

Alles Geschichte - Der History-Podcast
ARD
Hinter allem steckt Geschichte und wir erzählen sie euch - euer History-Podcast.
Episodes
Mentioned books

Jun 6, 2025 • 26min
STARS DES ABSOLUTISMUS - Friedrich II. und die Seidenraupen
Friedrich der Große förderte nicht nur die Kartoffel, sondern auch den Seidenbau. Ausgerechnet im unwirtlichen Brandenburg. Dazu ließ er die Eier des Seidenspinners nach Preußen bringen, warb Fachkräfte aus dem Ausland an, ließ Waisenkinder im Seidehaspeln anlernen und machte sich damit herzlich unbeliebt. Von Katharina Hübel (BR 2020)Credits Autorin: Katharina Hübel Regie: Axel Wostry Es sprachen: Heiko Ruprecht, Katja Schild, Axel Wostry Technik: Monika Gsaenger Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Dr. Susanne Evers, Dr. Silke Kamp Besonderer Linktipp der Redaktion: BR (2025): WirTier Dieser Podcast erzählt von Menschen, die ihr ganzes Leben verändert haben durch diesen einen Moment auf Augenhöhe mit einem Tier. Sie teilen mit uns ihre tiefgreifenden Erfahrungen und Erkenntnisse über unser Zusammenleben auf diesem Planeten und lassen uns teilhaben an ihrem Wissen über Tiere. Denn auch Forscherinnen und Forscher wissen zunehmend: Tiere haben Gefühle, Intelligenz und ein Sozialleben. Und auch Vici und Julius, die Hosts von WirTier, verändern sich durch diese Begegnungen – und stellen sich vielfältigen Herausforderungen auf der Weide, im Garten oder auch in freier Wildbahn. ZUM PODCAST Linktipps planet wissen: Geschichte der Seide Seit die Seidenherstellung vor gut 5000 Jahren in China entdeckt wurde, ranken sich um den begehrten Stoff Geheimnisse und Mythen. Dabei hat die Seide nicht nur die Mode, sondern auch die Wirtschaft ganzer Länder beeinflusst. JETZT LESEN WDR (2021): Friedrich der Große erlässt den Kartoffelbefehl Friedrich der Große liebte Kartoffeln: Weniger für sich, um so mehr für seine Untertanen. Immer wieder versuchte er, die Kartoffel unters Volk zu bringen: Mit Tricks, durch Predigten - und in Befehlen. JETZT ANHÖREN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:Zitatorin: „Leider haben sich die Würmer einigermaßen zu Krankheiten geneiget, welche darin bestehen, dass sie häufig auf den Rändern laufen, durch starke Bewegungen eine gewisse Angst äußern und sogar das frische Futter meiden. Einige fressen sehr gut, bleiben aber dessen ungeachtet klein und vertrocknen auch an den Schachteln, welches eine Art von Schwindsucht ist.“
Sprecher: Das ist der Bericht von Anne Marie Baral, einer bemerkenswerten Frau. Ehemalige Tagelöhnerin. Witwe. Alleinerziehende Mutter. Eine von den Armen im Preußen des 18. Jahrhunderts. Sie hat eine steile Karriere gemacht und ist Angestellte von keinem Geringeren als von Friedrich dem Zweiten, dem preußischen König. Seinem Kommissar legt sie Rechenschaft ab:
Zitatorin:„Die meisten dieser kranken Würmer sind blanke Würmer, welche zuletzt, nachdem sie an den Rändern gelaufen, platzen und auslaufen“
Sprecher:„Die Würmer“, um die sie sich sorgt, sind: „Seidenwürmer“, also: Seidenraupen. Anne Marie Baral ist königliche Seidenbauerin im „Jägerhof“ zu Potsdam, einer so genannten „Seidenbau-Musteranstalt“, in der landesweit ausgebildet wird. Eine absolut privilegierte Position: Anne Marie Baral bekam ein jährliches Gehalt von 150 Reichstalern und war mit Abstand die bestbezahlte Seidenkultivateurin des Landes, zudem konnte sie mietfrei wohnen und erhielt Gewinnbeteiligung, mehr noch: die königlichen Behörden verpflichteten für sie Pflücker, die das Futter für die Seidenraupen besorgten und anlieferten. Baral musste nichts davon finanzieren, die Kosten trug Friedrich der Große. Auch für die sechs Waisenkinder, die ihr bei der Pflege und Aufzucht der Raupen halfen, bezahlte sie keinen Groschen: der König höchstpersönlich verpflichtete die Waisen und sah seinerseits ebenfalls davon ab, sie zu bezahlen – in seinen Augen erhielten sie genug Lohn in Form einer Gratis- Ausbildung. Anne Marie Barals Tochter Susette hingegen wurde vom König bezahlt mit vier Groschen Lohn pro Tag. Zudem erhielten die Barals 16 Lot Graines frei Haus.
Musik
„Graines“ - die Eier des Seidenspinners, aus dem die Raupen schlüpfen. Die fressen sich einen guten Monat lang groß und spinnen sich dann in einen Kokon ein, den Seidenkokon. Sofern sie solange überleben. Eine verwegene Vision Friedrichs des Großen: Ausgerechnet im klimatisch wechselhaften, unwirtlichen Brandenburg heimische Seide gewinnen zu wollen. Er versuchte es mit allen Mitteln: Anne Marie Baral hatte drei beheizbare Säle und bekam Holz fürs Befeuern geliefert. Doch all das reichte nicht.
Zitatorin:„So beklagte ich mich wegen Mangel an Futter. Da nun dieses wohl daher kommt, weil die Arbeiter beym Schneiden zu nachlässig sind, und statt, wenn gutes Wetter ist, um acht Uhr aufhören könnten, so hören selbige schon um vier Uhr auf. Bitte demnach Euer Hochwohlgeboren denen Leuten scharf anzubefehlen, dass selbige fleißiger schneiden und ich mehr Futter bekomme, sofern die Würmer vor Mangel der Blätter umkommen müssen.“
Sprecher:…berichtet Anne Maria Baral dem so genannten Seidenbaukommissar, der im Auftrag von Friedrich dem Zweiten alle Arbeiten rund um die Gewinnung preußischer Seide kontrollierte. Die Seidenraupen – normalerweise in wärmeren, asiatischen Gefilden heimisch – sind wählerisch: Sie fressen nur die Blätter des Maulbeerbaumes. Und da Friedrich der Große unbedingt mit eigener Seide glänzen wollte, griff er ein Jahr nach seiner Thronbesteigung per Dekret in die Flora Brandenburgs ein: Er ließ tausende Linden fällen und machte Platz für Maulbeerbäume. Samen wurden verteilt, für je 1.000 Stämme gab es eine Geldprämie von 50 Thalern. Manche der Maulbeerbäume stehen heute noch, gut 200 Jahre später, wie in Zernikow. Die Historikerin Dr. Silke Kamp hat dort die Dauerausstellung „Vom Maulbeerbaum zur Seide“ wissenschaftlich begleitet. Sie weiß: Der Pflanz-Befehl des absolutistischen Herrschers war nicht von heute auf morgen umsetzbar.
01 / OT Kamp Diese Bäume müssen erstmal in Baumschulen, bevor sie ins Freiland gesetzt werden, müssen in den ersten Jahren auch noch sehr liebevoll gepflegt werden, damit sie nicht eingehen, nicht vertrocknen, auch regelmäßig beschnitten werden.
Musik
Sprecher:Das Gedeihen der Maulbeerbäume im unwirtlichen Brandenburg war oberste Staatsaufgabe: Selbst die Akademie der Wissenschaften unter Leitung des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz beschäftigte sich damit. Auch die Königliche Realschule bildete aus, Plantagen-Inspektoren und Kreisgärtner schwärmten aus, um auf dem Land den Anbau zu überwachen. Friedrich der Große selbst unternahm Reisen ins Brandenburgische. Selten war er zufrieden. Er schreibt an die Kammer:
Zitator Friedrich „...die Amtleute ernstlich zur Befolgung ihrer Pflicht anzuhalten. Es seindt Faule Esels“
SprecherDer König wurde zum Botaniker.
Zitator Friedrich„Glaubwürdigen Berichten zufolge werden die meisten Maulbeerbaumplantagen nicht richtig kultiviert, sondern von Anfang an dadurch verdorben, dass die Baumwurzeln nicht ordentlich beschnitten werden“
Sprecher:Friedrich war ungeduldig mit seinen Untertanen. Doch der Seidenbau erforderte enorme Fachkenntnis. Italien und Frankreich waren damals die führenden Nationen im Seidengewerbe – ihnen wollte Friedrich Konkurrenz machen. Die absolutistischen Herrscher standen im Wettkampf - um Gebiete, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Prestige. Doch das Geschäft mit der Seide war durchaus heikel und wirtschaftlich riskant. Wer sollte das wagen? Wie sollte die nötige Kenntnis nach Preußen kommen? Friedrich der Zweite warb kurzerhand Facharbeiter aus dem Ausland an. Silke Kamp:
02/ OT KampZum Teil hatte man sie durch das Edikt von Potsdam durch die Aufnahme der Hugenotten auch bereits im Land. Oder bereits Nachfahren dieser französischen Religionsflüchtlinge und konnte auf deren Wissen zurückgreifen.
Sprecher:Wie auf das von Anne Marie Baral, eine der geschicktesten Seidenhasplerinnen, die Brandenburg wohl hatte, wenn man dem Obersten Seidenbauinspektor glauben mag. Sie war die Tochter von Hugenotten und lebte schon länger in Potsdam. Die Fertigkeit des Seidehaspelns – also des Abwickelns des Seidenfadens – hat sie von ihren Eltern gelernt. Know-How war für die Hugenotten die Chance, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Anne Marie Baral bildete auch Lehrlinge aus.
Musik
Der Arbeitsplatz einer Hasplerin sieht so aus,
03 / OT Kampdass vor ihr ein Behältnis mit heißem Wasser steht, in dem die Kokons eingeweicht werden. Die werden zu mehreren herausgefischt und (…) behutsam über eine Spule gelegt, die dann durch eine Kurbel angetrieben (…) den Faden langsam abwickeln vom Kokon. Und das erfordert dann sehr viel Geschick, dass man darauf achtet, dass sich diese Kokons nicht untereinander verheddern, daher das Wort verhaspeln.
Sprecher:Auch die Seidenraupen selbst erforderten viel Sorgfalt. 30 bis 45.000 Raupen versorgte Anne Marie Baral pro Saison. Die Eier lagerte sie in kleinen Papierschachteln auf Holzregalen, die penibel reingehalten werden mussten, sortierte kranke und tote Raupen aus, versorgte die anderen bis zu fünf Mal täglich mit frischem Futter. 1.500 Kilogramm Maulbeerbaum-Blätter benötigte sie in der Saison, jeden Tag frisch angeliefert.
Sprecher:Daher ordnete Friedrich der Große an, dass preußische Beamte und Pastoren auf ihren Grundstücken und Kirchhöfen Maulbeeren pflanzen und Seide kultivieren sollten. Daraufhin pflanzten Adlige Maulbeerbaum-Alleen bei ihren Schlössern. Doch vor allem niedere Stände trafen Zwangsmaßnahmen.Die Bauern wurden ohne Nutzen für sich selbst verpflichtet – zu ihrem Leidwesen.
05 / OT Kamp Der Baum selber bringt dann auch keinen Ertrag, wenn der Seidenbau (…) schiefläuft, weil die Raupen sich nicht entwickelt haben, weil sie durch Krankheit dahingerafft wurden, weil es Fäulnis gab. All diese Faktoren, die (…) oftmals zum Totalausfall führten. Das frustrierte die Bauern ungemein, denn sie waren darauf angewiesen, genau abzuwägen, was lukrativ ist, was Gewinn bringt und sie hätten die Bäume lieber umgehauen, um wenigstens Obstbäume zu pflanzen.
Sprecher:Sie versuchten es zum Teil – und wurden rigoros bestraft. Die Bauern mussten gezwungen werden. Nicht die besten Voraussetzungen für Friedrichs Projekt.
06/ KampMan muss verstehen, dass sich diese Seidenkultur nicht etabliert hat und auch nicht etablieren konnte, weil sie nicht über Jahrhunderte gewachsen ist wie in Italien oder Frankreich, in den Dörfern der Cevenne, wo jede Familie nebenbei auch noch Seide kultiviert. Hier muss sich diese Seidenkultur in die bestehende Landwirtschaft einordnen.
Sprecher:Und sie will nicht so recht ins bäuerliche Jahr passen. Seidenraupen brauchen konstant Wärme – doch der Sommer kommt nicht in Frage – ab Juli ist Ernte in Brandenburg.
07/KampSie brauchen Wagen, auf denen das Laub transportiert werden muss. Das sind dann Fuhrwerke, die dann den Bauern eventuell fehlen in der Erntezeit, daher waren sie allein deswegen schon nicht besonders glücklich darüber, da so in die Pflicht genommen zu werden.
Sprecher:Der Seidenbau wurde also vorgezogen – in den unwirtlichen, klimatisch wankelmütigen Mai. Ein Problem für die empfindlichen Seidenraupen. Von den 45.000 Eiern blieben Anne Marie Baral am Ende vielleicht 50 Kokons. Silke Kamp:
08 / OT Kamp(…) Wenn es dort zu Temperaturschwankungen kommt, dann wird dieser Faden, der gesponnen wird von der Raupe, auch unterbrochen. (…) Der Faden erreichte nicht diese Länge wie von der italienischen oder französischen Seide von bis zu vier Kilometern.
Musik
Sprecher:Für aufwändige Webarbeiten mit komplexen, mehrschichtigen Mustern, benötigen die Webstühle lange, stabile Fäden. Ein Faden, der reißt oder zu kurz ist, bewirkt Unebenheiten im Stoff. Auch beim Färben gibt es Probleme bei minderwertigen Seidenfäden. Und so war Friedrichs Landseide für die aufwändigen Seidenstoffe ungeeignet. Der Faden hatte keine besondere Qualität.
Wofür also der ganze Aufwand? Friedrich der Zweite war es leid, seinen politischen Konkurrenten viel Geld zuzuschustern, indem er teure Rohseide oder auch fertige Seidengewebe importierte. Wirtschaftspolitische Maxime war der so genannte Merkantilismus. Die eigene Wirtschaft zu subventionieren und aufzubauen und gleichzeitig ausländische Güter auszubremsen durch Zölle oder Importstopps. Und Preußen brauchte viel Seide. Schon allein fürs Militär – für Seidenstrümpfe und seidene Haarbänder. Was manieriert klingt, war höchst funktional: Seide war damals die einzige reißfeste Faser. Doch Friedrich der Große wollte mehr als Strümpfe. Doktor Susanne Evers ist Kunsthistorikerin bei der Stiftung preußische Schlösser und Gärten und eine Kennerin der Seidenkunst unter Friedrich dem Großen.
09 / OT EversEs war ihm natürlich auch unglaublich wichtig zu zeigen, dass sein Land, das ja erst seit relativ kurzer Zeit zu den europäischen Größen gezählt werden konnte, dass eben in diesem Land diese hochwertige Kunst auch hergestellt werden konnte, dass man sich schmücken konnte mit Werken, die in eigenen, in heimischen Manufakturen gefertigt wurden. Das war damals ein ganz großer Prestigepunkt. Und Friedrich hatte es halt relativ nötig. Weil er eben ein Neuling war.
Musik
Sprecher:Friedrich der Große wollte eine ganze Industrie aufbauen. Er investierte in Seidenmühlen, die den Zwirn herstellten und in königliche Manufakturen, Webereien, die Stoffe für Kleidung und Tapeten herstellten. Susanne Evers:
10 / OT Evers Die Textilmanufakturen, die Fabrikation war eigentlich einer der führenden Wirtschaftszweige. Es waren unglaublich viele Menschen an der Herstellung von Textilien beteiligt. (…)Dazu kommt noch, dass in diesem Bereich auch die Technologie gefordert war. Das heißt, man musste immer wieder neue Innovationen wagen, um die Webstühle auf den neuesten Stand zu bringen.
Musik
11/ OT EversWie wird ein Webstuhl eingerichtet, damit man die komplizierten Muster tatsächlich fabrizieren kann? Das war im Land einfach nicht vorhanden. Deswegen hat Friedrich gleich nach seiner Thronbesteigung auch Edikte erlassen, dass aus den führenden Seidennationen, das war in erster Linie natürlich Frankreich, aber auch Italien und auch Holland, dass Musterzeichner, Färber und eben einfach auch Weber nach Preußen gelockt wurden, muss man sagen: mit Anreizen, mit Unterstützung von Ansiedlung und so weiter.
Sprecher:Es waren Hugenotten, die bei der Einreise schon eine Generation vorher ganze Webstühle mitgebracht hatten, das Wissen, sie zu konstruieren und zu bedienen. Es waren Zeichner von Webmustern aus Italien und Holland, es waren so genannte „Liseurs“, diejenigen, die die Muster lesen und auf den Webstuhl übertragen konnten, es waren Ziehjungen, die halfen, den Webstuhl zu bedienen; Färber, die wussten, die Seide zu färben. Und jüdische Unternehmer, die das finanzielle Risiko wagten, um beruflich Fuß fassen zu können.Anfangs brachten die preußischen Seidenmanufakturen trotzdem nur einfache Stoffe zustande. Aus Lyon, dem führenden Zentrum der Seidenkunst, kamen die kompliziertesten Motive für Seidentapeten her, dort wurden die fehlerfreisten Stoffe aus der hochwertigsten Seide gewebt. Dieses Niveau wollte Friedrich der Zweite erreichen.
11 / OT EversWas sich mit der Zeit entwickelte, waren dann mehrschichtige Muster, die ein Grundgewebe hatten, eine erste Musterebene und oft auch noch eine zweite. Und das ist technologisch sehr kompliziert.
Sprecher:Beispielsweise ein Stoff mit Hintergrundmuster, auf das dann Blumen gewebt wurden, die sich plastisch in einem 3-D-Effekt abhoben. Die preußischen Webereien machten unter Friedrich dem Zweiten eine enorme technische Entwicklung durch und konnten nach einiger Zeit eben auch diese aufwändigen Stoffe herstellen, die sich mit der internationalen Konkurrenz messen ließen. Kunsthistorikerin Susanne Evers:
12 / OT EversEin schönes Beispiel ist ein Brief von der Schwester Friedrichs des Zweiten. Er hat offensichtlich seiner Schwester einen schönen Stoff geschickt und sie schreibt zurück, dieser Stoff ist ja wundervoll. Sie ist völlig überrascht, dass der in Preußen hergestellt werden konnte. (…) Sie hätte sich einen großen Spaß daraus gemacht, all ihren Bekannten diesen Stoff zu zeigen. Und alle hätten gedacht, er wäre aus Frankreich.
Sprecher:So sehr Friedrichs Zeitgenossen beeindruckt waren - für einen solch aufwändigen Stoff nahmen die preußischen Webereien keine heimische Seide her, bis zum Schluss nicht. Sie benötigten die besseren Seidenfäden aus dem Ausland. Friedrich der Große kam nicht ohne importierte Rohseide aus. Die in Brandenburg gewonnene so genannte Landseide war nach wie vor von minderer Qualität und reichte auch von der Menge her nicht aus. Dieser Makel blieb. Dennoch ist der Preußenkönig stolz auf die heimische Webkunst, er sucht eine Art „Showroom“ und findet ihn im „Neuen Palais“ in Sanssouci. Nach dem Siebenjährigen Krieg stattet er dieses repräsentative Gästeschloss aus, das sogar öffentliche Besuchszeiten für Untertanen hatte. Susanne Evers kennt dort jedes Detail.
13/ OT EversEs ist nirgends in einer Quelle geschrieben, dass das Neue Palais das Musterbuch der Seidenproduktion ist. Aber die Beobachtung legt das sehr nahe. (…) Es ist so, dass in diesem Haus wirklich alle Qualitäten der Seidentapetenkunst, die es damals gab, vorhanden sind. (…) Das ist außergewöhnlich.
Sprecher:Seidentapeten waren damals tatsächlich die wertvollsten Kunstobjekte in den Schlössern. Das zeigt sich unter anderem daran, dass auch Friedrichs Schlösser im Siebenjährigen Krieg geplündert wurden – Seidenstoffe waren oft Kriegsbeute.
14 / OT EversDas fand ich auch spannend, das war lange gar nicht so bekannt. Offensichtlich war es so, dass man so einen hohen Preis zahlte für solche Seidenstoffe, dass es sich sogar lohnte, eher die Stoffe als zum Beispiel die Gemälde mitzunehmen. (...) stattdessen schnitt man tatsächlich rundum so einen Seidenpaneel aus der Wand aus. Auch von Stühlen und von Sesseln hat man den Bezug abgeschnitten.
Sprecher:Friedrich der Zweite kam also 1763 aus dem Krieg wieder und musste seine Schlösser neu ausstaffieren. Und das bei leeren Staatskassen. Dennoch: die perfekte Gelegenheit für eine Leistungsschau der preußischen Seidenkunst.
15 / OT EversDa ist sicherlich vieles auch auf Pump gewesen. Er hat ja auch das Neue Palais selbst, eine Fanfaronade, also eine Angeberei genannt. Aber er wollte damit zeigen, wir sind wer. Wir sind jetzt unter den wichtigsten fünf in Europa. (…) Ich habe mal ausgerechnet nach dem, was in den Rechnungen überliefert ist, dass ein ganzer Raum mit einer allerhöchsten Qualität der reichen Seidenstoffe bis zu 8.400 Taler gekostet hat. Der Stoff für einen Raum mit ganz einfacher Seidenbespannung war dann nur knapp 2.000 Taler teuer. Was haben andere Dinge gekostet? Da kann man sagen, ein Gemälde von Antoine Pesne, das war damals der bekannteste Hofmaler, hat 200 Taler gekostet.
Sprecher:Fast nichts im Vergleich zur Seide, die also ganz entscheidend zum Prunk, zur „Fanfaronade“, beigetragen hat.
Musik
Sprecher:Seide als Teil einer universalen königlichen Raumkunst – für die Kunstgeschichte ein Gewinn. Doch für die Menschen damals?
18 / OT EversEs gibt sehr viele Reiseberichte, die wirklich sehr lobend über diese Ausstattung schreiben. Aber es ist nicht so, dass er eine große Nachfolge gehabt hat. Denn der Zweck war natürlich unter anderem auch, dass die Bestellungen in den Manufakturen sich stapeln. Dass die Menschen, die dahinkommen sagen: das will ich auch. Das hat nicht geklappt.
Sprecher:Friedrich der Große kam zu spät. Die Mode war längst eine andere: Papiertapeten, auch fürs Bürgertum erschwinglich. Die Seidenmanufakturen überlebten noch einige Zeit dank königlicher Aufträge, die aber auch weniger wurden.
19 / OT EversDas ist so ein schleichender, schleichender Abschied gewesen.
Sprecher:Doch Friedrich der Zweite hatte mit seiner Vision trotz aller Anstrengungen und Hindernisse auch etwas geschaffen, das blieb: Er hatte es geschafft, die Textilindustrie auszubauen, Technologie, Wissen und Fachkräfte ins Land zu holen und Arbeit für sozial ausgegrenzte Gruppen zu schaffen.
Musik
Und der Seidenbau? Millionen von Maulbeerbäumen prägten zwei Jahre vor Friedrichs Tod das Landschaftsbild und immerhin fünf Prozent der Seide konnte Preußen selbst produzieren. Doch bei all den Subventionen über fast 50 Jahre - ein wirtschaftspolitisches Desaster. Historikerin Silke Kamp:
20 / OT KampDie Geschichtsschreibung hat sich sehr lange dagegengestemmt einzugestehen, dass der Seidenbau wirtschaftlich nicht erfolgreich war.
Sprecher:Und den Untertanen einfach lästig. Nach dem Tod von Friedrich dem Zweiten, ab 1786, holzten viele die ungeliebten Maulbeerbäume einfach ab. Friedrich und die Seidenraupen – ein historisches Kapitel voller Widerstände, Mühen und Kuriositäten. Was so energisch begann, war letzten Endes dann doch nur eine sehr anstrengende Illusion.
Musik

Jun 6, 2025 • 24min
STARS DES ABSOLUTISMUS - Die Mätresse Madame Pompadour
Marquise Madame Pompadour gilt also glanzvollste "Maitresse" im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Aber sie war nicht nur die Geliebte des französischen Königs Ludwig XV. Sie förderte auch Kunst und die noch junge Wissenschaft. Auch politisch agierte sie ehrgeizig und riskant. Von Renate Kiesewetter (BR 2021)Credits Autorin: Renate Kiesewetter Regie: Irene Schuck Es sprachen: Berenike Beschle, Christian Baumann, Carsten Fabian, Rahel Comtesse Technik: Andreas Lucke Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Dr. Andrea Weisbrod Besonderer Linktipp der Redaktion: BR (2025): Ein Zimmer für uns allein Im Podcast "Ein Zimmer für uns allein" mit Host Paula Lochte treffen zwei Frauen aus verschiedenen Generationen aufeinander und sprechen über ein Thema, das sie verbindet. Zum Beispiel über Schönheitsideale, sexuelle Aufklärung, Finanzen, Care-Arbeit. Was waren ihre Struggles damals und heute? Was hat sich verändert, oder vielleicht sogar verbessert? ZUM PODCAST Linktipps ARD Klassik (2023): MDR-Sinfonieorchester – Joseph, ach Joseph Tanja Kuhn und Carl Rumstadt singen "Joseph, ach Joseph" aus der Operette "Madame Pompadour", dem erfolgreichsten Bühnenwerk von Leo Fall. Der österreichische Komponist, dessen Werke später von den Nationalsozialisten verboten werden sollten, starb 1925. "Madame Pompadour" wurde 1922 in Berlin uraufgeführt. Die Aufnahme mit dem MDR-Sinfonieorchester unter Leitung von Florian Ludwig von 2023 ist eine Produktion von MDR Klassik. JETZT ANSEHEN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:SPRECHER: „Mätresse“ – das Wort klingt heute ziemlich abwertend.
MUSIK
SPRECHERIN:Eine "Maitresse-en-titre" nannte man am Hof von Versailles die nicht geheime Liebesbeziehung der Könige. Keine dieser Mätressen hatte so viel Macht und Einfluss wie Madame de Pompadour.
ZUSPIELUNG 1: Was man bei Madame de Pompadour auch sagen kann, dass eine große Ambition bestanden hat, aber auch eine große intellektuelle Kapazität und vielleicht auch eine Vision, was Kunst anbelangt und auch durchaus, was Politik anbelangt. Und das macht sie innerhalb dieses Jahrhunderts doch sehr besonders.
SPRECHERIN:Die Historikerin und Kunsthistorikerin Dr. Andrea Weisbrod hat zu Madame de Pompadour geforscht und die umfassende Monographie geschrieben: Madame de Pompadour und die Inszenierung der Macht
MUSIK
SPRECHERIN:Die Pompadour und Ludwig. Beginnen wir mit ihm. König Ludwig XV. lebte von 1710 bis 1774. Er war der Urenkel von Ludwig XIV., dem Sonnenkönig, und folgte ihm - bereits mit fünf Jahren - auf den Thron. Den zweijährigen Waisen erzog eine Gouvernante aus dem Hochadel, sein Hauslehrer, Bischof Fleury, betreute seine formale und religiöse Bildung. Mit 16 übernahm Ludwig die Staatsgeschäfte selbst, Kardinal Fleury als Premierminister an seiner Seite. Ein Jahr zuvor noch hatte Ludwig die acht Jahre ältere tief religiöse polnische Königstochter Marie Leszczy¬nska geheiratet, damit es beizeiten einen männlichen Thronfolger gab.
MUSIK
SPRECHER:Madame de Pompadour wurde am 29. Dezember 1721 in Paris als bürgerliche Jeanne Antoinette Poisson geboren. Ihr Vater Francois, ein wohlhabender Armeelieferant, musste nach einem Finanzskandal nach Deutschland fliehen. Jeannes Mutter Louise Madeleine de la Motte, galt als eine sehr schöne, intelligente und lebenslustige Frau mit zahlreichen Affären. Darunter eine mit dem reichen Steuerpächter und Finanzier Lenormant de Tournehem, möglicherweise Jeannes leiblichem Vater. Zumindest gewährt er als Vormund Jeanne die für Adelstöchter übliche Erziehung mit Gesprächskreisen sowie täglichem Üben in Balletttanz, Schauspiel und Gesang. Als 16-jährige grazile Schönheit mit "großen blauen Augen, schmalem Gesicht und einer Porzellanhaut", wie es heißt, brilliert sie mit Opernarien in den besten Pariser Salons. Verheiratet wird sie von ihrem Ziehvater mit seinem reichen adligen Neffen und Erben Le Normant d`Etiolles. Über die junge Madame d`Etiolles wird Voltaire in seinen Memoiren schreiben, sie sei…
ZITATOR: …gut erzogen, reizend, angenehm, bezaubernd und talentiert.
SPRECHERIN:Das geistige Leben Frankreichs blüht im 18. Jahrhundert in den Pariser Salons. Hier verkehren alter Hochadel und Großbürger, Kardinäle, Staatsmänner, Gelehrte, Philosophen und Schriftsteller . Die junge Madame d´Etiolles trifft auf Voltaire, Montesquieu, Helvetius, die mit ihren neuen gesellschaftsverändernden Ideen, dem rationalen Denken den Weg ebnen wollen. Später wird sie den Schriftsteller Denis Diderot und den Physiker Jean d`Alembert protegieren. Sie sind Autoren der Encyclopédie, eines der Hauptwerke der französischen Aufklärung.
SPRECHER: Legenden über Madame de Pompadour gibt es genug. Befeuert werden sie bis in die jüngste Zeit vor allem durch zwei Fälschungen. Einmal durch die angeblichen Memoiren ihrer Kammerfrau Nicole de Hausset. Und dann durch eine Briefsammlung, die noch 1999 ins Deutsche übersetzt wurde. Doch das können keine Originalbriefe sein. Andrea Weisbrod:
ZUSPIELUNG 2: Also bei ihren echten Briefen kann man sehen, dass das sehr kurze Briefe sind, sie sind sehr zielgerichtet, und die gefälschten Briefe, im Gegenzug dazu, sind sehr lang, manchmal seitenweise. Und die erzählen alles Mögliche, die erzählen, wie dumm der König ist, und wer wieder gegenüber dem König sich frech verhalten hat, die sind plump und in einer Art und Weise indiskret, dass ein einziger solcher Brief Madame de Pompadour ihre Stellung gekostet hätte, wenn der in die Hände des Königs geraten wäre.
MUSIK
SPRECHERIN:Verbürgt ist jedenfalls: Auf der Hochzeit des Thronfolgers mit Marie-Thérèse von Spanien, im Februar 1745, lernen sich Ludwig und Madame d´Etiolles kennen. Nach dem prächtigen Maskenball in Versailles wundert sich der am Hof etablierte Herzog de Luynes über die enge Vertrautheit der beiden.
ZITATOR: Madame d'Etiolles soll angeblich bis über beide Ohren in den König verliebt sein und er soll ihre Gefühle erwidern.
SPRECHER:Hinter ihren aufgeklappten seidenen Fächern lästern die Höflinge: Eine Bürgerliche??
ZUSPIELUNG 3: Madame de Pompadour kommt natürlich nicht aus dem Nichts. Sie ist zwar eine Bürgerliche, aber sie ist vernetzt mit dem Pariser Großbürgertum und vor allen Dingen mit der Pariser Hochfinanz. Die wiederum in der Hand des Großbürgertums war, und da hat sie eben sehr, sehr gute Kontakte, und aus dem Kreis gab es wiederum Kontakte zu dem Hof, die geholfen haben, sie überhaupt am Hof zu platzieren um dieses Kennenlernen mit Ludwig möglich zu machen.
MUSIK
SPRECHERIN:Ein paar Monate später wird sie – zum Entsetzen vieler Höflinge - offiziell am Hof vorgestellt, auch der Königin. Und zwar als frischernannte Marquise de Pompadour. Denn kurz vorher hat Ludwig ihr eine freie Markgrafschaft geschenkt und ihr so zu "einem makellosen Namen“ verholfen. Anfang des Jahres 1746, sitzt Madame de Pompadour am Hof "unangreifbar fest im Sattel", versichert Andrea Weisbrod in ihrem Buch über Madame de Pompadour.
ZITATORIN: Bald schon drängeln sich bei ihrer morgendlichen Toilette, die den höfischen Gebräuchen gemäß öffentlich stattfindet, beinahe ebenso viele Höflinge wie beim Lever des Königs. SPRECHERIN:Madame de Pompadour kennt die erfolgreichen Großbankiers, die Brüder de Paris. Sie finanzieren die meisten Projekte des Königs: Ludwig ist von ihnen sozusagen finanziell abhängig.
ZUSPIELUNG 4: Der Finanzminister, da war der Posten vakant, der wird dann mit jemandem besetzt aus diesem Pariser Kreis. Ihr Ziehvater bekommt das Amt des Kulturministers, das nannte man damals Generalintendant der königlichen Bauten, der war also für Architektur und Kunstankäufe am Hof zuständig, d.h. sie besetzt also gleich in den ersten Monaten wichtige Ämter am Hof, d.h. sie hat dann auch Stützen am Hof. MUSIK
SPRECHERIN:Sie beauftragt ihren Ziehvater Tournehem mit dem Ausbau eines Theaters. Und übergeht damit demonstrativ den Herzog von Richelieu, der für Festivitäten am Hof eigentlich zuständig wäre. Später finden sich in ihrer großen Bibliothek in Versailles unter den über 3.500 Büchern immerhin "über 3.000 Opern, Theaterstücke und Abhandlungen zu Oper und Schauspiel ".
SPRECHER:Sie trommelt selbst ein buntes Ensemble zusammen. Höflinge, Diener und Dienerinnen sowie von den Pariser Bühnen professionelle Schauspieler und Schauspielerinnen, sogar ein Kinderballett aus Söhnen und Töchtern der besten Tanzlehrer. Ohne Standesgrenzen. Die Hauptrollen spielt sie meist selbst.
ZUSPIELUNG 5: Das Theater war ein weiteres Ausdrucksmittel ihrer Macht, sie hat das Publikum bestimmt, und nach dem Theater gab es ein Abendessen, was sie für den König veranstaltet hat, in ihren Räumen oder in den Räumen des Königs. Und dazu hat sie wieder eine handverlesene Zahl von Gästen eingeladen, d.h., alle haben natürlich versucht, Einladungen zu diesem Abendessen zu bekommen, weil das Ganze so zwanglos war, dass der König manchmal für seine Gäste am Ende des Essens einen Kaffee gekocht hat.
SPRECHER:Als gebildete und politisch versierte Frau nimmt Madame de Pompadour auch teil an Staatsratssitzungen, organisiert politische Arbeitsessen mit Ludwigs Ministern in ihren Räumen. Der Soziologe Norbert Elias hat in seiner Abhandlung Die höfische Gesellschaft beschrieben, wie die Anordnung der Räume am Hof Rang und Bedeutung der adligen Höflinge widerspiegelt. Das ungewöhnlich große Appartement von Madame de Pompadour hat durch eine geheime Wendeltreppe direkten Zugang zu den privaten Gemächern des Königs.
MUSIK
SPRECHERIN:Den lässt sie später allerdings zumauern, denn ihr Verhältnis zum König wird für diesen vor allem mit Blick auf die mächtige Kirche zunehmend auch eine Belastung. In der vom Katholizismus geprägten Gesellschaft lebt der König offiziell in Sünde, kann als Ehebrecher z.B. bei der Messe nicht die Heilige Kommunion empfangen. Auch keine Sterbesakramente. Sobald der König also krank oder verletzt wurde, das heißt, möglicherweise in Lebensgefahr geriet, mussten die Mätressen sofort verbannt werden. Das erlebte eine Vorgängerin von Madame Pompadour. So verging sogar das Heilige Jahr 1750, ohne dass Ludwig die Kommunion empfangen hätte, und der Druck der Kirche und seiner sehr religiösen Familie auf ihn ließ nicht nach.
SPRECHER:Eine "extreme Zwangslage" für den König, er will Madame de Pompadour in seiner Nähe behalten. Und sie möchte ihren Verbleib am Hof sichern. Fegefeuer und Höllenschlund. Wie also die Kirche besänftigen? Andrea Weisbrod:
ZUSPIELUNG 6: Dann entsteht eben dieser Plan, dass quasi diese Liebesbeziehung in eine platonische Freundschaft umgewandelt wird, dass Madame de Pompadour auch versucht, zu ihrem Mann zurückzukehren, der aber dann dankend ablehnt, und dass Madame de Pompadour sich einen Beichtvater nimmt, der sie in religiösen Dingen berät. Dass auf einmal Skulpturen entstehen, die Madame de Pompadour als die Freundschaft darstellen, d.h. all dies wurde öffentlich gemacht, um dem Hof und der Kirche zu zeigen, wir sind kein Paar mehr, wir sind nur noch befreundet. Und in diesem Zug bekommt dann Madame de Pompadour dieses Amt als Palastdame der Königin, um damit ein offizielles Amt zu haben, was ihr auch ermöglicht hat, am Hof zu bleiben, unabhängig von Ludwig.
SPRECHERIN: So notiert Herzog de Lynes 1754 in seinem Tagebuch.
ZITATOR: Madame de Pompadour ist von der Mätresse zur Freundin des Königs geworden und übt durch diesen neuen Status vielleicht sogar noch mehr Einfluss auf ihn aus als zuvor.
SPRECHER:Zwei Jahre vorher hatte der König die Marquise de Pompadour zur Herzogin von Ménars erhoben.
SPRECHERIN:Und sie inszeniert ihre Macht äußerst geschickt. Ihre Portraits – im 18. Jahrhundert ein zentrales politisches Mittel der Machtdarstellung – kann die Öffentlichkeit regelmäßig in Salonausstellungen im Pariser Louvre sehen. Auf uns heute wirken die Rokokokleider prachtvoll genug, das Publikum damals aber wusste, dass es Tageskleider sind, als Ausdruck ihrer prominenten Stellung am Hof. Es fehlt nicht das Perlenarmband, ein Geschenk Ludwigs, der Quelle ihrer Macht. Von allen Portraits, sorgt Mitte der 1750er Jahre das lebensgroße Werk von Maurice-Quentin Delatour, für Aufsehen in Paris. Madame de Pompadour verkörpert hier die machtvolle Politikerin. Zu erkennen am Aufbau des Gemäldes, der genauso ist wie bei anderen Ministerportraits jener Zeit. Auf dem Globus im Hintergrund ist nur Frankreich aufgemalt, noch dazu mit einer blauen Linie umrandet. Eindeutiger geht’s nicht mehr: Frankreich ist ihr Machtbereich.
SPRECHER:Auf dem Gemälde ist nichts zufällig.
ZUSPIELUNG 7:Auf ihrem Schreibtisch stehen verschiedene Bücher von Aufklärern, unter anderem ein Band von der Encyclopédie, eines großen Lexikonprojektes in der Zeit und ein Buch von Montesquieu, einem berühmten Aufklärer, beide Bücher waren zu der Zeit verboten. D.h. sie zeigt eben auch, sie hat diese Bücher und diese Autoren gefördert, weil ihre Machtstellung das eben zulässt.
MUSIK
SPRECHER:In den 1750er Jahren lässt sie eine Militärakademie errichten, um die Ausbildung des Nachwuchses im Heer zu systematisieren. In Sèvres entsteht die königliche Porzellanmanufaktur in Konkurrenz zum bekannten Meißner Porzellan.
SPRECHERIN:In der Außenpolitik geht es um nichts Geringeres als die Vormachtstellung in Europa.
MUSIK
SPRECHERIN:Das "renversement des alliances" – die Umkehrung der Allianzen wirft fast alle Mächte auf den Kriegsschauplatz, an allen Enden der Welt. Das erstarkende Preußen unter König Friedrich II., bisher Frankreichs Verbündeter, wendet sich England zu. Das wiederum gegen Frankreich erbittert um die nordamerikanischen Kolonien kämpft. Österreich unter Kaiserin Maria Theresia, bisher klassischer Kriegsgegner von Frankreich, muss sich Preußen erwehren und sondiert bei Frankreich für ein Bündnis.
SPRECHER:Madame de Pompadour übernimmt die Vermittlerrolle zwischen der österreichischen und der französischen Seite.
ZUSPIELUNG 9: Sie hat den ersten Brief überbracht von der Kaiserin Maria Theresia an Ludwig, und sie war danach auch bei den ersten Verhandlungen zugegen, die im kleinsten Kreis mit dem österreichischen Botschafter, dem damaligen französischen Außenminister Bernis, und ihr eben geführt wurden, d.h., sie waren nur zu dritt, bevor das Ganze dann eben öffentlich gemacht wurde.
SPRECHERIN:Der 1756 signierte Vertrag zwischen Frankreich und Österreich schlägt an den anderen europäischen Höfen ein wie ein "Donnerschlag". Der preußische König Friedrich II. sieht sich von allen Seiten bedroht. Er marschiert sofort in Sachsen ein, bevor dieses sich der neuen Allianz anschließen kann - und ruft dadurch alle Mächte auf den Plan und auf die Schlachtfelder. Es ist der Beginn des Siebenjährigen Kriegs. Ob Madame de Pompadour da den König klug beraten hat?
ZUSPIELUNG 10: Sie hat ihn falsch beraten, das kann man in jedem Fall sagen, allerdings muss man auch sagen, dass zur Zeit sich alle gegenseitig falsch beraten haben. Weil, es gab auf der französischen Führungsebene kaum Stimmen gegen dieses neue Bündnis, sowohl der König als auch sein Außenminister haben sich davon eben Vorteile versprochen und es hat wahrscheinlich damit auch niemand gerechnet, dass Friedrich II. aufgrund dieses neuen Bündnisses sofort angreift und er sofort einen Krieg vom Zaun bricht.
SPRECHER:Auch als Frankreich nach anfänglichen Erfolgen zurückfällt, will Madame de Pompadour noch keine Verhandlungen mit den Gegnern, im Gegensatz zu ihrem alten Freund, dem französischen Außenminister de Bernis. Machtbewusst verschafft sie ihm die Kardinalswürde, lässt ihren neuen Günstling, den Grafen de Stainville, zum Herzog von Choiseul-Stainville küren, und überzeugt Ludwig, der etwas bei ihr gutzumachen hatte, de Bernis gegen de Choiseul auszutauschen.
SPRECHERIN: Friedensverhandlungen oder nicht? Der englische Außenminister Newcastle bringt es auf den Punkt:
ZITATOR: Die große Frage ist, auf welcher Seite die Lady steht. Das wird alles entscheiden.
MUSIK
SPRECHER:Der Ausgang des Siebenjährigen Krieges ist für Frankreich desaströs: Die nordamerikanischen Kolonien sind verloren, die österreichischen Niederlande bekommt Frankreich auch nicht, Preußen erstarkt in Europa, und Frankreich steht kurz vor dem Staatsbankrott. Bei seinen Untertanen wird Ludwig, der "Vielgeliebte", zum "Vielgehassten". Und mit ihm Madame de Pompadour. Verprasst habe sie alles mit der prunkvollen Ausstaffierung ihrer Schlösser, dem Theater, ihren sündteuren Garderoben, den immensen Kriegskosten.
SPRECHERIN:Freilich gab es das "System der Verschwendung" schon länger, so Andrea Weisbrod:
ZUSPIELUNG 11: Alles war eben darauf angelegt, Schulden zu machen, und letztlich diese Schulden wieder zu decken durch Einkünfte, die man aus den Kolonien erzielen konnte, aus Leibeigenschaften. Und nachdem dieses System dann nach und nach bröckelt, und durch den Krieg die französische Kolonialherrschaft in Amerika abrupt beendet wird, fielen auch viele Geldquellen weg. Letztlich war sie aber greifbar, sie war das Sinnbild und konnte damit auch zu einer Art Sündenbock gemacht werden.
SPRECHER: Auch wenn ihr Altersportrait sie am seinerzeit modischen Stickrahmen zeigt - natürlich, sittsam und nur im Haus wirkend: eine solche neue Pompadour gibt es nicht! Den König Friedrich II. von Preußen bringt sie zur Raserei, weil sie sich nicht in die Karten schauen lässt. Ihr großes Netzwerk an Kontakten auch zu anderen Fürstenhöfen zusammen mit einem florierenden Günstlingshandel sichert ihre Macht: Auf einen Gunstbeweis folgt eine Gegenleistung und darauf wieder eine Gunst. So entstehen immer neue Abhängigkeiten.
SPRECHERIN: Gleichwohl ist der Preis für ihre Machstellung hoch. Ständig verfügbar sein für den König, häufiges Reisen mit dem Hof, ein immenses Arbeitspensum. Sie schrieb, meistens nachts, an die 60 Briefe pro Tag.
ZUSPIELUNG 12: Dann kam eben dazu, diese persönlichen Schicksalsschläge, vor allen Dingen, der Tod ihrer Tochter Alexandrine, die mit 10 Jahren dann ganz überraschend gestorben ist, und von diesem Tod sagt sie, dass ihr das quasi einen Schlag versetzt hat, von dem sie sich nicht mehr richtig erholt hat.
MUSIK
SPRECHER: Sie bewahrt dennoch die Contenance. Legt sich selbst eiserne Disziplin auf gegenüber einem als schwierig beschriebenen, manchmal depressiven, ängstlichen und schweigsamen König. Sie nimmt stets trotz Migräne und Fieber an Hoffesten teil, Ludwig zuliebe. Sie muss Intrigen der Hofschranzen abwehren, kann niemandem vertrauen. Sie bannt auch zahlreiche Versuche, sie durch jüngere Frauen zu ersetzen. Und Ludwig ist kein Heiliger, er fühlt sich zu blutjungen Frauen hingezogen.Sie vergisst indes nie: Sie ist vollständig von ihm abhängig. Einmal verrät sie in einem Brief ihren geheimen Wunsch:
ZITATORIN: Ich hätte den großen Thron bevorzugt, muss mich aber mit dem kleinen begnügen, der nicht im geringsten meinem Temperament entspricht.
SPRECHERINNach dem Attentat auf Ludwig XV. im Jahr 1757 will Madame de Pompadour schon von sich aus den Hof verlassen, damit er vor seinem Ableben in den Schoß der Kirche zurückkehren kann. Aber Ludwig, der nach einer Woche Wehklagen merkt, dass er doch nicht lebensgefährlich verletzt ist, kann ihren Weggang noch verhindern.
MUSIK
SPRECHER: All dies zehrt über die Jahre an ihrer fragilen Gesundheit. Sie ist oft krank, wird immer häufiger bettlägerig. Von einer Erkältung kann sie sich nicht mehr erholen. Sie stirbt am 15. April 1764, im Alter von 42 Jahren, an Lungenentzündung. Der König, so flüstert man am Hof, sei "tief betroffen" über den Tod seiner Freundin.
SPRECHERIN:Keine 25 Jahre später fegt die Französische Revolution mit einer neuen aufsteigenden bürgerlichen Schicht das höfische System weg. Politisch, freilich nur aus unserem heutigen Rückblick, hat Madame de Pompadour, zusammen mit dem König, durch Fehlentscheidungen Frankreich destabilisiert und den Weg zur Französischen Revolution bereitet. Das Erbe ihres Mäzenatentums aber, so Andrea Weisbrod, wirke bis in unsere Zeit hinein.
ZUSPIELUNG 13: Sie hat Diderot gefördert, sie hat Montesquieu gefördert, sie hat selbst Rousseau gefördert, sie hat Voltaire gefördert, d.h. sie hatte ein Gespür letztlich auch für Umwälzungen in diesem Zeitalter, und hat die entscheidenden Personen gefördert, die bis heute eben Reichweite haben.

May 23, 2025 • 26min
DAS LEBEN DER HANDWERKER – Wie Pflasterer die Straßen brachten
Die Römer hatten gepflasterte Straßen nach Deutschland gebracht, aber im Mittelalter verfielen sie langsam. Ohne feste Straßen versanken die Menschen im Schlamm, und Krankheiten breiteten sich schneller aus. Erst viel später überlegten die Stadtväter, wie sie ihre Wege mit einem sicheren Belag ausstatten könnten. Unter ihnen verlief bald auch die Kanalisation. - Das harte Handwerk des Pflasterns war entstanden. Von Anja Mösing (BR 2010 // 2019)
Credits Autorin: Anja Mösing Regie: Anja Mösing Es sprach: Christiane Roßbach Technik: Christian Schimmöller Redaktion: Brigitte Reimer Im Interview: Dr. Wolfgang Czysz Archäologe (verstorben 2022) ; Dr. Lutz Dallmeier Stadtarchäologe; Dr. Brigitte Huber Kunsthistorikern; Ludwig Bauer Steinmetzmeister (Organisation und Leitung des Hauzenberger Granitzentrums seit Juli 2023 neu geregelt), Walter Braun Pflasterer Obermeister Besonderer Linktipp der Redaktion: BR (2025): WirTier Zu Gast bei Radiowissen: WirTier erzählt von Menschen, die ihr ganzes Leben verändert haben durch diesen einen Moment auf Augenhöhe mit einem Tier. Sie teilen mit uns ihre tiefgreifenden Erfahrungen über unser Zusammenleben auf diesem Planeten und ihr Wissen über Tiere. Sechs Folgen - ab dem 13. Mai jeden Dienstag neu. ZUM PODCAST Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN

May 23, 2025 • 23min
DAS LEBEN DER HANDWERKER - Die Geborgenheit der Zünfte
Zünfte regelten das gesamte Leben von Handwerks-Familien über 800 Jahre lang. Sie waren das Erfolgsmodell, das Arbeit erstmals zu einem anerkannten Wert machte. Bis heute haben die Zünfte Spuren in Sprache, Gesellschaft und Wirtschaft hinterlassen. Von Leo Hoffmann (BR 2015)Credits Autor: Leo Hoffmann Regie: Frank Halbach Es sprachen: Caroline Ebner, Thomas Loibl, Carsten Fabian Technik: Adele Kurdziel Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Dr. Katrin Keller (inzwischen Direktorin des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) Besonderer Linktipp der Redaktion: ARD (2025): Stars unserer Kindheit Es ist eine Liebe, von der nur wenige wissen: Peter Lustig, der Moderator von Löwenzahn, und Elfie Donnelly, die Erfinderin von Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg, waren ein Paar. Alles beginnt mit einem Partyflirt in München. Und wenig später erleben Peter und Elfie zusammen die wohl aufregendsten Jahre ihres Lebens. Sie werden zu Ikonen der Kinderunterhaltung – mit Sendungen, die bis heute Generationen von Kindern prägen. Aber auch Krankheiten, Traumata und Krisen stehen sie gemeinsam durch. Und als Löwenzahn, Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs sind, brechen Peter und Elfie aus. Sie schließen sich der Bewegung des indischen Gurus Bhagwan an, die manche eine „Sex-Sekte“ nennen. Nach diesem Podcast werdet ihr die Werke von Peter Lustig und Elfie Donnelly, also Löwenzahn, Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg, mit ganz anderen Augen sehen. Jetzt in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. ZUM PODCAST Linktipps NDR: Zimmerleute und ihre Zunft Die Zimmergesellen beenden die Walz und werden zu Zimmerleuten ernannt. Eindrücke aus dem Zunftwesen 1959. JETZT ANSEHEN Deutschlandfunk Kultur (2023): Hat sich das Arbeitsethos gewandelt? Arbeitsmoral der Generationen Die Arbeitsmoral von jungen Menschen steht immer wieder in der Kritik. Sie würden nur Dienst nach Vorschrift machen wollen, seien viel zu wählerisch beim Job, und die Freizeit gehe sowieso über alles. Stimmt das? JETZT ANHÖREN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN

May 23, 2025 • 24min
DAS LEBEN DER HANDWERKER – Die Banausen in Athen
"Du Banause!" - Heute gibt es viel schlimmere Schimpfwörter, doch im Athen des 4. Jahrhunderts v.Chr. sollte der Begriff "die kleinen arbeitenden Leute" abwerten und verletzen. "Banausen" sind wörtlich übersetzt "Ofenheizer". Eine Erzählung aus der Frühzeit der Demokratie. Autor: Thomas Morawetz (BR 2017)
Credits Autor: Thomas Morawetz Regie: Martin Trauner Es sprachen: Beate Himmelstoß, Friedrich Schloffer, Peter Veit Technik: Cordula Wanschura Redaktion: Nicole Ruchlak Im Interview: Prof. em. Dr. Christian Meier, Prof. Dr. Sebastian Schmidt-Hofner Besonderer Linktipp der Redaktion: ARD (2025): Unterleuten Im idyllisch gelegen Dorf Unterleuten in Brandenburg soll ein Windpark entstehen. Als die Investmentfirma der Dorfgemeinschaft ihre Pläne dazu vorstellt, kommen unterdrückte Feindschaften und finanzielle Begehrlichkeiten ans Licht. Denn nicht alle im Dorf werden von den Plänen profitieren. Der Streit eskaliert innerhalb von wenigen Tagen. Wer wird den Zuschlag für die Nutzung der Grundstücke erhalten? Und welche Abgründe werden im ansonsten beschaulichen Dorfleben sichtbar? Der preisgekrönte Hörspiel Podcast nach dem Bestseller von Juli Zeh - mit Jaecki Schwarz und den Tatort Kommissaren Axel Prahl, Boris Aljinovic und Udo Wachtveitl. Jetzt exklusiv in der ARD Audiothek. ZUM PODCAST Linktipps ARD alpha (2024): Wie man traditionell vom Baum zum Brett kommt Eine 30 Meter hohe Esche im Westerwald. Wie hat man früher, als es noch keine Maschinen gab, einen solchen Baum gefällt und weiterverarbeitet? Zwei Männer aus Härtlingen bei Westerburg wissen noch, wie das geht: Mathias Gläser und Jan Vockel. Die beiden sind Zimmerermeister und Restauratoren im Handwerk. Früher brauchte ein geübter Hauer nur sechs Minuten, um einen Meter des Stammes eckig zu bekommen, unsere beiden Handwerker leben heute, aber ihr Ergebnis überzeugt dennoch. Ein akkurater Balken, aus dem sie dann Bretter schneiden. "Handwerkskunst" zeigt die traditionelle Bearbeitung von Holz. Eine Arbeit, die sichtbar schweißtreibend ist. JETZT ANSEHEN Deutschlandfunk Nova (2023): Demokratiegeschichte – Die Reformen des Solon Die moderne Demokratie hat den Ursprung in Athen 602 v. Chr. Angehörige des Adels haben wegen Unruhen Angst um ihren Status. Staatsmann Solon sorgt mit seinen Ideen für Beruhigung. Er legt den Grundstein für die Demokratie, wie wir sie heute kennen. JETZT ANHÖREN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN

May 8, 2025 • 17min
WIE WAR DAS DAMALS? Der 8. Mai. Niederlage oder Befreiung?
Für viele Deutsche bedeutete der 8. Mai 1945 und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands die totale militärische Niederlage, verbunden mit Schuld, Scham und dem Verlust von Heimat. Die Erinnerungskultur hat sich seit den 1970er-Jahren gewandelt und mit der Zeit einen neuen Umgang mit dem 8. Mai hervorgebracht. Heute gilt er als ein Tag des Nachdenkens über Geschichte und Verantwortung.Credits Autoren: Christian Schaaf & Michael Zametzer Redaktion: Heike Simon & Eva Kötting LinktippDeutschlandfunk Kultur (2024): Erinnern als Erlösung – „Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung“ Bis heute gilt die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vom 8. Mai 1985 als Meilenstein der deutschen Erinnerungskultur. Was ist der Hintergrund dieser Rede? Und welche Rolle spielen ihre Konsequenzen heute noch? JETZT ANHÖREN

May 8, 2025 • 23min
WIE WAR DAS DAMALS? Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse
Auf dieses Gerichtsverfahren blickt die Welt: Wenige Monate nach dem Kriegsende 1945 stehen die Verantwortlichen für den zweiten Weltkrieg vor dem alliierten Militärtribunal in Nürnberg. Die Anklage: Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Erstmals werden die Führer eines verbrecherischen Regimes von einem international besetzten Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen.Credits Autoren: Christian Schaaf & Michael Zametzer Redaktion: Heike Simon & Eva KöttingLinktippsBR Retro: Aufarbeitung der Vergangenheit Nach dem 2. Weltkrieg begann die juristische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Am 20.11.1945 starteten im Justizpalast in Nürnberg die Nürnberger Prozesse gegen die führenden Repräsentanten des Deutschen Reichs. Zwölf der 24 Angeklagten wurden vor dem Internationalen Militärgerichtshof am 01.10.1946 zum Tode verurteilt. Weitere Kriegsverbrecherprozesse folgten. Die Woche der Brüderlichkeit sollte den christlich-jüdischen Dialog fördern. JETZT ANHÖREN SWR (2020): Kriegsverbrecher vor Gericht – Was bleibt vom Nürnberger Prozess? Vor 75 Jahren war es ein ungeheurer Vorgang: Schergen einer Diktatur mussten sich erstmals vor einem internationalen Gericht verantworten. Was damals noch als Siegerjustiz kritisiert wurde, machte Jahre später Schule. Doch manchmal triumphiert bis heute politische Opportunität über die "Nürnberger Prinzipien". Was kann die Justiz bei der Aufarbeitung staatlichen Terrors leisten, und was nicht? Jürgen Heilig diskutiert mit Prof. Dr. Stefanie Bock - Internationales Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse, Prof. Dr. Magnus Brechtken - Institut für Zeitgeschichte, Dr. Anja Mihr - Humboldt-Viadrina Center on Governance through Human Rights. JETZT ANHÖREN

May 8, 2025 • 20min
WIE WAR DAS DAMALS? Leben und Überleben nach dem 8. Mai 1945
Am 8. Mai 1945 schweigen endlich die Waffen. Der vom nationalsozialistischem Deutschen Reich 1939 entfachte Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endet das millionenfache Blutvergießen-zumindest in Europa. Doch auch ohne Führer, Krieg, Bomben und Propaganda beginnt für die Zivilbevölkerung in Deutschland eine harte Zeit.Credits Autoren: Christian Schaaf & Michael Zametzer Redaktion: Heike Simon & Eva Kötting Linktipps Radiowissen (2020): Das Ende des Zweiten Weltkriegs – Kapitulation und Befreiung Die alliierten Panzer waren schon an den Ortsschildern deutscher Dörfer angekommen, doch die letzten Regime-Anhänger leisteten immer noch erbitterten Widerstand. Am 8. Mai 1945 kam endlich die Kapitulation - die Befreiung, auch für die deutsche Bevölkerung. JETZT ANHÖREN WDR (2020): Die Kapitulation Deutschlands wird unterzeichnet 8. Mai 1945 - endlich schweigen die Waffen. Die Überlebenden kriechen aus ihren Kellerlöchern, das tausendjährige Reich liegt in Ruinen. 9 Millionen Ausgebombte und Evakuierte, 14 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, 10 Millionen entlassene Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Befreit fühlen sich die wenigsten Deutschen. JETZT ANHÖREN

May 2, 2025 • 48min
DIE FOTOGRAFIN LEE MILLER - Befreite Frauen (3/3)
Vor 80 Jahren lieferte Kriegsfotografin Lee Miller als Korrespondentin einmalige Fotoaufnahmen vom Vormarsch der US-Soldaten im zweiten Weltkrieg. Ein Tag nach der Befreiung trifft sie im Konzentrationslager Dachau ein und dokumentiert die Verbrechen der Nazis. Das Grauen wird sie nicht mehr loslassen. Von Eva DeinertVielen Dank an Ami Bouhassane und Antony Penrose sowie an das Lee Miller Archive für Bilder und Texte. CreditsAutorin: Eva Deinert Regie: Rainer Schaller Gesprochen haben: Hemma Michel, Katja Bürkle, Katja Amberger, Buchhard Dabinnus und Friedrich Schloffer Technik: Susanne Harasim Redaktion: Andrea Bräu, Yvonne Maier Das Lee Miller Archive in Sussex ZUR WEBSITE
Das Amerikahaus in München zeigt noch bis Ende Juli 2025 eine Fotoausstellung über Lee Miller. Näheres dazu: http://amerikahaus.de/ausstellungen-und-veranstaltungen/ausstellung-lee-miller-photography
Literatur
Lee Miller‘s War. Photographer and Correspondent with the Allies in Europe. Herausgegeben von Antony Penrose. The Lives of Lee Miller. Von Antony Penrose. Lee Miller. Kriegskorrespondentin für Vogue. Fotografien aus Deutschland 1945. Von Katharina Menzel-Ahr.

May 2, 2025 • 45min
DIE FOTOGRAFIN LEE MILLER - Frankreichs geschorene Frauen (2/3)
Vor 80 Jahren lieferte Kriegsfotografin Lee Miller als Korrespondentin einmalige Fotoaufnahmen vom Vormarsch der US-Soldaten im zweiten Weltkrieg. Sie begleitet die Alliierten bei der Befreiung Frankreichs. Dabei dokumentiert sie, wie Frauen, der Kollaboration beschuldigt, die Köpfe geschoren werden. Von Eva DeinertVielen Dank an Ami Bouhassane und Antony Penrose sowie an das Lee Miller Archive für Bilder und Texte. CreditsAutorin: Eva Deinert Regie: Rainer Schaller Gesprochen haben: Hemma Michel, Katja Bürkle, Katja Amberger, Buchhard Dabinnus und Friedrich Schloffer Technik: Susanne Harasim Redaktion: Andrea Bräu, Yvonne Maier Das Lee Miller Archive in Sussex ZUR WEBSITE
Das Amerikahaus in München zeigt noch bis Ende Juli 2025 eine Fotoausstellung über Lee Miller. Näheres dazu: http://amerikahaus.de/ausstellungen-und-veranstaltungen/ausstellung-lee-miller-photography
Literatur
Lee Miller‘s War. Photographer and Correspondent with the Allies in Europe. Herausgegeben von Antony Penrose. The Lives of Lee Miller. Von Antony Penrose. Lee Miller. Kriegskorrespondentin für Vogue. Fotografien aus Deutschland 1945. Von Katharina Menzel-Ahr.