

EGL077 Auch interessant im Regierungsviertel

Zum 2. Mal ist Ali Hackalife als Gast bei Eigentlich-Podcast. Ali betreibt den wunderbaren Podcast auch-interessant mit vielen spannenden Gästen und Themen. Das letzte Mal haben wir uns beim 38c3 in Hamburg getroffen. Diesmal ist Ali in Berlin und wir haben uns in der Friedrichsstraße zu einem gemeinsamen Rundgang durch das Regierungsviertel verabredet. Ali erzählt von seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Linken zur Corona-Hochzeit: von den Herausforderungen im politischen System, den Bedenken gegenüber digitalen Technologien und der Desillusionierung durch parteipolitische Dynamiken, die oft wichtiger erscheinen als die Themen selbst. Wir sprechen auch über die historische und kulturelle Dimension der Denkmäler und Gebäude, die uns auf unserem Weg begegnen: Reichstag, Brandenburger Tor und Siegessäule. Ein zentrales Thema ist auch die Deutungshoheit über historische Orte und ihre künstlerischen Repräsentationen, wie etwa die Verhüllung des Reichstags durch Christo. Aber auch in dieser Frage gehen wir viel weiter in die Geschichte zurück, bis in die Jungsteinzeit. Ali ist gerade aus England zurück und hat viel über Stonehenge zu erzählen. In den 50er Jahren wurde Stonehenge komplett umgestaltet und in eine Form gebracht, die nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht der ursprünglichen kulturellen Praxis entspricht. Am Beispiel des Denkmals für die ermordeten Juden Europas diskutieren wir auch die Frage, inwieweit historische Stätten und Denkmäler persönliches oder kollektives Gedächtnis stiften können. Es ist also ein Potpourri an Themen, das durch Orte und Geschichte führt, und Ali glänzt wie immer mit Detailwissen und Anekdoten. Viel Spaß beim Hören.
Shownotes
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- EGL077 | Wanderung | Komoot
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- Auch-interessant.de | Ein Podcast von Ali Hackalife
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- Denkende Maschinen - Hörbuch, ungekürzt
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- Drückjagd – Wikipedia
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Mitwirkende
- Ali Hackalife (Gasterzähler)
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Berlins historische Wahrzeichen: Zwischen preußischer Vergangenheit und demokratischer Gegenwart
In der Mitte Berlins, wo sich heute das Regierungsviertel der Bundesrepublik Deutschland erstreckt, verdichtet sich die wechselvolle Geschichte einer Stadt und eines Landes auf einzigartige Weise. Die monumentalen Bauwerke und Denkmäler, die diesen Raum prägen, sind nicht nur architektonische Meisterwerke, sondern auch steinerne Zeugen deutscher Geschichte – vom Aufstieg Preußens über die Reichsgründung, zwei Weltkriege und die Teilung bis hin zur Wiedervereinigung und demokratischen Gegenwart. Eine Betrachtung dieser Wahrzeichen offenbart die komplexen Schichten der Berliner und deutschen Identität.
Die Siegessäule: Monument preußischer Machtentfaltung
Die Berliner Siegessäule, heute ein unverkennbares Symbol der Stadt, trägt in ihrer Geschichte die Spuren preußischer Machtpolitik und nationalsozialistischer Stadtplanung. Ursprünglich wurde das Monument 1873 auf dem damaligen Königsplatz (heute Platz der Republik) vor dem Reichstagsgebäude errichtet. Die Säule entstand als Denkmal für die drei siegreichen Kriege, die unter der Führung Preußens zur deutschen Einigung führten: den Deutsch-Dänischen Krieg von 1864, den Deutsch-Österreichischen Krieg von 1866 und den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.
Die symbolische Bedeutung des Monuments ist vielschichtig: Das Bauwerk verkörpert den preußischen Militarismus und die Durchsetzung der kleindeutschen Lösung unter preußischer Führung. Die vergoldete, 8,3 Meter hohe Viktoria an der Spitze – im Volksmund liebevoll „Goldelse“ genannt – blickt triumphierend in den Himmel. Besonders bemerkenswert: Die Säule ist mit dem Metall von 16 erbeuteten dänischen, 35 österreichischen und 75 französischen Kanonen verziert, die zu vergoldeten Reliefs verarbeitet wurden – ein materialisierter Triumph über die besiegten Gegner.
Die heutige Position der Siegessäule ist das Ergebnis nationalsozialistischer Stadtplanung. Im Rahmen von Albert Speers megalomanischen „Germania“-Plänen wurde das Monument 1938/39 an seinen heutigen Standort am Großen Stern versetzt. Bei dieser Verlegung erhöhte man die Säule durch ein zusätzliches Segment von ursprünglich 50,7 auf 66,9 Meter – ein Eingriff, der die imperiale Symbolik des Monuments noch verstärkte. Die Säule wurde Teil der monumentalen Ost-West-Achse (heute Straße des 17. Juni), die als Paradestrecke und Machtdemonstration des NS-Regimes dienen sollte.
Die drei Einigungskriege: Preußens Weg zur Reichsgründung
Die Kriege, denen die Siegessäule gewidmet ist, markieren entscheidende Etappen auf dem Weg zur deutschen Einigung unter preußischer Führung. Der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 entbrannte um die Zugehörigkeit der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Preußen und Österreich kämpften gemeinsam gegen Dänemark und sicherten sich die Kontrolle über diese strategisch wichtigen Gebiete.
Nur zwei Jahre später, 1866, kam es zum Deutsch-Österreichischen Krieg, in dem Preußen gegen seinen ehemaligen Verbündeten antrat. Die Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 brachte die Entscheidung zugunsten Preußens und beendete die österreichische Vorherrschaft im Deutschen Bund. Dieser Sieg ebnete den Weg für die preußische Dominanz in Deutschland und führte zur Gründung des Norddeutschen Bundes.
Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 vervollständigte schließlich den preußischen Einigungsprozess. Nach dem Sieg über Frankreich wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich proklamiert – mit dem preußischen König Wilhelm I. als deutschem Kaiser. Diese „Einigung von oben“ unter preußischer Führung prägte die politische Kultur des neuen Reiches nachhaltig.
Preußische Geschichte: Vom Königreich zur europäischen Großmacht
Die Geschichte Preußens, die in Berlins Architektur und Denkmälern allgegenwärtig ist, begann mit der Krönung Friedrichs III. von Brandenburg zum „König in Preußen“ am 18. Januar 1701 in Königsberg. Als Friedrich I. begründete er die preußische Monarchie, die in den folgenden zwei Jahrhunderten zur bestimmenden Macht in Mitteleuropa aufsteigen sollte.
Unter Friedrich II., genannt „der Große“ (1740-1786), erlebte Preußen seinen Aufstieg zur europäischen Großmacht. Durch militärische Erfolge wie die Eroberung Schlesiens im Österreichischen Erbfolgekrieg und durch innere Reformen wie die Förderung der Aufklärung, des Handels und der Landwirtschaft formte Friedrich ein modernes Staatswesen. Seine Bauten in Berlin und Potsdam – allen voran Schloss Sanssouci – zeugen bis heute von dieser Blütezeit.
Die napoleonische Ära brachte 1806 mit der vernichtenden Niederlage bei Jena und Auerstedt einen dramatischen Einschnitt. Doch die anschließende Reformzeit unter Staatsmännern wie Freiherr vom Stein und Wilhelm von Humboldt legte den Grundstein für die Modernisierung Preußens. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die Bildungsreform und die Bauernbefreiung schufen die Voraussetzungen für den späteren Wiederaufstieg.
Die Ära Otto von Bismarcks (1862-1890) markierte schließlich den Höhepunkt preußischer Machtentfaltung. Als Ministerpräsident und später als Reichskanzler orchestrierte er die deutsche Einigung unter preußischer Führung. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Sturz der Monarchie 1918 verlor Preußen zwar seine Vormachtstellung, blieb aber als größtes Land der Weimarer Republik politisch bedeutsam. Die formelle Auflösung Preußens erfolgte erst 1947 durch den Alliierten Kontrollrat – ein symbolischer Schlussstrich unter eine Staatsidee, die Deutschland über Jahrhunderte geprägt hatte.
Berlin: Von der mittelalterlichen Doppelstadt zur Metropole
Die Geschichte Berlins beginnt lange vor dem Aufstieg Preußens. Die mittelalterliche Doppelstadt Berlin-Cölln, erstmals 1237 bzw. 1244 urkundlich erwähnt, entstand an einer günstigen Furt über die Spree. Im Jahr 1432 schlossen sich beide Städte zur „Berliner Union“ zusammen – ein erster Schritt zur Vereinigung, die 1709 mit der Gründung der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin offiziell vollzogen wurde.
Mit der Krönung Friedrichs I. zum König in Preußen 1701 begann Berlins Aufstieg zur preußischen Hauptstadt. Die Stadt erfuhr unter den preußischen Herrschern eine umfassende bauliche Prägung. Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, erweiterte die Stadtmauern und schuf mit der Friedrichstadt ein neues Stadtviertel. Friedrich der Große ließ repräsentative Bauten wie das Forum Fridericianum (heute Bebelplatz) errichten und förderte die Ansiedlung von Handwerkern und Künstlern.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Berlin zur Industriemetropole. Die Bevölkerung wuchs explosionsartig von rund 170.000 Einwohnern im Jahr 1800 auf über 2 Millionen um 1900. Mit dem Groß-Berlin-Gesetz von 1920 entstand schließlich durch die Eingemeindung umliegender Städte und Dörfer die moderne Bezirksstruktur – ein administrativer Meilenstein, der Berlin zur flächenmäßig zweitgrößten Stadt Europas machte.
NS-Zeit und Stadtplanung: Speers „Germania“ und die Umgestaltung Berlins
Die nationalsozialistische Herrschaft hinterließ tiefe Spuren im Stadtbild Berlins. Albert Speer, Hitlers Architekt und späterer Rüstungsminister, entwickelte ab 1937 gigantomanische Pläne für die Umgestaltung Berlins zur „Welthauptstadt Germania“. Im Zentrum dieser Planungen stand eine monumentale Nord-Süd-Achse, die von einem 117 Meter hohen Triumphbogen im Süden bis zu einer 290 Meter hohen „Großen Halle“ im Norden reichen sollte.
Während die meisten Elemente von „Germania“ Planungen blieben, wurde die Ost-West-Achse, die heutige Straße des 17. Juni, teilweise verwirklicht. Die Verlegung der Siegessäule vom Königsplatz zum Großen Stern war Teil dieser Umgestaltung. Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, den die Nationalsozialisten als Vorwand für die Aushebelung demokratischer Grundrechte nutzten, tagte das Parlament nicht mehr im Reichstagsgebäude. Stattdessen wurde die Neue Reichskanzlei zum eigentlichen Machtzentrum des NS-Regimes.
Die „Germania“-Pläne offenbaren den totalitären Charakter des NS-Regimes: Architektur sollte hier nicht menschlichen Bedürfnissen dienen, sondern Macht demonstrieren und einschüchtern. Die wenigen realisierten Bauten wie das Reichsluftfahrtministerium (heute Bundesfinanzministerium) zeugen von diesem Anspruch. Die vollständige Umsetzung der Pläne hätte die historisch gewachsene Stadt weitgehend zerstört – ein Schicksal, das Berlin durch die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs dann auf andere, tragische Weise erlitt.
Das Reichstagsgebäude: Vom Kaiserreich zur Demokratie
Kein anderes Gebäude in Berlin verkörpert die Höhen und Tiefen deutscher Geschichte so eindrucksvoll wie das Reichstagsgebäude. Erbaut zwischen 1884 und 1894 nach Plänen des Architekten Paul Wallot, war es ursprünglich als Sitz des Reichstags des Deutschen Kaiserreichs konzipiert. Die berühmte Inschrift „Dem Deutschen Volke“ wurde erst 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, angebracht – ein spätes Zugeständnis an die demokratische Idee.
Am 9. November 1918, als der Erste Weltkrieg verloren war und die Monarchie zusammenbrach, verkündete Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags die Republik. Während der Weimarer Zeit diente das Gebäude als parlamentarisches Zentrum, bis der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 den Nationalsozialisten als willkommener Vorwand für die Errichtung ihrer Diktatur diente. In der NS-Zeit tagte das gleichgeschaltete Parlament nicht mehr im Reichstag, sondern in der Krolloper.
Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde das Gebäude 1945 zum Schauplatz eines der ikonischsten Momente des 20. Jahrhunderts: Sowjetische Soldaten hissten die rote Fahne auf dem Dach – ein Bild, das zum Symbol für das Ende des Dritten Reiches wurde. Während der deutschen Teilung lag der Reichstag im britischen Sektor West-Berlins, nur wenige Meter von der Berliner Mauer entfernt. In den 1960er Jahren notdürftig renoviert, diente er für Ausstellungen und gelegentliche Sitzungen des Bundestags, ohne jedoch seine volle parlamentarische Funktion wiederzuerlangen.
Nach der Wiedervereinigung 1990 beschloss der Deutsche Bundestag, seinen Sitz von Bonn nach Berlin zu verlegen. Der britische Architekt Norman Foster wurde mit der umfassenden Renovierung des Reichstags beauftragt, die von 1995 bis 1999 dauerte. Das markanteste Element des erneuerten Gebäudes ist die gläserne Kuppel, die Besuchern einen Rundblick über die Stadt ermöglicht und gleichzeitig den Plenarsaal von oben einsehbar macht – ein bewusstes Symbol für die Transparenz der demokratischen Institutionen.
Die Reichstagsverhüllung: Kunstprojekt mit historischer Dimension
Bevor der Reichstag zum Sitz des Deutschen Bundestags umgebaut wurde, fand dort im Sommer 1995 eines der spektakulärsten Kunstprojekte des 20. Jahrhunderts statt: die Verhüllung des Reichstagsgebäudes durch die Künstler Christo und Jeanne-Claude. Die Idee entstand bereits 1971 bei einem Berlin-Besuch Christos, doch der Weg zur Realisierung war lang und steinig.
Nach mehreren abgelehnten Anfragen in den 1970er und 1980er Jahren und intensiver Lobby-Arbeit kam es am 25. Februar 1994 zu einer historischen Debatte im Deutschen Bundestag. Mit 292 zu 223 Stimmen – in einer fraktionsübergreifenden Abstimmung nach persönlicher Überzeugung – erteilten die Abgeordneten ihre Zustimmung zu dem Kunstprojekt.
Die Umsetzung erforderte jahrelange technische Studien, Windtests und statische Berechnungen. Für die Verhüllung wurden 100.000 Quadratmeter feuerfestes Polypropylengewebe und 15,6 Kilometer blaue Seile verwendet. Über 90 professionelle Kletterer und 120 Monteure arbeiteten vom 17. bis 24. Juni 1995 an der Installation. Das Kunstwerk war für 14 Tage, vom 24. Juni bis 7. Juli 1995, zu sehen und zog über 5 Millionen Besucher an.
Die Reichstagsverhüllung wurde vollständig durch den Verkauf von Christos Vorstudien und Kunstwerken finanziert – ohne Sponsoren oder öffentliche Gelder. Diese finanzielle Unabhängigkeit war den Künstlern wichtig, um ihre künstlerische Freiheit zu wahren.
Die Wirkung des Projekts ging weit über das Ästhetische hinaus. Die Verhüllung transformierte das historisch belastete Gebäude vorübergehend in ein abstraktes Kunstwerk und schuf Raum für neue Assoziationen. Paradoxerweise betonte die Verhüllung die Architektur, indem sie sie dem direkten Blick entzog. Das Projekt gilt heute als Meilenstein der Kunst im öffentlichen Ra und als Symbol für das wiedervereinigte Berlin.
Der befriedete Bezirk: Demokratische Sicherheitszone
Um das Reichstagsgebäude und die umliegenden Parlamentsgebäude erstreckt sich heute ein besonderer Bereich, der offiziell als „befriedeter Bezirk“ bezeichnet wird – im Volksmund oft „Bannmeile“ genannt. Dieser Bezirk umfasst neben dem Reichstagsgebäude auch das Paul-Löbe-Haus und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und wird im Norden etwa durch die Spree, im Osten durch die Wilhelmstraße, im Süden durch die Dorotheenstraße und im Westen durch die Scheidemannstraße und den Platz der Republik begrenzt.
Die Einrichtung dieses besonderen Bezirks dient dem Schutz der parlamentarischen Arbeit und hat historische Gründe: In der Weimarer Republik hatten Demonstrationen vor dem Reichstag wiederholt Druck auf die Abgeordneten ausgeübt. Das „Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes“ regelt heute die Bestimmungen für diesen Bereich, in dem Demonstrationen und öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel grundsätzlich verboten sind. Ausnahmegenehmigungen können durch den Bundestagspräsidenten oder die Bundestagspräsidentin erteilt werden.
Neben dem Demonstrationsverbot gelten im befriedeten Bezirk weitere Beschränkungen, etwa für Foto-, Film- und Fernsehaufnahmen in bestimmten Bereichen, ein verschärftes Waffenverbot sowie die Erlaubnis für strenge Zugangskontrollen. Diese Maßnahmen dienen der Sicherheit der Verfassungsorgane und sollen die ungestörte Funktionsfähigkeit der Demokratie gewährleisten.
Das Brandenburger Tor: Vom Friedenstor zum Symbol der Einheit
Das Brandenburger Tor, 1788-1791 von Carl Gotthard Langhans im frühklassizistischen Stil erbaut, hat im Laufe seiner Geschichte einen bemerkenswerten Bedeutungswandel erfahren. Ursprünglich als Friedenstor konzipiert – die von Johann Gottfried Schadow geschaffene Quadriga trägt die Friedensgöttin Eirene –, wurde es später zum Symbol nationaler Identität und militärischer Triumphe. Nach dem Sieg über Napoleon 1814 wurde die von den Franzosen entwendete Quadriga zurückgebracht und mit dem Eisernen Kreuz und dem preußischen Adler ergänzt – ein Symbol des Triumphes über Frankreich.
Während der deutschen Teilung stand das Brandenburger Tor unmittelbar an der Berliner Mauer im sowjetischen Sektor und war für den normalen Verkehr gesperrt. Es wurde zum Symbol der schmerzlichen Trennung Deutschlands. Die Bilder vom 9. November 1989, als tausende Menschen auf der Mauer am Brandenburger Tor die Öffnung der Grenzen feierten, gingen um die Welt. Heute verbindet die Straße des 17. Juni – benannt nach dem Volksaufstand in der DDR 1953 – das Brandenburger Tor mit der Siegessäule und schafft so eine symbolische Achse, die verschiedene Epochen deutscher Geschichte verbindet.
Berlins Wahrzeichen als Spiegel deutscher Geschichte
Die historischen Wahrzeichen im Berliner Regierungsviertel erzählen die vielschichtige Geschichte einer Stadt und eines Landes. Von der preußischen Machtentfaltung über die Katastrophen des 20. Jahrhunderts bis zur demokratischen Gegenwart spiegeln sie die Brüche und Kontinuitäten deutscher Geschichte wider. In ihrer heutigen Nutzung und Symbolik sind sie nicht nur Erinnerungsorte, sondern auch lebendige Bestandteile einer demokratischen Kultur.
Die Transformation des Reichstagsgebäudes vom Symbol kaiserlicher und später nationalsozialistischer Macht zum transparenten Sitz eines demokratischen Parlaments steht exemplarisch für den Wandel, den Deutschland durchlaufen hat. Die gläserne Kuppel, die Besuchern einen Blick auf die Arbeit der Abgeordneten ermöglicht, verkörpert das Ideal einer offenen, bürgernahen Demokratie.
Berlins historische Wahrzeichen sind somit mehr als nur touristische Attraktionen – sie sind steinerne Zeugen einer komplexen Vergangenheit und zugleich Symbole für die Hoffnungen und Werte der Gegenwart. In ihrer Vielschichtigkeit fordern sie uns auf, Geschichte kritisch zu reflektieren und die Errungenschaften der Demokratie zu bewahren.
Stonehenge: Neues Licht auf ein altes Rätsel
Moderne Forschungsmethoden enthüllen die Geheimnisse eines der berühmtesten prähistorischen Monumente der Welt
Seit Jahrhunderten fasziniert Stonehenge Gelehrte und Laien gleichermaßen. Doch erst in den letzten Jahrzehnten haben revolutionäre wissenschaftliche Methoden begonnen, die Geheimnisse dieses enigmatischen Monuments zu lüften. Die gewaltigen Steinkreise auf der Salisbury-Ebene in Südengland erzählen heute eine weitaus komplexere Geschichte, als wir je vermutet hätten.
Die Revolution der archäologischen Methoden
Die wissenschaftliche Erforschung von Stonehenge begann im frühen 20. Jahrhundert mit konventionellen Ausgrabungen. Doch erst die Einführung moderner Technologien hat unser Verständnis grundlegend verändert. „Die Radiokarbondatierung war ein Wendepunkt“, erklärt Professor Mike Parker Pearson von der University College London. „Sie hat uns ermöglicht, die chronologische Entwicklung von Stonehenge präzise zu rekonstruieren und die Hauptbauphase auf etwa 3000-2000 v. Chr. zu datieren.“
Heute ermöglichen nicht-invasive Prospektionsmethoden wie Bodenradar, Magnetometrie und LIDAR Einblicke, ohne das Monument zu beschädigen. Das Stonehenge Hidden Landscapes Project hat mit diesen Techniken ein komplexes System aus bis zu 20 Schächten rund um Durrington Walls entdeckt – eine Sensation, die zeigt, wie viel noch unter der Oberfläche verborgen liegt.
Petrographische Untersuchungen haben einen der faszinierendsten Aspekte von Stonehenge enthüllt: Die kleineren „Blausteine“ stammen aus den Preseli-Bergen in Wales, etwa 250 Kilometer entfernt. „Die logistische Leistung, diese tonnenschweren Steine über solche Distanzen zu transportieren, ist beeindruckend“, sagt Dr. Richard Bevins vom National Museum of Wales. „Neueste Forschungen deuten sogar darauf hin, dass einige dieser Steine ursprünglich zu einem Steinkreis in Wales gehörten, der demontiert und nach Stonehenge transportiert wurde.“
Bioarchäologische Methoden liefern weitere Puzzleteile. Isotopenanalysen an menschlichen und tierischen Überresten geben Aufschluss über Ernährungsgewohnheiten und Migrationsmuster. Die Analyse alter DNA hat gezeigt, dass um 2500 v. Chr. – zeitgleich mit der Hauptbauphase von Stonehenge – ein signifikanter Bevölkerungsaustausch in Großbritannien stattfand, als kontinentale Gruppen der Glockenbecherkultur einwanderten.
Die sakrale Landschaft – mehr als nur ein Steinkreis
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der modernen Forschung ist, dass Stonehenge nicht isoliert betrachtet werden darf. „Wir müssen Stonehenge als Teil einer komplexen rituellen Landschaft verstehen“, betont Dr. Susan Greaney von English Heritage. „Es war ein Element in einem ausgeklügelten System von Monumenten, die über Jahrhunderte entstanden sind.“
Die früheste Nutzung des Areals reicht bis etwa 8500 v. Chr. zurück, lange vor der Errichtung der berühmten Steinkreise. Die Hauptbauphase mit den massiven Sarsensteinen erfolgte um 2500 v. Chr. Zu dieser Zeit war die Landschaft bereits mit zahlreichen anderen Monumenten übersät: Grabhügeln, Prozessionswegen, Holzkreisen und dem nahegelegenen Siedlungskomplex von Durrington Walls.
Besonders aufschlussreich ist die duale Organisation dieser Landschaft. „Durrington Walls scheint als ‚Land der Lebenden‘ fungiert zu haben, mit Häusern und Hinweisen auf Feste und Zeremonien“, erklärt Professor Parker Pearson. „Stonehenge hingegen war das ‚Land der Toten‘, ein Ort für Bestattungen und Ahnenverehrung.“ Beide Bereiche waren durch rituelle Prozessionswege verbunden, die teilweise dem Lauf des Flusses Avon folgten.
Diese integrierte rituelle Landschaft funktionierte als komplexes System mit jahreszeitlichen Ritualen. Die präzise Ausrichtung von Stonehenge auf die Sonnenwenden – insbesondere die Wintersonnenwende – deutet auf einen ausgeklügelten Kalender hin, der kosmische Zyklen mit menschlichen Aktivitäten verband.
Rituale und Funktionen – ein kosmisches Theater
Die Frage nach der Funktion von Stonehenge hat Generationen von Forschern beschäftigt. Heute wissen wir, dass das Monument mehrere Funktionen erfüllte. Die präzise astronomische Ausrichtung ist unbestreitbar: Die Hauptachse ist exakt auf den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende und den Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende ausgerichtet.
„Die Analyse von Tierknochen zeigt, dass die Hauptaktivitäten im Winter stattfanden, besonders zur Wintersonnenwende“, erläutert Dr. Jane Evans von der University of Leicester. „Dies deutet auf große Feierlichkeiten hin, zu denen Menschen aus ganz Großbritannien zusammenkamen.“
Stonehenge diente auch als Bestattungsort. Archäologen haben die Überreste von 150-240 Individuen gefunden, die meisten kremiert. Die Isotopen- und DNA-Analysen dieser Überreste deuten darauf hin, dass es sich um eine Elite handelte, die aus verschiedenen Regionen Britanniens stammte.
Interessanterweise gibt es Hinweise auf eine Verbindung zu Heilungsritualen. „Die überdurchschnittliche Zahl von Bestatteten mit Verletzungen könnte darauf hindeuten, dass Stonehenge als Ort der Heilung angesehen wurde“, erklärt Dr. Timothy Darvill von der Bournemouth University. „Einige der Blausteine aus Wales wurden möglicherweise wegen ihrer vermeintlichen heilenden Eigenschaften transportiert.“
Stonehenge erfüllte auch eine wichtige soziale Funktion. Der Bau erforderte die Koordination tausender Menschen und etwa 30.000 Arbeitstage – eine enorme Leistung für eine Gesellschaft mit schätzungsweise 200.000-300.000 Einwohnern in ganz Großbritannien. „Die Organisation eines solchen Projekts setzte komplexe soziale Strukturen voraus“, betont Dr. Colin Richards von der University of Manchester. „Der Bau selbst war vermutlich ebenso wichtig wie das fertige Monument – er schuf Gemeinschaft und stärkte soziale Bindungen.“
Die Gesellschaft hinter dem Monument
Wer waren die Menschen, die Stonehenge errichteten? Die archäologischen Befunde zeichnen das Bild einer komplexen Gesellschaft im Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit. Die Region Wessex war mit etwa 10-20 Menschen pro Quadratkilometer relativ dicht besiedelt. Die Menschen lebten in kleinen Siedlungen mit 3-5 Häusern und etwa 20-50 Personen.
Die monumentale Phase von Stonehenge fällt zeitlich mit der Ausbreitung der Glockenbecherkultur zusammen, die um 2500 v. Chr. von Kontinentaleuropa nach Großbritannien kam. Diese Kultur ist durch charakteristische glockenförmige Keramikgefäße, frühe Metallurgie und standardisierte Bestattungssitten gekennzeichnet.
Ab etwa 2200 v. Chr. entwickelte sich im südlichen England die Wessex-Kultur, die zur frühen Bronzezeit gehört. Sie ist bekannt für reiche Grabbeigaben, internationale Handelskontakte und fortgeschrittene Metallurgie. Ein herausragendes Beispiel ist das Grab von Bush Barrow, in dem ein Häuptling mit goldenen Artefakten und einer kunstvollen „Sonnenscheibe“ bestattet wurde.
DNA-Analysen haben ein überraschendes Bild geliefert: Um 2500 v. Chr. wurde die neolithische Bevölkerung Großbritanniens weitgehend durch kontinentale Einwanderer ersetzt. „Diese demographische Veränderung fällt genau mit der Hauptbauphase von Stonehenge zusammen“, erklärt Dr. Ian Barnes vom Natural History Museum London. „Es ist verlockend, einen Zusammenhang zu vermuten, obwohl wir nicht wissen, ob dieser Bevölkerungsaustausch friedlich oder gewaltsam verlief.“
Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug etwa 30-35 Jahre. Die Ernährung basierte auf Getreide, Fleisch und gesammelten Nahrungsmitteln. Isotopenanalysen zeigen, dass zu bestimmten Zeiten, besonders zur Wintersonnenwende, bis zu 4.000 Menschen bei Durrington Walls zusammenkamen – vermutlich für große Feste und Zeremonien.
Religion und Kosmologie
Die religiösen Vorstellungen der Menschen von Stonehenge können nur indirekt erschlossen werden. „Reverse Engineering in der Archäologie bedeutet, von materiellen Hinterlassenschaften auf immaterielle Konzepte zu schließen“, erklärt Professor Timothy Insoll von der University of Exeter. „Bei prähistorischen Gesellschaften ohne Schrift ist dies besonders herausfordernd.“
Dennoch lassen sich einige Grundzüge rekonstruieren. Die Religion der Glockenbecherkultur und der Wessex-Kultur scheint stark von dualistischen Konzepten geprägt gewesen zu sein: Leben und Tod, Tag und Nacht, Sommer und Winter. Die kosmologische Bedeutung von Stonehenge mit seiner präzisen astronomischen Ausrichtung deutet auf eine enge Verbindung zwischen Himmelsbeobachtung und religiösen Vorstellungen hin.
„Die zyklische Ausrichtung neolithischer Heiligtümer ist ein weltweites Phänomen“, betont Dr. Clive Ruggles, Experte für Archäoastronomie. „Diese Monumente dienten als Vermittler zwischen kosmischen Zyklen und menschlichen Bedürfnissen. Sie waren gleichzeitig Kalender, Versammlungsorte und heilige Stätten.“
Ein ausgeprägter Ahnenkult scheint eine zentrale Rolle gespielt zu haben. Die Bestattungen in und um Stonehenge, oft mit standardisierten Beigaben und rotem Ocker, deuten auf komplexe Jenseitsvorstellungen hin. Die Grabhügeltradition der Wessex-Kultur mit wiederholten rituellen Handlungen an Gräbern verstärkt diesen Eindruck.
Wasser spielte ebenfalls eine wichtige rituelle Rolle, wie die Nähe zum Fluss Avon und Deponierungen von Artefakten in Gewässern zeigen. Mit der Zeit scheint die Religion hierarchischer geworden zu sein, parallel zur zunehmenden sozialen Stratifizierung in der Wessex-Kultur.
Kriegerische Auseinandersetzungen und gesellschaftlicher Wandel
Obwohl die Hauptnutzungszeit von Stonehenge oft als friedliche Periode dargestellt wird, gibt es Hinweise auf Konflikte. Der „Stonehenge Archer“, ein Mann, der um 2300 v. Chr. durch drei Pfeilspitzen getötet wurde, deutet auf gewaltsame Auseinandersetzungen hin.
Die massive demographische Veränderung um 2500-2200 v. Chr., die durch DNA-Analysen belegt ist, könnte ebenfalls nicht völlig friedlich verlaufen sein. Ab der mittleren Bronzezeit (ca. 1500 v. Chr.) gibt es deutlichere Anzeichen für eine zunehmende Militarisierung: Waffen werden häufiger in Grabbeigaben gefunden, und Schädelverletzungen nehmen zu.
„Viele prähistorische Konflikte könnten ritualisiert gewesen sein“, gibt Dr. Richard Osgood, Archäologe beim UK Ministry of Defence, zu bedenken. „Die Grenze zwischen Krieg und Ritual war vermutlich fließend.“
Stonehenge heute – ein konstruiertes Monument?
Ein wenig bekannter Aspekt von Stonehenge ist, dass sein heutiges Erscheinungsbild teilweise das Ergebnis moderner Eingriffe ist. Zwischen 1958 und 1959 wurden umfangreiche Restaurierungs- und Stabilisierungsarbeiten durchgeführt. Mehrere umgefallene Megalithen wurden wieder aufgerichtet und mit Betonfundamenten gesichert. Der Trilithon 6/7 wurde komplett rekonstruiert, mehrere Blausteine neu positioniert.
„Die Dokumentation war nach heutigen Maßstäben unzureichend“, kritisiert Dr. Heather Sebire von English Heritage. „Viele archäologische Kontexte gingen verloren. Das ikonische Bild von Stonehenge, das wir heute kennen, ist teilweise ein Produkt dieser Nachkriegsrestaurierung.“
Diese Erfahrungen haben die archäologische Praxis nachhaltig beeinflusst und zu strengeren konservatorischen Prinzipien geführt. Stonehenge steht damit in einer Reihe mit anderen berühmten archäologischen Stätten, die erhebliche Umgestaltungen erfahren haben – von Arthur Evans‘ Betonrekonstruktionen in Knossos bis zu den komplett neu aufgebauten Abschnitten der Chinesischen Mauer.
Ein komplexes Erbe
Die moderne Forschung hat unser Verständnis von Stonehenge revolutioniert. Was einst als isoliertes Monument betrachtet wurde, erscheint heute als Knotenpunkt in einem komplexen Netzwerk ritueller Landschaften. Die Menschen, die es errichteten, waren keine primitiven Barbaren, sondern Mitglieder einer hochentwickelten Gesellschaft mit beeindruckenden astronomischen Kenntnissen, logistischen Fähigkeiten und komplexen religiösen Vorstellungen.
Stonehenge verkörpert die Fähigkeit prähistorischer Gesellschaften, Gemeinschaftsprojekte von monumentalem Ausmaß zu realisieren. Es zeigt, wie Menschen vor mehr als 4.500 Jahren kosmische Zyklen mit ihrem Alltagsleben verbanden und eine Brücke zwischen Himmel und Erde, Leben und Tod, Vergangenheit und Zukunft schufen.
Die Erforschung von Stonehenge ist noch lange nicht abgeschlossen. Mit jeder neuen Technologie und jedem neuen Ansatz werden weitere Facetten dieses außergewöhnlichen Monuments enthüllt. Wie Professor Mike Parker Pearson es ausdrückt: „Stonehenge ist nicht ein Rätsel, das gelöst werden muss, sondern ein komplexes Erbe, das wir immer besser verstehen lernen.“














