ausspucken, ich will das nicht.
Christoph:[57:34] Und diese prinzipielle Offenheit der Entscheidung bis zur letzten Sekunde hält sie für sehr wichtig und dem kann ich zumindest folgen. Also ich glaube, meine Haltung zur aktiven Scherbehilfe ist dann letztlich eine andere als die von Böcks. Aber genau, mir war gar nicht so klar oder ich hatte das nicht so präsent, dass eben grundsätzlich dieser ärztlich assistierte Suizid jetzt durch das Bundesverfassungsgericht zugestanden wird, auch wenn wir glaube ich noch keine, ja also es muss neu geregelt werden gesetzlich. Wir haben da noch keine Regelung vernünftig für, wie das stattfinden kann und so. Aber ja, das finde ich erstmal spannend. Und ich meine, es gibt dann sicherlich auch Krankheitsverläufe, in denen dann vielleicht selbst das nicht mehr möglich ist, weil man eigentlich festgeschrieben hat, keine Ahnung, wenn ich ins Koma falle. Naja, wobei, das ist ein schlechtes Beispiel, da reicht dann die passive Sterbehilfe. Also man kann sich ja sicherlich Krankheitsverläufe vorstellen, in denen dann auch ein assistierter Suizid einem selbst nicht mehr möglich ist, aber grundsätzlich finde ich spannend, dass das zugestanden wird. Ja, genau, das noch dazu.
Holger:[58:48] Ich finde es auch ein sehr schwieriges Thema.
Christoph:[58:50] Ja, es ist schwierig, aber ich finde es total notwendig, dass wir da auf jeden Fall, also ich finde es notwendig, dass man sich als aufgeklärter Bürger, als aufgeklärter Bürgerin mit diesen Fragen auseinandersetzt und eine Haltung entwickelt. So, ja. Dann geht es um das Arzt-Patienten-Ärztin-Patientinnen-Verhältnis. Da gehe ich jetzt so ein bisschen drüber, weil ich das jetzt wirklich intellektuell nicht so unfassbar spannend fand, plattgesprochen. Genau, also partnerschaftliches Modell gilt heute als Goldstandard, also man hat so den Ansatz des Shared Decision Making, also Austausch auf Augenhöhe zwischen Ärztin und Patientin und da muss dann natürlich Vertrauen vorherrschen und alternativ gab es früher mal das paternalistische Modell. Also man hat irgendwie den Arzt als Halbgöttin und das tritt immer nochmal ein. In Notfällen geht es nicht anders, da muss einfach entschieden werden. Genau, und dann gibt es noch modern das Konsumentenmodell, also man hört als Patient, Patientin nur noch Vorschläge und entscheidet dann allein und man geht direkt in so einen Bestellcharakter, das findet sie auch nicht gut.
Christoph:[1:00:10] Und dann spricht sie über Selbstbestimmung und Frühsorge. Sie hat da das Beispiel einer Patientin, die nach einem komplizierten Bruch, der nicht heilen will und dann eine Infektion hat, ist eine Patientin, die eine Amputation ablehnt als letztes Mittel. Die ist noch jung und möchte das nicht, aber es steht eine lebensbedrohliche Sepsis für sie ins Haus und trotzdem sagt sie, ich möchte nicht amputiert werden, ich will das einfach nicht. Für mich ist das kein Leben, das ich mir vorstellen möchte. Und das Ärztinenteam verzweifelt daran regelrecht und kann das nicht verstehen, weil moderne Prothesen so gut sind und was soll das denn überhaupt und die Frau ist doch noch jung und hat das ganze Leben vor sich. Und trotzdem geht da eben, die Person ist einwilligungsfähig, das wird von ExpertInnen bestätigt und genau, die verstirbt dann letztlich selbstbestimmt an der Sepsis, die dann tatsächlich eintritt.
Christoph:[1:01:09] Und sie meint, das gilt es zu respektieren, auch wenn es schwierig ist. Und dann macht sie noch das ganze Thema Umgang mit Fehlinformationen auf, was sicherlich auch wichtig wird. Wie geht man damit um, dass das liebeweite Internet voll ist mit Fehlinformationen? Und genau, Aufklärung wird immer wichtiger, weil das, was man so findet, das wissen wir alle, nicht unbedingt richtig ist. Und wie kriegt man es hin, dass man den eigenen ÄrztInnen vertraut? Das ist natürlich auch gar nicht so einfach, weil die Zeit knapp ist und die Zeit für Aufklärungsgespräche auch knapp ist. Und ja, das fand ich nochmal einen wichtigen Punkt, ohne dass sie da jetzt rausgeht mit der zündenden Idee, wie man es lösen kann.
Holger:[1:01:56] Ja, das ist natürlich… Also so hart formuliert, diese alte Logik mit den Ärzten als, mir ist nebenbei geschlechtsneutral, halb Gottheiten.
Christoph:[1:02:11] Oh, sehr gut, ja.
Holger:[1:02:13] In weiß, das ist natürlich eine gewisse Art, das Problem zu lösen, indem man halt sagt, okay, das sind halt die, die am Ende, wo man auf deren Wissen vertraut. Jetzt weiß man natürlich das auch klar, dass auch Ärzte nicht immer alles wissen. Aber wir haben ja sozusagen heute das Paradox, dass wir zum einen immer selbstbestimmter sein können, aber dadurch haben wir natürlich auch das Problem, dass wir uns eigentlich mit immer mehr Informationen selber beschäftigen müssen. Und wir können es auch, aber wir haben eben auch nicht immer gute Filter, weil eben jeder mitreden kann. Das heißt, es reden halt auch viele mit, die nicht so viel Ahnung haben.
Christoph:[1:02:59] Ja, das kommt mir aber bei ihr tatsächlich ein bisschen zu kurz, dass man unter Bedingungen von Zeitknappheit, ist es schon sehr lohnenswert und ein wichtiger Skill, würde ich auch sagen, Gesundheitsinformationen selbst sich erschließen zu können, selbst auch vielleicht im Zweifel auch Hypothesen gebildet in Ärztinnengespräche zu gehen, weil die einfach keine Zeit für irgendwas haben. Und das ist, glaube ich, total komplex, also ich glaube, ja, als informierter, als informierter zu behandelnde Person in Gespräche zu gehen, ist echt nicht verkehrt, aber das hat halt einfach das Problem von Missinformationen, bringt es mit sich und das, finde ich, ist ein total schwieriges Spannungsfeld und da einfach nur, sie rekurriert dann drauf zu sagen, naja, eure Ärzte und Ärztin meinen es schon wirklich gut mit euch und die geben sich echt Mühe und die sind voll auf eurer Seite,
Christoph:[1:03:56] Ja, okay, aber die sind auch überarbeitet und überlastet und ich bin nur ein Patient von keine Ahnung wie viel Tausenden deswegen, ich glaube schon, dass die es gut mit mir meinen, aber ob sie alles im Blick haben können weiß ich nicht so genau also deswegen, ich finde es total schwierig und genau entsprechend fand ich sie da so ein bisschen wohlfeil irgendwie zu sagen, naja, die kriegen das schon hin ist zwar stressig, aber die wollen das Beste und das vertraut denen mal, also jetzt überspitzt formuliert.
Christoph:[1:04:30] Also ich meine, sie hat schon das Thema Augenhöhe mit drin, das schwingt da schon mit, aber ja.
Holger:[1:04:36] Es kann natürlich auch sein, dass sie da selber auch einfach keinen guten Lösungsvorschlag hat und das Thema nicht weiter vertiefen wollte.
Christoph:[1:04:44] Ja, das kann natürlich sein.
Holger:[1:04:47] Was ja auch legitim ist. Klar, du kannst dann noch mehr auf die Problematik hinweisen und das ist vielleicht auch ein Problem unserer Zeit, dass es immer schwerer zu sein scheint, einfach mal zu sagen, ich weiß das nicht oder ich verstehe das Problem, aber ich habe auch keine Lösung. Also da vielleicht ist das auch ein bisschen das Problem, dass man heute dafür dann auch mehr abgestraft wird oder generell dafür abgestraft wird. Ob es jetzt früher generell besser war, das weiß ich eigentlich auch nicht. Das hängt vielleicht auch ein bisschen vom Kontext ab. Also jetzt in einem wissenschaftlichen Kontext würde man hoffen, zumindest hoffen, dass man nicht abgestraft wird, wenn man sagt, man weiß was nicht. Ich glaube, gerade so im Medienkontext funktioniert das eher nicht so gut. Und sie war ja auch eine Zeit lang sehr medienpräsent.
Christoph:[1:05:46] Ja, das stimmt.
Holger:[1:05:47] Also ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es im Moment ist. Also auch wenn das eben so klang, ich gucke eigentlich auch nicht so viele Talkshows. Ja, Corona-Zeit hatte man halt weniger andere Abendaktivitäten, dann hat man das hin und wieder doch mal gemacht, aber…
Christoph:[1:06:04] Ja, ich kann vielleicht ja nochmal aufmachen, was sie damit meint. Also sie hat da wieder ein Fallbeispiel von einem Herrn, der ein Prostatakarzinom hat und dann gibt es im Prinzip drei Behandlungswege. Das eine ist, man operiert dann bei der Prostata mit möglichen Folgeschäden, wie du triffst Nerven, kannst dann Erektile Dysfunktion entwickeln, kannst Inkontinenzprobleme entwickeln. Du kannst Prostatakarzinome wohl auch einfach erstmal beobachten, weil die meisten, also ich glaube über 50% der Männer sterben mit einem Prostatakarzinom, das wird halt häufig nur nicht entdeckt, aber selten sterben sie an einem Prostatakarzinom, also kannst du einfach einen Blick behalten und erstmal gar nichts machen, oder du kannst halt bestrahlen. Und da wird halt beschrieben, wie dieser Mann von seinem Arzt gut beraten wird,
Christoph:[1:07:06] Trotzdem für sich eine informierte Entscheidung fällt und er sagt, er möchte auf jeden Fall, dass es operiert wird, aber er hat halt die drei Auswahloptionen quasi und die Entscheidung wird gemeinsam getroffen, also er kann informiert da reingehen, kann sich alles anhören, genau, das ist so, ja, so wie man sich es halt wünschen würde und es geht dann natürlich auch gut aus, schön, aber genau, es geht ja dabei um das Ganze, also informierte Einwilligung, also Also man muss einwilligungsfähig sein, man muss informiert sein als Patient, Patientin und das Verständnis für das Problem haben und die Möglichkeiten der Behandlung. Und das Ganze findet eben freiwillig statt, siehe die Person, die an ihrer Sepsis verstorben ist. Ja, genau.
Christoph:[1:07:52] Ja, so zuletzt mit Blick auf die Zeit geht sie auf das ganze Thema KI ein. Denn ja, KI ist es im Großen und Ganzen, beziehungsweise das, was wir halt dafür halten oder was wir so nennen. Da geht es dann einerseits, also sie hat vier kleine Beispiele. Es gibt Narkose-Algorithmen mittlerweile, also eine Anästhesie und die kriegen, genau, da kann dann eine KI die verlaufende Narkose überwachen, steuern und so weiter. Und die ist auch ein paar Prozentpunkte besser als die ÄrztInnen in der Kontrolle.
Christoph:[1:08:33] Man kann in therapeutischen Settings KIs einsetzen, also bei Kindern mit schwerem Autismus gibt es wohl eine Puppe, die einem Kasper recht ähnlich sieht und die Kinder können entweder unter Beaufsichtigung oder unbeaufsichtigt mit dieser Puppe spielen, die wohl auch ein bisschen sprechen kann um
Christoph:[1:08:55] Und halt irgendwie ein mehr oder minder nettes Gesicht hat. Und die Kinder machen Fortschritte in ihren sozialen und sprachlichen Fähigkeiten, wenn sie regelmäßig mit dieser Puppe spielen. Da weiß ich jetzt nicht genau, wie viel KI da jetzt schon drin ist, aber so überhaupt, das ist halt ein Roboter, mit dem gespielt wird. Dann Psychotherapie-Chatbots, kann man sich vorstellen, ermöglichen kontinuierliche Betreuung. Wer hilft einem, wenn man nachts um drei aufwacht in seiner Depression und jetzt genau ein therapeutisches Gespräch haben möchte? Das macht eher nicht der Therapeut, die Therapeutin. Was macht man, wenn man keine Plätze bekommt und so weiter?
Christoph:[1:09:30] Dann die Frage natürlich nach, naja, tägliche Stimmungsabfrage und Diagnose, dann vielleicht ein bisschen zugeschnittene Übungen und ja, genau, das ist so das dritte Beispiel. Und das vierte Pflegeroboter, das ist jetzt nicht so sehr KI, aber Pflegeroboter für Alltagsaufgaben, die irgendwie beim Aufstehen helfen können, beim Toilettengang, vielleicht irgendwann auch mal beim Anziehen. Die haben dann im Zweifel auch Avatare, mit denen man irgendwie interagieren kann. Da kannst du dann natürlich auch die LLMs, die wir alle kennen, ChatGBT und so, könnte man da auch einbauen und dann eventuell, keine Ahnung, auch Gedächtnistraining oder Rätsel mit den zu betreuenden Personen durchführen. Und das sind so Beispiele. Und ja, viel davon ist noch in der Forschungs- und Erprobungsphase, aber sie meinten, naja, da wird halt was auf uns zukommen und wir müssen gucken, dass wir, wie wir es in der Medizin, das ist ja ihr Argument, immer wieder bisher immer gut hingekriegt haben, dass wir nicht einfach in Technologien rein stolpern, sondern das als gezielten Prozess nutzen.
Christoph:[1:10:36] Und sie meint, KI hat da einfach so einen klassischen Dual-Use-Charakter. Also kann er total hilfreich eingesetzt werden oder kann total Schreckliches schaffen und da müssen wir auf jeden Fall uns beim Hilfreichen bewegen und sie stellt ein bisschen im Prinzip dann die Frage an den Leser, die Leserin, wo man selbst die Grenze zieht, was von diesen Fallbeispielen man für sich selbst sich vorstellen könnte, was man für sinnvoll hält, was vielleicht auch ethisch problematische Dinge mit sich bringt. Also täuscht man da zum Beispiel demente Personen, wenn man die mit so Pflegerobotern interagieren lässt? Oder auch die Kinder mit Autismus, mit der Puppe, sind die dann getäuscht und glauben, das ist irgendwie ein echtes Gegenüber? Ja, solche Fragen stellen sich dann. Wo man ja auch wieder die Frage ist,
Holger:[1:11:26] Was denn echt ist.
Christoph:[1:11:27] Ja, ja.
Holger:[1:11:29] Also ich persönlich hätte jetzt so spontan, hätte ich eher die Sorge, wenn man viel KI einsetzt, dass dann auch so die Schwächen von KI mit solchen, also im Moment im Gespräch, dass es diese KI-Halluzinationen gibt, also dass KI halt einfach irgendwie, also man würde sagen klassisch bullshittet, also irgendwelche Sachen einfach erfindet, weil es eben nicht auf Fakten checkt, sondern, was sprachlich plausibel ist, also das ist ja das, was diese LLMs größtenteils machen, dass sie einfach plausible Sätze erstellen die aber nicht unbedingt faktisch korrekt sind und, da würde ich jetzt mir dann Gedanken machen und da können halt auch, je nachdem wo und wie die trainiert wurden halt auch unerwünschte Sachen dann bei rauskommen. Das heißt, dass dann zum Beispiel Suizid vorgeschlagen wird oder sowas. Das kann dann durchaus passieren, auch wenn man das vielleicht gar nicht normal total abwegig wäre. Und dann können diese Halluzinationen auch wirklich gefährlich werden.
Christoph:[1:12:44] Ja, voll. Was wollte ich gerade noch genau, Genau, das zu meinen, bei diesem Anästhesie-Thema zum Beispiel ist schon auch, also die sind im Schnitt ein bisschen besser. Das Ding ist, man braucht auf jeden Fall einen Menschen in dem Loop, weil also wenn die was verbocken, dann verbocken die es richtig heftig. Also keine Ahnung, wenn du, die scheinen wohl auch mal auf die Idee gekommen zu sein, dass du Salz, also Natriumchlorid-Lösung einfach zur Anästhesie einsetzt.
Christoph:[1:13:16] Also die Fehler, die die machen, sind dann im Zweifel halt heftig, wenn man die dann einfach blind befolgt und das, genau, aber das passiert halt auch nicht, das muss man auch sagen, die sind noch nicht völlig, die sind nicht autonom, aber sie plädiert einfach dafür, dass Menschen da drin bleiben, weil die Fehler, die Menschen machen, einfach nicht ganz so gravierend sind.
Christoph:[1:13:36] Genau, jetzt überlege ich gerade, sie hatte noch ein anderes, ah, für Tuberkulose, Befundentwicklung, genau, hat man auch festgestellt, Algorithmen sind in der Erkennung, also Tuberkulose ist schwierig zu erkennen, die Bilder, die es dafür braucht, genau, die Röntgenbilder hat eine KI auf jeden Fall besser erkannt und man hat irgendwann festgestellt, ah ja, warum erkennt ihr das so gut? Und es hat sich einfach nur die Ränder der Röntgenbilder angeguckt und hat geguckt, ob das ein mobiles Gerät ist oder ein stationäres Gerät. Tuberkulose tritt in reichen Ländern eher nicht mehr so auf. Wir haben stationäre Röntgenbilder und mobile Röntgengeräte werden eher in ärmeren Ländern eingesetzt, indem man in irgendwelche entlegenen Regionen muss. Und genau, also es ist die Frage, worauf trainiert man seine KI. Und offensichtlich ist die Randbetrachtung eines Bildes keine medizinische Indikation. Also solche Fehler muss man auf jeden Fall ausmerzen. Also sie plädiert dafür, dass KI keine vollständige Blackbox sein darf, also diese Algorithmen. Das ist, glaube ich, aber auch soweit selbstverständlich und entsprechend muss auch das medizinische Personal zumindest im Ansatz verstehen, wie diese KI-Technologien funktionieren. Und natürlich Daten, Datensensibilität und Datenschutz ist auch wichtig.
Holger:[1:14:59] Ja, und ich glaube, man muss sich da klar machen, dass es immer mal wieder so Buzzwords gibt, die dann überall einfach reingeschrieben werden. Und KI ist halt eins davon. Ja, voll. Ein anderes ist Blockchain, wo dann irgendwie so ein paar Jahre lang durch die ganzen Kryptowährungsgeschichten dann irgendwie jeder gesagt hat, wir machen irgendwas mit Blockchain und man dann, aber irgendwie, also meines Wissens noch niemand mit einer wirklich sinnvollen Anwendung für Blockchain angekommen ist.
Christoph:[1:15:34] Ja.
Holger:[1:15:37] Und genauso wird wahrscheinlich jetzt überall immer KI reingeschrieben. Ja, ja. Ohne, dass immer so ganz klar ist, wie KI denn da wirklich sinnvoll nutzbar ist und was denn da die praktischen Use Cases für überhaupt sind. Deswegen glaube ich, ist man ganz gut beraten, wenn man da eine gewisse Vorsicht behält bei dem ganzen Thema. Also gerade wenn irgendwas als Lösung für alles angeboten wird, dann spricht das tendenziell vielleicht auch dafür, dass es gehypt ist.
Christoph:[1:16:14] Ja, voll. Ja, damit bin ich mit dem Buch soweit zu Ende und wir können zu Empfehlungen, Verlinkungen und so weiter übergehen, wenn du magst, außer du möchtest noch was hinzufügen.
Holger:[1:16:30] Nee, also ich fand es das Buch wirft viele spannende Fragen auf, ich glaube es ist auch ein bisschen in der Natur dieser Themen, dass jeder auch für sich selber ein bisschen immer die Antwort dazu finden muss was er dafür richtig hält, aber ich hatte es ja schon am Anfang gesagt das sind komplizierte Fragen, auch deswegen, weil die Antwort nicht immer so einfach ist und ich glaube dann auch, wenn es ans Politische geht, es auch nicht immer so einfach ist, bei den Themen sinnvolle Kompromisse zu finden. Und deswegen glaube ich, dass das auch immer aktuell bleiben wird.
Christoph:[1:17:10] Voll, voll. Das wird es und genau, einfach mein Plädoyer dafür, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen. Ich halte das einfach für wichtig.
Christoph:[1:17:26] Ja, wenn du magst, kann ich kann ich starten ich hatte ja
Holger:[1:17:29] Schon also ich habe jetzt nicht so viel ja.
Christoph:[1:17:33] Ich habe auch mir aber ja
Holger:[1:17:34] Also mir ist dann auch aufgefallen wie lese ich anscheinend nicht so viel über ethische themen also zumindest nicht so dass ich das jetzt noch so richtig im kopf hätte also lange her dass ich was über ethik gelesen habe und ja, Ob ich jetzt irgendwie auf Kant dann verweisen will, weiß ich gerade nicht. Insofern habe ich jetzt eigentlich nur drei Sachen. Zum einen eine Korrektur. Also ich habe jetzt nochmal gerade gecheckt. Der Podcast, den ich erwähnt habe über so auch kulturelle unterschiedliche Ansichten zu Suizid, war von Freakonomics Radio. Da hatte ich irgendwie zwei Podcasts durcheinander geworfen, die Folge 40. Dann auch eher seichte Kost, würde ich sagen es gab das vor so zehn, ich schätze etwa zehn Jahren war das auch glaube ich so ein bisschen Bestseller The Top Five Regrets of the Dying, von Brownie Ware.
Holger:[1:18:47] Die halt als quasi als Sterbebegleiterin gearbeitet hat und dann ja, also sehr anekdotenreich so ein bisschen, schreibt, wo darüber schreibt, was sie wahrgenommen hat, als so die Dinge, die die Menschen am Lebensende so ein bisschen bereuen. Natürlich hat dann, wie gesagt, es ist nicht besonders tief, hat auch so ein bisschen einen Selbsthilfe-Touch, aber wenn man sich mit dem Thema nochmal beschäftigen möchte, ist es vielleicht eine Idee. Und dann noch ein Film, der ist mir ganz am Anfang eingefallen zum Thema Designer-Babys. Da gibt es den großartigen Film Gattaca.
Christoph:[1:19:31] Wie schreibt man das?
Holger:[1:19:34] Also ich werde es für die Shownotes richtig schreiben. Ich glaube G-A-T-T-A-C-A. Aber ich check das nochmal für die Shownotes, dass es auch wirklich so geschrieben wird. Der ist auch schon.
Holger:[1:19:53] Späte 90er frühe 2000er muss der gewesen sein also der hat jetzt auch schon sicher also gut über 20 Jahre, wahrscheinlich auch schon über 25 Jahre auf dem Buckel und ist ein hervorragender Film, der so ein bisschen, so ein bisschen eine Welt in der Designer-Babys die Norm sind.
Holger:[1:20:20] So ein bisschen erforscht und das Ganze mit einer auch ganz spannenden Geschichte verknüpft über jemanden, der kein Designer-Baby ist und was für Aufwand der macht, um das System zu… Zu umgehen. Also für mich auch ein Beispiel dafür, dass gute Science Fiction wirklich sehr zum Nachdenken anregen kann. Und ich würde auch sagen, ich habe sogar irgendwann vor ein paar Monaten, es gibt ja auf YouTube manchmal so Reviews von alten Filmen und habe da eine zu dem Film gesehen, die auch gesagt hat, dass der Film immer noch ist, immer noch wert ist, gesehen zu werden. sehr gut gealtert ist. Ich muss gestehen, ich habe ihn jetzt auch wahrscheinlich seit 20 Jahren nicht gesehen, aber ich denke, wer mal so einen Film zu dem Thema sehen will, dieser Film, meiner Meinung nach, wird er sich lohnen.
Christoph:[1:21:24] Super, vielen Dank. Gut, ich kann euch empfehlen, das Buch Der Tod meiner Mutter von Georg Dietz, der, ich kenne ihn als Autoren bei der Süddeutschen Zeitung und des Buchs von 2009. Genau, da geht es um die Krebserkrankung seiner Mutter und er erzählt ein bisschen nach. Ich habe das damals gelesen, das ist jetzt schon lange her, aber ich fand das wirklich ausgesprochen gut. Und genau, diejenigen von euch, die mit so längerfristigen Erkrankungen oder schweren Krebserkrankungen schon selbst konfrontiert waren, ich habe da viel drin wiedererkannt, auf jeden Fall. Also ich weiß nicht, wie verallgemeinerbar diese Erfahrungen sind und diese emotionalen Haushalte, aber genau, ich fand das einfach sehr, sehr gut.
Christoph:[1:22:14] Dann aus ein bisschen einer wissenschaftlicheren Perspektive, aus einer soziologischen Perspektive, ist die sehr dünne Schrift über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen von Norbert Elias, ich glaube aus den 80er Jahren, finde ich sehr, sehr gut. Da geht es darum, wie der Tod ja im Prinzip immer stärker Individualsache wird und aus der Familie, aus der Gesellschaft an den Rand gedrängt wird. Kann man sicherlich darüber streiten, ob die Diagnose auch gute 40 Jahre später noch trägt, aber ich finde es auf jeden Fall eine spannende Lektüre. Genau, und so ein bisschen, einfach weil wir alle eine Pandemie durch haben oder die, genau, doch alle, die das hier hören, werden es mitgekriegt haben. Der Rest ist noch zu jung. Die Pest von Albert Camus lohnt sich sicherlich auch. Und Verlinkungen zu alten Folgen. Religion für Atheisten von Alain de Botton. Das ist Folge 11, ist, glaube ich, eine vernünftige Referenz. Und Regeln von Lorraine Destin, Folge 86. könnte, glaube ich, auch taugen. Und jetzt weiß ich nicht, in welcher Folge ich das vorgestellt habe, aber Roboterethik von Janina Loh fällt mir so ein zum letzten Kapitel.
Christoph:[1:23:30] Sollte, glaube ich, auch ein, zwei Einsatzpunkte haben, auch zum Thema was ist eigentlich echte Kommunikation und was ist authentisch und wie müssen wir damit umgehen und was bedeutet das? Ja, das war es dann aber auch mit meinen Empfehlungen.
Holger:[1:23:47] Sehr schön. Dann sind wir am Ende unserer Folge. Wir möchten noch mal darauf hinweisen, ihr findet uns natürlich bei den Podcast-Playern eurer Wahl, teilweise inzwischen auch bei YouTube, aber ich glaube, da sind noch nicht alle Folgen online, aber auch da kann man uns hören. Ansonsten auf Social Media sind wir auf Mastodon unter podcast.social at slash at zzd und bei Blue Sky unter at deckeln, hinterlasst uns gerne Bewertungen, auch gerne positive Bewertungen auf den Plattformen eurer Wahl und wir freuen uns dann aufs nächste Mal.
Christoph:[1:24:43] Alles klar, macht’s gut Tschüss
Music:[1:24:46] Music
Quellen
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
Zwischen zwei Deckeln findest du auch im sozialen Medium deiner Wahl: Mastodon und Bluesky.
Der Beitrag 091 – „Leben und Sterben“ von Alena Buyx erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.

Apr 10, 2025 • 1h 3min
090 – „Gegen Wahlen“ von David van Reybrouck
David Van Reybrouck kritisiert das traditionelle Wahlsystem und schlägt innovative Modelle vor, wie etwa das Losverfahren. Er zeigt auf, dass diese Konzepte historisch nicht neu sind und bereits heute umgesetzt werden könnten. Die Diskussion thematisiert die Herausforderungen der Demokratie und die Rolle der Bürgerbeteiligung, während die Verbindung von Wissenschaft und Politik hinterfragt wird. Zudem wird über die Bedeutung von deliberativen Verfahren und Bürgerräten zur Stärkung der politischen Mitbestimmung gesprochen.

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