

094 – „Migration: 22 populäre Mythen“ von Hein de Haas

Wir setzen mal wieder unsere inoffizielle Reihe fort, die folgenden Titel tregen sollte: „Dinge, für die einzelne Menschen verantwortlich gemacht werden, deren Ursache eigentlich im dysfunktionalen Kapitalismus liegt“. Diesmal geht es um das Thema Migration:
In ”How Migration really works” widmet sich Hein de Haas verbreiten Annahmen über Migration und zeigt auf, dass viele davon falsch sind, vor allem weil sie nur eine eingeschränkte Sicht auf die Realitäten der Migration und Migranten haben. Er plädiert dafür, auf Daten zu schauen, statt Mythen zu verbreiten und damit einen realitätsnahen Umgang mit Migration zu erreichen.
Transkript (automatisch erstellt)
Music:
[0:00] Music
Nils:
[0:15] Hallo und herzlich willkommen zu Episode 94 von Zwischen zwei Deckeln, unserem Sachbuch-Podcast, in dem wir euch alle drei Wochen ein neues Sachbuch vorstellen. Mein Name ist Nils Müller und ich habe heute den Holger mit dabei.
Holger:
[0:32] Hallo.
Nils:
[0:34] Ja, wenn ihr jetzt überrascht seid, warum ihr schon wieder Holgers Stimme hört, den habt ihr doch erst vor drei Wochen hier gehört mit einem Buch. Wir mussten intern ein bisschen umorganisieren, ausgründen und da war Holger schon in Vorleistung gegangen, was das Lesen angeht und konnte deswegen spontan einspringen, in dieser Episode ein Buch vorzustellen. Bevor wir zu dem Buch kommen, aber Holger, womit beschäftigst du dich gerade?
Holger:
[0:56] Ja, ich habe gerade so eine interessante Überlegung, die hatte ich die Tage. Und zwar geht es so ein bisschen, also ich war an einem Ort in der Nähe von Bonn, der früher mal ein Club war. Und das war der Club, wo der erste europäische Auftritt, also außerhalb von Großbritannien, der europäische Auftritt von Queen war. Und dann bin ich gestern irgendwie auf so ein Beispiel für so KI-generierte Musik gestoßen. Und das hat bei mir so ein bisschen diese Überlegung ausgelöst, dass dieser Kontrast doch ganz spannend ist. Weil KI kann ja schon wahnsinnig viel und so KI-generierte Musik klingt auch durchaus schon radiotauglich, wenn da jemand das halbwegs ernsthaft macht. Aber wenn man sich ein bisschen überlegt, wie KI funktioniert, dann wird einem klar, dass das natürlich nicht kreativ ist. Und da, finde ich, ist dann Queen halt so ein schöner Kontrast, dass doch da auch viel Kreatives passiert ist.
Nils:
[2:03] Ja, stimmt.
Holger:
[2:04] Und dann habe ich mir so ein bisschen die Frage gestellt, was heißt das denn für so die Entwicklung der Musik? Also ich glaube, das passiert auch ohne KI, ist das durch Spotify auch schon sehr viel passiert, dass Musik irgendwie so, neue Musik, so eine gewisse Tendenz hat, so ein bisschen Einheitsbrei zu werden, was, glaube ich, durch KI dann noch verstärkt werden wird. Und dann frage ich mich so ein bisschen, wo denn dann die kreativen Impulse herkommen. Und ob dann sozusagen, zwar kann dann jeder irgendwie das, was für ihn der Algorithmus irgendwie optimal findet, kriegen. Aber das ist ja nicht unbedingt, also manche Sachen muss man… Erst mal muss jemand kreativ sein und man das präsentiert bekommen, bevor man auf die Idee kommen kann, dass das interessant wäre. Und das war so ein bisschen eine Überlegung, die ich hatte, wie sich auch solche Dinge wie KI auf Kreativität auswirken werden.
Nils:
[3:01] Das ist ein schöner Gedanke. Man sagt ja über Kunst immer, es ist eh nur eine Kombination von Dingen, die es schon gab. Aber KI treibt das halt ins Extrem und macht halt wirklich nur eine Kombination von Dingen, die es schon gab daraus.
Holger:
[3:13] Ja, und vor allem macht es die Kombination halt nur auf Arten, wie schon mal kombiniert wurde.
Nils:
[3:19] Stimmt, ja.
Holger:
[3:20] Also da ist ja Bohemian Rhapsody so ein schönes Beispiel. Das Lied wechselt ja einfach mehrfach den Stil in dem Lied. Und du kannst natürlich sagen, dass diese Elemente gab es wahrscheinlich irgendwie schon in anderer Musik, aber nicht in dieser Kombination. Und KI sucht ja immer nach was ähnlich, nach dem, was am häufigsten auf Dinge folgt. Das heißt, irgendwelche unerwarteten Stilwechsel wirst du in KI-Musik wahrscheinlich nicht bekommen. Das ist das allerletzte.
Nils:
[3:48] Was sie machen. Du sagst sie ihm ganz explizit. Ich glaube, dann kriege ich das vielleicht hin, aber nicht aus sich heraus. Das stimmt wohl. Spannend. Ja, ich bin auch tatsächlich gerade so ein bisschen ein kleiner Blogbeitrag, Post, Mastodon-Post und dann mit verbundenem Blogbeitrag, hat mich irgendwie nochmal so ein bisschen zum Nachdenken gebracht. Das war ganz spannend. Wo eine schrieb so nach dem Motto, ich habe gerade meine kompletten Notizen der letzten fünf Jahre gelöscht und ich fühle mich komplett befreit. Ganz so weit würde ich dann doch nicht gehen wollen, aber ihr wisst ja, wenn ihr häufiger reinhört, dass ich da so ein bisschen intensiver unterwegs bin oder wenn ihr auch meine Webseite kennt sogar, dass ich das auch ein bisschen exzessiv betreibe und manchmal denkt man sich auch so, ja, was bringt das eigentlich? Was habe ich hier eigentlich? Und ich schreibe nicht so viel wirklich mehr, als ich eigentlich wollte oder als ich vorher tat oder wie ich eigentlich will. Also vielleicht auch mal weniger oder so. Ja, das sind halt so Dinge, die dann mit so Impulsen auf einmal anfangen zu arbeiten. Zumal ich gerade auch wesentlich lieber Romane lese als Sachbücher oder Schreibe- oder Sachtexte oder so. Aber keine Sorge hier für den Podcast. Sachbücher habe ich weiter auf dem Schirm und werde die auch weiter hierfür lesen.
Holger:
[5:03] Ich muss ja zugeben, ich mache mir ja Notizen von so normalen Sachbüchern eigentlich nur, wenn ich weiß, dass ich eine Podcast-Folge dazu aufnehme. Ich habe aber auch irgendwie schon die Überlegung, irgendwie mal so ein bisschen auszumisten, was ich noch so aus dem Studium an Notizen irgendwo rumfliegen habe. Aber ganz ehrlich, also die Sachen davon, die einen irgendwie nochmal interessieren, In Zeiten des Internets und auch von alten Lehrbüchern, die man noch rumstehen hat. Also ob das, was man da dann irgendwie so mitgekritzelt hat, irgendwie nützlicher ist als das, was man in einem Buch nachschlagen kann, wenn man es mal braucht.
Nils:
[5:45] Ich habe tatsächlich aus meinem Studium noch ein dreibändiges Lehrbuch am Dachboden stehen, wo ich sagen will, das ist so, das umfasst irgendwie, das ist so das Symbol für mein Soziologiestudium, das werde ich wahrscheinlich behalten, aber auch nicht, um da irgendwie nochmal reinzulesen oder so, sondern einfach so als biografisches Element das im Regal stehen zu haben. Das glaube ich dann schon.
Holger:
[6:08] Da habe ich noch ein bisschen mehr hier.
Nils:
[6:12] Gut. Aber bevor wir uns in Erinnerung an die alten Zeiten ergehen, wechseln wir doch mal zu dem Buch, das du uns heute mitgebracht hast. Du hast uns nach der Klimaschmutz-Lobby in der letzten Episode bringst du uns gleich das nächste heiße Thema mit. Eigentlich müsste mal jemand hier das Steffen Mauer-Buch Triggerpunkte vorstellen.
Holger:
[6:34] Ich glaube, ich habe das irgendwo stehen, aber noch nicht gelesen.
Nils:
[6:38] Zumindest klapperst du sie gerade anscheinend mit großer Freude ab in anderen Büchern. Du hast uns mitgebracht How Migration Really Works von Hein der Haas. Das Buch heißt auf Deutsch Migration 22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt. Und ja, es erschien relativ neu, ist glaube ich erst veröffentlicht 2023, vielleicht nochmal 2024 überarbeitet oder zumindest nochmal neu veröffentlicht worden. Und vielleicht magst du uns ja mal eine kurze Zusammenfassung geben.
Holger:
[7:12] In How Migration Really Works widmet sich Heine de Haars verbreiteten Annahmen über Migration und zeigt auf, dass viele davon falsch sind, vor allem weil sie nur eine eingeschränkte Sicht auf die Realitäten der Migration und Migranten haben. Er plädiert dafür, auf Daten zu staunen, statt Mythen zu verbreiten und damit einen realitätsnahen Umgang mit Migration zu erreichen.
Nils:
[7:38] Ja, danke dir für den kurzen Überblick. Ich hoffe, ihr versteht jetzt, warum ich gerade sagte, das ist ein Hot-Button-Topic sozusagen. Dann stell uns doch mal die 22 Mythen oder eine Auswahl daraus vor.
Holger:
[7:54] Ja, also ich, wie man an einem deutschen Namen merkt, das Buch ist ein bisschen ähnlich aufgebaut wie die 23 Lügen über den Kapitalismus. Es ist also immer so ein Mythos. Was wird erzählt und wie ist es wirklich? Also ich will jetzt nicht so sehr mich die konkreten Fragen hier immer vorlesen, sondern einfach so ein bisschen Punkte, die sich schon an seiner Reihenfolge so ein bisschen orientieren, bringen, die ich für wichtig halte. Und ich glaube, ein wichtiger Punkt ist erstmal, dass er davon ausgeht, also Migration gibt es einfach, also es ist ein Fakt, dass es Migration gibt und man sollte sie halt vor allem erstmal untersuchen und verstehen.
Holger:
[8:41] Anstatt sie in irgendwelche ideologischen Kategorien reinzupacken. Und wie auch schon in der kurzen Zusammenfassung, sagt er auch, es werden Mythen über Migration weitergetragen und es fängt schon damit an, dass die Sicht, die wir präsentiert bekommen ist oft sehr einsichtig, ja, also Entschuldigung, sehr einseitig also wir kriegen, In gewisser Weise naheliegend kriegen wir immer nur die Sicht aus der Perspektive von Aufnahmeländern. Das, was oft wegfällt, ist die Sicht aus Perspektive der Ursprungsländer. Was aber auch wegfällt, ist die Sicht aus der Perspektive der Personen, die migrieren.
Holger:
[9:32] Und das ist auch ein Punkt, der dann später in dem Buch irgendwie noch so richtig schön kommt. Wenn man mal so ein bisschen aus dieser anderen Sicht kommt, dann versteht man manche Dinge auch durchaus anders. So ein erster Mythos, den er gleich am Anfang zerlegt, ist, dass wir heute so viele Migranten haben.
Nils:
[9:53] Okay.
Holger:
[9:54] Und das ist halt wieder so der klassische Fehler, wenn man auf absolute Zahlen guckt.
Nils:
[10:00] Ah, ja.
Holger:
[10:01] Also die Weltbevölkerung heute ist natürlich größer als, zumindest soweit wir das sagen können, jemals zuvor. Das heißt, wenn wir einen gleichbleibenden Anteil der Weltbevölkerung nehmen, wird die absolute Zahl immer größer sein.
Nils:
[10:14] Ja.
Holger:
[10:15] Und das ist auch im Prinzip das, wenn man sich den Anteil der Migranten an der Weltbevölkerung anguckt, dann ist der eigentlich relativ stabil, zumindest so, sagen wir mal, in den letzten 100 Jahren, nämlich etwa drei Prozent.
Nils:
[10:34] Sind das Menschen, die migriert sind oder sind das Menschen, die in diesem Jahr ihre Migration beginnen? Drei Prozent, weißt du das spontan?
Holger:
[10:42] Nee, spontan weiß ich das ehrlich gesagt nicht. Aber wahrscheinlich eher die migriert sind.
Nils:
[10:49] Aber das sind doch, das schienen mir jetzt sehr wenig. Egal, müssen wir mal gucken. Das ist eher so 3% brechen neu auf. Das ist ja auch ein bisschen viel, ne? 30 Jahre haben wir alle.
Holger:
[10:58] Genau, also deswegen glaube ich, ist es eher insgesamt. Also man muss natürlich auch sehen, dass die sich ungleich verteilen. Also es war ja schon, ich hatte ja auch schon mal das Integrationsparadox vorgestellt, und da habe ich dann ja gelernt, dass Deutschland Einwanderungsland Nummer zwei weltweit ist. Das heißt sozusagen, unsere individuelle Perspektive ist wahrscheinlich stark verzerrt.
Nils:
[11:21] Okay, das kann wohl sein, ja.
Holger:
[11:25] Es ist aber so, also da hat man jetzt nicht so genaue Zahlen, aber wahrscheinlich war es in der Kolonialzeit, was ja auch nur so 150 Jahre her ist, deutlich höher. Wobei da sicher auch viel Zwang dabei war. Ja, ja. Also, es gibt ja durchaus auch einige Menschengruppen, die nicht freiwillig da leben, woanders leben als ihre Vorfahren, ohne die jetzt alle im Einzelnen aufzuzählen. Um 1900 schätzt man, dass es etwa 9% der Weltbevölkerung migriert waren. Krass. Und das auch sehr ungleich verteilt. Es gibt dann das Beispiel, dass zu dieser Zeit etwa 41 Prozent der Bewohner der britischen Inseln ausgewandert sind und aus Italien sogar um die 50 Prozent. Also für Deutschland ist jetzt keine explizite Zahl, habe ich gerade nicht parat, aber man kann sich auch überlegen. Hier gab es auch große Auswanderungswellen, gerade im 19. Jahrhundert nach der 1848er Revolution und ähnlichem. Und das ist auch schon mal eine Sache, die gerade in Europa die Wahrnehmung sehr stark verzerrt. Wir hatten, wir haben schon lange viel Migration gehabt, auch in Europa.
Nils:
[12:49] Schon immer.
Holger:
[12:49] Wir waren aber lange ein Ursprungsland.
Nils:
[12:52] Ah, okay. Ja, stimmt.
Holger:
[12:54] Weil die Leute woanders hin wollten, weil es ihnen hier nicht gut ging. Die wollten halt in die USA oder auch nach Südamerika, weil sie da nach Freiheit gesucht haben. Teilweise auch in andere Kolonialländer, weil sie da irgendwie… Der Meinung waren, irgendwie Geschäfte machen zu können und ähnliches. Und das hat dazu geführt, dass relativ viele Europäer aus Europa rausgewandert sind.
Nils:
[13:17] Ja, stimmt.
Holger:
[13:18] Heute haben wir in Europa bessere Lebensbedingungen, wir haben bessere Sozialsysteme, wir haben stärkere Wirtschaft. Entsprechend sind wir jetzt ein Aufnahmeländer geworden. Nicht nur Deutschland, sondern insgesamt sind wir Aufnahmeländer geworden. Also das ist schon mal das Erste, was man sich klar machen muss. Unsere Wahrnehmung ist halt einfach verzerrt, weil wir in der Weltregion sind, die ihre Rolle stark gewechselt hat.
Nils:
[13:46] Ah, okay, ja, macht Sinn.
Holger:
[13:48] Aber wenn man es jetzt statistisch global betrachtet und so ein bisschen auf sozusagen Durchschnittszahlen geht, dann haben sich Sachen gar nicht so stark verändert. Auch wenn es bei uns vor Ort sich vielleicht stark verändert hat.
Nils:
[14:01] Okay.
Holger:
[14:03] Es ist auch so, wenn man sich insgesamt die Migration anguckt, passiert viel Migration und das ist vielleicht auch, ich glaube diese drei Prozent sind zwischenstaatliche Migration, die wir eben hatten. Die meiste Migration passiert innerhalb von Staaten. Und das ist was, was man in der Diskussion auch gerne ausblendet. Also ich kann sagen, ich lebe jetzt nicht da, wo ich aufgewachsen bin. Und ich bin nicht da aufgewachsen, wo ich geboren bin. Aber es war alles in Deutschland. Deswegen würden mich die meisten Deutschen nicht irgendwie als Migranten bezeichnen. In der strikten Definition des Wortes ist es aber so. Meine Eltern sind umgezogen, da war ich anderthalb und auch durchaus einige hundert Kilometer weiter. Ich bin nicht ganz so weit umgezogen, aber ich lebe auch 80 Kilometer weit weg von dem Ort, wo ich aufgewachsen bin.
Nils:
[15:01] Ja, stimmt.
Holger:
[15:02] Das ist auch eine Form von Migration. Und diese Schocks bei der Migration, die man hat, die sind oft größer, wenn man in einem Land auch zwischen Stadt und Land wechselt, also meistens eher vom Land in die Stadt, ist der Schock meistens größer, als wenn man jetzt zwischen Ländern, sagen wir mal, von der Stadt zu der Stadt oder vom Land zum Land wechselt. Das ist also was, was man sich dann klar machen muss. Klar, wenn es Sprachbarrieren gibt, ist es noch ein bisschen anders. Aber auch da, je nachdem, wenn ich jetzt in Deutschland in bestimmte Gegenden in Bayern ziehe und die Leute da irgendwie nicht wollen, dass ich sie verstehe, dann werde ich die auch nicht verstehen.
Nils:
[15:54] Zumindest in der gesprochenen Sprache, ja.
Holger:
[15:57] Also das ist halt auch was, was man sich klar machen kann. Es ist dann natürlich auch, wenn ich in einem kleinen Land bin, dann ist es so, wenn ich jetzt mein Lebensstil verbessern und umziehen will, je kleiner das Land ist, aus dem ich komme, desto eher muss ich in ein anderes Land. Nur ist es so, dass jetzt bei den Luxemburgern redet halt niemand darüber, weil, aus verschiedensten Gründen, aber das sind auch Faktoren, die da reinspielen können. Und man muss einfach sagen, die meisten bleiben lieber zu Hause oder in der Nähe von zu Hause. Also die meisten Migrationsbewegungen gehen halt entweder im eigenen Land oder nur in Nachbarländer und diese weiten über Kontinente überstreitenden Bewegungen, die hat man eigentlich nur einen sehr geringen Anteil.
Nils:
[16:49] Ja.
Holger:
[16:50] Und es ist auch so, das ist jetzt ein bisschen, ich würde es als eine These beschreiben, die er dann auch aufstellt, die aber durchaus auch mit gewissen Daten untermauert ist, dass moderne Technik es eigentlich möglich macht, dass man auch ohne zu migrieren bessere Möglichkeiten hat.
Nils:
[17:10] Ja.
Holger:
[17:11] Also so wie wir jetzt hier online gerade einen Podcast aufnehmen können und also ich zumindest auch… Auch viel Homeoffice mache. Und dann ist es natürlich so, je mehr Homeoffice man macht, desto weniger nötig wird es, dann dorthin umzuziehen, wo man arbeitet. Man hat mehr Möglichkeiten, um da zu bleiben, wo man ist. Und das heißt natürlich auch, dass das Faktoren sind, die Migration eigentlich weniger nötig machen für solche Tätigkeiten, wo das möglich ist.
Nils:
[17:44] Und wenn es eben keine Flucht ist, sondern eine gewählte Migration, nennen wir es mal so.
Holger:
[17:50] Ja, genau. Aber es ist auch so, es sind so circa sieben bis zwölf Prozent der Migranten sind Flüchtlinge.
Nils:
[18:00] Okay, das ist nicht viel.
Holger:
[18:02] Also der Großteil der Migranten migriert freiwillig. Ja. Also das muss man auch bedenken. Also heute, ich springe jetzt einfach mal kurz dahin. Heute kommt uns das ein bisschen wieder mehr vor mit den Flüchtlingen das liegt aber daran, dass wir eine gewisse ruhige Zeit, hier in Europa hatten wir hatten Anfang der 90er, da kamen viele Flüchtlinge, da gab es halt auch Dinge wie den Kosovo, den Jugoslawienkrieg dann Ende der 90er Kosovo und das waren Dinge, wo dann Flüchtlinge gekommen sind Und ich habe ja gesagt, die meisten Menschen bleiben irgendwo in der Nähe.
Nils:
[18:50] Ja.
Holger:
[18:52] Und wenn bei uns in der Nähe halt wenig Konflikte waren, dann sind auch weniger Leute gekommen.
Nils:
[18:56] Das ist fair, ja.
Holger:
[18:58] Und jetzt haben wir wieder mehr auch bei uns näher dran. Das heißt, im Moment haben wir wieder etwas mehr Migranten. Das heißt aber nicht, dass es weltweit mehr gibt, sondern nur, dass es weltweit mehr Flüchtlinge gibt. Das heißt, nur die Flüchtlinge, die es jetzt gerade gibt, Davon sind mehr näher an uns dran.
Nils:
[19:15] Ja, okay, macht Sinn.
Holger:
[19:18] Genau, und es gibt auch die Asyl, also wenn man jetzt sagt, wir haben sehr viele, ich tue mich schon mit der Formulierung schwer, also sehr viele unberechtigt Asylbeantragende, was ja dann wieder die Kriegsflüchtlinge im Grunde sind, dann kann man sagen, naja, wenn man sich jetzt anguckt, wie hoch ist denn die Ablehnungsquote von Asylanträgen in Europa, Da muss man sagen, naja, also eigentlich ist die relativ stabil und die Mehrheit der Asylanträge wird positiv beschieden. Also den Menschen wird Asyl gewährt in Europa. Das heißt, wenn jetzt irgendwie behauptet wird, dass da so viele sich einschleichen wollen, dann muss man sagen, das passt halt nicht zu der Realität, die man an Daten prüfen kann. Ah ja. Sondern man muss sagen, naja, also wir nehmen nicht alle an, aber wir nehmen die Mehrheit an und das hat sich eigentlich, hat sich das auch nicht über die Zeit groß geändert. Ja. Sondern das, was wir haben, ist, dass die Medien das im Grunde halt irgendwie hochbauschen.
Nils:
[20:24] Ja. Kennen wir ja irgendwo her.
Holger:
[20:26] Genau. Und nochmal der Punkt, das, was zu Asylsuchenden führt, sind halt vor allem Kriege. Insgesamt wird die Welt friedlicher, das heißt, das führt eigentlich zu weniger Kriegsflüchtlingen.
Nils:
[20:41] Okay, zeigt sich das auch in den Zahlen? Also hat der da Zahlen zu?
Holger:
[20:49] Jein. Also das ist so ein bisschen das Problem ist, es gibt vom UNHCR, gibt es Zahlen. Das Problem ist, dass sich da die Datenbasis geändert hat über die Zeit.
Nils:
[21:01] Ah, wie so oft.
Holger:
[21:04] Und wenn du nur auf diese Zahlen guckst, dann ist es so, dass du glaube ich sogar einen Anstieg siehst. Allerdings war da, als die angefangen haben, ich glaube in den 60ern, waren da… Sehr viel weniger Länder drin als heute.
Nils:
[21:21] Ah, okay. Ja.
Holger:
[21:22] Und dann ist natürlich, kannst du das halt eigentlich nicht wirklich vergleichen. Und also er ist der Meinung, dass es eher andersrum läuft.
Nils:
[21:33] Okay.
Holger:
[21:33] Ja, aber das, was er vor allem tut, ist, dass er halt erst mal sagt, warum denn die Zahl, die da gerne gezeigt wird, eigentlich falsch ist.
Nils:
[21:40] Ja, ist ja auch schon mal ein Schritt, ne?
Holger:
[21:43] Das heißt, für mich klingt es eigentlich auch logisch, Weil wenn man jetzt mal zurückgeht, nach dem Zweiten Weltkrieg, wie viele Menschen sich da so hin und her bewegt haben als Folge dessen. Allein wenn du überlegst, wie viele deutschstämmige, oder weiß ich nicht, wie man das jetzt richtig ausdrückt, also deutsche Minderheitsbevölkerung aus Osteuropa rausgejagt wurden. Und das ist ja nur ein ganz kleiner Anteil von dem, was da alles in Bewegung war. Ja, stimmt. Also da ist ja das, wo wir uns hier drüber aufregen mit Flüchtlingen, ist ja lächerlich.
Nils:
[22:25] Ja, also alleine als Zahl ist das lächerlich.
Holger:
[22:28] Ja, ja, genau. Und obwohl die Weltbevölkerung inzwischen größer ist. Also das muss man sich auch klar machen. Ja, aber die Frage ist denn, Was führt denn bei der Mehrheit der Leute eigentlich zur Migration? Weil wie gesagt, die Flüchtlinge machen ja irgendwie, sagen wir mal so grob 10% aus Das heißt aber 90% sind keine Flüchtlinge, Und da muss man dann sagen, die meisten der Einwanderer reisen legal in die Länder ein, wo sie hinwollen, Kleines Side-Note, das kommt dann irgendwo später im Buch auch. Das kann durchaus auch sein, dass die mit sowas wie einem Touristenvisum einreisen und dann quasi dadurch zu illegalen Einwanderern werden, dass die halt nicht rechtzeitig das Land verlassen.
Nils:
[23:22] Ja, aber sie sind dann trotzdem legal eingereist in der Statistik.
Holger:
[23:24] Genau, aber sie wären dann sozusagen unter Umständen schon illegale Einwanderer, aber trotzdem sind die Zahlen, also ich glaube auch wenn du das rausrechnest, du wirst immer dahin kommen, dass die Mehrzahl der Einwanderer legal da ist.
Holger:
[23:41] Und es gibt da auch wieder so eine schöne Fehlwahrnehmung es gibt halt bestimmte Ereignisse wo es Peaks gibt, wo besonders viele Menschen einwandern, ja, eins kann man sich überlegen, ist sowas wie wie ein Krieg eine Naturkatastrophe, solche Dinge, aber auch ein Wirtschaftsboom okay wenn ein Wirtschaftsboom ist, dann braucht man nämlich Arbeitskräfte, und dann wirbt man auch gerne im Ausland Arbeitskräfte an. Ja, und das ist ein sehr wichtiger Faktor in der Migration. Also A, Migration generell wegen Arbeit und B, auch bewusste Anwerbung. Was dann passiert, wenn du schon bestimmte Einwanderergruppen im Land hast, dann gibt es auch quasi Anwerbung, die ist dann aber mehr so Mundpropaganda. Also kann man sich überlegen, wenn man jetzt jemanden hat, der meinetwegen in Deutschland lebt, der aus einem anderen Land eingewandert ist und der sieht, ah ja, hier gibt es gerade viele Jobs, dann erzählt der seinen Freunden und Verwandten, mit denen er noch Kontakt hat, ah ja, hier gibt es gerade in der und der Branche viele Jobs und dann gibt es da vielleicht auch Leute, die sagen, ach ja, das wäre ja vielleicht das für mich und die dann, ne?
Holger:
[24:57] Was dann in der und solche Peaks werden dann auch in den Medien berichtet, was in der Regel nicht berichtet wird ist, dass auf so einen Peak, wo besonders viele einwandern, dann meistens auch eine Phase kommt, wo besonders wenig einwandern ah ok, also wenn die Naturkatastrophe vorbei ist, dann kommt keiner mehr nach, vielleicht wandern ein paar zurück, wenn der Wirtschaftsboom vorbei ist, werden weniger Stellen das heißt, dann ist die Mundpropaganda eher kommt nicht hierher, dann kommen auch weniger Leute erstmal hierher und es wird auch nicht mehr aktiv angeworben und vielleicht gehen auch einige zurück also das heißt da ist auch wieder eine sehr, eine sehr einseitige Wahrnehmung, Sekunde, Ah ja, genau. Dann finde ich auch sehr schön, es gibt dann immer diese, ich glaube, das ist dann teilweise auch eine positive Darstellung, die dann sagt, die Einwanderung macht uns ja irgendwie diverser, bringt uns so ein bisschen mehr Multikulti rein. Also es gibt Menschen, die finden das gut, es gibt Menschen, die finden das schlecht. Man kann aber sagen, das ist gar nicht so klar, dass wir heute diverser sind als meinetwegen vor 300 Jahren.
Nils:
[26:14] Ah, auch schön.
Holger:
[26:16] Also vor 300 Jahren war die Gesellschaft auch irgendwie ein bisschen zersplitterter, als wir uns das so denken. Da waren halt die Gruppen, die sich unterschieden haben, andere. Also zum einen gab es natürlich auch schon Einwanderer. Aber dann, also ich kann jetzt sagen, noch vor 70 Jahren war es ein Problem, wenn ein Katholik und ein Protestant heiraten wollten.
Nils:
[26:38] Ja, ein Katholik und ein Protestant sowieso.
Holger:
[26:41] Ja, oder eine Person katholischen und eine Person protestantischen Glaubens heiraten, das war ein Riesenproblem. Und mit Menschen jüdischen Glaubens, die haben wir da noch gar nicht drin, die es da ja auch gab. Und das ist jetzt nur in Deutschland. Und auch da gab es Einwanderer. Das waren halt andere Gruppen. Also das heißt, dass das heute so viel multikultureller ist, ist gar nicht klar.
Nils:
[27:10] Okay.
Holger:
[27:11] Sondern was man auch beobachten kann, ist, dass die Einwanderer sich in der Regel in so zwei, drei Generationen immer mehr assimilieren. Das war das schöne Beispiel in dem Buch, dass wenn man sich anguckt, welche Namen den Kindern gegeben werden, so in der ersten Generation sind das noch Namen, die sind sehr so am Herkunftsland orientiert. In der zweiten und dritten Generation ist das gar nicht mehr so klar.
Nils:
[27:36] Okay, spannend.
Holger:
[27:39] Und das zeigt dann, dass immer eine stärkere Assimilation dann auch passiert. Und dass die Gruppen auch weniger als fremd wahrgenommen werden. Also so das Beispiel, dass auch in den USA Iren, Italiener, Deutsche früher quasi nicht als Teil der weißen Mehrheitsbevölkerung angesehen wurden, wäre dann nur eins davon. Man kann sich auch hier mal überlegen, wenn man irgendwie im Ruhrpott unterwegs ist oder im Telefonbuch guckt, wie viele Menschen haben da Nachnamen, die höchstwahrscheinlich polnisch sind, wo aber jetzt niemand auf die Idee käme, dem zu sagen, hey du Pole.
Nils:
[28:20] Ja, klar.
Holger:
[28:22] Also, weil die sind dann halt im 19. Jahrhundert irgendwie gekommen, um in Fabriken zu arbeiten. Ja, und da wird jetzt keiner mehr so weit zurückgehen.
Nils:
[28:33] Gehört jetzt halt dazu, ne?
Holger:
[28:35] Ja, und das zeigt sich teilweise auch bei, ich finde auch das Wort ist ein bisschen kritisch, aber ich benutze es jetzt mal bei so Ghettoisierung, wo du halt bestimmte Stadtviertel hast, wo dann halt Einwanderer sich sammeln, wo du auch das Phänomen hast dass das sozusagen in dem selben Teil der Stadt wenn du so in die Geschichte zurückkommst auch schon andere, die schon von anderen, Einwanderergruppen dominiert waren die dann aber je mehr sie sich integriert haben, halt mehr sozusagen da weggezogen sind, verteilt haben, mehr vermischt haben mit dem Rest der Bevölkerung, und dann kam halt die nächste Einwanderergruppe dahin weil das wahrscheinlich immer noch eine relativ günstige Gegend war und dann hast du hast du solche Prozesse. Genau, also das ist also schon mal zeigt schon mal, dass ich, dass das gar nicht so klar ist, dass wir da irgendwie eine stärkere stärker Multikulti, wie auch immer man es nennen will, haben als früher. Wir haben halt irgendwie nur vielleicht ein verzerrtes Bild darüber, wie es früher war.
Nils:
[29:43] Okay, ja, ist auch gut. Auch gut, sich mal vor Augen zu halten.
Holger:
[29:46] Ja.
Nils:
[29:47] Oder vielleicht ist es auch einfach so, dass es tatsächlich in so viel integrierter ist, als dass man mehr davon mitbekommt. Es gibt ja auch bei Migration, gerade wenn du größere Migrationsgruppen hast, gibt es ja diese zwei Ideen. Einmal, dass du es strategisch auch so für dich planst, dass du halbwegs, dass du sagst, migrantische Gruppen kriegen sozusagen einen Stadtteil. Dann hast du sowas wie Chinatown oder Little Italy oder so, wo sich das halt konzentriert, wo das auch eine bewusste Strategie ist, wo man die aber auch sozusagen einfach ignorieren kann. Oder du hast dich halt, ich sag jetzt mal, dezentral überall in der Gesellschaft, wo man sie eben auch ständig sieht und wahrnimmt. Dann wirkt das natürlich auch so, als wären das viel mehr, obwohl es gar nicht mehr sind.
Holger:
[30:30] Ja, du hast mir jetzt aber gerade eine Öffnung gemacht, wo ich eh gerade hinabbiegen wollte.
Nils:
[30:34] Ja, sehr schön.
Holger:
[30:35] Du hast da nämlich jetzt eine Sache, also du hast das jetzt wieder aus Sicht, ich sag mal, eines Stadtplaners betrachtet. Ja, genau. Es ist natürlich auch, besteht auch die Möglichkeit, aus der Sicht von den Einwandernden zu gucken.
Nils:
[30:49] Definitiv.
Holger:
[30:50] Und da gibt es natürlich auch Einwanderer, die dann sagen, es ist ja eigentlich ganz nett, wenn ich in einer Gegend bin, wo andere mit einem ähnlichen Hintergrund sind.
Nils:
[30:56] Ganz klar, sicher.
Holger:
[30:57] Damit ich irgendwie noch bestimmte Möglichkeiten aus der Heimat habe. Und sei es nur, dass ich meine Sprache spreche. Klar. Sei es, dass ich meine Religion da einfacher ausüben kann. Also früher weiß ich nicht, wie stark das war, aber heute sicher auch, dass es da den Supermarkt gibt, der Sachen aus meinem Ursprungsland importiert.
Nils:
[31:19] Alles klar.
Holger:
[31:20] Und das kann natürlich dazu führen, dass die Menschen, ohne dass da irgendjemand das groß plant.
Nils:
[31:25] Sich bewusst irgendwo ansammeln. Definitiv. Das ist sogar wahrscheinlich der Hauptgrund dafür. Also ich meine, planen kann man immer viel, aber was dann wirklich passiert?
Holger:
[31:34] Ja, also wo man jetzt einschränken muss, das betrifft uns hier in Europa jetzt nicht so direkt, Aber in den USA gab es durchaus eine Politik, die die farbigen US-Bürger in bestimmte Gegenden und auch schlechte Gegenden gezwungen hat. Also das muss man sagen, das ist einfach ein Fakt. Aber das ist halt dann davon auszugehen, dass das überall so ist, wo sich bestimmte Gruppen sammeln, das ist einfach falsch.
Nils:
[32:03] Ja, das stimmt.
Holger:
[32:04] Und auch in selbst in Europa, selbst in Gegenden, wo man denkt, ach da ist das ganz extrem, ist das wenn man sich die Daten anguckt, gar nicht so extrem wie man denkt. Also ein Beispiel, das er hat, sind hier die Vororte von Paris, die Bonlieues, heißen sie glaube ich? Bonlieues. Ja, wo diese Vermischung also wo mehr Vermischung ist, als man denken würde, wenn man so auf die Klischees guckt.
Nils:
[32:28] Okay.
Holger:
[32:29] Wo es sicher auch ein paar Brennpunkte gibt, aber wo es nicht so ist, dass das überall da riesige Trennung nach Herkunft gibt.
Nils:
[32:40] Und oft ist das ja dann weniger eine Herkunftstrennung als eine Armutssegregation.
Holger:
[32:47] Genau, und das ist auch so ein bisschen ein Punkt, der immer mal wieder durchkommt, dass an vielen Stellen es eigentlich gar nicht so viel Sinn ergibt, primär auf die Herkunft zu gucken, sondern eigentlich primär auf die soziale Herkunft, also schon auf die nationale Herkunft, sondern auf die soziale Herkunft. Das ist nämlich auch zum Beispiel eine Sache, wenn man jetzt so ein bisschen sich wieder die Migranten anguckt, wer denn migriert, dass das oft gar nicht so, also wir nehmen jetzt mal die Flüchtlinge raus, weil A sind die nicht die Mehrheit und B haben die natürlich ganz andere Hintergründe noch. Aber wenn man sich jetzt die anderen, den Rest der Migranten anguckt, dann sind das oft gar nicht so die richtig armen. Okay, stimmt. Kann man sich auch überlegen. Also wenn du jetzt jemanden hast, der eine etwas weitere Strecke zurücklegen muss, dann muss der sich das auch erstmal leisten können.
Nils:
[33:42] Ja, fair.
Holger:
[33:43] Das heißt, man hat den erstmal etwas konterintuitiven Effekt, dass es sein kann, dass in einem Land, wenn der Wohlstand steigt, auch die Auswanderung steigt.
Nils:
[33:58] Okay.
Holger:
[34:00] Weil es dann mehr Menschen gibt, die es sich leisten können auszuwandern. Ah, okay, ja. Und da muss man gucken, warum machen die das? Die machen das dann, wenn ihnen in dem Land nicht die richtigen Möglichkeiten geboten werden. Ja. Also wenn sie halt sagen, im Ausland habe ich bessere Perspektiven, sei es, dass ich eine Ausbildung gemacht habe und in meinem Land gibt es entweder nicht genug Stellen für diese Ausbildung oder die werden nicht gut genug bezahlt. Und dann sage ich, ich kann es mir halt leisten, in ein anderes Land auszuwandern, ich habe eine Qualifikation und dann kann ich zum Beispiel auch etwas weiter auswandern, als nur in das nächste Nachbarland. Ja, klar. Und da kann es dann auch sein, dass selbst wenn sie jetzt zum Beispiel nach Europa kommen und hier Arbeitsbedingungen haben, wo wir sagen würden, die sind schlecht im Vergleich zum Beispiel des Landes, kann es aber sein, dass sie auch herkommen und sagen, naja, ich arbeite jetzt hier unter diesen schlechten Bedingungen für eine bestimmte Zeit, verdiene da Geld, mache da Erfahrung und kann das nutzen, um dann wieder in mein Ursprungsland zurückzugehen und da wird es mir dann super gehen.
Nils:
[35:12] Ja, klar.
Holger:
[35:14] So was kann dann auch wieder Impulse in die Ursprungsländer bringen. Also da gibt es zum Beispiel das Beispiel, dass so diese IT-Industrie in Indien, dass das sehr stark gewachsen ist, weil es halt viele Inder gab, die aus den USA zurückgekommen sind.
Nils:
[35:34] Ja klar, macht Sinn.
Holger:
[35:35] Das heißt, es kann auch für das Ursprungsland positiv sein über die Zeit, in dem Moment nicht unbedingt. Aber auch, dass es dieser Brain Drain, das ist ja auch so eine Aussage, die gemacht wird, man nimmt den Ursprungsländern die ganze Intelligenz weg. Das ist auch nicht so klar, dass das so ist. Weil zum einen, wenn die gute Perspektiven hätten, würden sie wahrscheinlich gar nicht auswandern. Das ist auch ein Problem im Ursprungsland, dass den Leuten die Perspektive nicht gegeben wird. Und wie gesagt, und es gibt dann zwei mögliche Effekte. Zum einen kommen die vielleicht auch wieder. Und was aber, was man auch beobachten kann, wenn es genug gibt, die auswandern und in den anderen Ländern irgendwie erfolgreich sind, dann gibt es mehr Motivation für die, die da sind, sich um eine gute Bildung zu kümmern.
Nils:
[36:25] Ja, klar, macht auch Sinn.
Holger:
[36:27] Weil du, weil dann weißt du, wofür es gut ist. Klar, das ist ein Vorbild. Genau, das heißt, es ist wieder so ein Beispiel, wo die Effekte sind, halt nicht diese einfachen Effekte, die man sich immer so erstmal so, ich sag mal naiv überlegt und die naiv auch irgendwie Sinn ergeben, aber wenn man genauer hinguckt, dann ist es so, oh, funktioniert ja ganz anders.
Nils:
[36:48] Oder zumindest komplexer, also viel schichtiger.
Holger:
[36:52] Ja, ja. Und genauso ist es auch, wenn man jetzt sagt, ob Einwanderer, die in Land kommen, machen da, nehmen da Jobs weg, drücken Preise und so weiter. Dann muss man sagen, dass es im Mittel nicht so ist. Weil zum einen werden Migranten vor allem dann angeworben, wenn die Wirtschaft gut läuft. Ja, sonst würden sie auch nicht kommen. Ja, klar. Sie füllen offene Jobs, das heißt, welche, wo man anscheinend Probleme hatte, sie zu füllen. Und weil sie vor allem kommen, wenn Wachstum herrscht, kommen sie auch in der Zeit, wo viele offene Ställe vorhanden sind. Und das heißt, sie nehmen gar nicht in dem Sinne so viele Jobs weg, weil sie ja vor allem Jobs besetzen, die im Land nicht gefüllt werden können.
Nils:
[37:50] Ja, macht Sinn. Was ja auch teilweise gesetzlich quasi vorgegeben ist.
Holger:
[37:56] Gut, also es hängt immer ein bisschen vom Land ab.
Nils:
[37:58] Ja, natürlich, ja, darüber will ich hinaus. Also das wird ja auch politisch so gesteuert zum Teil zumindest versucht, genau diesen Effekt zu erzielen.
Holger:
[38:06] Sie sind auch bereit, schlechter bezahlte Jobs zu übernehmen, wo man im Einwanderungsland, äh, Entschuldigung, doch in dem Land, in das sie einwandern, vielleicht gar nicht genug Leute findet. Da gibt es dieses schöne Beispiel aus der Corona-Zeit. Erinnert sich vielleicht der eine oder andere noch dran. Da gab es ja das Problem irgendwie, dass man nicht genug Leute hatte zum Pflücken auf den Feldern in Deutschland. Und dann hat man versucht, Deutsche dazu zu animieren. Und das Resultat des Ganzen war, dass man die Leute dann doch irgendwo aus Osteuropa eingeflogen hat, weil man im Inland halt nicht genug Leute dafür gefunden hat.
Nils:
[38:46] Die hat es länger als eine Stunde machen wollen.
Holger:
[38:49] Ja, und das sind auch Migranten. Selbst wenn die nicht dauerhaft hier leben, sind das trotzdem Arbeitsmigranten. Auch wenn die vielleicht nur für einen Monat kommen und dann wieder in die Heimat zurück. Aber das ist nebenbei auch ein Punkt in der Migration, da komme ich später noch zu, dass man guckt immer nur auf die, die reinkommen. Man guckt nie, wie viele gehen raus. Und das führt auch zu ziemlich dummer Politik, wie wir gleich noch lernen werden. Genau, aber man hat auch untersucht, was für Auswirkungen solche Einwanderungsschocks auf Löhne haben, wo plötzlich viele Einwanderer kommen. Und die Auswirkungen sind relativ gering.
Nils:
[39:37] Okay.
Holger:
[39:38] Und auch der Einfluss auf die Zahl der offenen Stellen ist relativ gering. Das kommt zum einen daher, dass Einwanderer vor allem in bestimmten Bereichen arbeiten. Sie erhöhen aber auch, wenn sie arbeiten, die Wirtschaftsleistung. Und dadurch werden unter Umständen auch wieder neue Jobs geschaffen, sodass der Gesamteffekt eigentlich relativ gering ist.
Nils:
[40:00] Ja, macht Sinn.
Holger:
[40:02] Auf der anderen Seite sind viele Einwanderer auch sehr innovativ. Viele gründen Firmen oder auch… Also Gründen allgemein. Ich glaube, das ist auch, wenn man so in einer deutschen Großstadt mal ein bisschen rumläuft, wird man auch viele Läden finden, die von Einwanderern betrieben werden. Und sei es das klassische Futter, was da irgendwie organisiert wird oder jetzt Shisha-Bars oder weiß ich nicht was. Ich glaube, jeder wird da tausende Beispiele finden.
Nils:
[40:35] Ich glaube, wenn du in die Gastronomie schaust, also wenn man mal verfolgt, so neue Restaurants eröffnet und das müssen ja noch nicht mal dann Restaurants der eigenen Herkunft sein sozusagen. Ich glaube, das ist mittlerweile ein Geschäft, ein Bereich, wo sich da einfach ganz viele Möglichkeiten bieten.
Holger:
[40:51] Ja, und da ist halt auch eher so ein bisschen die Offenheit bei Einwanderern, dass sie das dann machen und dann auch einen harten Job machen, einfach weil sie für sich dadurch immer noch eine bessere Perspektive sehen.
Nils:
[41:06] Klar.
Holger:
[41:07] Und ich habe mir das hier so ein bisschen in meinen Notizen etwas plakativ zu diesem Themenbereich hingeschrieben, dass die Einwanderer werden gern als Sündenböcke für die Folgen von neoliberaler Politik genommen.
Nils:
[41:21] Ja, klar.
Holger:
[41:22] Also die Zahlen geben es halt nicht herzusagen. Die Einwanderer sind schuld, dass es irgendwie die Löhne sinken, dass es nicht genug Stellen gibt oder dass man keinen günstigen Wohnraum findet. Aber das sind alles politische Entscheidungen gewesen, die mit den Einwanderern überhaupt nichts zu tun haben. Wo sie jetzt aber irgendwie gerne als Sündenböcke genommen werden. Also muss man sich halt nochmal klar machen, dass die Zahlen geben das absolut nicht her, dass das der Fall ist.
Nils:
[41:56] Gut zu wissen.
Holger:
[41:59] Genau, also jetzt nochmal zum Beispiel, wenn man sich anguckt, wie ist es denn mit dem Sozialsystem, beziehungsweise mit den Staatsfinanzen, wenn man da, je nachdem, wie man versucht, das zu analysieren, gibt es mal positive oder mal negative Effekte, aber die sind immer ziemlich klein.
Nils:
[42:20] Okay.
Holger:
[42:21] Also egal, ob jemand jetzt sagt, es ist gut, dass wir Einwanderer in unser Sozialsystem haben oder es ist schlecht. Du wirst immer irgendwie eine Studie finden, die dein Argument untermauert, aber das sind immer so Effekte im einstelligen Prozentbereich. Das heißt irgendwie, es ist weder das Riesenproblem noch die Riesenlösung. Ja, gut. Genauso muss man sagen, wenn gesagt wird, wir haben zu wenig Wohnraum, das liegt an den Einwanderern, dann muss man sagen, naja, eigentlich liegt es daran, dass man halt zu wenig Wohnungen gebaut hat und da sind auch die Quoten, also sozusagen wie viel man baut, auch gerade wie viel sozialer Wohnungsbau gemacht wird, sind einen einfach runtergegangen. Hätte man noch dieselben Quoten wie vor, weiß ich nicht, 30, 40 Jahren, dann gäbe es das Problem nicht auch mit Einwanderern, weil da hat man einfach noch deutlich mehr gebaut und dann war einfach deutlich mehr an Wohnungen da.
Holger:
[43:15] Genau. Wir hatten ja eben schon mal den Punkt, dass vieles eigentlich mehr von der sozialen Klasse abhängt, als von der, ich nenne es jetzt mal nationalen Herkunft. Und das zeigt sich auch beim Bildungserfolg. Ja, und das heißt, wenn man aus einer Familie kommt, die schon gut gebildet ist, egal wo die herstammt, dann hat man eine höhere Chance auf Bildungserfolge. Ja. Ja. Und das ist auch wieder eine Frage des Integrationserfolges. Der hängt nämlich davon ab, wie viele Chancen haben die Einwanderer. Und das hält ab von Bildung, das hängt ab davon, hat man Arbeit und wie gut ist die Arbeit. Und das hängt davon ab, hat man irgendwie einen vernünftigen Wohnraum. Also, die einzige Integrationspolitik, wo man wirklich, das sind ja alles Punkte, die sind gar nicht so direkte Integrationspolitik, die eine integrationspolitische Maßnahme, die wirklich einen messbaren Effekt hat, möchtest du mal raten, was das ist?
Nils:
[44:20] Arbeitsgenehmigung.
Holger:
[44:22] Nee.
Nils:
[44:23] Sprachkurse.
Holger:
[44:25] Nee.
Nils:
[44:25] Dann weiß ich es nicht.
Holger:
[44:27] Wie einfach ist es, Staatsbürger zu werden?
Nils:
[44:31] Okay.
Holger:
[44:33] Also das ist das Einzige, wo es einen messbaren Effekt gibt. Wenn es einfacher ist, Staatsbürger zu werden, dann hat das einen positiven Effekt.
Nils:
[44:40] Lustig, genau das, was wir gerade wieder zurückdrehen.
Holger:
[44:42] Genau. Also die Kurzaussage ist, das, was bei uns in den Medien hier immer propagiert wird mit Einwanderungspolitik, ist halt genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich machen sollte.
Nils:
[44:54] Das überrascht mich nicht. Bei konservativen Regierungen überrascht mich das einfach nicht.
Holger:
[45:00] Es gibt ja auch dieses schöne Klischee, dass Einwanderer halt irgendwie zu mehr Verbrechen führen. Das ist eigentlich nicht klar. Also wenn man für soziale Faktoren so rausrechnet, sprich junge Männer sind gewalttätiger als alte Damen. Wenn man das rausrechnet, dann sind Einwanderer sogar oft gesetzestreuer. Und wenn sie illegal im Land sind, sind sie oft sogar besonders gesetzestreu, weil sie halt möglichst wenig mit dem Gesetz in Konflikt kommen wollen. Und gerade auch, wenn es solche Einwandererviertel gibt, dann gibt es sogar mehr soziale Kontrolle, die dann noch weiter einschränkt, wie viel die Leute machen. Klar, man muss das dann relativieren in dem Sinne, dass man sagt, klar, wenn ich jetzt besonders viele junge Männer an Einwanderern habe, was oft so ist. Junge Männer, egal wo sie herkommen, neigen halt einfach mehr dazu, Probleme zu verursachen.
Nils:
[46:03] Ja, definitiv.
Holger:
[46:04] Ich war auch mal ein junger Mann, ich darf das dann sagen. Aber das hat halt nichts mit der Herkunft zu tun, sondern einfach damit, dass es junge Männer sind.
Nils:
[46:14] Ja, und dann vielleicht auch mit der Alters- und der Herkunftsverteilung. Also ich meine,
Holger:
[46:19] Das ist auch so ein Thema demografischer Alterung. Genau, wenn du halt einfach, sehr viel mehr junge Männer hast, die Migrationshintergrund haben, dann steigt auch der Anteil der Verbrechen, die junge Männer mit Migrationshintergrund begehen. Aber wenn du jetzt sozusagen einfach nur guckst, sind diese jungen Männer denn, machen die mehr Unsinn als junge Männer mit einer anderen Herkunft, dann kommst du halt dahin, dass es nicht so ist.
Nils:
[46:44] Ja, genau.
Holger:
[46:44] Wobei es allerdings gewisse verzerrende Faktoren gibt, durch bestimmte Stereotypen, durch so Sachen wie Racial Profiling, Deswegen werden diese Leute aber dann unter Umständen stärker beobachtet und werden auch, da wird eher vom Gesetz durchgegriffen bei denselben Dingen.
Nils:
[47:01] Ja, und es gibt dann noch die Straftaten, die nur sie begehen können. Sowas wie Aufenthaltsrechtsdelikte und so.
Holger:
[47:10] Genau, aber die habe ich jetzt gar nicht mal reingenommen. Aber genau, das ist auch eine Verzerrung, die wir haben und auch durch die Medien. Und eigentlich ist es so, wenn man sich die Verbrechenstatistiken mal so einfach insgesamt anguckt, dann geht das Verbrechen einfach zurück. Und auch schon, ich glaube auch, das ist auch schon ein ziemlich lange vorherrschender Trend. Das heißt, da muss man auch immer ein bisschen vorsichtig sein, was in den Medien da so erzählt wird.
Nils:
[47:43] Wobei wir, glaube ich, in den letzten Jahren so ein bisschen den Effekt hatten, dass, glaube ich, Eigentumsdelikte deutlich abnehmen, aber irgendwie körperliche Gewalt ein bisschen zunimmt. Also jetzt auch nicht in irgendwie besorgniserregenden Zahlen, aber irgendwie so ein bisschen mehr ist es geworden. Also es verschiebt sich auch immer ein bisschen zwischen den Arten der Verbrechenden. Aber wer sie dann wieder begeht, keine Ahnung. Also versteht das jetzt nicht falsch.
Holger:
[48:02] Ja. Was man allerdings schon sagen muss, wenn man sich jetzt so insgesamt anguckt, die positiven Effekte der Einwanderung landen vor allem bei denen, die schon wohlhabend sind. Also bei den richtigreichen natürlich, weil die sich darüber freuen, wenn sie günstige Arbeitskräfte haben auch in gewisser Weise bei der Mittelschicht, weil wenn Einwanderer kommen, um bestimmte Services zu geben dann profitieren die auch davon, da wo es das kann schon sein, dass es jetzt in bestimmten Orten dann auch noch andere Probleme gibt, man muss immer gucken, wie gesagt sagen, es ist ein Durchschnittswert Und klar, es kann sein, dass in einem Ort das da zu ernsten Problemen kommt, aber letzten Endes ist es immer wieder so, die, die leiden, sind die sozialen Schwachen. Das liegt aber eher daran, so an unserem neoliberalen Wirtschaftssystem, als an den Einwanderern an sich.
Nils:
[49:03] Was ich jetzt wieder schön fand, weil du von sozial Schwachen sprachst, das sind natürlich eigentlich die ökonomisch Schwachen, nicht die sozial Schwachen.
Holger:
[49:09] Ja, du hast recht.
Nils:
[49:10] Weil die sozialen Strukturen sind natürlich oft besser als bei den ökonomisch Starken.
Holger:
[49:17] Ja, also sagen wir bei den ökonomisch Schwachen, die leiden vor allem unter den Effekten der Einwanderung. Also auch die, sagen wir mal, Inländer, die ökonomisch schwach sind. Und die sind dann natürlich auch offen für solche Rhetorik gegen Einwanderung. Beziehungsweise blicken auch, wenn jemand für Einwanderung argumentiert, blicken die auch zu Recht kritisch darauf, weil sie letzten Endes diejenigen sind, die da die Probleme kriegen.
Nils:
[49:51] Das finde ich nochmal interessant zu gucken, dass man da einfach nochmal auch unterscheiden muss, wer profitiert eigentlich davon. Aber dass ja dann die Reaktion auch bestimmt, weil ich nicht mehr sagen kann, die Gesellschaft profitiert davon, sondern es gibt halt bestimmte Gruppen, die davon profitieren und solche, die auch tatsächlich einfach manifeste Nachteile haben und dann auch irgendwie nachvollziehbarerweise Schwierigkeiten damit. Was aber wieder nicht an den Einwandernden liegt, sondern, wie du schon sagtest, an den neoliberalen Strukturen, die wir uns so aufgebaut haben.
Holger:
[50:20] Ja, das ist, also man muss ja sagen, weiß ich nicht, das ist irgendwie fast schon ein Thema, was bei uns im Podcast immer wieder kommt, finde ich, dass man immer wieder dahin kommt zu sagen, ja, es gibt diese neoliberalen Strukturen, die sind relativ gut da drin, davon abzulenken, dass sie bestimmte Probleme verursachen. Und das auf andere umzulenken. Und das bringt dann an anderer Stelle auch wieder Probleme. Also das ist ja auch letzten Endes in meiner letzten Buchvorstellung mit der Klimaschmutz-Habie. Da waren es ja eigentlich auch immer wieder ähnliche Themen.
Nils:
[50:56] Ja. Ja, habe ich letztens tatsächlich ein schönes Buch zugelesen. Es ist nicht lang genug, nicht, also nicht lang genug, um hier einen Podcast zu rechtfertigen, aber Capitalist Realism, der eben genau das argumentiert, wir sind gar nicht mehr in der Lage, uns eine Welt ohne Kapitalismus vorzustellen und deswegen sehen wir den gar nicht mehr als Ursache für Dinge, sondern wir sehen halt nur die Dinge, die wir uns anders vorstellen könnten als Ursache, zum Beispiel weniger Migration.
Holger:
[51:22] Ja, aber wie gesagt, wenn man auf die Daten guckt, dann stimmt es halt gar nicht. Das ist dann auch wieder auch wieder so ein interessanter Fakt, dass er sagt, man denkt, also gerade konservative Parteien stellen sich immer gerne als immigrationsfeindlich dar und eher linke Parteien als immigrationsfreundlich.
Nils:
[51:43] Ja.
Holger:
[51:45] Aber wenn man sich die praktische Politik anguckt, da gibt es eigentlich gar nicht so große Unterschiede. Man kann sogar sagen, je mehr Rhetorik es gegen Einwanderer gibt, da gibt es oft gleichzeitig ich viel mehr legale Einwanderung.
Nils:
[52:00] Ja.
Holger:
[52:02] Und, ähm, Und zumindest so in den modernen westlichen Demokratien ist es auch schwierig, Einwanderer auszuweisen, weil da immer sozusagen der Wert der Menschenrechte immer weiter hochgegangen ist und es ist schwerer, sie auszuweisen. Deswegen will man halt eine härtere Politik bei der Einreise machen. Auf der anderen Seite, wenn die Wirtschaft die Arbeitskräfte braucht, dann wird auch ein konservativer Politiker oder ein rechter Politiker die Einwanderung ins Land zulassen, weil ihm sonst die Wirtschaftsleute auf die Füße treten.
Nils:
[52:41] Ja, das sieht man ja gerade in den USA, wo es ja genau jetzt kürzlich, also wir nehmen jetzt auf Mitte Ende Juni 2025, wo man jetzt gerade gesehen hat, dass der gute Herr Trump in den USA dann wirklich seine Anti-Immigrationspolitik tatsächlich, dass er bestimmte Wirtschaftsbranchen davon ausnimmt, nämlich Hotellerie und Gastro und ich glaube Landwirtschaft auch, einfach weil die sonst an anderer Stelle ein Problem kriegen.
Holger:
[53:09] Ja, und das ist ja bei uns auch nicht anders. Egal, was bei uns der Herr Merz sagt. Wenn man hier eine funktionierende Wirtschaft weiterhaben will, dann wird man diese Einwanderer brauchen.
Nils:
[53:23] Ja, definitiv.
Holger:
[53:24] Das ist einfach so. Und auf der anderen Seite gibt es durchaus auch linke Parteien, die einwanderungskritisch sind, wenn die nämlich irgendwie noch mit Gewerkschaften verbandelt sind und die Gewerkschaften sehen das halt erstmal als Billiglohnkonkurrenz. Zumindest so lange, bis die entsprechenden Einwanderergruppen nach ein, zwei Generationen hier integriert sind, dann werden sie als potenzielle Gewerkschaftsmitglieder gesehen. Und du hast auch in rechten Parteien, gerade wenn die so einen religiösen Hintergrund haben, wo gesagt wird, man soll sich halt um die Schwachen kümmern, die sind dann wieder einwanderungsfreundlich und am Ende führt es dann dazu, dass du sagen kannst, dass viele politische Parteien, egal wie ihre Rhetorik ist, intern eigentlich relativ gespalten zu dem Thema sind.
Nils:
[54:09] Macht ja auch Sinn. Es ist halt wieder, weil die Realität halt anders ist als die Erzählung, haben wir halt die, die an die Erzählung glauben und die, die auf die Realität gucken.
Holger:
[54:18] Genau. Und die Erzählung ist halt, wie wir jetzt schon festgestellt haben, in vielerlei Hinsicht einfach falsch. Und auch nicht hilfreich. Interessanterweise ist es auch so, dass wenn man jetzt etwas differenzierte Umfragen in den Bevölkerungen in westlichen Ländern macht, dass die meisten Menschen eine eher nuancierte Meinung dazu haben. Ja, also dass sie eben nicht einfach Anti-Einwanderung sind, sondern dass sie durchaus unterscheiden können, dass es ein kompliziertes Thema ist und man das nicht so einfach abgestücken kann, wie es die Politik gerne tut. Egal jetzt auf welcher Seite. Was im Grunde der Autor, also Heide Haas, dann auch irgendwie als so ein Hoffnungsschimmer sieht, dass es irgendwie die Polarisierung ja vielleicht in vielen Dingen mehr herbeigeredet ist als faktisch da und auch Potenzial.
Nils:
[55:12] Aber wenn ich sie genug herbeirede, ist sie dann irgendwann auch faktisch da, ne?
Holger:
[55:17] Sicher, sicher. Das ist so ein Problem. Also ich erinnere mich dran, weiß ich nicht, vor so ein, zwei Monaten haben meine Frau und ich eine Folge der Heute-Show geguckt. Und da war dann auch irgendwie so gegen diese Einwanderung, gegen Aussagen zur Einwanderung, wo dann der Moderator sagte, auch wenn es ein Problem ist, und meine Frau meinte, es ist interessant, wie noch nicht mal hinterfragt wird, ob das überhaupt ein Problem ist. Selbst wenn man da kritisch gegenüber den Methoden ist, sagt man trotzdem nicht, das ist ja eigentlich ein herbeigegeltes Problem. Soweit sind wir schon in der öffentlichen Diskussion.
Nils:
[55:55] Ja, definitiv.
Holger:
[55:58] Dann ein Phänomen, das sicher bekannt ist, dass in Gegenden, wo es wenig Einwanderer gibt, es herrscht eine negative Meinung gegenüber Einwanderern. Einfach, weil man irgendwie nur solche Horrorbilder kennt, aber nicht irgendwie die faktische Erfahrung gemacht hat.
Nils:
[56:21] Den Alltag einfach lebt.
Holger:
[56:22] Genau. Und ich würde das mal so jetzt in meinen Worten einfach sagen, wenn man nicht die faktische Erfahrung macht, dass es in einer Gruppe halt die meisten Gruppen von Menschen sind gleich. Es gibt viele nette Menschen und ein paar Menschen, die es nicht sind und mit denen man nichts zu tun haben will. Genau. Wenn man diese Erfahrung dann halt nicht gemacht hat, dann hört man nur die Geschichten über die schlechten Menschen und hat halt ein verzerrtes Bild. Also das ist Ganz klar. Und es gibt natürlich auch noch, also muss man auch ehrlicherweise sagen, es gibt auch noch Rassismus, der eine Rolle spielt. Sicher. Der aber im Verhältnis zur Vergangenheit schon deutlich weniger ist. Also da macht man sich wahrscheinlich oft auch gar nicht klar, wie schlimm das früher schon mal war. Genau, dann hätte ich jetzt noch einen Punkt, den ich ziemlich spannend finde. Nämlich, was ist denn, wenn man solche Einreisekontrollen macht und Grenzen zumacht? Was bewirkt das denn wirklich? Und da war wieder, dass man halt nicht so richtig, dass man nur auf eine Seite der Gleichung guckt. Also man sagt, okay, wir haben ein Problem, wir haben Einwanderung, wir wollen, dass wir weniger Einwanderer im Land haben, dann machen wir die Grenze zu. Was ist das Resultat?
Nils:
[57:49] Weiß ich nicht, du guckst mich, wir sehen uns gegenseitig, du guckst mich so an, so fragend.
Holger:
[57:54] Das Resultat ist, dass ich nachher mehr Einwanderer im Land habe.
Nils:
[57:58] Okay, ja.
Holger:
[57:59] Warum ist das so? Weil ich in meiner Gleichung halt einen Teil ignoriere. Was an der Grenze passiert ist, wenn die relativ offen ist, dann gibt es Leute, die kommen rein, Leute, die gehen raus.
Nils:
[58:11] Ah.
Holger:
[58:12] Wenn ich die Grenze zumache, dann wird es immer noch Leute geben, die wollen reinkommen, wenn es dafür wirtschaftliche Gründe gibt. Und die wollen dann aber nicht mehr raus, weil wenn sie einmal raus sind, dann kommen sie nie mehr rein. Das ist ein Effekt, den kann man in den USA an der Grenze zu Mexiko hervorragend beobachten. Das ist ein Effekt, den kann man auch hier am Mittelmeer beobachten, wo früher die Leute aus Marokko zum Beispiel relativ einfach in die europäischen Anrainerstaaten ein- und ausreisen konnten.
Nils:
[58:48] Als Saisonarbeiter oder so.
Holger:
[58:49] Genau, als Saisonarbeiter oder auch so wie es heute gibt, ja, die Möglichkeit in Australien so ein Arbeitsvisum zu machen und so ein bisschen Abenteuer rumreisen. Und das haben früher viele von diesen Menschen halt genauso in Europa gemacht. So, jetzt geht das nicht mehr. Jetzt müssen sie die Entscheidung treffen. Das heißt, sie reisen ein und sie reisen dann aber nicht aus, zumindest nicht, wenn sie nicht irgendeine legale Möglichkeit kriegen, wieder einzuwandern.
Nils:
[59:18] Macht Sinn, ja.
Holger:
[59:18] Das kann paradoxerweise dazu führen, dass sie dann mit einer permanenten Aufenthaltsgenehmigung wieder in die Heimat zurückgehen, weil sie ja jederzeit die Möglichkeit haben, zurückzukommen.
Nils:
[59:26] Ja, klar.
Holger:
[59:27] Und dann halt auch wirklich sagen können, ich bin halt mal zwei Monate im Jahr für irgendeine Ernte in Italien oder Spanien, verdiene mir da gut Geld dazu, sonst bin ich zu Hause.
Nils:
[59:37] Ja, macht Sinn, ja.
Holger:
[59:39] Das heißt, auch da ist das, was als Politik gemacht wird, weil halt einfach die eine Hälfte der Gleichung nicht gesehen wird, nämlich dass Leute ja auch rausgehen und dass ich da irgendwie so ein Gleichgewicht habe, das wird ignoriert, ich mache das Gleichgewicht kaputt und erreiche genau das Gegenteil von dem, was ich möchte.
Nils:
[59:55] Ich fand das ganz spannend. Ich habe, als ich meine Disc geschrieben habe, bei mir ging es jetzt nicht um Migration, aber es gibt ja in der Migrationstheorie diese Push-and-Pull-Faktoren, die immer irgendwie diskutiert werden. Also was sind Faktoren, die Leute aus ihrem Land wegtreiben und was sind Faktoren, die Leute in ein bestimmtes Land hineintreiben. Und irgendwie ein Autor sagte da mal, ja, das ist immer schön, dass wir über diese beiden Ebenen reden, aber wir vergessen, wie du gerade sagtest, die zweite Hälfte der Gleichung, wir vergessen nämlich die Keep- und die Repel-Faktoren. Also wir vergessen die Faktoren, die die Leute in ihrem Heimatland halten und wir vergessen die Faktoren, die die Leute von ihrem Zielland abstoßen. Das würde die Gleichung dann halt vervollständigen.
Holger:
[1:00:31] Und da gibt es sogar so richtig Beispiele. Wenn angekündigt wird, dass Grenzen zugemacht werden, dann kriegst du einen Einwanderungspiek.
Nils:
[1:00:40] Ja, klar.
Holger:
[1:00:41] Weil dann viele halt sagen, ja, jetzt möchte ich das noch schnell nutzen. Klar. Und es gibt da, er hat ein sehr schönes Beispiel, es gibt Suriname-Goyana und Französisch-Goyana.
Nils:
[1:00:52] Ja.
Holger:
[1:00:53] Französisch-Goyana ist ein Departement von Frankreich. Das heißt, die Menschen da haben einen französischen Pass. Bei Suriname und Goyana, ich überlege gerade, was da das Kolonialmacht war, ob das Großbritannien war, ich bin gerade nicht sicher.
Nils:
[1:01:09] Das weiß ich auch nicht.
Holger:
[1:01:10] Aber auf jeden Fall wurde da dann von den ehemaligen Kolonialmächten gesagt, wir werden hier die Einwanderung aus diesen Ländern einschränken. Das hat zu Rieseneinwanderungswellen oder Auswanderungswellen aus diesen Ländern geführt.
Nils:
[1:01:24] Nach Französisch-Goyana?
Holger:
[1:01:26] Nee, nee, in die ehemalige Kolonialmächte. Also wenn du mal in Holland unterwegs bist, also surinamesisches Essen kriegst du ja überall. Also das ist auch gut. Kann ich aus Erfahrung sagen. Aber du merkst, wenn du in Holland ein bisschen häufiger mal unterwegs bist, Surinamesen gibt es da viele. Als Resultat dessen.
Nils:
[1:01:48] Ja, okay, macht Sinn.
Holger:
[1:01:50] Aus Französisch-Goyana gibt es nicht viele Menschen, in Festland Frankreich. Also gibt die natürlich. Aber weil die einfach jederzeit kommen und gehen können, wie sie wollen, gab es halt nie so einen Peak, nie so eine Welle. Also das heißt, da hat man so ein richtig schönes Beispiel dafür, wie diese Politik eigentlich genau das Gegenteil von dem erreicht, was man will.
Nils:
[1:02:11] Stimmt, ja.
Holger:
[1:02:14] Also das finde ich halt… Finde ich halt so ein sehr schönes Beispiel dafür, wie einfach diese ganze Politik irgendwie in so eine ganz, ganz komische und dumme Richtung läuft.
Nils:
[1:02:28] Ja, verstehe ich.
Holger:
[1:02:31] Genau, also wir sind jetzt im Grunde auch so durch meine Hauptpunkte durch. Es gibt klar, es gibt noch so ein paar kleine, ich habe jetzt nicht alles ausführlich gehabt, es gibt noch so ein paar kleine Sachen, die man noch ermähnen kann. Zum Beispiel führt er aus, dass das mit den Klimaflüchtlingen, dass das gar nicht so klar ist, wie es manchmal dargestellt wird, weil Menschen schon immer sich auch in gefährlichen Gegenden angesiedelt haben, also nahe dem Fluss, der häufig überflutet. Das heißt, also er sagt jetzt nicht, dass es die nicht gibt, aber es ist halt nicht so klar, wie immer gesagt wird, dass es da Riesenbewegungen geben wird. Auch sehr schön, dass wenn Leute sagen, wir müssen, um den demogrammischen Wandel auszugleichen, das wollen wir durch Einwanderung lösen, da da so die schöne Beispiel, naja, dafür müssten wir die jetzt zum Beispiel in Deutschland die Einwanderung in etwa verzehnfachen, da müssten wir also um die drei Millionen Menschen pro Jahr annehmen, das heißt, das ist jetzt wahrscheinlich auch nicht so die Lösung.
Nils:
[1:03:39] Das wird nicht passieren.
Holger:
[1:03:40] Also, auch ein wichtiger Punkt, wenn man jetzt sagt, das stimmt, das ist noch ein wichtiger Punkt, man sagt, dass Menschenschmuggel ist ja sowas, wo die armen Menschen, die einwandern wollen, ausgenutzt werden. Man muss sagen, naja, also Menschenschmuggel gibt es deswegen, weil die Einreisekontrollen so streng sind und diejenigen, die es sich leisten können und bereit sind, das Risiko einzugehen, dann halt zu Menschenschmuggel angreifen müssen. Das heißt, die beste Politik gegen Menschenschmuggel ist halt aufzuhören mit irgendwelchen übertriebenen Anwendungsregelungen. Genau. Und auch so diesen modernen Sklavenhandel, der irgendwie gerne auch in irgendwelchen Dokumentationen mal dargestellt wird, ist oft eher eine Ausbeutung als eine richtige Sklaverei. Das heißt, die Leute unterschreiben das schon freiwillig und sind oft nicht sich dessen klar, wie ausgebeutet sie sind, aber es ist halt auch nicht so, dass die gegen ihren Willen da entführt werden.
Nils:
[1:04:55] Okay, aber das ist dann auch eine Frage von Tomato, Tomato irgendwann. Also, ich hatte lange Diskussionen mit meinem Theorie-Prof, ob es freier Wille ist, wenn man eine Pistole an den Kopf gesetzt kriegt und gesagt kriegt, jetzt unterschreibt mal bitte. Also ein bisschen überspitzt natürlich. Ja, okay, ich habe tendenziell eine freie Entscheidung, aber habe ich die wirklich?
Holger:
[1:05:15] Naja gut, wobei hier der Unterschied ist, dass du ja unterschreibst, bevor die Pistole an deinen Kopf gesetzt wird und dann vielleicht feststellen.
Nils:
[1:05:22] Ja, aber Drohne, Hungersnot und Versprechen von gutem Einkommen sind in ökonomisch angespannten Zeiten schon, können eine ähnliche Macht entfalten, formulieren wir es mal so.
Holger:
[1:05:33] Ja, wobei ich sagen würde, es ist nicht unbedingt direkt die Hungersnot, sondern es ist erstmal die Aussicht auf ökonomische Verbesserung. Ja, gut. Ja und da muss man dann auch sehen, muss man in den Einzelfällen gucken, ob die Leute das dann, wie gesagt, es ist ein komplexes Thema, deswegen sage ich auch, Ausbeutung ist es sicher. Aber es gibt halt noch einen Unterschied zwischen Ausbeutung und Sklaverei. Also Ausbeutung kannst du halt.
Nils:
[1:06:00] Die im Neoliberalismus rechtfertigbare Ausbeutung, äh Sklaverei es geht so weit man es ausdehnen kann ohne dass es Sklaverei wird dehnt man es halt aus
Holger:
[1:06:12] Ja aber da ist jetzt ja auch wieder das Problem dann der Neoliberalismus.
Nils:
[1:06:16] Ja natürlich, immer, also nicht immer, aber oft fast immer ich suche nach einer Ausnahme
Holger:
[1:06:24] Genau damit wäre ich jetzt aber jetzt wirklich durch die Kernthemen des Buches durch. Wie gesagt, also das Buch ist sehr dicht. Es sind wirklich, 370 Seiten, die sehr dicht mit Input sind. Insofern, wer das jetzt spannend fand und da noch mal in die Tiefe gehen will, dem würde ich auch empfehlen, dass ich das Buch selber noch mal zu Gemüte zu führen. Würde jetzt an dieser Stelle aus meiner Perspektive das dann aber beenden.
Nils:
[1:07:06] Alles klar. Danke dir, Holger, für die Vorstellung von How Migration Really Works oder Migration 22, populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt. Gut, schön, dass du uns das Buch vorgestellt hast. Ich habe natürlich gleich parallel an meine letzte Episode denken müssen, an die Folge 92, Gekränkte Freiheit, wo ja genau diese Mechanismen, die du beschrieben hast, sie werden zu Sündenböcken gemacht. Oder es gibt die Experten, die sich zum Thema äußern, die nicht wirklich eine Ahnung davon haben. All diese Themen genau im Grunde aufgezeigt werden.
Nils:
[1:07:43] Und eigentlich schön geschildert wird, warum diese Gruppen, die Migranten zu Sündenböcken machen, warum die gerade einen Sündenbock suchen. Und warum da Migranten auch näher liegen. Auch wenn es nicht unbedingt, das fand ich auch ganz spannend, dass sich das hier widerspiegelt, nicht unbedingt inhärent, was mit Rassismus zu tun hat, das machen die Autoren da auch, sondern tatsächlich auch dieser ökonomische Aspekt, der sozioökonomische Aspekt, die nutzen uns oder die kosten zu viel. Im Mittelpunkt steht und weniger eine inhärente Abwertung, auch wenn die natürlich mit den ganzen Klischees und Vorurteilen irgendwie noch dazuspielt oder wenn die einen fruchtbaren Boden bietet. Aber das ist nicht das primäre Argument an der Stelle. Das macht es nicht unbedingt besser. Aber es eröffnet vielleicht noch mal andere Ansatzpunkte, um damit umzugehen. Und das war das eine Buch, also gekränkte Freiheit von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ist mir eingefallen. Dann, wir haben es auch schon thematisch ein, zweimal angesprochen, das Nomadische Jahrhundert von Gaia Wins, Episode 77, wo es eben genau um diese anstehende Klimavölkerwanderung, wie sie das ja nennt, das hat mit klassischen Fluchtbewegungen ihrer Schilderung nach nicht mehr viel zu tun oder wird nicht viel damit zu tun haben, sondern nochmal auf ein ganz anderes Niveau sich bewegen. Kann man jetzt wahrscheinlich den guten Herrn De Hain und Frau Winz einmal gegeneinander diskutieren lassen. Das fände ich mal ganz spannend.
Holger:
[1:09:03] Da sind sie auf jeden Fall unterschiedlicher Meinung. Aber das ist ja auch okay.
Nils:
[1:09:06] Ja, natürlich. Und dann habe ich noch so ein paar, diese allgemeinen Zeitdiagnose, Krisenbücher, Lage der Nation, die Klimaschmutzen, glaube ich auch alleine deine letzte Folge. Die spielt ja auch schon so ein bisschen rein, so die Verzerrung von Themen oder wie irgendwie zugrunde liegende Realitäten, medial und politisch irgendwie geframed werden, merkt man ja auch ganz schön. Du hattest ja auch, glaube ich, Merchants of Doubt, hattest du ja auch vorgestellt von Naomi Oreskes. Das geht ja auch in dieselbe Richtung. Dann haben wir natürlich die Altenrepublik zum Thema demografischer Wandel. Das haben wir ja auch hier ein bisschen gestreift. Und die Episode 42, Europa, Infrastrukturen, De-Externalisierung. Auch ganz schön, weil da auch dieses Motiv, Afrika ist unser Ressourcenlieferant hier in Europa, einmal schön auseinandergenommen wird. Und wenn wir gerade geredet haben, damit wir irgendwie unseren Arbeitskräftemangel ausgleichen können, müssen wir Menschen aus Südafrika importieren, aus Afrika importieren oder aus anderen Teilen der Welt, da ist ja auch schon wieder diese, die versorgen uns mit Ressourcenlogik irgendwie eingebettet und ja, auch spannend, sich da mal ein bisschen genauer, ein bisschen ausführlicher mit auseinanderzusetzen. Hast du noch Bücher, Ideen, die ich jetzt nicht genannt habe?
Holger:
[1:10:15] Ja, also ich habe auch noch ein paar alte Folgen zuerst. Zum einen, Die Folge 89, Arbeit macht Missbrauch, wo es ja auch so ein bisschen darum geht, da kommt ja auch unter anderem vor, wie dann auch Einwanderer vielleicht mehr bestimmten Machtmissbräuchen ausgesetzt sind. zum Thema.
Holger:
[1:10:41] Neoliberalismus noch die Folge 79, der Allesfresser von Nancy Fraser, ich glaube da, das ist, wie wir auch festgestellt haben ein Thema, was immer wieder kommt wie der Neoliberalismus sich so auswirkt und dann auch noch eine alte Folge das Integrationsparadox, wo ja auch schon Über jetzt sozusagen dann aus der deutschen Sicht, wie wir mit Einwanderung umgehen, das finde ich sehr schön beschrieben ist und auch in gewisser Weise, dass manche Sachen vielleicht gar nicht so schlimm sind, wie sie gerne erzählt werden oder dass manches auch sozusagen manches, was problematisch erscheint, eigentlich auch zeigt, dass wir schon so weit sind, dass wir überhaupt uns damit befassen können. Dann habe ich noch drei Bücher. Zum einen als erstes von Marcel Fratscher, Verteilungskampf, warum Deutschland immer ungleicher wird. Ich denke, da ist klar, in welche Richtung das geht. Dann habe ich möglicherweise auch schon mal empfohlen, Michael Hartmann, die Abgehobenen. Das ist also ein Elitenforscher, also auch Soziologe, der da so ein bisschen beschreibt, wie so die Eliten so denken und warum sie vielleicht auch nicht so verstehen, was für den Rest der Bevölkerung so wichtig ist. Ja.
Holger:
[1:12:09] Was dann vielleicht nochmal hilft, so ein bisschen zu verstehen, wie so gewisse Politiker sich äußern. Und Naomi Oreskes hatten wir eben schon mal erwähnt. Und sie und Eric Conway haben nach Merchants of Doubt noch ein zweites meiner Meinung nach extrem wichtiges Buch geschrieben, The Big Myth, in dem sie darstellen, wie denn sich so dieses ganze neoliberale Denken, wie das so verbreitet und in die Mehrheit der Bevölkerung gebracht wurde. Also so ein bisschen, warum sind wir denn an dem Punkt, wo wir uns gar nichts anderes mehr vorstellen können? Und das ist halt auch von bestimmten Interessengruppen bewusst herbeigeführt worden und das nehmen sie da sehr schön auseinander. Und dann habe ich als letztes noch, wer noch Interesse hat, jetzt an der Migration. Es gibt auch einen Vortrag von Heinde Haas selber, der im Hörsaal vom Deutschlandfunk erschienen ist, etwa nicht ganz eine Stunde lang. Er macht es auch auf Deutsch, entschuldigt sich am Anfang des Vortrags dafür, dass es das erste Mal ist, dass er einen Vortrag auf Deutsch hält. Ist aber alles sehr gut zu verstehen. Also er spricht ziemlich gut Deutsch, halt mit so ein bisschen holländischem Akzent. Aber das ist ja überhaupt kein Problem. Das heißt, wer dann nochmal ihn selber zu dem Thema hören möchte, das tun wir dann auch noch in die Shownotes. Genau.
Nils:
[1:13:33] Ich habe jetzt ein Buch gerade noch vergessen, Capitalist Realism von Mark Fischer. Das hatte ich im Podcast auch einmal angesprochen. Das scheint so ein bisschen in die gleiche Richtung zu schlagen, wie das von Naomi Oreskes und Conor die du gerade angesprochen hattest. Also diese Etablierung, dieser Selbstverständlichkeit des Kapitalismus, die spielen wahrscheinlich ganz gut zusammen.
Holger:
[1:13:53] Ja, kann ich mir vorstellen.
Nils:
[1:13:56] Gut, hast du noch Punkte, die nicht angesprochen worden sind, die du noch loswerden möchtest?
Holger:
[1:14:03] Nö, ich konnte ja erzählen, was ich wollte.
Nils:
[1:14:07] Dann bleibt mir nur, euch auf unsere Webseite zu verweisen. Wenn ihr diesen Podcast spannend fandet, mehr zu uns wissen wollt, mehr Episoden finden wollt, könnt ihr das natürlich auf unserer Webseite tun, zwischenzweideckeln.de. Dann sind wir aber auch zu finden auf allen gängigen Podcast-Plattformen, Spotify, Apple Podcasts und so weiter und so fort. Hinterlasst uns da auch gerne Sterne, Kommentare, Bewertungen. Wir freuen uns, von euch zu hören. Mittlerweile auch wieder zuverlässig auf YouTube sonst in den sozialen Medien könnt ihr uns folgen bei Mastodon sind wir at ZZD at podcasts.social und auf Blue Sky sind wir glaube ich at Deckeln folgt uns da gerne rein und verpasst keine neuen Episoden ihr könnt uns aber natürlich einfach da abonnieren wo ihr all eure Podcasts ohnehin abonniert habt jetzt bleibt mir nur bis zum nächsten Mal euch zu wünschen viel Spaß beim Lesen Tschüss
Music:
[1:15:04] Music
Quellen und so
Intro und Outro der Episode stammen aus dem Stück Maxixe von Agustin Barrios Mangore, eingespielt von Edson Lopes (CC-BY).
Das Umblättern zwischen den Teilen des Podcasts kommt hingegen von hoerspielbox.de.
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Der Beitrag 094 – „Migration: 22 populäre Mythen“ von Hein de Haas erschien zuerst auf Zwischen zwei Deckeln.