

Eigentlich Podcast
Micz & Flo
Reden beim Laufen und laufend Reden - über Film, Technik und Psychotherapie
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Oct 23, 2025 • 1h 39min
EGL089 Body Horror 1: Titane und Weapons
"The body is the only reality we have. Everything else is abstraction." Cronenberg on Cronenberg
Diese Episode wieder in neuer Konstellation – wir sprechen zu viert im Sitzen über Horrorfilme, speziell über Body-Horror. Reinhard Günzler und Chris sind zu Gast und jeder hat einen Body-Horrorfilm zum Besprechen mitgebracht: Reinhard stellt „Titane" vor und Chris hat sich ganz frisch im Kino „Weapons" angeschaut. Eigentlich wollten Micz und Flo noch weitere Body-Horrorfilme vorstellen, aber „The Substance" und „Together" verschieben wir auf die nächste Episode EGL090. Bevor wir in die einzelnen Filme einsteigen, schärfen wir die Definition von Body-Horror und kommen dabei immer wieder auf einen maßgeblichen Vertreter des Genres zu sprechen: David Cronenberg. Cronenberg schuf mit „Die Fliege", „Videodrome", „Crash" und vielen weiteren Filmen die Archetypen des Body-Horrors, bei denen es um Körperverlust, Grenzerfahrungen und Metamorphosen geht. Der Horror entsteht aus einer vertrauten Körperwahrnehmung, die invasiv gespiegelt wird. In den neueren Filmen des Genres stellen wir fest, dass besonders Regisseurinnen ihrer Kunst Ausdruck verleihen, da gerade hier die Zwänge, denen der weibliche Körper innerhalb eines patriarchalen Systems ausgesetzt ist, bildgewaltig dargestellt werden können. Der französische Film „Titane" von 2021 von Julia Ducournau verdichtet diese Themen in ein Kompilat, das immer wieder die Geschichte sprengt. Reinhard fasst das folgendermaßen zusammen: „Man könnte den Film auch als eine tödlich endende Passionsgeschichte beschreiben, als einen brutalen Kreuzweg oder eine dreifache Metamorphose. Also die erste Metamorphose ist vom Mensch zur (Tötungs-)Maschine, dann von einer Maschine zu einem Mann und/oder Sohn und schließlich von einem jungen Mann/Sohn wieder zurück zur Frau und sogar zur Mutter." Der Film löst in diesen Verwandlungsetappen die gesellschaftlichen und psychologischen Geschlechterrollen auf. Hinter dem Horror wird eine Geschichte von Einsamkeit und wiederentstehenden Vertrauen erzählt. Diese und andere gesellschaftlich relevante Themen sprechen wir auch dem jüngst im Kino gezeigten Film „Weapons" von Zach Cregger zu, der das schlagartige Verschwinden einer gesamten Schulklasse zum Thema macht. Bis auf die Erzählfigur Alex, 11 Jahre, rennen alle Kinder mit halb ausgestreckten Armen zu genau der gleichen Uhrzeit in die Nacht hinein und werden nicht mehr gesehen. Der Film ist episodisch erzählt und baut handwerklich geschickt die Spannung und den Horror auf. Chris berichtet, dass er während des Films schnell aufs Klo gehen musste und, um nichts zu verpassen, im eiligen Laufschritt durchs Kino gegangen ist und dabei geistesgegenwärtig die Arme so gestreckt hält, wie die Kinder beim Verschwinden. Das ganze Kino schreckt zusammen angesichts der gebrochenen Fiktion im Kinoraum. Wir lachen sehr bei dieser Anekdote. „Weapons" reißt gesellschaftlich relevante Themen auf wie Altersdiskriminierung, Alkoholismus, Pflegesystem, aber, wie Chris es auf den Punkt bringt: „Vielleicht hat ‚Weapons' keinen tieferen Sinn, aber das ist okay."
Shownotes
Body-Horror
Titane
Weapons (2025 film)
David Cronenberg
Die Fliege (1986)
Videodrome
Tetsuo: The Iron Man
Akira (Anime)
Crash (1996)
Transhumanismus
Tech bro
Alien Earth
Suspiria (2018)
Tilda Swinton
Tanz der Teufel
Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Das Ding aus einer anderen Welt (1982)
The Last of Us
District 9
Lucio Fulci
Shining (Film)
Freaks (1932)
Der Exorzist
Das Unheimliche
Die Elixiere des Teufels
Freddy Krueger
Julia Ducournau
Raw (2016)
Ein andalusischer Hund
Jacob’s Ladder – In der Gewalt des Jenseits
The Wrestler – Ruhm, Liebe, Schmerz
Mickey Rourke
Rashomon – Das Lustwäldchen
Joker (2019)
Es (2017)
Kinder des Zorns
Medusa
Cronenberg on Cronenberg : Cronenberg, David : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive
Mitwirkende
Reinhard
(Erzähler)
IMDb
Chris Flor
(Erzähler)
Florian Clauß
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Micz Flor
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Körper im Widerstand: Eine Vermessung des Body-Horror
Was wir meinen, wenn wir Body-Horror sagen
Body-Horror bezeichnet ein Feld des Horrorkinos, in dem nicht primär ein äußerer Feind oder ein übernatürlicher Akteur den Schrecken erzeugt, sondern der Körper selbst – seine Durchlässigkeit, Veränderlichkeit, sein Verfall. Der Horror entsteht dort, wo Integrität, Identität und Autonomie an der materiellen Grenze des Fleisches verhandelt werden. Das Subgenre arbeitet mit Ekelreizen und Schmerzbildern, aber seine Stärke liegt weniger in der reinen Zurschaustellung als im Nachweis, dass kulturelle, politische und psychische Konflikte in den Körper eingeschrieben sind. Anders als im Splatterfilm, der Verletzung oft als spektakulären Effekt organisiert, macht Body-Horror die Transformation des Körpers selbst zur Aussage: Er zeigt, wie Normen und Technologien auf Organen, Haut und Haltungen wirksam werden – und wie diese Materialität zurückschlägt.
Genealogie des Unbehagens: Cronenberg und die Geburt einer Moderne
Die moderne Grammatik des Body-Horror ist ohne David Cronenberg nicht denkbar. In frühen Arbeiten wie Shivers (1975) und Rabid (1977) verknüpfte er Sexualität, Krankheit und Urbanität zu dem, was er selbst einmal „venereal horror“ nannte: ein Kino der Ansteckungen, das die vermeintlich sichere Grenze zwischen Innen und Außen auflöst. Videodrome (1983) formuliert mit seinem Leitmotiv der „neuen Fleischlichkeit“ eine medienphilosophische These: Bilder sind nicht nur Repräsentationen, sondern Eingriffe – Bildtechnologien kolonisieren Körper, Körper absorbieren Technologie. The Fly (1986) universalisierte diese Einsicht zu einer Liebestragödie des Alterns und Zerfalls: Das Experiment, die Optimierung, kippt in eine Metamorphose, die als Tod und Geburt zugleich lesbar ist. Dead Ringers (1988) verlegt das Monströse in sterile chirurgische Räume und fragt, wie Zwillinge als zwei Körper ein Begehren teilen können, das sie zerreißt. Crash (1996) schließlich radikalisiert die Verbindung von Technik und Haut: Auto, Narbe, Lust – das Trauma als Einschreibung einer Moderne, die nicht mehr zwischen Unfall und Erregung trennt. In allen Fällen ist es derselbe Grundsatz: Der Körper ist keine stabile Hülle; er ist die primäre Realität, in der gesellschaftliche Abstraktionen gravieren.
Diese Linie markiert keine isolierte Autorhandschrift, sondern eine Traditionsbildung. John Carpenters The Thing (1982) und seine formale Perfektion des organischen „Werdens“ gehören ebenso dazu wie die japanischen Industrial-Exzesse eines Tetsuo: The Iron Man (1989), in dem Metall und Fleisch zu einem einzigen, aggressiven Organismus verschmelzen. Der Kanon wird dabei nicht nur durch Effekte bestimmt, sondern durch Ideen: Wie wird Kontrolle gedacht? Woher kommt das Begehren? Wer besitzt wessen Körper?
Ästhetik der Oberfläche: Formen, Motive, Blickregime
Body-Horror ist eine Ästhetik des Nahbereichs. Close-ups von Haut, Poren, Narben, Nähten, Schleimhäuten und Prothesen sind keine bloßen Ekelsignale, sondern methodische Instrumente: Sie entziehen dem Blick Distanz und zwingen zur „Berührung“ mit dem Auge. Praktische Effekte – Masken, Modelle, animatronische Details – erzeugen dabei eine spezifische Glaubwürdigkeit. Wenn der Körper reißt, wenn ein Fremdkörper die Haut nach außen drückt, ist das Bild nicht nur gesehen, sondern imaginiert gefühlt. CGI hat längst seinen Platz gefunden, doch seine stärksten Momente hat das Subgenre dort, wo digitale Mittel konkrete Oberflächen nur verlängern, nicht ersetzen.
Die Motive sind vielfältig, doch sie lassen sich grob bündeln. Infektions- und Parasitenhorror (The Thing; Slither, 2006) inszeniert das Kapern des Körpers als Verlust der Willensfreiheit. Metamorphose und Mutation (The Fly; Bite, 2015) zeigen progressive Verwandlung als Spiegel von Reifung, Krankheit oder Sucht. Chirurgie und Body-Modification (Dead Ringers; The Skin I Live In, 2011; Crimes of the Future, 2022) richten den Blick auf die Schnittstelle zwischen Selbstermächtigung, Kunst und Gewalt. Techno-Organik und Transhumanismus (Videodrome; eXistenZ, 1999; Possessor, 2020) verhandeln die Frage, wo das „Ich“ endet, wenn Interfaces in Nervenbahnen greifen. Reproduktion und Schwangerschaft (The Brood, 1979; Huesera: The Bone Woman, 2022) reartikulieren den Körper als Gefäß und Austragungsort sozialer Projektionen. Öko- und Myko-Horror (Annihilation, 2018; The Last of Us, 2023) materialisieren Klima- und Pandemieängste als Symbiosen und Überwucherungen.
Zentral ist die Blickpolitik: Wer sieht, und aus welcher Position? Body-Horror kann den male gaze reproduzieren – oder ihn durch Gegenblicke und ästhetische Strategien neutralisieren. Cronenberg verschiebt den Voyeurismus oft ins Kognitive: Seine Kamera ist klinisch, nicht lüstern. Arthouse-nahes Gegenwartskino treibt diese Entsexualisierung weiter, indem es Ekelbilder mit Empathie für Verwundbarkeit koppelt. Das Ergebnis ist weniger Schock als Erkenntnis: Die Oberfläche ist nie „nur“ Oberfläche; sie trägt die Spur.
Gegenwart: Diversifizierung, Arthouse-Crossover, neue Perspektiven
Seit den 2010er Jahren hat Body-Horror eine deutliche Breitenwirkung gewonnen, ohne seine radikale Spitze einzubüßen. Julia Ducournau brachte mit Raw (2016) und Titane (2021) eine feministische, melancholisch-zärtliche Perspektive in ein Terrain, das zuvor häufig männlich und technisch konnotiert war. In Raw ist Kannibalismus Coming-of-Age und Begehren – nicht als Provokation, sondern als Metapher für die Überforderung, die in die Welt der Erwachsenen führt. Titane sprengt Kategorien, indem es Geschlecht, Familie und Maschinenbegehren in einen Metamorphose-Rausch überführt, der Härte mit Fürsorge verschränkt. David Cronenberg selbst kehrte mit Crimes of the Future (2022) in ein altersmildes, zugleich wagemutiges Terrain zurück: Performance-Chirurgie, bürokratisierte Organe, die Erotik des Eingriffs – ein Alterswerk, das seine eigenen Frühwerke kommentiert und die Frage stellt, ob der Körper nicht längst eine Bühne ohne „Original“ ist.
Parallel schärft Brandon Cronenberg mit Antiviral (2012), Possessor (2020) und Infinity Pool (2023) den techno-organischen Strang: Celebrity-Krankheiten als Ware; Körper-„Besitz“ per Neuraltech; Klon-Strafrituale, in denen Identität austauschbar wird. Diese Filme denken Körper als Schnittstellen, in denen Ökonomien und Protokolle zirkulieren. Almodóvars The Skin I Live In (2011) führt die chirurgische Kontrolle als melodramatische Grausamkeit vor und verknüpft Identität mit Haut als Material. American Mary (2012) der Soska-Schwestern verhandelt Body-Modifikation zwischen Selbstermächtigung und Ausbeutung. Swallow (2019) macht eine Zwangsstörung zur Körperpolitik innerhalb häuslicher Machtverhältnisse. Und das Öko-/Myko-Feld – Annihilation, The Last of Us – entwirft eine Welt, in der Körper ohne klare Grenze zwischen Individuum und Umwelt existieren. Das Bemerkenswerte ist nicht nur das thematische Spektrum, sondern die ästhetische Sorgfalt: Body-Horror ist festivalfähig geworden, ohne handwerkliche Radikalität einzubüßen.
Politiken des Fleisches: Markt, Geschlecht, Medien
Jenseits der offensichtlichen Schocks liegt die intellektuelle Attraktivität des Body-Horror in seiner Fähigkeit, abstrakte Ordnungen als körperliche Effekte zu zeigen. Der Körper als Ware – Organe, Haut, Krankheiten, Falten – ist ein wiederkehrendes Motiv, das von Antiviral bis Crimes of the Future reicht. Biokapitalismus wird nicht nur behauptet, sondern buchstäblich geschnitten, geformt, implantiert. Die Wellness- und Influencerkultur des 21. Jahrhunderts liefert dabei weniger Inhalte als Formate: Routinen, Timer, App-gesteuerte Selbstoptimierung erzeugen Zeitregime, in die Subjekte ihren Körper einschreiben. Body-Horror antwortet darauf, indem er zeigt, was aus dem Raster fällt: Schweiß, Blut, Hautunreinheiten, Wucherungen – das Abjekte im Sinne Julia Kristevas, das Ausgeschlossene, kehrt an die Oberfläche zurück.
Gleichzeitig erlaubt das Subgenre eine präzise Bearbeitung geschlechtlicher Politiken. Wenn Schwangerschaft zur Folie des Unheimlichen wird, reflektiert das nicht „Natur“, sondern gesellschaftliche Regimes von Kontrolle, Fürsorge und Angst. Wenn eine Figur ihren Körper modifiziert, steht dahinter nicht nur individueller Wille, sondern die Frage, wer definieren darf, was ein „gelungener“ Körper ist. Ducournaus Kino antwortet darauf mit Zärtlichkeit im Extrem – der Verletzliche ist der Maßstab, nicht der Normkörper. Cronenbergs späte Arbeiten sind gelassener: Er suggeriert, dass der Körper längst „öffentlich“ ist; die Frage ist, wie wir ihn lesen. In diesem Sinn ist die Mediensphäre von Videodrome bis zu zeitgenössischen Social-Media-Ästhetiken kein Außen: Bilder sind Operationen, und Operationen sind Bilder.
Form und Material: Warum praktische Effekte wichtig bleiben
Die formale Ökonomie des Body-Horror begünstigt Praktiken, die Materialität erfahrbar machen. Praktische Effekte erzeugen Widerstand: Licht bricht anders auf Latex als auf Pixeln, Klebstofffugen haben eine eigene Semantik, Blut ist in der Viskosität sprechender, wenn es sich nicht vollständig kontrollieren lässt. Diese Widerständigkeit korrespondiert mit einem Ton, der nüchtern bleiben kann, ohne den Ekel zu denunzieren. Cronenberg hat die klinische Kamera etabliert, die Diagnose statt Voyeurismus sucht. Viele Gegenwartsfilme übernehmen diesen Zug: Je präziser Licht, Farbe und Geräusche gesetzt werden, desto weniger geht es um Überrumpelung, desto mehr um eine Lesbarkeit von Körpern, die verletzt und verletzend sind. Das bedeutet nicht, dass das Subgenre sich dem Spektakel verweigert; vielmehr kalibriert es den Effekt auf Bedeutung: Ekel als Erkenntnis.
Das letzte Reale
Der Reiz des Body-Horror liegt darin, dass er eine alte Einsicht des Kinos erneuert: Der Körper ist die Bühne, auf der sich das Politische, Soziale und Intime kreuzen. Indem das Subgenre die Oberfläche in den Mittelpunkt rückt, entwertet es das Innere nicht; es macht nur sichtbar, dass das Innere ohne Oberfläche nicht zu haben ist. In Zeiten, in denen Optimierungs- und Verfügbarkeitsphantasien den Alltag strukturieren, erweist sich die Form als kritisch: Sie unterläuft das Versprechen der glatten Hülle, indem sie die Naht zeigt. David Cronenbergs Werk hat hierfür die Grammatik geliefert, viele Gegenwartsfilme haben den Wortschatz erweitert. Was bleibt, ist eine doppelte Bewegung: Body-Horror zwingt uns, hinzusehen, und erinnert uns daran, dass Sehen eine körperliche Tätigkeit ist. Das Kino, das hier entsteht, ist nicht nur ein Kino des Schreckens, sondern eines der Erkenntnis – nüchtern, präzise, mitunter grausam. Es nimmt seinen Gegenstand ernst: den Körper, der begehrt und leidet, der modelliert wird und sich entzieht. Und es behauptet – souverän, ohne Pathos –, dass gerade dieser Körper die letzte Instanz ist, in der die großen Abstraktionen unserer Gegenwart Wahrheit werden.

Oct 9, 2025 • 38min
EGL088 So funktioniert der StringBender: Pedal-Steel-Sounds auf der E-Gitarre (Stromgitarre 8)
"Gee, I wish I could do that, but I’d need a third hand!" -- Clarence White (Gitarrist, ca. 1967, 1968)
In dieser späten Sommerloch-Episode zum Thema Stromgitarren reden wir über "StringBender". Bei diesem auch "Pull-String" genannten Gadget kann man die Tonhöhe einzelner Saiten verändern. "Bending" (englisch für "biegen") bedeutet üblicherweise beim Gitarrenspiel, eine Saite auf dem Griffbrett nach oben oder unten zu ziehen, wodurch der Ton höher wird. Der "StringBender" tut das und erlaubt gleichzeitig die Tonhöhe genau festzulegen. Wir sprechen über die Geschichte des Gadgets und seine Wurzeln im Pedal-Steel Country und neuere Modelle. Am weitesten verbreitet ist der sogenannte B-Bender, der die H-Saite um einen Ganzton anhebt, gefolgt vom G-Bender, der die G-Saite in der Regel um einen Halbton nach oben zieht. Die technische Umsetzung erfolgt meist über den Gurtpin am Hals, der durch Ziehen am Gitarrengurt aktiviert wird. Alternativ gibt es Systeme mit einem oder mehreren Hebeln hinter der Brücke, sogenannte "Palm Bender". Ein weiterer Player auf dem Markt ist der "HipShot Bender", der über einen Hebel an der Hüfte ausgelöst wird. Darüber hinaus existieren Systeme, bei denen Hebel parallel zu den Saiten nach oben gezogen oder über den Unterarm der Schlaghand bedient werden. Um den Bending-Effekt hörbar zu machen, stimmen Micz und Flo eine große Terz und beenden diese dann auf eine kleine Terz herunter. Ein Wow-Moment für Flo. Angereichert ist die Folge mit Sound-Beispielen, und im Blogpost findet ihr eine Liste von Modellen inklusive vieler DIY-Videos im Netz.
Shownotes
Links zum Track auf Komoot
EGL088 Track auf Komoot
Links zur Episode
Pink Panther - I would like to buy a hamburger
Jaws (1975) Dolly Zoom (Vertigo Effect)
Jolana Vikomt | wurst.guitars
Zur Geschichte der StringBender-Systeme
B Benders - Everything You Need To Know, Scott Poley
B-Benders - Missing History of the Evans Pullstring - ASK ZAC 15
G-Bender History and the Major Players (Jimmy Olander, Jeff King & Brad Paisley)- Ask Zac 172
Marty Stuart: The Story of Clarence White & The Parsons/White StringBender | Guitar Stories
Gene Parson und Chris White: StringBender
Parsons/White StringBender by Edward B. Driscoll Jr. | vintageguitar.com
The Byrds; Gene Parson's String Bender | YouTube
The Byrds – Clarence White & Gene Parsons - StringBender Guitar Interview -1971 | YouTube
The Joe Glaser Bender
The Glaser Bender - smooth, in-tune, and lightweight.
Joe Glaser installs a B-Bender in my Paisley Tele - Ask Zac 81
Bob Warford Bender
Bob Warford - The Second Bender Plans and Photos
"Dark End Of The Street" Solo ab 2:20 von Bob Warford am B-Bender w/ Linda Ronstadt, 1974
McVay Bender
McVay Benders
Hipshot String Bending System
Hipshot B-Bender: B-Bender, Stealth, and Mania | Vintage Guitar
Parsons/Green String Bending System
Bigsby Palm Bender System von Boomer Castleman
Palm pedal auf Wikipedia
Boomer Castleman auf Wikipedia
Bowden B-Benders
Bowden B-Benders The ORIGINAL NON-DEFACING GUITAR STRING BENDERS | Richard Bowden
B-Bender guitar/Bowden String-Bender - Demo by Kevin Lamb
Timara Custom Shop Benders
Timara B&G Benders Tele 3 Saddle Ash Tray Model
Timara Custom Shop Benders
Certano T‑Bender (Palm Bender)
David Certano, born 1968 in the south of France
Göldo DoubleBender TL (Palm Bender)
Der DoubleBender ist in zwei Versionen erhältlich: TL und LP
String Butler B-Bender (LP)
B-Bender string-butler
Göldo HandBender (Swedish Palm Bender, discontinued?)
HandBender System aus Schweden | Premiere Guitar
Duesenberg Multibender
The Duesenberg Multibender - Pedal Steel tones for your electric guitar
Peters Pitch Witch G/B Benders
Peters Pitch Witch benders for Lap Steel, Telecaster, and other guitars
Rolling Bender
Rolling Bender is a family-owned and operated business, based out of Luverne, Minnesota
Rolling Bender Installation
Apollo Music Parts B-G Bender
B-G Bender for LP (Tele video on YouTube)
B-G Bender for Tele installation from Apollo Music Parts
Gitarrist Jimmy Olander im Interview
Jimmy Olander: From Banjo to B-bender | Vintage Guitar
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Verwandte Episoden
EGL012 Stromgitarre: Faszination und Melancholie der E-GitarrenEGL057 Ist der Sommer so schön wie die Fender Telecaster Thinline, klangvoll wie ein P-90 Pickup und werden wir ihn vermissen wie ich meine grüne SG Copy? Stromgitarre Teil 4
Die Idee zum „Parsons/White StringBender“ entstand während Aufnahmen im Studio. An der Gitarre: Clarence White, Gitarrist bei „Nashville West“ und später „The Byrds“. Die Recording Session: 1967 oder 1968, die genaue Session ist nicht immer eindeutig benannt. White versuchte mit seiner Telecaster eine Pedal-Steel-ähnlichen Lick zu spielen, bei dem die H-Saite um einen ganzen Ton nach oben gezogen wird. Mit der linken Hand ließ sich das nicht sauber lösen. Dann versuchte er die H-Saite oberhalb des Sattels beim Spielen nach unten zu drücken. Dazu fehlte ihm aber eine dritte Hand. Die dritte Hand: der Multiinstrumentalist und gelernte Mechaniker Gene Parsons (Schlagzeuger in der Band). Er drückte die Saite bei der Aufnahme nach unten. Im Anschluss meinte White: „Du bist doch Mechaniker, wie könnte so was bei einer Gitarre funktionieren?“. Parsons machte ein paar Skizzen, in denen er überlegte, wie sich Pedal-Steel Pedale mit einer Gitarre verkoppeln ließen. White war wohl nicht überzeugt (siehe auch das Video mit Parsons in den Shownotes) und begegnete: „Ich will kein extra Teil rumtragen, das soll alles in der Gitarre passieren.“
„I Need a Third Hand!“
Parsons entwickelte daraufhin eine Hebelmechanik, die heute immer noch in unterschiedlichen Umsetzungen im Korpus von E-Gitarren eingebaut wird. Die Originalversion war in einer Telecaster verbaut, bzw. angebaut: der Prototyp war doppelt so dick wie eine übliche Telecaster, um die klobige Mechanik, die von hinten an die Gitarre angebracht war, zu verstecken.
Über eine Verbindung vom oberen Gurtpin zum Mechanismus im Inneren der Gitarre wurde der Zug am Gurt in einen gezielten Saitenzug der H-Saite (im Englischen „the b-string“, deshalb B-Bender) übersetzt. Zieht man die Gitarre leicht nach unten (oder hebt die Schulter), wird die Saite über eine Umlenkung in der Brücke um exakt einen Ganzton angehoben. Das System wurde später als „Parsons/White B-Bender“ bekannt und erstmals öffentlich auf dem Byrds-Album „Dr. Byrds & Mr. Hyde“ (1969) eingesetzt. White spielte es auf Songs wie dem Fingerpicking „Nashville West“ oder auch dem Country-Rock Opener „This Wheel’s on Fire“.
Unterschiedliche StringBender-Systeme
Das klassische StringBender-System, wie eben beschrieben, ist fest in die Gitarre eingebaut und nutzt den Gurt als Steuerung. Alternativ gibt es die Gruppe der „Palm Bender“. Das sind Hebelsysteme, die direkt auf oder hinter der Brücke montiert sind und mit der Schlaghand bedient werden. In der Mitte beider Ansätze sehe ich das Konzept des „Hipshot String Bender“. Einerseits am (und nicht im) Korpus angebracht, andererseits aber nicht mit der Hand sondern der Hüfte aktiviert. Doch die unterschiedlichen Systeme werden auch manchmal kombiniert. So sagt der Gitarrist Jimmy Olander im Interview auf Vintage Guitar:
„The G string lever works off my shoulder strap. You push the guitar down for it to operate. The B string works off a keychain on my belt loop. I push the guitar away from me to engage it.“
Jimmy Olander im Interview auf Vintage Guitar
Ich möchte die Lösungen für Gitarre hier kurz vorstellen. Lap-Steel spreche ich hier nicht weiter an. In den Shownotes habe ich Links zu Herstellern und Videos zusammengetragen. Die Liste ist ganz bestimmt nicht vollständig. Gleichzeitig beinhaltet sie auch Lösungen, die nicht mehr hergestellt werden, die ich aber gerne als „hostorisch“ mit reinnehmen wollte (wie z.B. den schwedischen HandBender).
Im Korpus versteckt: classic StingBender-Mechaniken mit Gurtsteuerung
Die bekannteste Variante ist der „Parsons/White StringBender“, die ich oben schon vorgestellt habe. Neben dem Original gibt es Weiterentwicklungen wie den „Glaser Bender“ von Joe Glaser, der sich leichter anpassen lässt und etwas kompakter gebaut ist. Dieser ist auch „umschaltbar“ von G- auf B-Bender und zurück. Siehe dazu das sehr sympathische Video in den Shownotes. Eine weitere Version dieser Idee gibt es u.A. vom Gitarristen Bob Warford, der auf „Dark End Of The Street“ das Solo ab 2:20 mit B-Bender spielt. Link zu diesem Video, in dem auch Fotos seines StringBender Mechaninismus‘ zu sehen sind, in den Shownotes. Die meisten eingebauten Systeme arbeiten „nur“ mit einer Saite. Das ist bei den folgenden Systemen anders.
Hebel an der Hüfte: der Hipshot Bender
Ein separates Konzept verfolgt der „Hipshot String Bender„, der statt im Inneren der Gitarre außen am Gurtpin montiert wird. Der Bending-Effekt wird dabei nicht über den Gurt, sondern über einen kleinen, seitlich angebrachten Hebel ausgelöst, der sich mit der Hüfte betätigen lässt. Der Vorteil liegt im einfachen Nachrüsten: Der Hipshot lässt sich mit wenig Aufwand an vielen Gitarren montieren, ohne deren Korpus zu verändern. Außerdem erlaubt er durch zusätzliche Module das gleichzeitige oder separate Benden mehrerer Saiten.
Wenig invasiv: Palm Bender und verwandte Systeme
Angefangen hat diese Entwicklung für Gitarren 1968 beim US-amerikanischen Gitarristen und Songwriter Boomer Castleman. Er wollte Pedal-Steel-typische Bending-Effekte auf einer normalen E-Gitarre spielbar machen. Das System kam in den frühen 1970er-Jahren als „Bigsby Palm Pedal“ auf den Markt und gilt als das Original. Schon zur damaligen Zeit und auch nach Ablauf des Patents wurden ähnliche Produkte auch von anderen Herstellern angeboten.
„Bowden B-Benders“ etwa sind bekannt für ihren nicht-invasiven Einbau: Die Mechanik sitzt vollständig auf der Brücke und erfordert keine baulichen Veränderungen am Instrument. Richard Bowden wurde nach Clarence Whites Tod von Byrds‘ Roger McGuinn als Gitarrist in seine neue Band geholt. Bowden war kein Telecaster-Spieler wie White, sondern spielte eine Gibson SG. Für Gibsons gab es damals keine praktikablen B-Bender-Systeme, außer dem Bigsby Palm Pedal. Das aber erforderte Modifikationen, die Bowden vermeiden wollte. Er entwickelte in seiner Werkstatt ein eigenes System, eine Art Hand- oder Handgelenk-Pedal, das auf seiner Gibson montiert werden konnte.
Ähnlich aber für die Telecaster funktioniert der Bender von „Timara Custom Shop“, der sich auch für komplexere Mehrfach-Bendings konfigurieren lässt. Der „Certano T‑Bender“ stammt aus Frankreich und bietet präzise kontrollierbare Hebel, die parallel zur Brücke laufen. Hier wird einfach nur die Brücke ausgetauscht. Keine Löcher und komplett reversibel.
Im deutschsprachigen Raum bekannt ist der „Göldo DoubleBender“, erhältlich in Versionen für Tele- oder Les-Paul-artige Gitarren. Das System arbeitet ebenfalls mit zwei Hebeln, die sich unabhängig voneinander bedienen lassen. Der etwas ältere „Göldo HandBender“ – ursprünglich ein schwedisches Design – ist mittlerweile glaube ich nur noch gebraucht erhältlich. Als Speziallösung, die auch ermöglicht Saiten nach unten zu pitchen, bietet „Duesenberg“ mit dem „Multibender“ eine modifizierte Bridge-Einheit, die es erlaubt, auch zwei oder mehr Saiten zu benden. Dieses System findet man serienmäßig auf einigen Lap-Steel-Modellen, lässt sich aber auch auf Standardgitarren montieren. Ergänzt wird das Spektrum durch innovative, neue und oft günstigere Produkte wie „Peters Pitch Witch“ und den „Rolling Bender“, der minimal invasiv einfach nur statt eines Sattels eingesetzt werden muss.

Sep 25, 2025 • 2h 7min
EGL087 Eigentlich Keyboards 2 – Von den Teilen zum Ganzen
Bauen beim Reden und bauend Reden...
Hier kommt Teil 2 unserer Keyboard-Reihe – und Tobs ist wieder zu Gast. Tobs ist Design Lead bei Google Fonts und hat sein neues Hobby „mechanische Keyboards“ in kurzer Zeit mit mindestens acht Boards kultiviert. Wie in der letzten Folge angekündigt, bauen wir heute Flos Keyboard zusammen. Zwischen den Aufnahmen lag genug Zeit, damit Flo seine Teile auswählen und bestellen konnte: Er entschied sich für das Neo80-Case in Rot und die MK PBS Black‑on‑Black Keycaps im QWERTZ‑Layout. Beim Auspacken sprechen wir über Flos Motivation, das Board in Schwarz und Rot zu gestalten – als Hommage an seine erste geliebte Schreibmaschine, die Olivetti Valentine. Der Zusammenbau läuft in mehreren Phasen: Zuerst werden die Stabilisatoren geschmiert und auf das Board geschraubt. Dann stecken wir – je nach Tastenbreite und Layout – die Switches ins PCB. Anschließend montieren wir die Keycaps und versenken das Board mit Foam und POM im Case. Das Funktionieren und Mappen der Tasten prüfen wir mit einem Open‑Source‑Tool (VIA/usevia.app). In jeder dieser Phasen ging bei uns irgendetwas schief, so ist das eben beim ersten Mal. Während der Montage streifen wir viele Themen rund um Schreibmaschinen und Keyboards: die Geschichte der Mechanisierung, die erfolgreichste elektrische Schreibmaschine IBM Selectric mit dem wechselbaren Kugelkopf sowie den Kampf um das Tastaturlayout – und warum sich QWERTY gegenüber Alternativen wie Dvorak am Ende doch durchgesetzt hat. Der größte Teil unserer Bauzeit floss in die Stabilisatoren. Wir mussten das Keyboard einmal komplett wieder auseinandernehmen, weil die Shift‑Taste nicht sauber lief – tja, „Shift happens“, wie auch der Titel des großartigen Buchs von Marcin Wichary, auf das wir mehrmals Bezug nehmen. Am Ende wurden wir nicht ganz fertig; Flo musste noch Hausaufgaben erledigen, bevor das Board alltagstauglich war. In den Tagen danach hat er das Keyboard zweimal komplett zerlegt und wieder aufgebaut. Der zweite Komplettumbau kam, als er beim HTML‑Schreiben merkte: Die Taste für die spitzen Klammern fehlt – die linke Shift lag im ANSI‑Layout über zwei Kappen und blockierte die ISO‑„<>“-Position. „Das stärkt die Beziehung zum Keyboard“, kommentiert Tobs trocken. Das und wie es weiterging, erzählen wir im Recap eine Woche später, das am Ende der Folge hängt.
Shownotes
Tobias Kunisch - Google | LinkedIn
Browse Fonts - Google Fonts
MK PBS Black on Black PBT Keycap Set – MonacoKeys
Olivetti Valentine - Wikipedia – Wikipedia
Shift Happens
The Elements of Typographic Style - Wikipedia – Wikipedia
Notion
Serie EE 2001: Philips/Schuco Experimentiersystem
IBM Selectric - Wikipedia – Wikipedia
Blickensderfer – Wikipedia
Dvorak keyboard layout - Wikipedia – Wikipedia
Comic Sans typeball for the IBM Selectric Typewriter by settinger | Download free STL model | Printables.com
Neo (Tastaturbelegung) – Wikipedia
Christopher Latham Sholes – Wikipedia
Schreibmaschinen-Kugelkopf – Wikipedia
Tastaturbelegung – Wikipedia
Daisy wheel printing - Wikipedia – Wikipedia
Shift Happens: Cover Stories
The primitive tortureboard – Aresluna
Just a moment…
Colemak
VIA
Releases · the-via/releases · GitHub
UTF-8 is a Brilliant Design — Vishnu's Pages
How to Build a Custom Keyboard - A Simple Guide - alexotos
Zen65 Keyboard
Labubu - Wikipedia – Wikipedia
Monkeytype | A minimalistic, customizable typing test
Mitwirkende
Florian Clauß
Bluesky
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Tobias Kunisch
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Von der Mechanik zur Matrix: Warum QWERTY blieb
Die Geschichte der Tastatur ist weniger eine Abfolge genialer Einfälle als eine Kette nüchterner Anpassungen an technische Notwendigkeiten. QWERTY wurde seit seiner Einführung als zufällig, unergonomisch und mit unnötig langen Fingerwegen gescholten. Gleichzeitig steht es für eine der beharrlichsten technischen Konventionen der Moderne. George C. Blickensderfer versuchte, diesen Status quo zu unterlaufen: Sein „Scientific“-Layout DHIATENSOR legte die häufigsten Buchstaben auf die Grundreihe, verkürzte Wege und versprach messbare Zeitgewinne. Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago zeigte er neben aufwendigeren Modellen den günstigen, tragbaren „Blick 5“ – technisch experimentell, mit Typenrad statt Typenhebeln, automatischen Wortabständen und Kurzwort-Tasten. Weitere Einfälle – eine Rechts-nach-links-taugliche „Blick Oriental“, eine frühe elektrische Maschine (1902), sogar ein Chiffriergerät – blieben am Rand. Der Markt bevorzugte Vertrautheit und Preiswürdigkeit. Scientific konnte sich nicht durchsetzen; QWERTY-Optionen und spätere Umrüstsätze wurden nötig, die „Shift-Kriege“ entschieden zugunsten der Vier-Reihen-Anordnung, der Erste Weltkrieg stoppte Produktionen, und 1921 übernahm Remington Werk und Patente.
Die hartnäckigsten Erzählungen über QWERTY – reiner Zufall, ein Verkaufswitz mit TYPEWRITER in der oberen Reihe, eine absichtliche Verlangsamung – verlieren vor den Quellen an Schärfe. Zwischen 1872 und 1876 führten vor allem die Zwänge der frühen Up‑Strike‑Mechanik zu schrittweisen Korrekturen: benachbarte Typenhebel kollidierten, Doppelanschläge entstanden im Verborgenen. Patente, Maschinen und zeitgenössische Illustrationen zeigen kleine, gezielte Justagen vom alphabetischen „Klavier“ zur funktionalen Matrix. Hinzu kommt die Praxis: Sholes und Densmore vermarkteten an Telegrafisten, die 50–60 Wörter pro Minute aufnehmen mussten; frühe Wettbewerbe mit Touch‑Typist Frank McGurrin deuten, trotz aller Imperfektion, auf Tempo statt Drosselung. QWERTY entstand vor der Shift‑Taste und vor dem Zehnfingersystem; dass sich Touch‑Typing überhaupt etablierte, spricht weniger gegen, eher für die Basistauglichkeit der Anordnung.
Alternativen und die Kontroverse um den „richtigen“ Standard
Noch vor Dvorak wurde intensiv variiert: Caligraph, Hammond, Crandall, Fitch und andere jonglierten mit Häufigkeiten, Fingerlasten und Kraftverläufen. Patente aus den 1880er bis 1930er Jahren verteilten seltene Buchstaben auf stärkere Finger, clusterten häufige um die Zeigefinger oder kombinierten Prinzipien. Dvorak und Dealey trieben den Anspruch in den 1930ern am weitesten: Das „Simplified Keyboard“ ist eine systematische Absage an QWERTY – vier Reihen bleiben, die Grundreihe erhält zehn Buchstaben, Interpunktion und zunächst die Ziffern werden methodisch verlegt, A und M bleiben als einzige am Platz. Das Ziel: Alternation der Hände, Reduktion von „Hürden“, geringere Reichweiten, leisere Ermüdung; die rechte Hand trägt bewusst etwas mehr Last. Ihr monumentales „Typewriting Behavior“ vereint Ergonomie, Psychologie und Didaktik zu einer geschlossenen Argumentation.
Die Rezeption bleibt gespalten. Eine Navy‑Studie von 1944 berichtet von bemerkenswerten Zugewinnen nach kurzer Umschulung; eine GSA‑Untersuchung 1956 kommt zum gegenteiligen Schluss und rät vom Umstieg ab, Rohdaten inklusive. Seither stehen „44er“ und „56er“ einander mit Vorwürfen von Bias, Statistikfehlern und irreplizierbaren Effekten gegenüber – verschärft durch banale Hürden: Umrüst‑ und Schulungskosten, zögerliche Hersteller und Schulen, unglückliche Produktpolitik, etwa die Frage der Ziffernreihe.
Ökonomische Deutung und Gegenrede
Volkswirtschaftlich wurde QWERTY zum Lehrbuchfall der Pfadabhängigkeit und des Lock‑in: Ein Standard verfestigt sich auf einem womöglich suboptimalen Plateau (Paul A. David). Dem hielten Stan Liebowitz und Stephen Margolis entgegen: Die behauptete Überlegenheit von Alternativen sei empirisch nicht robust, der Sieg QWERTYs daher weniger Zufall als Folge von Kompatibilität, Trainingspfaden und einer schwachen Konkurrenz. Zwischen beiden Positionen liegt die Praxis: Standards entstehen selten im Vakuum, sondern an der Schnittstelle von Technik, Märkten und Institutionen – und bleiben, wenn Umstellungskosten real und Vorteile begrenzt sind.
Technische Rehabilitation: Kollisionen statt Zufall
Ein wichtiger Perspektivwechsel kam mit der Analyse von Neil M. Kay (2011). Nicht das mutmaßliche Trennen häufiger Buchstabenpaare, sondern das Minimieren von Kollisionen in der frühen Up‑Strike‑Mechanik erklärt die Evolution des Layouts. Simulationen mit realen Texten zeigen: Alphabetische Tastaturen produzieren im Schnitt eine Kollision alle 26 Wörter, QWERTY etwa eine pro tausend. Designschritte – das Heben von E und I aus der Mittelreihe, der spätere Z‑X‑C‑Tausch, das Versetzen des M – werden so nachvollziehbar; nationale Varianten (AZERTY, QWERTZ, QZERTY) erscheinen als minimal‑invasive Sprachoptimierungen. Entscheidend ist das Ergebnis: QWERTY war weder Zufallsprodukt noch „schlechtestes“ Layout, sondern eine historisch stringente Antwort auf Maschinentechnik – und für das spätere Zehnfingerschreiben „gut genug“, um bis zu 90 Prozent der theoretischen Spitzenleistung zu ermöglichen.
Persistenz und Praxis: Warum „gut genug“ reicht
Mit dem Übergang vom Typenhebel zur Elektronik verschwanden die ursprünglichen Zwänge, nicht aber die geschulten Hände und die Infrastruktur. Die PC‑Ära erlaubte per Software jede Umschaltung; Dvorak, Colemak, Workman oder sprachspezifische Varianten wie Neo und BÉPO sind verfügbar, ihre Verbreitung bleibt dennoch begrenzt. Studien berichten kleine, oft spürbare Komfortgewinne und gelegentliche Geschwindigkeitsvorteile – zu wenig, um Lernkurven, Interoperabilitätsprobleme und Alltagsfriktionen im großen Maßstab zu rechtfertigen. QWERTY persistiert, weil es weltweit les‑, lehr‑ und lieferbar ist. Und doch bleibt Raum für Kultur: Die Olivetti Valentine (1969) kleidete die Mechanik der Lettera 32 in ein rotes, dekonstruierendes Statement – als „tragbarer Gegenentwurf“ zum grauen Bürostandard. Technisch mittelmäßig, marktwirtschaftlich ein Underdog, museal ein Triumph: ein Hinweis darauf, dass Tastaturen nicht nur Werkzeuge sind, sondern auch Formen sozialer Selbstbeschreibung.
So entsteht ein nüchternes Gesamtbild: QWERTY löste reale Maschinenprobleme effizient, wuchs in Netze, Schulbücher und Software hinein und blieb, weil es ausreichend gut funktionierte. Dvorak und andere Alternativen optimierten die Bewegung des Menschen – eine ernsthafte, für manche lohnende Option, aber kein Katalysator für eine globale Umstellung. Zwischen Mechanik und Mythos behauptet sich der Standard als das, was erfolgreiche Standards meist sind: die Summe aus technischer Plausibilität, institutioneller Trägheit und der stillen Macht des Gewohnten.

Sep 11, 2025 • 47min
EGL086 Pickup-Physik deiner E-Gitarre: Humbucking und Phasendrehung richtig planen (Stromgitarre 7)
"On the solo to Bohemian Rhapsody, I've got the neck pickup working out of phase with the center pickup. (...) This setting produces a very sweet harshness." -- Brian May, QueenConcerts 23.05.2005
Wieder eine Sommerloch-Episode zum Thema Stromgitarren – diesmal, um ein für alle Mal zu erklären, was Humbucking und Out-of-Phase eigentlich miteinander zu tun haben und was nicht. Der Humbucking-Effekt entsteht rein technisch durch zwei Spulen mit entgegengesetzter Wicklungsrichtung, die nahe beieinanderliegen und dadurch Brummgeräusche auslöschen – völlig unabhängig von der Magnetpolung. Erst wenn es darum geht, wie das eigentliche Gitarrensignal (also die Saitenschwingung) durch beide Spulen geleitet wird, kommt die Magnetpolarität ins Spiel. Dann entscheidet sich, ob der Klang voll und durchsetzungsstark („in Phase“) oder dünn und nasal („out of phase“) klingt – und dabei kann der Brumm immer noch unterdrückt sein oder nicht, je nach Kombination von Wicklung und Magneten. Klingt kompliziert? Deshalb erklärt Micz es Flo. Denn wenn Flo es kapiert hat, dann können es wirklich alle verstehen.
Shownotes
Link zur Strecke auf Komoot
EGL086 | Wanderung | Komoot
Links zur Episode
Brian May über seine Git. Sounds in QueenZone discussion #543051
Kirk Hammets about his 1959 Les Paul "Greeny"
Pink Panther - " I Would like to buy a Hamburger" - YouTube
Tonabnehmer / Pickups auf Wikipedia
P.A.F. (pickup) auf Wikipedia
Humbucker Pickup auf Wikipedia
Alter Post: Tschechiens Kulturinstitut in Berlin: aktiver Vermittler der tschechischen Kultur in der Welt
Tschechisches Zentrum Berlin in Wikipedia
Pressemeldung der Botschaft der Tschechischen Republik zum Umzug
Mitwirkende
Micz Flor
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EGL023 Eigentliches Tonabnehmer-Wissen in Stromgitarre Teil 2: Single-Coil, Humbucker, Coil-Tapping -Splitting, Magnete, Spulen, Alumitone Pickups.EGL067 Dummy Coil zähmt Jaguar Kralle: Out-of-Phase Wiring Diagram für Single Coil Pickups in Stromgitarre 6
Wir sprechen heute über zwei „Fehler“ der Gitarrenelektronik. Es geht um Humbucking (Brummen mittels zweier Spulen auslöschen) und Phasendrehung („Out-of-Phase“ Sound, in dem sich die Signale zweier Spulen größtenteils auslöschen). Zumindest letzerer ist für viele ein Feature und kein Fehler. In vielen Wiring Diagrams ist „Out-of-Phase“ in der Verschaltung fest eingeplant. Wer das hier durchhört kann endlich die Frage beantworten:
Wie kann ich zwei Pickups so miteinander verdrahten, dass ich kein Brummen aber den „Out-of-Phase“ Sound bekomme?
In Foren und Gesprächen werden diese Begriffe oft vermischt oder verwechselt, obwohl sie technisch gesehen zwei ganz unterschiedliche Dinge beschreiben. Wer seine E-Gitarre wirklich verstehen will – sei es zum Modden, Reparieren oder einfach aus Interesse – tut gut daran sich das folgende noch mal klar zu machen.
Hum Bucking geht über die Spule und hat mit den Magneten nichts zu tun
Der sogenannte Humbucking-Effekt entsteht durch das gezielte Zusammenspiel zweier Spulen (Coils) mit entgegengesetzter Wicklungsrichtung. Diese beiden Spulen können nebeneinander oder auch übereinander angeordnet sein. Bei entgegengesetzter Wicklung gleichen sich die Störsignale in den beiden Spulen gegenseitig aus, weil die Wellenberge des einen Signals auf die Wellentäler des anderen treffen. Micz erklärt dies anhand des Bildes von zwei Uhren, die eine läuft rechtsrum, die andere links. Die Amplituden der Zeiger gemessen zur vertikalen Achse gleichen sich aus.
Je dichter die beiden Spulen beieinander liegen, desto exakter wirken die Auslöschungseffekte und desto effektiver ist die Brummunterdrückung. Dies ist vor allem wichtig im Hinterkopf zu behalten, wenn wir später über den „Out-of-Phase“ Sound sprechen.
Dieser sogenannte Humbucking-Effekt beruht rein auf der elektrischen Verschaltung und Wickelrichtung der Spulen und hat zunächst nichts mit der Ausrichtung der Magneten zu tun.
Ein klassisches Beispiel dafür ist der Gibson PAF. „PAF“ (Patent Applied For) war die Prägung auf dem Pickup und wurde zum Synonym für diesen Humbucker. Hier sind zwei Spulen nebeneinander angeordnet: eine mit einstellbaren Schraubpolen und eine mit festen Slugs. Die Schraubenspule ist in der Regel südmagnetisch, die Slug-Spule nordmagnetisch. Beide Spulen sind gegenläufig gewickelt und elektrisch so verschaltet, dass sich das Brummen auslöscht, während das Gitarrensignal erhalten bleibt. Diese sorgfältig abgestimmte Kombination aus Wicklungsrichtung und Magnetpolarität ist das Herzstück des charakteristischen Humbucker-Sounds.
So gesehen ist eine Fender Telecaster mit zwei unterschiedlich gewickelten und entgegengesetzt gepolten Single-Coil-Pickups technisch betrachtet ebenfalls ein Humbucker – auch wenn die Spulen nicht in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht sind. Auch eine Gibson Les Paul Junior mit nur einem einzelnen Humbucker an der Bridge-Position entspricht prinzipiell diesem Aufbau. Der Unterschied ist, dass im Humbucker die Spulen in Reihe, in der Telecaster parallel geschlatet sind. Für Hum Bucking ist dies jedoch irrelevant.
Der entscheidende Unterschied liegt im Abstand der Spulen zueinander. Bei der Telecaster befinden sich Hals- und Steg-Pickup physisch weit voneinander entfernt. Dadurch wirkt der Humbucking-Effekt zwar prinzipiell, ist aber deutlich schwächer ausgeprägt, weil sich die Störsignale in den beiden Spulen aufgrund des größeren Abstands nicht exakt auslöschen. Im Gegensatz dazu liegen die beiden Spulen in einem klassischen Humbucker wie beim PAF direkt nebeneinander, was zu einer wesentlich präziseren Unterdrückung von Brummgeräuschen führt. So gesehen hat der einzelne Humbucker in der Les Paul Junior einen effektiveren Humbucking-Effekt als das Pickup-Paar einer Telecaster.
Die Magnetfelder haben keinen Einfluss auf das Hum Bucking
Die Magnetfelder im Pickup erzeugen das notwendige statische Feld für die Induktion durch die Saiten, sie bestimmen aber nicht, ob Störsignale ausgelöscht werden. Humbucking und das Thema „in Phase“ bzw. „Out-of-Phase“ hängen also nur dann zusammen, wenn zusätzlich zur Wicklungsrichtung auch die magnetische Ausrichtung berücksichtigt wird.
„On the solo to Bohemian Rhapsody, I’ve got the neck pickup working out of phase with the center pickup. In this particular setting, I have the two switches for the neck and middle pickup turned on but the bridge pickup turned off. On top of that, one of the phase switches is clicked up instead of down (it really doesn’t matter which one.) This setting produces a very sweet harshness.“
Brian May, QueenConcerts 23.05.2005
„Out-of-Phase“ in Abhängigkeit von Wicklungsrichtung, Magnetfeld und Abstand der Spulen
An dieser Stelle lässt sich gut zum Thema „in-Phase“ und „Out-of-Phase“ überleiten. Entscheidend ist hier die Ausrichtung der Magneten, also ihre Polarisierung. Wenn zwei Pickups zwar elektrisch entgegengesetzt gewickelt, aber gleich magnetisiert sind, dann löschen sich zwar Brummgeräusche gegenseitig aus – das gewünschte Signal der Saitenschwingung jedoch nicht. Es entsteht ein sogenannter „in-Phase“-Sound. Das ist der „normale“ Sound. Wenn hingegen entweder die elektrische Phase (also Wicklungsrichtung oder Anschlussbelegung) oder die magnetische Polarisierung eines Pickups verdreht ist, kommt es zur Auslöschung von Teilen des Nutzsignals. Das Ergebnis ist ein „Out-of-Phase“-Sound: dünn, höhenreich, leicht nasaler Klang mit deutlich verringertem Tieftonanteil.
Der Abstand der Spulen voneinander kommt hier zum Tragen, wie eingangs schon angedeutet. Je weiter die Coils voneinander entfernt sind, desto weniger wird nicht nur das Brummen ausgelöscht, sondern eben auch das Signal. Innerhalb eines Humbucker Pickup (verglichen z.B. mit den beiden Pickups einer Fender Telecaster) werden mehr Anteile des Brummens UND des Signals ausgelöscht. Jetzt schauen wir noch mal auf Miczs Bild mit den Uhren, die sich auslöschen: eine läuft rechts-, die andere linksherum. Die Amplituden der Zeiger gemessen zur vertikalen Achse löschen sich gegenseitig aus. Die Summer ist Null. Aber…
Wenn wir die Uhren nicht ganz genau gleichzeitig starten, dann hat das wenig Einfluss auf die Auslöschung der Stundenzeiger. Diese brauchen sechs Stunden für eine halbe Umdrehung. Drei, vier Sekunden machen da keinen Unterschied. Aber die Sekundenzeiger sind viel empfindlicher. Wenn ein Zeiger schon bei Sekunde 5 ist, wenn die Andere Uhr beginnt, dann ist da eine deutliche Differenz zu messen – verglichen mit den Stundenzeigern.
Deshalb klingen die „Out-of-Phase“ Signale höher, hohler, nasaler, oder wie auch immer sie beschrieben werden: die tieferen Frequenzen sind die Stundenzeiger, die besser ausgelöscht werden. Die hohen Frequenzen sind die Sekundenzeiger, die mehr Amplitude herstellen. Deshalb ist mehr von diesen zu hören (die wiederum auch in der Kurve stark verändert werden).
Wichtig noch und „Merke“: der „Out-of-Phase“ Effekt ist nur hörbar, wenn beide Pickups gleichzeitig aktiv sind – etwa in der Mittelstellung einer Dreiwegschaltung an sind.
„Out-of-Phase“ mit Switch oder Verdrahtung
„Out-of-Phase“ Sound wird oft mittels eines Kipp-, Schiebe- oder Push-Pull-Schalters hergestellt. Dabei werden einfach die Anschlüsse einer Spule getauscht. Dies geht nicht bei allen Pickups. Gerade bei älteren kommen meist nur zwei Drähte aus dem Pickup: Erdung (Masse) und Signal (Hot). Neuer Pickups haben meist fünf Kabel: Masse und 2 x für jede Spule.
Vorteil dieser Herangehensweise: man kann einfach zwischen beiden Modi hin- und herschalten. Nachteil: bei Out-of-Phase wird entfällt die Brummunterdrückung.
„Out-of-Phase“ UND Hum Bucking durch Umkehr der Magnete
Was viele überrascht: Auch bei einem „Out-of-Phase“-Sound kann der Humbucking-Effekt vollständig erhalten bleiben. Das ist dann der Fall, wenn zwei Spulen unterschiedlich gewickelt sind, aber dieselbe magnetische Ausrichtung haben. Brummgeräusche löschen sich aus – das Signal der Saitenschwingung dagegen teilweise. Umgekehrt kann es auch vorkommen, dass zwei gleich gewickelte Spulen mit entgegengesetzter Magnetpolarität einen sehr ähnlichen Klang erzeugen, der ebenfalls „Out-of-Phase“ klingt – in diesem Fall aber nicht brummfrei ist, weil der Humbucking-Effekt entfällt. Entscheidend für die Brummunterdrückung ist also immer die Kombination aus Wicklung und Magnetrichtung – nicht der Klang allein.
Das gleiche Prinzip gilt auch bei der Verwendung von zwei Humbuckern, wie man sie etwa bei einer Gibson Les Paul findet. In der Mittelstellung (Bridge + Neck) kommt es auch hier auf die Phase und Polarisierung der Pickups an. Wer gezielt einen „Out-of-Phase“-Sound anstrebt – sei es in Reihenschaltung (seriell) oder in Parallelschaltung –, muss entweder die elektrische Phase eines der Pickups umdrehen (z. B. durch Vertauschen von Hot und Masse) oder die magnetische Polarität einer der Spulen verändern. Letzteres lässt sich durch das vorsichtige Umdrehen des Magneten innerhalb des Pickups erreichen.
Für Telecaster-Spieler (oder andere Single-Coil Gitarren) bedeutet das: Wer in der Mittelstellung einen charakteristisch nasalen „Out-of-Phase“-Sound erzeugen möchte, sollte gezielt nach einem Steg- oder Hals-Pickup suchen, der zur bereits verbauten Gegenseite eine gleiche magnetische Orientierung, aber eine entgegengesetzte Wicklungsrichtung aufweist. Nur so bleibt der Humbucking-Effekt erhalten.
Korrektur zur Tour: „Tschechische Botschaft“ und das „Tschechische Zentrum Berlin“
Die „Tschechische Botschaft“ und das „Tschechische Zentrum Berlin“ sind gerade nicht in dem Gebäude, das wir fotografiert haben. Diese befanden sich bis Januar 2023 in der Wilhelmstraße 44. Aufgrund einer umfassenden, mehrjährigen Sanierung dieses Botschaftsgebäudes – initiiert durch das tschechische Außenministerium – war ein Standortwechsel erforderlich. Seit Januar 2023 befindet sich das Tschechische Zentrum Berlin daher vorübergehend in den Räumlichkeiten des Goethe-Instituts Berlin in der Neue Schönhauser Straße 20, 10178 Berlin. Die Verlegung dient der Aufrechterhaltung des Programmbetriebs während der Bauarbeiten und wurde als Übergangslösung kommuniziert. Mehr dazu in den Links der Shownotes.

Aug 28, 2025 • 1h 1min
EGL085 Eigentlich Keyboards – der mechanische Podcast
Tippen beim Reden und redend tippen...
Tobs ist wieder zu Gast bei „Eigentlich Podcast”. Vor zwei Jahren haben wir über Webfonts gesprochen. In dieser Folge knüpfen wir an das Thema Schriften an, allerdings aus einer eher praktischen Perspektive: Wir sprechen über mechanische Keyboards. Und wir brechen mit einem Grundprinzip des Podcasts: Diesmal nehmen wir nicht im Laufen, sondern beim Tippen auf. Flo besucht Tobs in dessen Arbeitszimmer und wird in die hohe Kunst des Keyboardbauens eingewiesen. Tobs hat sich in letzter Zeit intensiv mit Cases, Switches und Keycaps beschäftigt und viele verschiedene Varianten und Kombinationen ausprobiert, um das perfekte Keyboard zu finden. Die Keyboard-Verkostung ist dramaturgisch klassisch aufgebaut. Tobs präsentiert acht verschiedene Modelle, und wir arbeiten uns in der Reihenfolge zum beliebtesten vor. Flo lernt die Unterschiede in Haptik, Klang und Design kennen. So kann er sich in Vorbereitung zur nächsten Episode die einzelnen Komponenten besorgen, um dann mit Tobs gemeinsam sein eigenes Keyboard zusammenbauen zu können.
Shownotes
Links zur Episode
Computer keyboard - Wikipedia – Wikipedia
Printed circuit board - Wikipedia – Wikipedia
https://www.gmk.net/shop/gmk-keycap-switch-puller-tool
Keyboard technology - Wikipedia – Wikipedia
List of keyboard switches - Wikipedia – Wikipedia
Cherry AG - Wikipedia – Wikipedia
UTF-8 - Wikipedia – Wikipedia
Ergonomic keyboard - Wikipedia – Wikipedia
QWERTY - Wikipedia – Wikipedia
Keyboard layout - Wikipedia – Wikipedia
Umschalttaste – Wikipedia
Feststelltaste – Wikipedia
em (Schriftsatz) – Wikipedia
Monkeytype | A minimalistic, customizable typing test
Commodore 64 – Wikipedia
8BitDo Retro Mechanical Keyboard - C64 Edition | 8BitDo
SA Profile – KPrepublic
Clicky Switches|AKKO Germany
Nuphy Air75 : Wireless & Low Profile Keyboard Mechanical – NuPhy
VIA | VIA
Flow84, the Smoothest Mechanical Keyboard
EPOMAKER x AULA F75
LUMINKEY65
Severance (TV series) - Wikipedia – Wikipedia
Atomic Keyboard | Making Severance Themed Keyboard | MDR Dasher Keyboard | Data General Dasher Inspired Keyboard | Lumon Terminal Pro
Akko Rosewood Keyboard Switch (45pcs) - AKKO Germany
DR-70F – D-R Design
KTT Cabbage Tofu Linear Switch vs KTT Kang White Linear Switch · Milktooth
Neo65 – Qwertykeys
MMD Princess Linear V4 Switches (10pcs) – MonacoKeys
MK Basic Blue PBT Keycap Set – MonacoKeys
Keycaps by GMK | Premium Tastenkappensets
Agar – KBDfans® Mechanical Keyboards Store
Gateron Oil King Switch Review — ThereminGoat's Switches
Typeplus x YiKB PCB-Mounted Screw-In Stabilizers – MonacoKeys
PBTfans no signal R2 – KBDfans® Mechanical Keyboards Store
Mitwirkende
Tobias Kunisch
(Keyboarder)
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Florian Clauß
(Tippender)
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Verwandte Episoden
EGL036 Webfonts – wie die Schriften eigentlich ins Internet gekommen sind...EGL087 Eigentlich Keyboards 2 – Von den Teilen zum Ganzen
Hier die einzelnen Keyboards mit Switches und Caps, die wir in der Episode durchgegangen sind:
1. Lofree Flow84
Flaches 84‑Tasten‑Low‑Profile‑Board mit Fokus auf ein sanftes Tippgefühl und mobiles, designorientiertes Setup.
75%/84‑Tasten‑Boards integrieren F‑Tasten und Navigation kompakt in den Hauptblock und sparen Platz gegenüber Full‑Size – guter Kompromiss aus Funktion und Größe
Switches: Lofree Phantom Switches Tactile
Tactile Low‑Profile‑Charakter, für ein knackiges Feedback bei geringer Bauhöhe gedacht
2. NuPhy Air75 v2
Schlankes 75%‑Low‑Profile‑Keyboard für Schreibtisch und unterwegs; legt Wert auf flaches Tippgefühl und Portabilität.
75%: Funktionsreihe vorhanden, Navigation dicht angedockt
gegenüber 65% mehr Direktzugriff auf F‑Tasten, bleibt kompakt
Switches: Gateron Brown Low Profile V2
Taktile, leise Low‑Profile‑Variante als seriennaher Standard
3. 8BitDo Retro Mechanical Keyboard (Bluetooth)
Retro‑inspiriertes Board im C64‑Look mit moderner Mechanik und Drahtlos‑Option – richtet sich an Nostalgie‑Fans mit aktuellem Workflow.
Je nach Layoutgröße gilt: TKL/80% verzichtet auf Numpad, spart Platz bei nahezu voller Funktionalität
Full‑Size bietet Nummernblock, ist aber deutlich breiter
Switches: Kailh Box White V2
Sound: laut, clicky
Operating: 45±15 gf; Tactile: 55±15 gf; Pre‑travel: 1.8±0.4 mm; Total Travel: 3.6±0.3 mm; Return Force: ≥15 gf
4. Epomaker Aula F75
Kompaktes 75%‑Board mit Funktionsreihe, als preisbewusste Custom‑Basis geeignet.
75% ist sinnvoll, wenn Funktions-Tasten regelmäßig genutzt werden, ohne die Breite eines TKL/Full‑Size in Kauf zu nehmen
Switches: MMD Vivian V2 (Linear)
Lineare, „thocky“ Switches mit hart‑cremigem Bottom‑out und weichem, gedämpftem Top‑out
PUM‑Bottom + modifizierter UPE‑Stem liefern einen tiefen, satten Ton mit leicht plastikartiger Note.
Top Housing: Modified Nylon 12; Bottom: Modified PUM; Stem: Modified UPE; Spring: 18 mm; Pre‑Travel: 1.9 mm; Total: 3.9 mm; Operating: 53 gf; Bottom‑out: 60 gf; 5‑Pin; LED‑Diffusor; factory lubed.
Caps: „Just my Type“
PBT Double‑Shot, YMK‑Profil, Weiß‑Grau (Dye‑Sub‑Legenden)
5. Luminkey 65
65%‑Custom‑Formfaktor; verzichtet auf F‑Reihe, behält Pfeiltasten – beliebt als alltagstauglicher Kompromiss
65% ist wie 75%, aber ohne F‑Reihe – spart nochmals Platz
viele Funktionen per Layers erreichbar
Switches: Akko Rosewood (Linear)
Tiefer, „thocky“ Bottom‑out und weicher, ebenfalls tiefer Top‑out
klanglich nahe an klassischen Full‑Travel‑Switches und ohne die scharfe Long‑Pole‑Charakteristik.
Top: PA12; Bottom: PA6; Stem: Nylon; Operating: 40 ± 5 gf; Bottom‑out: 50 g; Pre‑Travel: 2.0 ± 0.5 mm; Total: 4.0 mm; 5‑Pin; factory lubed
Caps: Room 101 Apricot Yellow)
Cherry‑Profil, PBT
6. Neo 65
Hochwertiges 65%‑Alu‑Kit von Qwertykeys; solide Verarbeitung und klarer Sound‑Focus.
65% als kompakter Daily‑Driver: Pfeiltasten bleiben dediziert
F‑Funktionen wandern in Layers – ergonomisch und platzsparend
Switches: MMD Princess Linear V4
Cremiger Grundklang im Mittelton mit hart‑cremigem Bottom‑out und weichem, „crispy“ Top‑out
der snappy Eindruck entsteht u. a. durch den kürzeren Hub und die Materialpaarung
Top/Bottom: PC; Stem: LY
Spring: 20.4 mm (extended);Pre‑Travel: 2.0 mm; Total: 3.6 mm;Operating: 53 gf; Bottom‑out: 60 gf; 5‑Pin; factory lubed
Caps: Monacokeys Basic Blue
Cherry‑Profil
7. Agar60 (KBDfans)
Klassisches 60%‑Kit – extrem kompakt
60% verzichtet auf F‑Reihe und den dedizierten Navigationsblock
maximaler Platzgewinn, aber mehr Layer‑Nutzung erforderlich
Switches: Gateron Oil King
Sehr tief und „thocky“ im Sound, dadurch insgesamt eher leise
ideal für ein dunkleres, gedämpftes Klangprofil
Linear; Travel ca. 4.0 mm; PCB/5‑Pin; Stem: POM; Top: Nylon; Bottom: „Ink Mixture“; Factory lubed
Caps: PBTFans No Signal
Das Set ist von elektronisch erzeugten TV‑Testbildern wie Indian‑Head, SMPTE‑Farbbalken und dem PTV‑Kreis inspiriert
macht die Tastatur gewissermaßen zum Kalibrierungswerkzeug; die früher in Sendepausen oder bei Störungen gezeigten Testkarten sind heute Popkultur und erscheinen etwa in Fallout 4 oder Life on Mars.
8. DaringRun 70F
70% liegt zwischen 65% und 75%: mehr Tasten als 65, bleibt deutlich schmaler als TKL
sinnvoll, wenn Pfeiltasten und ein paar zusätzliche Keys gebraucht werden, aber F‑Reihe optional ist
Switches: KTT Cabbage Tofu V2
Sanfte, leise Linears mit klarem/hellen Töne beim Loslassen (PC‑Top) und vollem, tiefem Bottom‑out (Nylon‑Bottom)
ab Werk lubed, 22‑mm‑Feder, ausgewogenes Tippgefühl.
Typ: Linear; Housing: PC (Top) / Nylon (Bottom); Stem: POM; Spring: 22 mm; Actuation: 45 g; Bottom‑out: 53 g; Pre‑Travel: 1.90 mm; Total: 4.00 mm
Caps: Jamón Keycaps
173 Tasten, Cherry‑Profil, Doubleshot

Aug 14, 2025 • 1h 25min
EGL084 Sigmund Freud: seine "Outsider" Biographie im Filmessay
"Ein Ersatz für die Hypnose ist bisher nicht gefunden worden" -- Sigmund Freud, Die endliche und die unendliche Analyse, in: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, Band 23 (1937), Heft 2, Seite 221.
Wir sprechen über Sigmund Freud und den Film „Outsider. Freud“ direkt, nachdem wir das dokumentarische Filmessay im Moviemento gesehen haben. Der Film interessiert sich weniger für die bekannten Theorien und Meinungen rund um Psychoanalyse, sondern für die inneren Widersprüche, das biografische Einbetten und die visuelle Übersetzbarkeit der Theorien. Mit Briefauszügen, Interviews und historischem Material sowie mit einer traumartigen Bildsprache nähert sich der Film dem Menschen Freud. Als ungeplante dritte Folge zu den Eigentlich-Podcast Episoden 78 und 80, stellen wir gegen Ende Jungs "Das Rote Buch" und Freuds "Die Traumdeutung" nebeneinander. Regisseur Yair Qedar hat in Animationen ungedeutete Träume Freuds vorgestellt. Archivaufnahmen stellen Bezüge zwischen Innenwelt und Zeitgeschichte her. Ganz besonders ist die Rekonstruktion von Freuds Behandlungsraum in Wien anhand von über hundert Detailfotos.
Shownotes
Link zur Laufstrecke
Laufstrecke dieser Episode auf komoot
Links zur Episode
Ersatzstadt Video: Autoschilderstadt hinter dem Friedhof
Sigmund Freud: Die endliche und die unendliche Analyse| Projekt Gutenberg
Diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls: Apostolische Nuntiatur
Der Marathon-Mann
Drei Kränkungen der Menschheit nach Freud
Yair Qedar | Wikipedia
Film Review and Interview by Hannah Brown, 2025
"Outsider. Freud" Trailer | YouTube
Mitwirkende
Micz Flor
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Verwandte Episoden
EGL078 Das Rote Buch: C.G. Jung als Religionsstifter oder Wissenschaftler?EGL080 Chaosmagie und Psychotherapie: wissenschaftlicher Anspruch trifft magische Wirkmacht
Wir kommen gerade aus dem Kino. Movimento, Berlin. Der Film: Outsider. Freud von Yair Qedar. 66 dichte Minuten, die weniger über die Psychoanalyse lehren, als die Menschen Sigmund Freud vorzustellen. Wir reden beim Gehen, wie eigentlich immer im Eigentlich Podcast, durch die Stadt, dieses Mal durch Kreuzberg. Auf der Karte sieht die Tour wie ein Zeichen der Unendlichkeit aus, deren Weg uns in gleichen Teilen durch die Lebenden wir die Toten, entlang des Friedhofs, führt.
Qedars Film nähert sich Sigmund Freud nicht als Monument, sondern als Mensch – verletzlich, körperlich, alternd, zwischen Rauchen und Schmerzen, zwischen Nazis und Katholizismus. Kein Biopic, kein Theoriepanorama. Vielmehr ein Fragmentbild, ein Mosaik aus Fotografien, Dokumenten, Stimmen, die nicht erklären, sondern begleiten und Fragen stellen.
Freud wird hier als Außenseiter beschrieben – im Titel, aber auch jenseits davon. Als Jude im Wien des frühen 20. Jahrhunderts, als Intellektueller im Exil, als Denker, der sich zwischen Wissenschaft, Kunst und Mythos bewegte. Qedar lässt ihn wandern: durch Räume, durch Zeiten, durch Bedeutungsfelder. Seine Couch ist kein neutraler Ort, sondern eine Bühne der inneren Landschaften. Der Film zeigt den Raum in der Berggasse 19 nicht nur als Praxis, sondern als verdichteten Symbolraum – überfüllt mit archäologischen Objekten, mit Göttern, Ahnen, Toten.
Eine Forscherin des Freud Museums Wien spricht wie von einem Tunnel, durch der in die Analyse führt – dunkelrot, eng, gefasst von stummen Figuren, die aus anderen Zeiten zu kommen scheinen. Masken, Fragmente, Totems. Alles blickt zurück. Nichts ist zufällig. Die Inszenierung dieses Raums ist mehr als Ästhetik – sie ist selbst Theorie, selbst Deutung. In diesem Setting wird das Gespräch zur Ritualhandlung, zum Übergang. Zeit verschränkt sich: Antike und Moderne, Mythos und Gegenwart, Erinnerung und Verdrängung.
Wir sprechen über das Setting der Psychoanalyse – nicht als klinisch-sauberen Raum, sondern als dichten Text, als Gewebe aus Kulturgeschichte und Subjektivität. Freud, wie Qedar ihn zeigt, war weniger Architekt klarer Begriffe als Suchender, Leser, Sammler. Seine Theorie ist in dieser Lesart keine geschlossene Lehre, sondern ein Schichtenmodell, ein palimpsestisches Denken: Das Unbewusste nicht als Ding, sondern als Bewegung, als Echo, als Spur.

Jul 31, 2025 • 1h 39min
EGL083 London in Serien: zwischen Geldwäsche und Genrekunst
"London calling to the faraway towns / Now war is declared and battle come down / London calling to the underworld / Come out of the cupboard, you boys and girls" The Clash, 1979
Flo hat in letzter Zeit viele Serien geschaut, die in London spielen: MobLand, I May Destroy You, Fleabag, Disclaimer, The Agency, Industry, Slow Horses, Ted Lasso, The Capture und Gangs of London. London steht als Spielort für Serien auf Platz drei hinter L. A. und New York City. In dieser Folge ist Flo der Frage nachgegangen, warum sich London in der Serienproduktion so hervorgetan hat, zumal der Brexit England doch wirtschaftlich zurückgeworfen hat. Doch England war in der Filmindustrie schon immer präsenter als seine europäischen Nachbarländer. Allein durch die Sprache können sich englische Produktionen größere Märkte erschließen, wohingegen deutsche und französische Produktionen auf Sprachbarrieren im internationalen Raum stoßen. Auch die großen Streamingdienste haben sich in den letzten Jahren in Londoner Studios eingemietet. Serien wie „Game of Thrones” und die „Harry Potter”-Filme trugen maßgeblich dazu bei, dass sich in den ersten Dekaden der 2000er eine starke Infrastruktur in der Filmindustrie in London ausbauen konnte. Gerade im Bereich der visuellen Effekte (VFX) sind viele kleine Studios entstanden, die auf dem Weltmarkt eine führende Position eingenommen haben. Dies erklärt zum Teil, warum so viele Serien in London spielen. Ein weiterer Grund ist, dass viel Geld aus dubiosen Quellen nach London geflossen ist, welches neben der Finanzierung von Großbauprojekten wie The Shard oder One Hyde Park auch viele Schattenproduktionen in der Filmbranche finanziert hat. London ist als Geldwäscheanlage bekannt. In dieser Episode tauschen wir uns über solche Geschichten und Gerüchte aus und können viele eigene London-Erlebnisse einbringen. Flo ist fasziniert davon, wie sich die Skyline von London in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Micz kann von seiner Zeit in den 90ern berichten, als er in London lebte und die Gentrifizierung des Stadtteils Shoreditch miterlebte. London ist vielseitig und unberechenbar, wie sich die Stadt auch in den Serien spiegelt. Hinter der glatten Fassade lauern Abgründe, aber auch Chancen...
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Mitwirkende
Florian Clauß
(Erzähler)
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London, dieses geschichtsträchtige Kapital des Vereinigten Königreichs, hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Produktionsstandorte für internationale Serienproduktionen entwickelt. Die Stadt fungiert dabei nicht nur als pittoreske Kulisse, sondern wird zum narrativen Protagonisten, der die Geschichten formt und durchdringt. Was sich auf den Bildschirmen abspielt, ist jedoch mehr als bloße Unterhaltung – es ist eine vielschichtige Diagnose urbaner Pathologien, die gleichzeitig Symptom und Spiegel jener Strukturen ist, die sie zu kritisieren vorgibt.
Die Transformation Londons zum globalen Produktionszentrum lässt sich nicht ohne die wegweisende Rolle der Harry-Potter-Filmreihe verstehen. Zwischen 1997 und 2011 schuf diese Mega-Produktion nicht nur die infrastrukturellen Voraussetzungen mit dem Ausbau der Leavesden Studios, sondern etablierte auch eine kontinuierliche Beschäftigungsstruktur für tausende Crew-Mitglieder. Eine ganze Generation von VFX-Künstlern, Set-Designern und Kostümbildnern wurde hier ausgebildet, während die Produktionsausgaben von über einer Milliarde Pfund Hollywood demonstrierten, dass sich Investitionen in Großbritannien lohnen. Diese Entwicklung mündete 2007 in verbesserten Steueranreizen, die den Standort zusätzlich attraktiv machten.
Den entscheidenden Wendepunkt für die Serienproduktion markierte jedoch Game of Thrones. Die zwischen 2011 und 2019 produzierte Fantasy-Saga bewies, dass Premium-Fernsehen Kinoqualität erreichen kann, und etablierte London als Post-Production-Zentrum und VFX-Hub von Weltrang. Die britischen Crews demonstrierten Hollywood-Standards und setzten neue technologische Maßstäbe mit virtuellen Sets und Crowd-Simulationen. Diese Entwicklung ebnete den Weg für die Streaming-Revolution, die London endgültig als internationalen Produktionsstandort zementierte.
Das zeitgenössische Serienportrait der britischen Hauptstadt offenbart eine Stadt der Widersprüche. In kaum einer Produktion wird dies so brutal und ungeschönt dargestellt wie in „Gangs of London“ (2020-), der aufwendigsten britischen Crime-Serie überhaupt. Unter der Regie von Gareth Evans, bekannt für „The Raid“, entfaltet sich ein multi-ethnisches Crime-Babylon, in dem internationale Verbrecherfamilien – Iren, Albaner, Pakistaner, Kurden und Nigerianer – um die Kontrolle der Londoner Unterwelt kämpfen. Der Mord an Finn Wallace, dem mächtigsten Gangster der Stadt, löst einen Machtkampf aus, bei dem sein Sohn Sean (Joe Cole) auf Rache sinnt, während der Undercover-Cop Elliot Finch (Ṣọpẹ́ Dìrísù) die Organisation infiltriert. Die Serie wurde als „The Wire meets John Wick“ gefeiert – ein Gewaltexzess mit Stil, der revolutionäre Action-Sequenzen mit komplexen Machtstrukturen verbindet.
Diese rohe Darstellung urbaner Gewalt steht in starkem Kontrast zu Serien wie „Industry“, die das toxische Milieu der Londoner Finanzwelt seziert, oder „The Crown“, die die Verstrickungen zwischen Establishment und zweifelhaften Geschäftspartnern wie der Al-Fayed-Familie beleuchtet. Während „Sherlock“ die viktorianische Detektivtradition in die Gegenwart überführt und dabei die Stadt als labyrinthischen Tatort inszeniert, nutzt „Killing Eve“ London als Spielfeld für ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die mysteriöse Organisation „The Twelve“ ihre Operationen durch die undurchsichtigen Finanzstrukturen der City finanziert.
Besonders aufschlussreich sind jene Produktionen, die sich explizit mit Londons Rolle als globale Drehscheibe für Geldwäsche auseinandersetzen. „McMafia“ (2018) thematisiert direkt die Mechanismen, durch die schmutziges Geld in der Londoner City gewaschen wird, während „The Night Manager“ den Waffenhandel über die britische Hauptstadt abwickelt. „Devils“ (2020-2022) porträtiert die City of London als moralfreie Zone, in der alles käuflich ist. Guy Ritchies „The Gentlemen“ treibt diese Thematik auf die Spitze, indem Cannabis-Gewinne durch eine Filmproduktionsfirma gewaschen werden – eine beißende Satire auf die Verschränkung von Unterhaltungsindustrie und organisiertem Verbrechen.
Die jüngere Serienlandschaft zeigt dabei eine bemerkenswerte Vielfalt in der Auseinandersetzung mit urbanen Traumata. „I May Destroy You“ von Michaela Coel durchbricht Tabus in der Darstellung sexueller Gewalt und ihrer Aufarbeitung, während „Fleabag“ die emotionale Verlorenheit einer Generation zwischen ironischer Distanz und verzweifelter Sehnsucht nach Authentizität einfängt. „Disclaimer“ von Alfonso Cuarón dekonstruiert die Mechanismen medialer Skandalisierung, und „The Capture“ führt vor, wie allgegenwärtige Überwachungstechnologie zur Manipulation von Wahrheit eingesetzt werden kann.
Die Architektur der Stadt selbst wird dabei zum stummen Zeugen dieser Narrative. The Shard, mit seinen 310 Metern das höchste Bauwerk Großbritanniens, hat zur Prägung des Begriffs „Oligarchitektur“ beigetragen – eine Architektur, die Macht und Reichtum manifestiert, während sie gleichzeitig soziale Ungleichheit zementiert. Norman Fosters Gherkin und der Tower 42, zwischen 1971 und 1979 nach Plänen des aus der Schweiz stammenden britischen Architekten Richard Seifert erbaut, ragen als Symbole der Finanzmetropole in den Himmel. Diese Wolkenkratzer bilden die vertikale Kulisse für Serien wie „Succession“, in der die Waystar Royco-Dynastie ihre Londoner Operationen von gläsernen Türmen aus orchestriert.
Selbst vermeintlich leichtere Produktionen wie „Ted Lasso“ können sich der Gravitation Londons nicht entziehen. Die Serie mag vordergründig vom amerikanischen Optimismus handeln, der auf britischen Zynismus trifft, doch unter der Oberfläche verhandelt sie Fragen von Zugehörigkeit und Identität in einer globalisierten Metropole. „Slow Horses“, basierend auf Mick Herrons Romanen, zeigt die Kehrseite des Geheimdienstapparats – gescheiterte Spione, die in einem heruntergekommenen Büro am Rande der Stadt ihr Dasein fristen, während die glänzende Fassade des MI5 die wahren Machenschaften verbirgt.
Diese Vielfalt der Perspektiven offenbart London als narrative Projektionsfläche par excellence. Die Stadt mit ihrer über zweitausendjährigen Geschichte – von der römischen Gründung Londiniums im Jahr 43 n. Chr. über die strategische Bedeutung als Handelshafen bis zur modernen Finanzmetropole – verleiht den Geschichten eine Tiefe, die über das rein Visuelle hinausgeht. Die noch heute sichtbaren Fragmente der römischen Stadtmauer oder die Erinnerung an Boudiccas Zerstörung der Stadt im Jahr 60 n. Chr. schaffen ein historisches Palimpsest, auf dem sich zeitgenössische Narrative entfalten.
Was sich in dieser Serienlandschaft manifestiert, ist ein komplexes Geflecht aus künstlerischer Ambition, ökonomischen Zwängen und narrativer Selbstreflexion. Die paradoxe Situation wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass viele dieser kritischen Produktionen durch genau jene Strukturen finanziert werden, die sie anprangern. Die großzügige Filmförderung, die laxe Registrierung von Produktionsfirmen und die als „kreative Buchhaltung“ euphemisierte Steuervermeidung schaffen ein Umfeld, in dem Kunst zur perfekten Cover-Story wird – schließlich ist sie „subjektiv“.
Die besten Serien über London sind jene, die die Stadt nicht romantisieren, sondern ihre Abgründe ausleuchten. Von der brutalen Gangster-Oper „Gangs of London“ über die Finanzwelt-Satire „Industry“ bis zur Geheimdienstkritik in „Slow Horses“ – sie alle zeichnen das Bild einer Stadt, die ihre Seele verkauft hat, aber großartige Geschichten darüber zu erzählen weiß. Doch gerade diese kritische Perspektive wird durch die Strukturen ermöglicht, die sie hinterfragt. So entsteht ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen künstlerischer Integrität und ökonomischer Abhängigkeit, das die Serienproduktion in London zu einem Seismographen zeitgenössischer urbaner Realitäten macht. Die Stadt erzählt ihre Geschichte durch die Serien, die in ihr produziert werden – und diese Geschichten erzählen mehr über London, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Jul 17, 2025 • 35min
EGL082 Zombies in Psychoanalyse: Jenseits des Lustprinzips
Der Podcast taucht tief in die psychoanalytische Betrachtung von Zombies ein. Die unheimliche Faszination für Untote spiegelt unsere inneren Konflikte wider. Mit Freuds Theorien wird deutlich, dass Zombies symbolisch für Verdrängtes stehen. Melanie Kleins Konzepte verdeutlichen die kindlichen Konflikte zwischen guten und bösen Teilobjekten. Die ambivalenten Kräfte im Verhältnis zur Mutter werden ebenso beleuchtet und deren Einfluss auf männliches Verhalten analysiert. Letztendlich zeigen Lacans Ideen, wie Zombies unsere ungeordneten Wünsche repräsentieren.

Jul 3, 2025 • 1h 57min
EGL081 28 Years Later - Heart of Kindness: Eine Befreiung aus der deterministischen Apokalypse
"The idea of the father taking a 12-year-old boy to the mainland 28 days after the infection is insane. Nobody would do that. But 28 years after the infection, clearly it's okay." - Danny Boyle
28 Years Later – wir sind schon alle ganz aufgeregt, den Film endlich im Kino sehen zu können, seit mindestens 28 Tagen, wenn nicht sogar Wochen. Der Trailer des Films, spektakulär mit den treibenden Rhythmen des Gedichts "Boots" von Rudyard Kipling vertont, hat uns schon vor Monaten in freudige Schockstarre versetzt. Eigentlich war ein Kinogang von Flo und Micz geplant, der aber spontan aus Gründen nicht stattfinden konnte. Flo hat dann eine Woche später den Film "28 Years Later" mit seinem Sohn Luc im Kino gesehen. Vorher haben die beiden ihre Erwartungen an den Film als Einstieg in diese Episode aufgenommen, um dann zu prüfen, wie sich diese eingelöst haben. tl;dr: Es ist wie erwartet, aber doch ganz anders. So ist auch der Konsens der Kritiken zum Film. Danny Boyle und Alex Garland haben ein Kunstwerk geschaffen, das in der Ästhetik und in der Geschichte überzeugt. Das erste Drittel des Films löst alles ein, was wir von der Fortsetzung erwarten: Eine kleine militarisierte Gemeinschaft hat sich behaglich nach der Apokalypse ohne Strom und sonstige zivilisatorische Errungenschaften auf einer kleinen Insel im schottischen Gezeitenland eingerichtet. Zu den Initiationsritualen gehört, dass die Jungen der Gemeinschaft mit ihren Vätern auf das Festland ziehen, um den ersten Todesschuss auf einen Infizierten zu praktizieren. So zieht auch Spike mit seinem Vater Jamie los. Wir als Zuschauer bekommen eine Ahnung, welche Blüten das Virus nach 28 Jahren treiben kann. Es kommt dann, wie es kommen muss: Die beiden fliehen vor den schnellen Infizierten, schaffen es nicht mehr rechtzeitig zur Ebbe auf die Insel und müssen auf dem Dachboden eines verlassenen Hauses nächtigen. Dort sieht Spike ein verheißungsvolles Feuer, das der Vater als das Werk eines verrückten Doktors abtut. In einer spektakulären Nachtszene, gejagt von einem Alpha-Zombie, erreichen sie gerade so wieder das Dorf. Spike hat das Ritual bestanden und wird von der Gemeinschaft mit Bier und Liedern gefeiert. Doch er ist nicht zufrieden. Er möchte seiner todkranken Mutter helfen, die in der Dorfgemeinschaft nicht die richtige medizinische Versorgung bekommt. So zieht Spike heimlich mit seiner Mutter wieder aufs Festland los und erlebt auf dieser Reise seine wahrhaftige Initiation. Danny Boyle lässt sich in seinen Filmen nicht so richtig auf ein Genre festlegen und schafft ein ganz eigenes Werk aus verschiedenen filmischen Materialien. 28 Years Later verspricht eigentlich einen Horrorfilm, entwickelt sich aber zu einem Coming-of-Age-Roadmovie. Wir begegnen der Figur Dr. Kelson, der seine eigene künstlerische Form gefunden hat, mit den Auswüchsen der Katastrophe umzugehen, und dabei eine neue Menschlichkeit schafft, die sich aus der deterministischen Apokalypse befreien kann: Memento mori, im Tod sind alle gleich – dies kann sehr kitschig wirken, aber durch die ständigen Brüche im Filmstil können wir die Botschaft annehmen. Micz, der den Film nicht gesehen hat, ließ sich vom aufwühlenden Gesprächsfluss von Flo mitreißen und war am Ende der Episode ganz verschwitzt.
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Von der Apokalypse zur Normalität
Als Jim (Cillian Murphy) 2002 in Danny Boyles „28 Days Later“ auf der verlassenen Westminster Bridge erwacht, prägt sich ein Bild in das kollektive Gedächtnis des Kinos ein, das prophetischer nicht hätte sein können. Was damals als radikale Neuerfindung des Zombie-Genres galt, wurde während der COVID-19-Pandemie zur gespenstischen Realität: leere Straßen, zusammengebrochene Institutionen, die Fragilität der Zivilisation. Nun, 23 Jahre später, kehren Boyle und sein langjähriger Kollaborateur Alex Garland mit „28 Years Later“ zurück – nicht nur zu ihrem Genre-definierenden Werk, sondern zu den fundamentalen Fragen über Gesellschaft, Überleben und Menschlichkeit in Zeiten der Krise.
Die Evolution eines Genres
Die „28“-Reihe markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Zombie-Films. Während George Romeros klassische Untoten-Trilogie das Genre begründete und über Jahrzehnte definierte, unternahmen Boyle und Garland 2002 einen radikalen Bruch mit etablierten Konventionen. Ihre „Infizierten“ waren keine wiederbelebten Toten, sondern von einem Rage-Virus befallene Menschen – schnell, brutal, getrieben von purer Wut. Diese Neuinterpretation war mehr als eine ästhetische Entscheidung; sie reflektierte die Ängste einer beschleunigten, vernetzten Welt, in der Bedrohungen sich viral ausbreiten.
Der Kameramann Anthony Dod Mantle, bekannt durch seine Arbeit mit Thomas Vinterbergs Dogma-Film „Das Fest“, brachte eine rohe, dokumentarische Ästhetik ein, die den Film aus den Konventionen des Horrorgenres löste. Die auf digitalen Kameras gedrehten, körnigen Bilder vermittelten eine Unmittelbarkeit und Authentizität, die das Publikum direkt in das Chaos katapultierte. Diese stilistische Entscheidung war radikal – Cillian Murphy erschien in Weitaufnahmen teilweise nur als „zwei Farbquadrate“, wie Boyle es rückblickend beschreibt.
„28 Years Later“: Rückkehr in eine veränderte Welt
Nach über zwei Jahrzehnten nehmen Boyle und Garland mit „28 Years Later“ den 28er-Zyklus wieder auf, dem Auftakt einer geplanten neuen Trilogie. Der Film, der am 19.6 in den deutschen Kinos startete, verspricht keine bloße Wiederholung bewährter Formeln, sondern eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Transformationen der vergangenen Jahre.Die Handlung setzt auf Holy Island ein, einer Gezeiteninsel vor der englischen Küste, wo eine isolierte Gemeinschaft überlebt hat. Der zwölfjährige Spike lebt hier mit seinen Eltern Jamie und Isla in einer Gesellschaft, die sich radikal verändert hat. Bei Ebbe unternehmen bewaffnete Gruppen Expeditionen aufs Festland, um die noch immer präsenten Infizierten zu jagen – eine Routine, die zur grausamen Normalität geworden ist.
Coming-of-Age in der Apokalypse
Im Zentrum steht Spikes Initiationsgeschichte, die Boyle und Garland als verstörende Perversion traditioneller Übergangsriten inszenieren. Der aggressive Vater Jamie, brillant verkörpert von Aaron Taylor-Johnson, praktiziert eine Form „schwarzer Pädagogik“, indem er seinen traumatisierten Sohn zur Zombie-Jagd zwingt. „Schau nicht weg, Spike. Das soll dir eine Lehre sein“, befiehlt er, während sie Infizierte töten – eine Szene, die den Verlust kindlicher Unschuld in einer Welt ohne Gnade zeigt.
Die Evolution der Infizierten
Eine der faszinierendsten Entwicklungen des Films ist die Diversifizierung der Infizierten über 28 Jahre. Garland und Boyle präsentieren verschiedene Typen: die „Slowlows“, schwerfällige, fast mitleiderregende Kreaturen; die klassischen rasenden Infizierten; und die „Alpha-Zombies“, besonders aggressive Exemplare, die in Rudeln jagen. Diese Evolution macht die Infizierten weniger zu hirnlosen Monstern als zu einer Art degenerierter Parallelgesellschaft – eine Entscheidung, die die Grenze zwischen „uns“ und „ihnen“ bewusst verwischt.
Dr. Kelson und die Kunst des Memento Mori
Eine der eindrucksvollsten Figuren ist Dr. Kelson, gespielt von Ralph Fiennes, ein auf dem Festland lebender Arzt, der über die Jahre monumentale Kunstwerke aus menschlichen Überresten erschaffen hat. Seine Knochentürme und Schädelskulpturen fungieren als makabres Memento Mori – eine Mahnung an die Vergänglichkeit, die tief in der europäischen Kulturgeschichte verwurzelt ist.
Diese Darstellung greift auf eine lange Tradition zurück, von mittelalterlichen Beinhäusern wie dem Sedlec-Ossarium in Tschechien bis zu den Pariser Katakomben. Doch während historische Ossuarien meist gemeinschaftliche, religiös legitimierte Projekte waren, erscheint Kelsons Werk als einsame Obsession eines Überlebenden – ein individueller Versuch, dem Massensterben Sinn zu verleihen. Die Ambivalenz dieser Figur – zwischen Wahnsinn und Weisheit, zwischen Künstler und Totenpriester – spiegelt die Unmöglichkeit wider, in einer post-apokalyptischen Welt angemessene Formen des Gedenkens zu finden.
Zeitdiagnose und gesellschaftliche Regression
„28 Years Later“ ist mehr als ein Zombie-Film – es ist eine beißende Kritik an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Die isolierte Inselgemeinschaft mit faschistoiden Anklänge liest sich als düstere Post-Brexit-Allegorie. Die Gemeinschaft hat sich abgeschottet, pflegt einen aggressiven Tribalismus und erzieht ihre Kinder zu Kriegern.
Besonders die Szene, in der Kinder geschlechtsspezifisch ausgebildet werden – Jungen lernen Bogenschießen, Mädchen andere Fertigkeiten – wirkt wie ein Kommentar zur Rückkehr traditioneller Geschlechterrollen. Der Film wird untermalt von Rudyard Kiplings Gedicht „Boots“ (1903), dessen repetitiver Rhythmus die Monotonie militärischen Drills evoziert, sowie Ausschnitten aus Laurence Oliviers „Henry V.“ – Verweise auf ein glorifiziertes, militaristisches Geschichtsbild.
Die Figur des schwedischen Soldaten Erik, der bereut, dem Militär beigetreten zu sein, um „etwas Sinnvolles“ zu tun, spricht direkt aktuelle Debatten über Remilitarisierung und „Kriegstüchtigkeit“ in Europa an. Seine Geschichte warnt vor der Romantisierung militärischer Lösungen für gesellschaftliche Probleme.
Ästhetische Innovationen und Kritikpunkte
Visuell knüpft „28 Years Later“ an die Innovationen des Originals an, ohne sie bloß zu kopieren. Anthony Dod Mantle kehrt als Kameramann zurück und entwickelt neue visuelle Strategien. Besonders beeindruckend sind die „Bullet-Time“-ähnlichen Effekte bei Kampfszenen, die mit einem Setup aus bis zu zehn iPhones realisiert wurden – Boyle nennt es scherzhaft „poor man’s bullet time“. Diese Momente, in denen Pfeile das Filmmaterial zu „zerschießen“ scheinen, schaffen eine neue Form der Immersion.
Allerdings neigt der Film laut Kritikern auch zu „entsetzlichem Kitsch“, besonders in den symbolüberladenen Memento-Mori-Szenen. Die Mischung verschiedener Genre-Ästhetiken – von Mittelalter-Epos über Monty Python bis Performance-Theater – wird als „Diskurs-Kollage“ kritisiert, die keine kohärente Vision entwickelt. Der Film wirke „so ratlos wie wir alle“, was einerseits ehrlich, andererseits unbefriedigend sei.
Die Trilogie als Zeitkapsel
Betrachtet man die „28“-Reihe als Ganzes, offenbart sich eine faszinierende Chronologie gesellschaftlicher Ängste. „28 Days Later“ (2002) reflektierte post-9/11-Paranoia und die Angst vor plötzlichen, unkontrollierbaren Bedrohungen. „28 Weeks Later“ (2007) thematisierte militärische Besatzung und die Illusion von Sicherheit – deutliche Parallelen zum Irak-Krieg. „28 Years Later“ (2025) konfrontiert uns nun mit den Langzeitfolgen von Krisen: transgenerationales Trauma, gesellschaftliche Regression und die Normalisierung des Ausnahmezustands.
Interview-Einblicke: Boyle und Garland über ihre Vision
In Interviews betonen beide Kreative, wie sehr die COVID-19-Pandemie ihre Herangehensweise beeinflusst hat. „Die Erfahrung war stark“, sagt Boyle. „Am Anfang ist man sehr vorsichtig und nach einiger Zeit wird man mit der Situation etwas entspannter.“ Diese Normalisierung des Unnormalen ist zentral für „28 Years Later“ – was in den ersten Filmen undenkbar war (ein Vater nimmt seinen 12-jährigen Sohn zur Zombie-Jagd mit), ist nach 28 Jahren zur akzeptierten Routine geworden.
Garland fügt hinzu, dass die Infizierten selbst eine Evolution durchgemacht haben: „Sie haben gelernt mit der Situation umzugehen, um nicht zu verhungern. Sie jagen in Rudeln.“ Diese Anpassung macht sie paradoxerweise menschlicher und bedrohlicher zugleich.
Besonders aufschlussreich ist Garlands Kommentar zur gesellschaftlichen Rückwärtsgewandtheit: „Es gibt eine Tendenz zurückzublicken, was aber nur mit cherrypicked memories und Gedächtnisverlust einhergeht.“ Der Film kritisiere die „Make things great again“-Mentalität der letzten Jahre, die selektive Geschichtsschreibung und die Unfähigkeit, sich eine progressive Zukunft vorzustellen.
Ein notwendiger Film zur richtigen Zeit?
„28 Years Later“ ist kein perfekter Film. Die Kritik an seiner fragmentarischen Struktur, dem überladenen Diskurs und dem unbefriedigenden Cliffhanger-Ende ist berechtigt. Als eigenständiges Werk mag er enttäuschen, als Teil einer größeren Erzählung und als Zeitdiagnose jedoch ist er hochrelevant.
Der Film stellt die richtigen Fragen: Wie verändert langanhaltende Krise eine Gesellschaft? Welche Formen nimmt Initiation an, wenn traditionelle Strukturen kollabieren? Wie gedenken wir der Toten, wenn die Normalität selbst tot ist? Dass er keine eindeutigen Antworten liefert, mag frustrierend sein, spiegelt aber ehrlich unsere eigene Orientierungslosigkeit in Zeiten multipler Krisen wider.
Die wahre Stärke der „28“-Trilogie liegt in ihrer Fähigkeit, den Zombie-Film als Vehikel für gesellschaftliche Reflexion zu nutzen. Wie schon George Romero wussten Boyle und Garland: Die wahren Monster sind nicht die Infizierten, sondern die Systeme, die sie hervorbringen – seien es nun Tierversuchslabore, militärische Strukturen oder tribalistisch Gemeinschaften, die ihre eigenen Kinder brutalisieren.
In einer Zeit, in der Pandemien, Klimakrise und gesellschaftliche Polarisierung unsere Normalität definieren, erscheint „28 Years Later“ weniger als Unterhaltung denn als notwendige Konfrontation mit unseren kollektiven Ängsten. Der Film mag keine Lösungen bieten, aber er zwingt uns, genau hinzuschauen – auch wenn wir, wie der junge Spike, am liebsten wegschauen würden.

Jun 19, 2025 • 1h 6min
EGL080 Chaosmagie und Psychotherapie: wissenschaftlicher Anspruch trifft magische Wirkmacht
"... chaos magic has no history. Every culture and generation rewrites the eternal verities of magic in terms of its own symbolism and idiosyncrasies; only the underlying practical techniques of magic really matter." -- Peter J. Carroll in Liber Null
Diesen zweiten Teil der Episode über Wissenschaft, Evidenz, C. G. Jung und "Das Rote Buch" beginnen wir mit einem Ausflug in die Magie. Zuerst hören wir noch einmal einen Auszug aus dem zauberhaften Roman "Jonathan Strange & Mr. Norrell". Damit hatten wir auch den ersten Teil abgeschlossen. Und dann stolpern wir hinein in die sogenannte Chaosmagie, eine magische Praxisform, die in den späten 1970er-Jahren entstand. Der Übergang ist so holprig, dass Flo anfangs vermutet, Peter Carroll sei ein weiterer Charakter des Romans. Vielmehr hat Peter J. Carroll mit den Werken "Liber Null" und "Psychonaut" eine theoretische und praktische Grundlage für eine neue Praxis der Magie formuliert, die heute als Chaosmagie bezeichnet wird. Carrolls Ansatz betont den pragmatischen Umgang mit magischen Techniken und versucht, diese von überlieferten rituellen und symbolischen Systemen zu lösen. Und – deshalb kommt die Chaosmagie in dieser Folge vor – er beansprucht ein empirisch orientiertes Vorgehen, das die Wirksamkeit von Praktiken anhand subjektiver Erfahrung überprüft. Wir befinden uns also mitten in der Frage: Was ist Wissenschaft? Und drehen jetzt das Rad noch einmal weiter: Ist Magie Wissenschaft? Wir drehen das Rad dann noch ein Stück weiter und erreichen so wieder die Praxen der Psychotherapeut:innen, beziehungsweise die psychotherapeutische Praxis – insbesondere Körperarbeit und Atemtechniken.
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Chaosmagie auf Wikipedia
The Men Who Stare at Goats auf Rotten Tomaties
Peter J. Carroll auf Wikipedia
Austin Osman Spare auf Wikipedia
Liber Null von Peter J. Carroll auf archive.org
Liber Null & Psychonaut von Peter J. Carroll auf archive.org
Ort der Kraft oder magischer Ort
Liste von Psychotherapie- und Selbsterfahrungsmethoden
Inception (2010) - Opening The Safe Scene - YouTube
Arthur C. Clarke's three laws
The Feynman Lectures on Physics (1963) > Vol I: The Relation of Physics to Other Sciences > 3-6 Psychology
The History of Chaos Magic, Psychogeography & Psychedelics in Magic | Julian Vayne - YouTube
Talking Chaos Magic and Breathwork with Dave Lee – Rune Soup
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Wer die Folge 78 noch nicht gehört hat, sollte das vielleicht tun. Da bilden wir den Boden für diese Episode. Wir sprechen über C.G. Jung, sein Jahrzehnte nach dem Tod veröffentlichtes Buch „Das Rote Buch“, über Spiritualität, Wissenschaft und Psychotherapie. In dieser zweiten Folge machen wir einen bewussten Schritt raus aus der Comfort Zone der Wissenschaft, über das Ziel hinaus und hinein in die Magie. Ganz speziell eben die Chaosmagie, deren Begründer ist Peter J. Carroll mit den Publikationen „Liber Null“ und „Psychonaut“. (Meine Zitate beziehe ich aus der Fassung „Liber Null and Psychonaut“ (Weiser Books, Newburyport, 2022), die mir als E-Book vorliegt, weshalb ich keine Seitenzahlen angebe, sondern die jeweiligen Kapitel.)
Eine Zusammenfassung seines Denkens liefert uns Peter J. Carroll gleich in den ersten Zeilen der Einleitung. Magische Fähigkeiten ergeben sich demnach aus veränderten Bewusstseinszuständen, die sich in der „Realität“ entwickeln lassen und keiner symbolischen Abstraktionen bedürfen:
Magic is an intensely practical, personal, experimental art. Two major themes run through this book: that altered states of consciousness are the key to unlocking one’s magical abilities; and that these abilities can be developed without any symbolic system except reality itself.
— Peter J. Carroll In: „Liber Null and Psychonaut“, Kapitel: „Introduction“ (Weiser Books, Newburyport, 2022)
Wir verlassen in diesem zweiten Teil über C.G. Jung und „Das Rote Buch“ also die Wissenschaft durch Jungs metaphysische Hintertürchen in eben diesem roten Buch. Anstatt die Regler am Mischpult alle von null auf den richtigen Wert zu schieben, stellen wir jetzt erst mal alles auf zehn und regeln dann runter. Steigen wir also in die Magie ein. Peter J. Carrolls „Liber Null“ verfolgt einen anderen Zugang als Jung, doch es entsteht eine strukturelle Nähe. Auch „Liber Null“ ist eine Sammlung von Texten, die keine dogmatische Lehre etablieren wollen. Stattdessen formuliert Carroll eine methodische Praxis, in der Magie als Technik der Aufmerksamkeitslenkung begriffen wird.
„Mind and Matter“ bei Jung und Carroll
Wie ähnlich sich die Weltbilder von C.G. Jung und Peter J. Carroll (Chaosmagie) sind, möchte ich mit zwei Zitaten illustrieren. Gehen wir gleich mal ans Eingemachte, „straight to the heart of the matter“, wie Carroll schreibt. Sein Wortwitz versteht sich erst beim zweiten Lesen, „the matter“, die Materie. Die Frage nach dem Universum und dem Bewusstsein darin und Allem:
If we proceed straight to the heart of the matter and ask of magic what is the nature of consciousness and the universe and everything, we get this answer: they are spontaneous, magical, and chaotic phenomena. The force which initiates and moves the universe, and the force which lies at the center of consciousness, is whimsical and arbitrary, creating and destroying for no purpose beyond amusing itself.
— Peter J. Carroll In: „Psychonaut“, Kapitel „Chaos: The Secret of the Universe“
Das Wesen des Bewusstseins, des Universums und von allem, so Carroll, bestehe aus den gleichen spontanen, magischen und chaotischen Phänomenen. Wir stellen erst mal C.G. Jungs Gedanken in dieser Frage daneben:
And so psychical events are realities. (…) Because the psyche, if you understand it as a phenomenon that takes place in so-called living bodies, is a quality of matter, as our bodies consist of matter. We discover that this matter has another aspect, namely, a psychic aspect.
— C.G. Jung In: „Jung on elementary psychology. A discussion Between C.G. Jung and Richard I. Evans (1976, P. 93)
Jung versteht psychische Ereignisse als als eine Eigenschaft der Materie. Zwar ist die Psyche ein Phänomen, das sich in sogenannten lebenden Körpern vollzieht, da diese Körper aber aus Materie bestehen, schlussfolgert Jung, dass diese Materie noch einen weiteren Aspekt hat, nämlich einen psychischen Aspekt.
Diese beiden Konzeptionen liegen nicht weit auseinander und ich möchte das auch gerne so stehen lassen, denn es geht mir nicht darum das Universum zu erklären. Vielmehr geht es mir darum die Verwandschaft spezieller Schulen magischen und psychotherapeutischen Denkens (ausgehend von C.G. Jung) zu illustrieren.
Jung und Carroll leiten aus den eben zitierten Gedanken über die Beschaffenheit der Welt als Ganzes verwandte, wenn auch unterschiedliche Annahmen ab. Jung baut so eine Brücke aus dem Individuum, dem individuellen Unbewussten hin zum kollektiven Unbewussten und den Archetypen. Er geht gewissermaßen den Weg vom Individuum in das Universum.
Carroll geht den umgekehrten Weg. Der Grund unter allem sei das Chaos. Und dieses bleibe unergründbar, auch wenn wir alle aus diesem Chaos entstanden, quasi „gemacht“, sind, weil die Prozesse unseres Verstandes so gebaut sind, dass wir immer nach Kausalitäten suchen, also Ursache und Wirkung:
Now it is very difficult to imagine events arising spontaneously without prior cause, even though this happens every time one exerts one’s will. For this reason, it has seemed preferable to call the root of these phenomena chaos. It is impossible for us to understand chaos, because the understanding part of ourselves is built out of matter, which mainly obeys the statistical form of causality. Indeed, all our rational thinking is structured on the hypothesis that one thing causes another. It follows then that our thinking will never be able to appreciate the nature of consciousness or the universe as a whole because these are spontaneous, magical, and chaotic by nature.
— Peter J. Carroll In: „Psychonaut“, Kapitel: „Chaos: The Secret of the Universe“
Chaos und Magie und Chaosmagie
Doch wenn alles aus dem unergründbaren Chaos entstanden sei, den wir nicht verstehen können, ließe sich dann ableiten, dass Chaos, Magie und Bewusstsein das gleiche sein könnten? Carroll schlängelt sich entlang der Materie in unserem Hirn, in dem es chaotisch zugeht und in dem aber auch Zustände verändert werden können:
Might it not be that consciousness, magic, and chaos are the same thing? Consciousness is able to make things happen spontaneously without prior cause. This usually happens within the brain, where that part of consciousness we designate “will” tickles the nerves to make certain thoughts and actions occur. (ebd.)
Und wenn die Materie im Gehirn vom Bewusstsein (Consciousness) verändert werden kann, wo ziehen wir dann die Grenze? Wenn es das außerhalb des Körpers tut, wird es als Magie bezeichnet. Im Umkehrschluss benennt hier Carroll die Essenz der Definition von Magie:
Occasionally, consciousness is able to make things happen spontaneously outside the body when it performs magic. Any act of will is magic. (ebd.)
Diese Definition ist nicht leicht zu übersetzen. „Jeder Akt des Willens ist Magie“, es ist eine Willenshandlung, die folglich eine Willenskraft beinhaltet. Wir können also mit dem Bewusstsein in die Welt wirken. Und das Gegenteil ist auch der Fall:
Conversely, any act of conscious perception is also magic; an occurrence in nervous matter is spontaneously perceived in consciousness. Sometimes that perception can occur directly without the use of the senses, as in clairvoyance. (ebd.)
„Clairvoyance“ lässt sich als „Hellsehen“ übersetzen, also die Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen, die außerhalb der normalen Sinneswahrnehmung liegen. Jetzt haben wir also eine Definition von Magie und ein Feld, in dem sie wirkt (dem unergründlichen Chaos).
Die Magie ist für Carroll gewissermaßen die Grenze und Verbindung zwischen Chaos und uns Menschen. Das Chaos ist unergründbar, ungerichtet und folgt keinen Gesetzen, keiner Kausalität und keinem Sinn. Die Menschen und ihr Denken sind dem immanenten Wunsch unterworfen Ursachen für Wirkungen zu finden, diese Ordnung herzustellen. Der Mensch will immer etwas (vergleiche Nietzsche, Schopenhauer, Freud) und die Magie ist aus dieser Blickrichtung ein Willensakt, der etwas gezielt bewirken will.
Auf der anderen Seite steht das Chaos. Und die Chaosforschung (höre dazu den ersten Teil, Folge 78) lehrt uns in Kausalität gefangenen Wesen, dass es wenig Ursache bedarf (Schmetterling), um viel zu bewirken (Hurricane). Von Seiten des Chaos ist die Magie ein Impuls, eine Energie, eine Bewegung (alles natürlich Begriffe, die wir als in Kausalität gefangene Wesen benutzen, aber die es im Chaos nicht gibt).
Oder hier noch mal in den Worten von Carroll:
Magic is the science and art of causing change to occur in conformity with will.
— Peter J. Carroll In: „Liber Null“, Kapitel: „Liber MMM“
Veränderung durch Willenskraft, dass ist die Essenz. Carroll hat eine „whatever works“ Einstellung zu magischen Praktiken. Rituale, Symbole, Orden und andere höheren Strukturen sind nicht notwendig, bzw. müssen immer wieder neu beweisen, dass sie notwendig sind, um Magie zu betreiben. Carroll hat einen wissenschaftlichen Anspruch an magische Praktiken. Magische Novizen sollen sich deshalb einen Block zulegen und darin aufschreiben, was sie tun und mit welchem Ergebnis. Und Ergebnisse sollen auch mit anderen geteilt werden, um festzustellen, ob die Praktiken die beschriebenen Effekte wirklich erwirken. Mit diesen Anforderungen an die magische Praxis sind wir nicht weit weg vom Doppelblindverfahren medizinischer Evidenzforschung.
A magical diary is the magician’s most essential and powerful tool. It should be large enough to allow a full page for each day. Students should record the time, duration, and degree of success of any practice undertaken. They should make notes about environmental factors conducive (or otherwise) to the work.
— Peter J. Carroll In: „Liber Null“, Kapitel „Liber MMM“
Die Magie zu ergründen, bzw. die eigenen magischen Fähigkeiten zu entdecken und entwickeln, ist also ein fortwährendes Experiment. Es gibt jedoch notwendige Fähigkeiten, die sich trainieren lassen, um diesen experimentellen Pfad effektiv zu verfolgen:
This course is an exercise in the disciplines of magical trance, a form of mind control having similarities to yoga, personal metamorphosis, and the basic techniques of magic. Success with these techniques is a prerequisite for any real progress with the initiate syllabus. (ebd.)
Wer sich mit Achtsamkeit, Atemübungen und Körperarbeit in der Psychotherapie beschäftigt hat, dem könnten die folgenden Konzepte bekannt vorkommen (beim Lesen des folgenden Textauszugs bitte das Wort Magie wie von magischer Hand streichen):
To work magic effectively, the ability to concentrate the attention must be built up until the mind can enter a trancelike condition. This is accomplished in a number of stages: absolute motionlessness of the body, regulation of the breathing, stopping of thoughts, and magical trances (concentration on objects, concentration on sound, and concentration on mental images).
MotionlessnessArrange the body in any comfortable position and try to remain in that position for as long as possible. Try not to blink or move the tongue or fingers or any part of the body at all. Do not let the mind run away on long trains of thought but rather observe oneself passively. What appeared to be a comfortable position may become agonizing with time, but persist! Set aside some time each day for this practice and take advantage of any opportunity of inactivity which may arise.
Record the results in the magical diary. One should not be satisfied with less than five minutes. When fifteen have been achieved, proceed to regulation of the breathing.
BreathingStay as motionless as possible and begin to deliberately make the breathing slower and deeper. The aim is to use the entire capacity of the lungs but without any undue muscular effort or strain. The lungs may be held full after inhalation for a few moments, or empty after exhalation for a few moments to lengthen the cycle. The important thing is that the mind should direct its complete attention to the breath cycle. When this can be done for thirty minutes, proceed to “not-thinking.”
Not-ThinkingThe exercises of motionlessness and breathing may improve health, but they have no other intrinsic value aside from being a preparation for not-thinking, the beginnings of the magical trance condition. While motionless and breathing deeply, begin to withdraw the mind from any thoughts which arise. The attempt to do this inevitably reveals the mind to be a raging tempest of activity. Only the greatest determination can win even a few seconds of mental silence, but even this is quite a triumph. Aim for complete vigilance over the arising of thoughts and try to lengthen the periods of total quiescence.
Like the physical motionlessness, this mental motionlessness should be practiced at set times and also whenever a period of inactivity presents itself. The results should be recorded in your diary. (ebd.)
In Kombination der Annahme der Chaosmagie, dass das Geistige – verstanden als Gedankenprozesse in neuronalen Strukturen – nicht nur innerhalb des Körpers, sondern ebenso außerhalb desselben materielle Wirkungen hervorrufen kann, und der Annahme, dass eine bestimmte körperliche Verfasstheit für die magische Wirksamkeit von Magier\:innen notwendig, wenn auch nicht hinreichend ist, ergibt sich eine nachvollziehbare Argumentationslinie: Die Sorge um geistige und körperliche Gesundheit ist integraler Bestandteil magischer Praxis oder zumindest ein zentrales Anliegen derselben.
In dieser Perspektive positioniert sich Magie deutlich gegen ein medizinisch-psychiatrisches Paradigma, das den Menschen vorrangig als zu reparierende Funktionsinstanz innerhalb eines sozialen Systems behandelt. Stattdessen wird eine Form der Selbstsorge und Selbstermächtigung betont, die mentale Selbstverteidigung ebenso einschließt wie körperliche Fürsorge durch milde, natürliche Mittel. So heißt es bei Peter J. Carroll:
Magic is opposed to a psychiatry and medicine designed to patch up the damaged automaton and plug it back into the system. Instead, it would rather that individuals learn to handle their own mental self-defense and treat their bodies with gentler remedies such as herbs.— Peter J. Carroll, in: Psychonaut, Kapitel: „New Aeon Magic“
Wir sind also auf dem Weg von der Magie in die Psychosomatik und Psychotherapie.
Magie und Psychotherapie
Der Begriff „Magie“ ist der Psychotherapie keineswegs fremd. So etwa beim Konzept des „sicheren Ortes“: ein imaginierter innerer Rückzugsraum, der im Rahmen der Psychotherapie entwickelt wird und in belastenden Situationen Stabilität und Schutz bieten kann. Dieser Ansatz findet in verschiedenen therapeutischen Verfahren Anwendung, unter anderem bei der Traumatherapie. Verwandt sind der „Ort der Kraft“, der Schutz und innere Stärke gibt. Es sind gewissermaßen magische Orte, imaginiert, geistig und im Geiste besucht – und wirksam. Wer sich tiefer mit solchen Konzepten beschäftigen möchte, findet eine Vielzahl weiterführender Ansätze auf der Wikipedia-Seite „Liste von Psychotherapie- und Selbsterfahrungsmethoden“ (Link in den Shownotes).
Geneigte Leser:innen mögen sich fragen: worauf wollen die den jetzt hinaus? Unsere Exit-Stragie für die Parabel von Wissenschaft, Magie und Psychotherapie beginnen wir mit einem Zitat des britischen Mathematikers, Physikers und Science-Fiction-Schriftstellers Arthur C. Clarke. In einem kurzen Satz verbindet Clarke die scheinbar beziehungslosen Begriffe Magie und Technik sehr elegant und einleuchtend: Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.
— Arthur C. Clarke In: „Hazards of Prophecy: The Failure of Imagination“ 1962
Der Begriff “advanced technology” ist eng mit einem wissenschaftlich geprägten Weltbild verknüpft und lässt sich in diesem Kontext am treffendsten mit “fortschrittliche” übersetzen. Es impliziert eine Bewegung in Richtung Zukunft. Semantisch verwandte Ausdrücke wie “accelerate the progress”, “move forward” oder “raise to a higher rank” verdeutlichen den inhärenten Fortschrittsgedanken. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Wortherkunft zunächst eine gegenteilige Richtung andeutet: Das lateinische “ab ante” bedeutet wörtlich von vorn oder “aus dem Vorher”, was eher eine Rück- als eine Vorwärtsbewegung nahelegt. Dennoch ist anzunehmen, dass Arthur C. Clarke mit der Verwendung des Begriffs “advanced technology” tatsächlich auf den Aspekt des Fortschritts abzielt, der der technologischen Entwicklung eingeschrieben ist.
Demnach erscheint eine Technologie, sobald sie einen bestimmten Entwicklungsstand überschritten hat, aus der Außenperspektive als Magie. Ihre bloße Existenz setzt jedoch einen kulturellen Kontext voraus, in dem sie nicht als magisch, sondern als technisch und rational erklärbar gilt. In der Kultur, in der die jeweilige Technologie entstanden ist, wird sie als solche erkannt und eingeordnet. (Wie aktuelle Entwicklungen im Bereich der großen Sprachmodelle diese klare Unterscheidung zwischen Technologie und Magie zunehmend herausfordern, soll an dieser Stelle lediglich angedeutet werden.)
Was Clarkes Satz so geschmackvoll macht ist die Verwandlung statischer Begriffe in einen dynamischen Prozess. Greifen wir mal hoch ins Regal und sagen, dass wir semantisch eine Form der Heisenbergschen Unschärferelation beobachten: Begriffe lassen sich nicht gleichzeitig eindeutig definieren und in ihrer Bedeutungsverschiebung begreifen.
In dieser Episode geht es nicht um Technik und Magie, sondern um Wissenschaft, Psychotherapie und Magie. Doch können wir Clarkes Satz problemlos weiter fassen, verallgemeinern, wenn wir sagen:
Jede unerklärliche Technik oder Praxis, die wiederholbare Veränderung bewirkt, erscheint wie Magie.
Mit dem wissenschaftlichen Blick und dieser Erkenntnis im Rücken, schauen wir noch einmal frisch auf die vorangegangenen Gedanken. Wenn wir evidenzbasierte psychotherapeutische Methoden mit Magie „alignen“ wollen, schauen wir zuerst auf die vordergründigen Definitionen der jeweiligen Begriffe. Arthur C. Clarke illustriert mit einfacher Eleganz, dass sich das Dinge sich verwandeln können und zwar nur weil sich die Definition der Begriffe sich wandeln. In seinem Statement wird aus Magie Technik, wenn die Fähigkeit gegeben ist, diese zu erkennen und zu erfassen. Landläufig würde man vielleicht sagen: wenn die Zeit reif ist.
It used to be said that magic was what we had before science was properly organized. It now seems that magic is where science is actually heading.
— Peter J. Carroll In: „Psychonaut“, Kapitel: „Introduction“
Das lasse ich mal so stehen. Und ich schließe diesen Post mit einem Zitat, dass mir (völlig anonymisiert) letzte Woche ein:e Patient:in mit in die Sitzung gebracht hat. Zufall??!. Es passt einfach so gut hier her:
Next, we consider the science of psychology. Incidentally, psychoanalysis is not a science: it is at best a medical process, and perhaps even more like witch-doctoring. It has a theory as to what causes disease—lots of different “spirits,” etc. The witch doctor has a theory that a disease like malaria is caused by a spirit which comes into the air; it is not cured by shaking a snake over it, but quinine does help malaria. So, if you are sick, I would advise that you go to the witch doctor because he is the man in the tribe who knows the most about the disease; on the other hand, his knowledge is not science.
— The Feynman Lectures on Physics (1963) > Vol I: The Relation of Physics to Other Sciences > 3-6 Psychology
Abschließend ein paar Gedanken zum Titelbild für diese Episode. Im Titel sollte „Chaosmagie“ vorkommen, so viel war klar, aber — wie in der Episode deutlich wird — sind wir keine Magier. Wir schauen von außen auf die magische Praxis, die in dieser Episode einen zentralen Platz hat und gleichzeitig aber nur ein Teil der Geschichte ist. Um das Coverbild zu erstellen, haben wir die KI bemüht und uns in den Vorgaben an dem Look & Feel anderer Bilder im Podcast-Universum orientiert, die sich mit Chaosmagie beschäftigen, bzw. in denen Menschen sprechen, die Chaosmagie praktizieren oder praktiziert haben. Die Chaosmagie ist nicht nur für Magier, sondern wird auch von Hexen und anderen praktiziert, weshalb wir den Menschen, der auf dem Titelbild abgebildet ist in Diversität auch androgyn gestalten wollten.


