Alles Geschichte - Der History-Podcast

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Aug 13, 2024 • 24min

DIE BERLINER MAUER – Erich und Margot Honecker

"Der Sozialismus ... hat unwiderruflich gesiegt", sagte die 61jährige Margot Honecker noch im Juni 1989 im Palast der Republik. Wenige Wochen später begann die Massenflucht vor allem junger Menschen aus der DDR. Die Ära Honecker ging zu Ende und mit ihr der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden. Mehr als zwei Jahrzehnte prägten die Honeckers den sogenannten Staatssozialismus der DDR. Dabei verloren sie zunehmend den Kontakt zum Volk und verweigerten sich der Reformpolitik von Michail Gorbatschow. Im Winter 1989 wurden sie zum Rücktritt gezwungen. Von Renate Eichmeier (BR 2019) Credits Autorin: Renate Eichmeier Regie: Christiane Klenz Es sprachen: Katja Amberger, Rahel Comtesse, Peter Lersch Technik: Lydia Schön-Krimmer Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Dr. Stefan Wolle Anmerkung der Redaktion: Bis heute gibt es keine exakte Zahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze bzw. der Berliner Mauer. Nähere Informationen und Angaben zu den Zahlen erhalten Sie HIER. Ein besonderer Linktipp der Redaktion: Deutschlandfunk Kultur: Die Geschichte geht weiter - Victor Klemperers Tagebücher 1918 - 1959 Victor Klemperer hat in seinen Tagebüchern die großen Umbrüche notiert – von der Weimarer Republik über die Nazi-Zeit bis zum ersten Jahrzehnt der DDR. Host und Historikerin Leonie Schöler nimmt uns in diesem Podcast mit in die Welt eines deutschen Zeitzeugen. ZUM PODCAST Linktipps: ARD History (2009): Besuch bei Margot Honecker Spurensuche in Chile: Seit 1992 lebt hier Margot Honecker im Exil. Die Frau des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker war einst die mächtigste Politikerin der DDR - heute wohnt sie zurückgezogen in einem Haus im noblen Vorort von Santiago, verschanzt hinter hohen Mauern. Was denkt die heute 82-Jährige über die DDR und den Fall der Mauer? NDR-Autorin Christine Adelhardt hat Freunde und Weggefährten besucht und versucht, mit Margot Honecker ins Gespräch zu kommen. Ihre Erkenntnis: Auch Jahrzehnte nach dem Ende der DDR findet sich bei ihr keine Einsicht. JETZT ANSEHEN Deutschlandfunk Kultur (2017): Wo die DDR-Elite wohnte In der DDR-Siedlung Wandlitz lebte die politische DDR-Elite, abgeschottet vom Rest des Volkes. Kaum einer durfte hier rein – und so hielten sich beständig Gerüchte von Luxuspalästen und goldenen Wasserhähnen. Nun ist die DDR-Elitesiedlung unter Denkmalschutz gestellt worden. Zum Beitrag geht es HIER.Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Timecodes (TC) zu dieser Folge:TC 00:15 - IntroTC 06:04 - ErichTC 09:14 - MargotTC 11:06 – Außereheliche PfadeTC 14:03 -  Kronprinz der DDRTC 18:04 – Die Honecker-ÄraTC 23:20 – OutroLesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:TC 00:15 - Intro MUSIK SPRECHER:  Margot habe ihn fasziniert, weil sie ein hübsches junges Mädel war, sagte Erich Honecker einmal in einem Interview. Und weil sie sehr aktiv war in der kommunistischen Bewegung. SPRECHERIN:Und Margot Honecker meinte rückblickend, Erich habe ihr gefallen, weil er ein guter Kamerad war, er sei sehr spontan und liebevoll gewesen. ERZÄHLERIN: Erich und Margot Honecker lernten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Halle an der Saale kennen. Der Faschismus war besiegt. Europa lag in Trümmern. Erich und Margot stürzten sich euphorisch in die kommunistische Jugendarbeit, wollten dabei sein beim Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft unter der Direktive der mächtigen Sowjetunion und ihres "großen Führers" Stalin. Über ihre politische Arbeit kamen sich die beiden näher. Erich Honecker war Vorsitzender der FDJ, der Freien Deutschen Jugend. Margot war dort ebenfalls Funktionärin und trat bei der Gründung der DDR im Oktober 1949 zum ersten Mal ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Fotos zeigen die 22-Jährige glücklich strahlend neben dem Spitzenkommunisten Wilhelm Pieck, den sie im Namen der Jugend einen Blumenstrauß überreichte und ihm zu seiner Wahl zum ersten Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik gratulierte. MUSIK Vier Jahrzehnte später hatte sich das Szenario grundlegend geändert. Erich und Margot Honecker, mittlerweile ins Machtzentrum der sozialistischen DDR aufgestiegen, standen an ihrem politischen Ende. Der Historiker und wissenschaftliche Leiter des DDR-Museums in Berlin Dr. Stefan Wolle: O1 WOLLE 14''Insgesamt war ja das gesamte kommunistische Lager, das Herrschaftssystem der Sowjetunion war ja vollkommen brüchig geworden, und es war bloß die Frage eigentlich, kann man im Nachhinein sagen, in welcher Form es zusammenbricht. MUSIK ERZÄHLERIN:6. und 7. Oktober 1989: Die Führungselite der DDR feierte den 40. Jahrestag der sozialistischen Staatsgründung. Auf dem Alexanderplatz riefen tausende Demonstranten: "Gorbi! Gorbi, hilf uns! Gorbi, hilf uns!" Gemeint war damit der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow, der als Ehrengast zu den Feierlichkeiten in Ostberlin eingeladen war. Die innenpolitische Lage der DDR war angespannt. Das sozialistische Machtsystem unter dem 77-jährigen Erich Honecker wankte. Seit Wochen flohen DDR-Bürger und Bürgerinnen über Ungarn und die Tschechoslowakei in den Westen. Nicht nur in Ostberlin, auch in Leipzig, Halle und anderen ostdeutschen Städten kam es zu Protesten. Zusp.: O-Ton Erich Honecker - W0328587 Den Sozialismus – so sagt man bei uns immer – in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. ERZÄHLERIN:Hatte Erich Honecker noch im August 1989 gesagt. SPRECHERIN: Und Margot hatte verkündet, dass der Sozialismus (…) unwiderruflich gesiegt habe und es niemandem gelingen werde, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. ERZÄHLERIN:Das war Mitte Juni 1989, als unter ihrer Leitung im Palast der Republik der IX. Pädagogische Kongress der DDR stattfand. Als Ministerin für Volksbildung hatte sie ihn von langer Hand vorbereiten lassen – mit dem Ziel, öffentlich die Errungenschaften der sozialistischen Bildungspolitik zu demonstrieren. Fast zeitgleich war der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow auf Staatsbesuch in Westdeutschland. "Gorbi! Gorbi! Gorbi!" skandierten auch dort Tausende. Die Reformpolitik von Gorbatschow nährte die Hoffnung auf eine Öffnung des sozialistischen Ostblockes, auf ein Ende des jahrzehntealten Ost-West-Konfliktes MUSIK …In Westdeutschland als Politstar gefeiert, von der ostdeutschen Bevölkerung als Reformer begrüßt, begegnete ihm die sozialistische Führungsriege der DDR unter Erich Honecker mit Ablehnung. Mit starrem Gesicht hatte Margot Honecker auf dem Pädagogischen Kongress im Palast der Republik verkündet, dass – SPRECHERIN:mancher, der das weit von sich weisen würde, sich mit den Gegnern des Sozialismus zusammengetan habe. Und sie verstieg sich zu der Forderung, dass unsere Zeit eine Jugend brauche, die kämpfen könne, die den Sozialismus stärken helfe, die für ihn eintrete und ihn verteidige mit Wort und Tat und, wenn nötig, mit der Waffe in der Hand. ERZÄHLERIN:Wenige Wochen nach der skurrilen Rede von Margot Honecker begann die Massenflucht vor allem junger Menschen aus der DDR und leitete das Ende der Ära Honecker und das Ende des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden ein. Lange Jahre hatten Erich und Margot Honecker den sogenannten Staatssozialismus der DDR geprägt: mit zunehmender Härte und wachsendem politischem Starrsinn. Erich Honecker war als Staats- und Parteichef zum mächtigsten Mann des DDR-Regimes aufgestiegen. Die 15 Jahre jüngere Margot setzte ab 1963 als Ministerin für Volksbildung innovative Konzepte wie polytechnische Bildung und Ganztagsbetreuung durch, aber auch umstrittene Maßnahmen wie den Wehrkundeunterricht. MUSIK SPRECHERINDer beste Freund des deutschen Volkes solle leben, der Freund aller jungen Menschen, der große Stalin.TC 06:04 - Erich ERZÄHLERINAufnahmen Anfang der 1950er Jahre zeigen die junge Margot Feist bei FDJ-Veranstaltungen: Sie ist Anfang 20, ein hübscher Lockenkopf in blauer FDJ-Uniform, eine strahlende Sozialistin, eine mitreißende Rednerin, eine, der man glaubt, was sie sagt. Nicht selten ist neben ihr Erich Honecker zu sehen, ein gutaussehender Mann, Mitte 30, ebenfalls in FDJ Uniform, ebenfalls einer, der Begeisterung für den Sozialismus ausstrahlt. MUSIK Erich und Margot stammten aus Arbeiterfamilien, waren in kommunistischen Elternhäusern groß geworden und hatten den Terror der NS-Zeit am eigenen Leib erfahren. Margots Vater war jahrelang in Gefängnissen und Konzentrationslagern eingesperrt. Erich Honecker schmuggelte kommunistisches Propagandamaterial nach Nazideutschland, bis er 1935 von der Gestapo verhaftet wurde. Er war 23 Jahre alt und verbrachte 10 Jahre im Gefängnis, die meiste Zeit davon im Zuchthaus Brandenburg. 1945 war der Krieg zu Ende, die Nazis besiegt, viele Städte zerstört, Millionen Menschen ermordet ... Erich Honecker war 32 Jahre alt, als russische Soldaten der Roten Armee ihn befreiten. O2 Wolle 19''Er hat sich dann nach Berlin begeben, wo die ersten kommunistischen Emissäre aus Moskau angekommen waren und hat sich denen zur Verfügung gestellt. Und die waren da sehr glücklich, da einen relativ jungen Mann zu bekommen mit Erfahrung in der Jugendarbeit. Und er hat dann sehr schnell die Leitung der Freien Deutschen Jugend übernommen. ERZÄHLERINSo der Historiker und DDR Spezialist Stefan Wolle. Trotz der langen Jahre im Gefängnis konnte Erich Honecker Erfahrungen in der kommunistischen Funktionärsarbeit vorweisen. 1912 im Saarland geboren, war er bereits als Kind in einer kommunistische Kindergruppe, wechselte später in die Jugendorganisation der kommunistischen Partei KPD, übernahm organisatorische Aufgaben und stieg schnell in Funktionen von überregionaler Bedeutung auf. Er fing zwar eine Dachdeckerlehre an, brach diese aber ab, als er 1930 als vielversprechender Nachwuchskader auf die Lenin-Schule der Kommunistischen Internationale in Moskau geschickt wurde. Erich Honecker war also bestens geeignet für den Posten der FDJ Leitung. O3 Wolle 42''Die Freie Deutsche Jugend war nicht von Anfang an eine kommunistische Organisation, sondern sie legte großen Wert auf ihre angebliche – muss man jetzt mal sagen – angebliche Überparteilichkeit, das heißt, in dem Leitungsgremium der FDJ, dem Zentralvorstand, waren auch Sozialdemokraten anfangs und einige bürgerliche und christliche Politiker. Aber die Kommunisten hatten natürlich alles in der Hand. Und da war Erich Honecker von Anfang an ein getreuer Erfüllungsgehilfe der Weisungen der Partei, und hat das auch von Anfang an alles da durchgepeitscht, was die SED, also erst die Kommunistische Partei, dann die zur SED zusammengeschlossene Führungspartei, angeordnet hat.TC 09:14 - Margot MUSIK SPRECHERIN:Ihre Mutter habe immer gesagt, Kommunisten seien die besseren Menschen, erzählte Margot Honecker später. ERZÄHLERIN: Als Hitler 1933 an die Macht kam, war Margot vier Jahre alt. Ihre Kindheit und Jugend waren geprägt von Armut und Angst: Hausdurchsuchungen durch die Gestapo, Verhaftungen des Vaters, Druck auf die Mutter. SPRECHERIN:Zu einer Überzeugung, zu einer Sache müsse man stehen, ob das zur Familie sei, ob das zu unserer, der kommunistischen Sache sei, das habe ihre Mutter gesagt –so Margot Honecker später in einem Interview. Vor allen Dingen dürfe man sich nicht kleinkriegen lassen. MUSIK ERZÄHLERIN:Als ihre Mutter an einer versuchten Abtreibung starb, war Margot 13. Sie übernahm den Haushalt, kümmerte sich um ihren jüngeren Bruder und unterstützte trotz ihrer Jugend die illegale Arbeit der KPD. Mit dem Ende von Naziterror und Krieg begann für die 18-jährige Margot 1945 eine Zeit der euphorischen politischen Arbeit. Ihren Wunsch, Lehrerin zu werden, gab sie auf Drängen der Partei auf. Sie konzentrierte sich auf ihre Funktionärskarriere und stieg in der FDJ zielstrebig zur Vorsitzenden der Kinderorganisation "Junge Pioniere" auf. Die Genossen beschrieben Margot als lebendig, freundlich, kameradschaftlich, als ein attraktives Mädchen mit großer Ausstrahlung – das auch dem gutaussehenden FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker auffiel, der in der Aufbruchsstimmung jener Jahre durchaus charmant und eloquent sein konnte. Im Dezember 1949 reisten Erich und Margot als FDJ-Repräsentanten gemeinsam mit einer Delegation nach Moskau zur Feier von Stalins 70. Geburtstag.TC 11:06 – Außereheliche Pfade MUSIK SPRECHER:Das sei natürlich für sie beide ein großes Erlebnis gewesen, erinnerte sich Erich Honecker später: Festveranstaltung im Bolschoitheater, Stalin und Mao Tse Tung auf der Bühne, später dann die Geburtstagsfeier im Kreml. Eine große Gemeinschaft sei das gewesen. Alle hätten auf das Wohl Stalins getrunken, auf weitere Erfolge der kommunistischen Weltbewegung. MUSIK ERZÄHLERIN:Irgendwann in dieser Zeit kamen sich Margot Feist und Erich Honecker näher: begeistert von Stalin, gehorsam gegenüber der Partei, klassen- und karrierebewusst. Doch als Erich die Affäre mit Margot begann, war er bereits verheiratet: mit Edith Baumann, seiner Stellvertreterin im FDJ Vorstand. O4 WOLLE 39''Das war das große Problem, denn das war nicht üblich in den Führungszirkeln der SED, dass man da irgendwie auf außerehelichen Pfaden wandelte. Das war strengstens untersagt. Die Partei war damals noch sehr puritanisch und sehr auf – ja, was sie selbst Moral, Sitte und Anstand nannten – ausgerichtet und es bedurfte dann einer speziellen, ja fast, Erlaubnis von Walter Ulbricht, dass sich hat Erich Honecker scheiden lassen und hat dann eben Margot Honecker geheiratet. Da gab es auch schon ein Baby. ERZÄHLERIN:Walter Ulbricht war Chef der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, bei der alle Macht in der DDR lag. Unter dem Druck der Sowjets war er dafür verantwortlich, Partei und Gesellschaft der neu gegründeten DDR auf stalinistischen Kurs zu bringen und weltanschauliche Abweichungen in allen Lebensbereichen auszuschalten. Für die Affäre seines FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker zeigte er wenig Verständnis. Er stellte sich auf die Seite von Erichs Frau Edith Baumann, die sich hilfesuchend an ihn gewandt hatte. Mitglieder der FDJ schilderten, wie Erich Honeckers Führungsstil sich in dieser Zeit veränderte: Er wurde zunehmend verschlossen und autoritär, ließ sich auf keine Diskussionen mehr ein und berief sich im Zweifelsfall auf Walter Ulbricht und das Politbüro. Im privaten Bereich wagte er aber, sich gegen die Partei zu stellen, und entschied sich für Margot. Bis die beiden heiraten konnten, sollten allerdings einige Jahre vergehen. O5 WOLLE 32''Das Pärchen Margot und Erich haben das dann auch gegen alle Widerstände durchgesetzt, und er wäre wohl auch bereit gewesen, zugunsten seiner geliebten Margot auf seine politische Karriere zu verzichten. Das war wirklich was Besonderes: Er hat es riskiert. Andere sind über solche Sachen wirklich gestolpert und von der Karriereleiter runtergefallen. Honecker nicht so.TC 14:03 -  Kronprinz der DDR ERZÄHLERIN: Als überzeugter Stalinist wurde er 1950 Mitglied im Zentralkomitee, dem obersten Gremium der SED. Der Kreml drängte auf eine Umsetzung von Stalins Richtlinien: Enteignung und Kollektivierung sollten forciert werden, ebenso der Aufbau von Produktionsgenossenschaften, die Ausschaltung politischer Gegner … Gemeinsam mit Margot verstärkte Erich Honecker den Kampf der FDJ gegen kirchliche Jugendgruppen. Die Unruhe in der Bevölkerung nahm zu. Es kam zu Versorgungsengpässen. Viele flüchteten in den Westen. Am 17. Juni 1953 kam es in Ostberlin und anderen Städten der DDR zu Protesten, die von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurden. Da tausende FDJ-Mitglieder die Demonstrationen unterstützt hatten, gerieten Erich Honecker und Margot Feist als führende FDJ-Funktionäre in die Kritik. Beide waren auf einem Tiefpunkt ihrer Karriere. Obwohl Erich immer noch nicht geschieden war, lebten sie bereits zusammen. 1952 hatte Margot die gemeinsame Tochter Sonja bekommen. Politisch geschwächt und mit einem immer noch ungeordneten Privatleben mussten die beiden sich die Maßregelungen der Partei gefallen lassen. Margot musste eine einjährige Trennung von ihrer kleinen Tochter in Kauf nehmen. SPRECHER: Aufgrund von Intrigen, die er nicht habe verhindern können, so Erich Honecker, sei Margot per Parteibeschluss 1953 für ein Jahr auf die Jugendhochschule in Moskau geschickt worden. ERZÄHLERINEs sollte einige Jahre dauern, bis die Karriere der Honeckers wieder ins Laufen kam. Nach Erichs Scheidung konnten die beiden endlich heiraten. Und als Margot 1954 aus Moskau zurückkam, durfte sie ihre Tätigkeit bei der FDJ zwar nicht mehr aufnehmen. Nach einigem Hin und Her bekam sie aber die Leitung der Lehrerbildung im Ministerium für Volksbildung übertragen – und nutzte die Chance: Sie arbeitete sich schnell ein, suchte sich politisch verlässliche Mitarbeiter und baute ihre Macht aus. 1958 wurde sie stellvertretende Ministerin für Volksbildung – und Erich Honecker der verantwortliche Sekretär für Sicherheit. O6 WOLLE 45''Das ist eine ganz wichtige und zentrale Position gewesen, etwas im Hintergrund. Er war nicht mehr so exponiert wie als FDJ-Chef und war dann eben auch wirklich im Politbüro, das heißt im Kreis der ganz mächtigen Leute, als so eine Art Schildknappe von Walter Ulbricht – muss man schon sagen. Er hat auch Walter Ulbricht die Treue gehalten, als die Position des Generalsekretärs zur Disposition stand zweimal 1953 und 1956. Da wäre Ulbricht also fast gestürzt worden, aber Erich Honecker hat ihm bis dahin immer treu zur Seite gestanden, ist dafür gewissermaßen auch belohnt worden und hat dann die folgenden Jahre als eine Art Kronprinz im Hintergrund agiert. MUSIK ERZÄHLERIN:Anfangs lebten die Honeckers noch in Berlin Pankow, umgeben von Nachbarn und Freunden, mit denen sie mal Skat spielen oder ein Bier trinken konnten. 1960 mussten sie wie alle Mitglieder des Politbüros in die neu gebaute Siedlung Wandlitz umziehen. Das Gelände lag in der Nähe von Bernau etwa 40 Fahrminuten nördlich von Berlin, umgeben von einer Mauer, bewacht vom Ministerium für Staatssicherheit, ausgestattet mit einigem Komfort: Klubhaus, Schwimmbad, Hauspersonal, einem Laden mit hochwertigen Westprodukten und Waren, an denen es in der DDR mangelte wie frisches Obst und Gemüse. Wandlitz sollte der Sicherheit des sozialistischen Führungskaders dienen, bedeutete aber auch eine Überwachung des Privatlebens, jedes Kommen und Verlassen der Siedlung, jeder Besuch wurde registriert.  TC 18:04 – Die Honecker-Ära Die Proteste von 1953, die Unruhen in Ungarn 1956, die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme der DDR, die weiterhin massenhafte Abwanderung nach Westdeutschland … 1961 fiel der Beschluss, die Grenzen nach Westen zu schließen – mit einem sogenannten "antifaschistischen Schutzwall", der Berliner Mauer. Als Sicherheitssekretär konnte Erich Honecker sich nun als politischer Hardliner profilieren: Er plante und organisierte den Mauerbau und befürwortete den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze. Die Karriere der Honeckers ging steil nach oben. Beide wussten sich in den Machtkämpfen innerhalb der SED durchzusetzen. 1963 wurde Margot "Genossin Minister für Volksbildung" – wie es im DDR Jargon hieß. O7 WOLLE 33''Das war also nicht unbedingt jetzt eine Folge der hohen Positionen, die ihr Mann hatte. Das war durchaus eine eigenständige politische Karriere, die sie da eingenommen hat seit 1963, war ein Teil einer sehr entschiedenen Modernisierung der Volksbildung, hatte zwar formal nicht die entsprechende Qualifikation: Sie hatte ja bloß die Volksschule besucht. Aber das machte in der DDR nichts. Wenn man die rechte politische Einstellung hatte, da konnte man über formale Qualifikationen sich hinwegsetzen. ERZÄHLERIN:Als Margot Honecker das Ministeramt übernahm, war sie Mitte 30 und brachte mit ihrem lockeren und angenehmen Führungsstil aus der Jugendarbeit frischen Wind ins Ministerium. Sie arbeitete intensiv und war kompetent. Unter ihrer Leitung wurde das Konzept der polytechnischen Bildung umgesetzt, ausgerichtet auf naturwissenschaftliche und technische Fächer, kombiniert mit einer Ausbildung. Währenddessen baute Erich Honecker seine Machtbasis aus und putschte sich mit sowjetischer Unterstützung 1971 an die Macht. Er zwang Walter Ulbricht zum Rücktritt, übernahm selbst zuerst die Funktion des Parteichefs, später dann auch die des Staatschefs. O8 WOLLE 41''Er hatte also alle Zügel der Macht in der Hand. Und die Jahre von 71 bis 89, die kann man mit Fug und Recht sozusagen als die Honecker-Ära bezeichnen, die bestimmte Charakteristika aufweist. Da ist zunächst zu nennen, eine noch engere Anschließung an die Sowjetunion, eine Wirtschaftspolitik, die sehr regressiv war. In dem Sinne, dass die mittelständischen Unternehmen, die es noch gegeben hat in der DDR und die auch noch eine große Rolle gespielt haben, eine positive Rolle. Die wurden ohne Not verstaatlicht, ziemlich gewaltsam, und mit sehr negativen Folgen für die ökonomische Situation der DDR. ERZÄHLERIN:Warum Erich Honecker das getan hat, ist umstritten. Er wollte wohl die Reste des kapitalistischen Systems beseitigen, während er gleichzeitig für soziale Verbesserungen sorgte, die allerdings nicht gegenfinanziert waren: höhere Löhne, höhere Renten, kürzere Arbeitszeiten. Ein kleiner kulturpolitischer Frühling endete 1976 mit der Ausweisung des Liedermachers Wolf Biermann und zerschlug die Hoffnungen auf eine gesellschaftliche Öffnung der DDR. Während in allen Bereichen Mangelwirtschaft herrschte, lebte die Führungselite abgeschottet in Wandlitz, politisch starrsinnig, misstrauisch gegenüber der eigenen Bevölkerung, misstrauisch auch einander gegenüber. Private Kontakte zwischen den Politbüromitgliedern gab es kaum. Die Staatssicherheit überwachte zeitweise sogar Margot Honecker. Es gab Gerüchte über Affären. Die Ehe der Honeckers kriselte, aber politisch waren sie sich immer einig. Die Reformpolitik von Michail Gorbatschow, der seit 1985 sowjetischer Parteichef war, lehnten beide ab, politisch und emotional immer noch Stalin verbunden, blind für dessen Verbrechen, blind auch für die Realität im eigenen Land. Margots Ministerium für Volksbildung entwickelte sich zu einer Hochburg der Reformverweigerer, während die Bevölkerung der DDR mit zunehmender Lautstärke protestierte. Der Historiker Stefan Wolle: O9 WOLLE 21''1989, als dann Gorbatschow hier in Berlin auftauchte und die sinnreichen Worte sprach: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben – hat er so nicht gesagt, aber es ist so sprichwörtlich geworden in der falschen Übersetzung, die dann verbreitet wurde. Das war sozusagen das Todesurteil für das Honecker-System. MUSIK ERZÄHLERIN:Am 17. Oktober 1989 trat Erich Honecker zurück, einige Tage später seine Frau Margot. Die beiden verbrachten ihr Lebensende in Santiago de Chile. Erich Honecker starb 1994, seine Frau Margot 2016. (Version mit  Zusp.:) O-Ton Margot Honecker W0394272 "Ich bin auch immer mehr der Meinung, dass wir da ein Korn in die Erde gelegt haben, da wird der Samen aufgehen. Es war nicht umsonst, dass die DDR existiert hat." MUSIK ERZÄHLERIN:Bis zum Schluss vertrat Margot Honecker in seltenen Interviews immer wieder die Meinung, dass der Sozialismus wiederkomme.TC 23:20 – Outro
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Aug 13, 2024 • 23min

DIE BERLINER MAUER – Checkpoint Charlie

Unmittelbar nach dem Mauerbau im August 1961 errichteten die Westalliierten in der Friedrichstraße eine Grenzübergangsstelle. Der Checkpoint Charlie sollte fast drei Jahrzehnte lang den Ostteil Berlins mit dem Westen verbinden und den Transfer der Alliierten ermöglichen. Bereits im Oktober 1961 standen sich am Checkpoint Charlie US-amerikanische und sowjetische Kampfpanzer gegenüber. Nie war die globale Systemkonfrontation anschaulicher als in jenen Tagen der Panzerkonfrontation. Der Checkpoint Charlie war über Nacht zu einer globalen Ikone des Kalten Kriegs geworden. Von Thomas Grasberger (BR 2023) Credits Autor: Thomas Grasberger Regie: Rainer Schaller Es sprachen: Christian Jungwirth, Verena Fiebiger, Peter Weiß Technik: Ruth-Maria Ostermann Redaktion: Matthias Eggert Im Interview: Hanno Hochmuth Anmerkung der Redaktion: Bis heute gibt es keine exakte Zahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze bzw. der Berliner Mauer. Nähere Informationen und Angaben zu den Zahlen erhalten Sie HIER. Ein besonderer Linktipp der Redaktion: Deutschlandfunk Kultur: Die Geschichte geht weiter - Victor Klemperers Tagebücher 1918 - 1959Victor Klemperer hat in seinen Tagebüchern die großen Umbrüche notiert – von der Weimarer Republik über die Nazi-Zeit bis zum ersten Jahrzehnt der DDR. Host und Historikerin Leonie Schöler nimmt uns in diesem Podcast mit in die Welt eines deutschen Zeitzeugen. ZUM PODCAST Linktipps: ARD: Mauerbau – Konfrontation am Checkpoint Charlie 1961 Zahlreiche historische Clips zeigen die angespannte Situation an der innerdeutschen Grenzen rund um den Checkpoint Charlie. JETZT ANSEHEN ZDF (2011): „Checkpoint Charlie: Ich zog die Linie“   Hagen Koch, damals beim Stasi-Wachregiment Feliks Dzierzynski, über seine Inspektion des Grenzverlaufs im Vorfeld des Berliner Mauerbaus. JETZT ANSEHENUnd hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Timecodes (TC) zu dieser Folge: TC 00:15 – IntroTC 04:18 – Ein Nadelöhr im Kalten KriegTC 05:32 – Die PanzerkonfrontationTC 10:15 - GrenzgängerTC 12:51 – Schauplatz der Angst, Flucht & TodTC 15:44 – Zwischen Kommerz und GedenkenTC 22:07 – Outro Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:TC 00:15 – Intro MUSIK Erzähler:Am 13. August 1961, nachts gegen ein Uhr, beginnen die Soldaten, Volkspolizisten und Betriebskampfgruppen der DDR ihr Werk. Die gesamte Grenze zwischen Ost- und West-Berlin wird praktisch lückenlos abgeriegelt. Ebenso die zwischen West-Berlin und der DDR. ZSP: Walter UlbrichtNiemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten! Erzählerin:Allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz hat der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht schon seit längerem die Absicht, eine Mauer zu bauen. Denn seinem sozialistischen Staat laufen scharenweise die Leute davon, nicht zuletzt Fachkräfte und Eliten. Eine bedrohliche Situation für die junge DDR. Ulbricht bedrängt daher den sowjetischen Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow. Der hat sich den Mauerplänen bislang widersetzt. Aber nach harten Verhandlungen in Moskau gibt Chruschtschow schließlich nach. Erzähler:Kein Wunder, allein im Juli 1961 sind mehr als 30.000 Menschen in den Westen geflohen. Die meisten über Berlin, weil die innerdeutsche Grenze ja seit 1952 fast hermetisch geschlossen ist. In Berlin aber gilt der Vier-Mächte-Status, die Grenze ist im Prinzip noch durchlässig. Dieses letzte Schlupfloch will Ulbricht jetzt stopfen. Erzählerin:Quer durch die Stadt werden Sperranlagen errichtet – zunächst mit Stacheldraht, später mit Zement. Die Mauer wächst rasch heran, und bewaffnete Volkspolizisten verhindern Grenzüberschreitungen in beide Richtungen. Die waren bis dahin ganz normal, sagt Hanno Hochmuth, Historiker am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Berlin war zwar seit 1948 politisch geteilt, aber nicht im Alltag. ZSP 1 Hochmuth verflochten 0,35Es gab viele Ostberliner, die im Westen arbeiteten oder auch zur Schule gingen oder dort studierten. Es gab aber auch viele Westberliner, die in den Osten fuhren, um dort zum Beispiel sehr, sehr günstig Lebensmittel einzukaufen, was in Westberlin übrigens verpönt gewesen ist. Aber dieses Berlin war tatsächlich bis zum 13. August 1961 noch eine sehr stark verflochtene Gesellschaft, und das war mit einem Mal dann vorbei. Und viele Westberliner reagierten entsetzt und empört und erwarteten eigentlich eine unmittelbare Reaktion der Westalliierten, dass sie sich das nicht gefallen lassen und waren enttäuscht. MUSIK Erzählerin:Denn die erhoffte Machtdemonstration des Westens bleibt aus. US-Präsident John F. Kennedy – 44 Jahre alt und gerade erst frisch ins Amt gewählt – klingt am 13. August 1961 richtiggehend erleichtert: Zitator:„Es ist keine besonders angenehme Lösung, aber eine Mauer ist verdammt viel besser als ein Krieg.“ Erzähler:Die USA, formuliert Hanno Hochmuth etwas zugespitzt, waren froh über den Mauerbau. Denn er nahm Druck aus der angespannten politischen Lage zwischen den Supermächten. ZSP 2 Hochmuth befriedet 0,27Dass jetzt die Sowjets zuließen, dass die DDR den sowjetischen Sektor von Berlin, Ostberlin abriegelt, war im Prinzip ein Zugeständnis von Chruschtschow in den Augen der Amerikaner, dass die Sowjets nicht mehr ganz Berlin für sich beanspruchen. Und insofern waren sie eigentlich froh, dass diese dramatische Eskalation, die es eigentlich vorher gegeben hat, durch den Mauerbau ein Stück weit befriedet wurde. Erzähler:Im nun geteilten Berlin gilt weiterhin der Vier-Mächte-Status. Das bedeutet, alle vier Besatzungsmächte haben freien Zugang zu allen vier Sektoren der Stadt. Sowjetische Militärs unternehmen „Missionsfahrten“ in die drei Westsektoren. Und amerikanische Offiziere steuern ihre Militärjeeps durch den sowjetischen Sektor. Ein reger Austausch also, trotz Mauer. Aber ... ZSP 3 Hochmuth Def 0,13Dafür musste auch eine ganz besondere Grenzübergangsstelle eingerichtet werden, die nur für diesen alliierten Transfer praktisch von einem Teil Berlins in den anderen Teil eingerichtet wurde. Und das war der Checkpoint Charlie.TC 04:18 – Ein Nadelöhr im Kalten Krieg Erzählerin:Ein Nadelöhr im Kalten Krieg. Eines von mehreren, benannt nach den Buchstaben im NATO-Alphabet. Der Grenz-Kontrollpunkt C war der Checkpoint Charlie. Den musste passieren, wer innerhalb Berlins zwischen dem amerikanischen und dem sowjetischen Sektor hin- und herfahren wollte. Erzähler:Eingerichtet hatten ihn die Westalliierten unmittelbar nach dem Mauerbau. Und zwar mitten in der Friedrichstraße, zwischen Zimmer- und Kochstraße. Fast drei Jahrzehnte lang sollte der Checkpoint Charlie als ein Symbol des Kalten Kriegs existieren. Erzählerin:Dass Amerikaner, Franzosen und Briten stets nur vom Checkpoint, vom Kontrollpunkt sprachen, hatte mit dem Vier-Mächte-Status zu tun. Für die Westalliierten war Berlin eine gemeinsam verwaltete Stadt, in der es keine Grenze und somit auch keine echten Grenzkontrollen geben konnte. Erzähler:Die DDR sah das anders. Für sie verlief mitten durch Berlin tatsächlich eine Staatsgrenze. Deshalb nannte sie das nördliche Gegenstück zum Checkpoint Charlie auch „Grenzübergangsstelle“, kurz „GÜST Friedrichstraße“. Erzählerin:Dass hinter solchen Namens-Fragen massive politische Interessen standen, wurde schon wenige Wochen nach dem Mauerbau deutlich.TC 05:32 – Die Panzerkonfrontation MUSIK Erzähler:Sonntag, 22. Oktober 1961. Edwin Allan Lightner, der stellvertretende Chef der US-amerikanischen Militärmission in Berlin, fährt mit seiner Frau in den Ostteil Berlins. Die beiden wollen ins Theater, in den Friedrichstadtpalast. Schon vor dem Mauerbau haben sie dort oft Kulturveranstaltungen besucht. Diesmal aber erlebt Lightner eine Überraschung. ZSP 4 Hochmuth Theater 0,20Als der rüberfahren möchte, wird er angehalten, und zwar nicht von sowjetischen Militärs. Das wäre ja vielleicht noch okay gewesen, sondern von DDR-Grenzsoldaten. Das war für ihn eine ganz klare Verletzung des Vier-Mächte-Status seiner Rechte als amerikanischer Top Diplomat und Top Militär. Erzähler:Die DDR-Grenzsoldaten sind angewiesen, amerikanische Militär-Angehörige in Zivil nach ihren Ausweisen zu fragen. Edwin Lightner ist wütend, der amerikanische Militär protestiert gegen die Passkontrolle. Vergeblich. Das Ehepaar muss umkehren. Erzählerin:Lightner wendet sich umgehend an Lucius D. Clay, den amerikanischen Stadtkommandanten. Als Vater der Berliner Luftbrücke von 1948 ist Clay ein berühmter Mann. Präsident Kennedy hat ihn 1961 erneut nach Berlin geschickt, quasi als seinen persönlichen Vertreter in der Stadt. Clay hört sich Lightners Geschichte an und reagiert rasch. ZSP 5 Hochmuth Panzer 0,18Indem er amerikanische Panzer auffahren ließ am Checkpoint Charlie. Und die Sowjets ihrerseits reagierten damit, dass sie sowjetische Panzer von Norden her auf den Checkpoint Charlie zurollen ließen, und diese standen sich dann dort mehrere Stunden gefechtbereit gegenüber. MUSIK Erzähler:Am 27. Oktober 1961, gegen 17 Uhr, beginnen die Panzer zu rollen. Die Konfrontation am Checkpoint Charlie dauert 16 Stunden. Stunden, in denen der heiße Draht zwischen Moskau und Washington glüht. Am Ende geht alles glimpflich aus, aber die Lage war keineswegs ungefährlich, meint der Historiker Hanno Hochmuth. ZSP 6 Hochmuth Glaubwürdigkeit 0,36Denn es standen sich in der Tat zum Ersten Mal direkt Panzer von den beiden Supermächten gegenüber. Die hatten auch geladene Kanonenrohre. Es war militärisch klar, dass die paar amerikanischen Panzer Westberlin nicht hätten verteidigen können. Aber es ging im Kalten Krieg immer nicht nur um Truppenstärke, sondern auch um Glaubwürdigkeit, dass man dem, was man sagt und was man behauptet, auch etwas folgen lässt. Und für die Amerikaner war es immer ganz wichtig, wenn Kennedy schon sagt, dieses Westberlin muss Bestand haben, dann muss man im Zweifelsfalle auch dafür einstehen. MUSIK Erzählerin:Was aber bedeutet das in Zeiten des Kalten Kriegs? Nur drei Tage nach der Berliner Panzerkonfrontation führt die Sowjetunion im Nordpolarmeer den größten Atomtest aller Zeiten durch. Und auf amerikanischer Seite ist man nicht minder stark gerüstet. Das Vernichtungspotenzial auf beiden Seiten ist enorm. Ein Jahr später, in der Kubakrise, wird die Welt am Rand des atomaren Abgrunds stehen. Erzähler:Das erste Kräftemessen am Checkpoint Charlie wirkt medial noch lange nach. Beängstigend spektakulär waren die Fotos, die damals um die Welt gingen: auf der einen Seite die US-amerikanischen M48- Kampfpanzer, auf der anderen sowjetische T54. Nie war die globale Systemkonfrontation anschaulicher als in jenen Oktobertagen 1961. Der Checkpoint Charlie war über Nacht zu einer globalen Ikone des Kalten Kriegs geworden. Erzählerin:Die Berlin-Krise endet 1961 mit einem Kompromiss: Amerikanische Militärs, die künftig nach Ostberlin fahren, müssen nun ihre Militärausweise in die Windschutzscheibe legen. Und die DDR-Grenzsoldaten dürfen sie fortan nicht mehr kontrollieren. Erzähler:Dramatischer sind die Veränderungen im Alltag der Bürger. Mehr als eine Million Ostberliner waren von den 2,2 Millionen Westberlinern vollständig getrennt. Persönliche Kontakte gab es zunächst keine mehr, sagt Hanno Hochmuth. Es sollte mehr als zwei Jahre dauern, bis die ersten Westberliner an Weihnachten 1963 wieder nach Ostberlin reisen durften. ZSP 7 Hochmuth getrennter Alltag 0,19Für Ostberliner ist es noch eine viel längere Wartezeit. Da wird das Ganze ja erst in den 70er Jahren so geregelt, dass zumindest ältere Leute und privilegierte Leute in den Westen reisen können. Das heißt, diese sehr, sehr stark verflochtene Gesellschaft, die reißt vollkommen entzwei.TC 10:15 - Grenzgänger MUSIK Erzähler:Im Alltag ganz normaler Ostberliner spielte der Checkpoint Charlie keine Rolle. Sofern sie überhaupt reisen durften, fuhren sie über die ein Kilometer weiter nördlich gelegene „GÜST Bahnhof Friedrichstraße“ in den Westteil der Stadt. Erzählerin:Der Checkpoint Charlie hingegen war jenen vorbehalten, die innerhalb Berlins Freizügigkeit genossen: Mitglieder der Alliierten Streitkräfte, Angehörige des Militärpersonals, Diplomatinnen und Diplomaten oder ausländische Touristen. Und auch DDR-Funktionäre durften hier passieren. Erzähler:Eine schillernde Schar von Grenzgängern also, die die Fantasie von Schriftstellern und Drehbuchautoren anregte. Zumindest wenn sie sich mit Agentengeschichten befassten. „Der Spion, der aus der Kälte kam“ heißt ein berühmter Spionageroman des britischen Autors John le Carré aus dem Jahr 1963. Als das Buch zwei Jahre später verfilmt wird, ist in der Eingangsszene natürlich die Ikone des Kalten Kriegs zu sehen – der Checkpoint Charlie. Erzählerin:Solch mythische Überhöhungen hatten mit dem schnöden Grenzer-Alltag in der Regel wenig zu tun. Viel Zettelkram und Bürokratie herrschte am Kontrollpunkt, bzw. an der GÜST. Wo anfangs nur ein kleines Grenzkontrollhäuschen stand, kam bald ein zweites hinzu, und später eine große Baracke. In den 1970er und 80er Jahren wurde der Checkpoint Charlie dann immer weiter ausgebaut, zu einem wahren Grenz-Bollwerk aus Beton. Erzähler:Auf westlicher Seite standen die alliierten Kontrolleinheiten in einer Baracke, die einen langen Gang und eine Glasfront beherbergte. Alle westlichen Besucher mussten sich am Schalter ihrer jeweiligen Besatzungsmacht ausweisen und wurden mit Instruktionen versehen, bevor sie nach Ostberlin reisen durften. Den Amerikanern, Briten und Franzosen war es wichtig, dass sich ihre Landsleute im Osten korrekt verhalten, ganz im Sinne des Vier-Mächte-Status. Erzählerin:Auf DDR-Seite standen sogenannte Passkontrolleinheiten, kurz PKE. Die sahen aus wie reguläre Grenzsicherungseinheiten, unterstanden in Wahrheit aber dem Ministerium für Staatssicherheit. Erzähler:Die DDR-Grenzsoldaten kontrollierten genau, welche Ausländer nach Ostberlin einreisten. Und vor allem achteten sie darauf, dass niemand in den Westen floh. Solche Versuche gab es immer wieder, sagt Hanno Hochmuth, obwohl man nur ganz langsam und in Schlangenlinien durch die gesicherte Grenzanlage fahren konnte. Selbst mit einem LKW war sie kaum zu durchbrechen.TC 12:51 – Schauplatz der Angst, Flucht & Tod MUSIK Erzähler:Der Checkpoint Charlie war immer wieder Schauplatz spektakulärer Fluchtversuche aus dem damaligen Ost-Berlin. Und früh schon kam es zu tödlichen Zwischenfällen. Am 17. August 1962, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Mauerbau, wird in der Nähe vom Checkpoint ein junger Mann angeschossen, der zusammen mit einem Kollegen in den Westen fliehen will. Der 18-jährige Peter Fechter verblutet unmittelbar an der Grenzmauer in der Zimmerstraße, vor den Augen zahlreicher West-Berliner. Niemand traut sich ihm zu helfen – aus Angst vor den bewaffneten DDR-Grenzern. Erzählerin:Insgesamt – schätzen Historiker – gab es zwischen 1961 und 1989 etwa 5500 gelungene Fluchten vom Osten in den Westen der Stadt. Einige auch am Checkpoint Charlie, weil amerikanische Militärs dort von Ost-Grenzern nicht mehr kontrolliert werden durften. So kam es immer wieder vor, dass GI´s im Osten der Stadt DDR-Bürger einsammelten, um sie dann im Kofferraum ihrer Fahrzeuge zu verstecken und in den Westen zu schmuggeln. Erzähler:Aber die US-amerikanischen Befehlshaber sahen solche Aktionen nicht gern. Und auch vom Westberliner Senat wurden die zahlreichen West-Berliner Fluchthelfer bald mit Argwohn betrachtet. Denn erstens war Fluchthilfe – egal ob sie aus ideellen oder materiellen Motiven heraus geschah – immer eine lebensgefährliche Sache. Und zweitens, sagt Hanno Hochmuth, wollte man dem Osten keinen Vorwand für weitere Eskalationen liefern. Denn unmittelbar nach dem Mauerbau war es verschiedentlich zu heftigen Konfrontationen zwischen DDR-Grenztruppen und Fluchthelfern gekommen. ZSP 8 Hochmuth Mauertote 0,42Dabei sind ja auch mehrere DDR-Grenzsoldaten ums Leben gekommen, die von Fluchthelfern erschossen worden sind. Das ist natürlich dann auf der Ostseite propagandistisch extrem ausgeschlachtet worden, und genau das wollte man jetzt auf der Seite des Senats nun wiederum auch nicht, dass DDR-Grenzsoldaten als Märtyrer verehrt werden und zelebriert werden auf der DDR-Seite. Erzähler:Der Checkpoint Charlie war von Anfang an ein Brückenkopf auf dem geschichtspolitischen Schlachtfeld des Kalten Kriegs. Ein knappes Jahr, nachdem der 18-jährige Peter Fechter erschossen worden war, entstand auf Privatinitiative ein sogenanntes Mauermuseum: Das „Museum Haus am Checkpoint Charlie". Sein Gründer Rainer Hildebrandt hatte schon gegen Hitler Widerstand geleistet. Jetzt half er DDR-Bürgern bei der Flucht und prangerte das totalitäre System des Kommunismus mit seinem blutigen Grenzregime und den Mauertoten an. Erzählerin:Die Erinnerungsarbeit am Checkpoint setzte also lange vor dem Mauerfall 1989 ein.TC 15:44 – Zwischen Kommerz und Gedenken MUSIK ZSP Archiv Günter Schabowski: Nach meiner Kenntnis ist das... sofort Erzähler:Der Abend des 9. November 1989. Kurz nachdem der SED-Funktionär Günter Schabowski das neue, gelockerte Reisegesetz der DDR verkündet hat, laufen von beiden Seiten der Mauer Menschen auf den Checkpoint Charlie zu: „Lasst uns rein!", rufen die West-Berliner. „Lasst uns raus!", die Ost-Berliner. Und kurz danach ist das Grenzregime Geschichte. Die Schlagbäume sind offen. Erzählerin:Nur ein halbes Jahr später, noch vor dem Ende der DDR, wird die Anlage am Checkpoint Charlie abgebaut. Kaum sind am 22. Juni 1990 die letzten Reden gehalten, werden Gurte um das Grenzhäuschen gespannt, ein Kran hebt es in die Luft. ZSP Schließungsfeier ( W0523261 101) 3,13-3,29...for lifting. Madames et Messieurs… Erzähler:Es ist nicht das Ende vom Mythos Checkpoint Charlie. Auch wenn 1990 erst einmal eine Phase der Geschichtsvergessenheit einsetzt. Denn unmittelbar nach dem Mauerfall denkt kaum jemand daran, hier einen Erinnerungsort zu bewahren, sagt Historiker Hochmuth. Oberstes Ziel war es, die Brachen, die die Mauer geschlagen hatte, schnell zu beseitigen. Die Stadt sollte wieder zusammenwachsen und eine Metropole werden, wie einst in den goldenen 1920er Jahren. ZSP 9 Hochmuth 1990 0,29Dazu gehört es, dass man Investoren in die Stadt locken möchte. Dazu gehört der Glaube, dass ganz schnell dort wieder viel gebaut wird, dass große Unternehmen wieder zurückkehren nach Berlin. Und deswegen ist das eine Zeit mit wahnsinnig viel Versprechungen gegenüber Investoren, wo auch das Baurecht sehr leichtfertig vergeben wird. Und das prägt die Stadt bis heute, weil dort viele Fakten geschaffen worden sind, die bis heute Pfadabhängigkeiten für Berlin bedeuten. Erzähler:Pfade, die sich als geschichtspolitische Holzwege erweisen. Mit Pleiten, Pech und Pannen. Als 2004 der Mauer-Museumsgründer Rainer Hildebrandt stirbt, beginnt bald eine Phase der Kommerzialisierung der Gedenkstätte. Geschichte als Geschäftsmodell. Die Zeiten sind dafür günstig. Denn Berlin wird damals gerade zum Hotspot im Städtetourismus. Millionen strömen jedes Jahr an die Spree, nicht nur Party-Touristen, sondern auch viele Kunst- und Geschichtsinteressierte. Berlin boomt. ZSP 10 Hochmuth Witwe 0,23Und der Checkpoint Charlie gehört dort unmittelbar dazu. Und die Witwe Alexandra Hildebrandt erkennt das auch und verwandelt dieses Mauermuseum und auch das Mauer-Gedenken am Checkpoint Charlie in eine trivialisierte Kost für die Touristen, die dort mächtig abgeschöpft werden durch horrende Eintrittspreise in diesem Museum. Erzähler:Das private Mauer-Museum nutzt die Lücke, die durch Versäumnisse des Berliner Senats entstanden ist. Authentisch ist am Checkpoint Charlie bald nichts mehr. Weder das alte Sektorenschild noch das Kontrollhäuschen der Westalliierten. Ganz zu schweigen von den Schauspielern, die in US-Uniformen ein wenig Grenz-Geschichte nachspielen. Erzählerin:2004 ließ Witwe Hildebrandt am Checkpoint Charlie eine weiß gestrichene Mauer aus Pappmaschee, versetzt mit originalen Mauersegmenten, aufstellen. Und davor 1067 Kreuze zum Gedenken an die Todesopfer des DDR-Grenzregimes. Erzähler:Weder der Ort der nachgebauten Mauer noch die Zahl der Todesopfer war historisch exakt. Dennoch hatte die Aktion eine heilsame Wirkung, sagt der Historiker Hanno Hochmuth. Denn sie offenbarte eine Leerstelle im Erinnern und beflügelte die Forschung. ZSP 11 Hochmuth Forschung 0,39Und das führt dazu, dass vom Berliner Senat 2006 endlich ein Gedenkkonzept für die Erinnerung an die Berliner Mauer verabschiedet wird und dass gleichzeitig eine gemeinsame Historikerkommission eingerichtet wird von der Stiftung Berliner Mauer, die ins Leben gerufen wird, und vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, die zum ersten Mal mit wissenschaftlichen Kriterien ermitteln, wie viele Menschen tatsächlich an der Berliner Mauer ums Leben gekommen sind und die biografischen Hintergründe dieser gescheiterten Fluchten und dieser tragischen Todesfälle zum ersten Mal ermitteln. Erzähler:136 Mauertote zählte die 2009 veröffentlichte Studie. Vier weitere konnten später noch ausfindig gemacht werden. Von 1961 bis 1989 sind also mindestens 140 Menschen an der Berliner Mauer ums Leben gekommen. Erzählerin:Die wissenschaftlich fundierte Erinnerungsarbeit kam seit 2006 langsam in Gang. So wurde unter anderem die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße massiv ausgebaut. MUSIK Erzähler:Am Checkpoint Charlie aber herrschen bis heute Show und Kommerz. Ergänzt nur durch ein paar historisch fundierte Provisorien, die mittlerweile in die Jahre gekommen sind. Das geplante neue Museum des Kalten Kriegs aber lässt weiter auf sich warten. Die Lage ist äußerst komplex, sagt Hanno Hochmuth. Grund und Boden gehören nicht der öffentlichen Hand, sondern privaten Investoren. Ohne die wird ein Museum nicht zu errichten sein. Erzählerin:Und mit ihnen? Viele Berliner haben daran ernste Zweifel, zumal ihre Stadt durch Gentrifizierung und steigende Mieten ohnehin stark unter Druck geraten ist. All das hat seit 2018 zu einer völlig neuen Debatte geführt. ZSP 12 Hochmuth Debatte heute 0,27Nämlich zu der Debatte, ob ein solcher prominenter Freiraum inmitten der Stadt eigentlich von privaten Investoren gefüllt werden sollte. Und deswegen gibt es dort einen neuen Bebauungsplan. Es gibt Gespräche vom Senat mit einem neuen Investor, aber es ist alles andere als einfach und auch nicht sicher, ob in absehbarer Zeit dort dieses eigentlich sehr, sehr notwendige Museum des Kalten Kriegs entstehen kann. Erzählerin:Dreieinhalb bis viereinhalb Millionen Menschen besuchen jährlich den Checkpoint Charlie. Und nicht wenige werden dort ratlos zurückgelassen. Es ist höchste Zeit für ein neues Museum, sagt der Historiker Hanno Hochmuth. Ein Haus an historischem Ort, wo wissenschaftlich fundiert an alle Aspekte des Kalten Kriegs erinnert wird. ZSP 13 Hochmuth global 0,23Der Checkpoint Charlie könnte eine Klammer darstellen, sowohl für die deutsche Erinnerungskultur als auch für eine globale Erinnerungskultur. Und in einer Zeit, die wie unsere heute so sehr stark von globalen Herausforderungen geprägt ist, ist es auch wichtig, dass unsere Erinnerungskultur globalisiert wird. Und das geht eigentlich an keinem Ort so gut wie am Checkpoint Charlie.TC 22:07 – Outro
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Aug 13, 2024 • 24min

DIE BERLINER MAUER – „Schutzwall“ und „Gefängnis“

Allein in den 50er-Jahren flohen etwa drei Millionen Menschen von Ost- nach Westdeutschland. Dem "Abstimmen mit den Füssen" setzte die DDR im Sommer 1961 endgültig den Riegel vor - mit dem Bau der Mauer. Die Mauer trennte Familien, zerstörte Menschenleben. Doch mit dem Bau erwachte auch der Widerstand, diese Mauer um jeden Preis zu überwinden. Ein lebensgefährliches Ziel. Allein an der Berliner Mauer mussten zwischen 1961 und 1989 mindestens 140 Menschen dafür mit dem Leben bezahlen. Von Julia Zantl (BR 2021) Credits Autorin: Julia Zantl Regie: Irene Schuck Es sprachen: Beate Himmelstoß, Clemens Nicol Technik: Peter Preuß Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Hubert Hohlbein, Dr. Maria Nooke Anmerkung der Redaktion: Bis heute gibt es keine exakte Zahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze bzw. der Berliner Mauer. Nähere Informationen und Angaben zu den Zahlen erhalten Sie HIER. Ein besonderer Linktipp der Redaktion:  Deutschlandfunk Kultur: Die Geschichte geht weiter - Victor Klemperers Tagebücher 1918 - 1959Victor Klemperer hat in seinen Tagebüchern die großen Umbrüche notiert – von der Weimarer Republik über die Nazi-Zeit bis zum ersten Jahrzehnt der DDR. Host und Historikerin Leonie Schöler nimmt uns in diesem Podcast mit in die Welt eines deutschen Zeitzeugen. ZUM PODCAST Linktipps: MDR (2023): Wir Kinder der Mauer Der Tag des Mauerbaus bestimmt auf lange Zeit das Leben vieler Kinder und Jugendlicher. Mehr noch als die Erwachsenen sind sie dem Geschehen total ausgeliefert, sind ohnmächtig in Bezug auf Politik und familiäre Entscheidungen. 28 Jahre lang sind Mauer und Stacheldraht eine vorgefundene Realität in ihrem Leben. Manche lehnen sich gegen ihren vorgezeichneten Lebensweg auf, andere finden sich mit der Teilung ab, die Familien auseinandergerissen, Menschen entwurzelt und Liebende getrennt hat. JETZT ANSEHEN Deutschlandfunk Kultur (2021): Die geteilte Literatur Der Mauerbau vor knapp 60 Jahren hat nicht nur die Gesellschaft in Ost und West getrennt, sondern auch die Literatur. Die Mauer war eine künstlerische Einschränkung, aber sie hat auch zur literarischen Auseinandersetzung angeregt. JETZT ANHÖRENUnd hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Timecodes (TC) zu dieser Folge:TC 00:15 – IntroTC 04:13 – Von heute auf morgenTC 06:54 – Der „antifaschistische Schutzwall“TC 09:20 – Blutige SchicksaleTC 12:31 – Übers Wasser, durch die ErdeTC 17:01 - AufarbeitungTC 22:13 – OutroLesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:TC 00:15 – Intro Musik SPRECHERIN:25. Juli 1961: John F. Kennedy ist angespannt. Er soll in Washington eine Rede zur aktuellen Berlinkrise halten. Er hat enorme Rückenschmerzen. Ohne ein Stützkorsett unter dem Anzug und eine Dosis Kortison wäre sein Auftritt nicht möglich. Der 44-jährige Präsident ist gerade mal sechs Monate im Amt. Seitdem sind die Verhandlungen mit Chruschtschow zur Berlinkrise gescheitert. Der russische Ministerpräsident hat sein Ultimatum erneuert: Er fordert, Berlin den Status einer entmilitarisierten, wie er sagt, „freien Stadt“ zu geben. Dahinter steckt auch der langfristige Plan, die Westsektoren nach und nach in die DDR einzuverleiben. Sollten die Westmächte seiner Forderung innerhalb eines halben Jahres nicht zustimmen, will er einen separaten Friedensvertrag mit der DDR schließen, der die Besatzungsrechte der Alliierten in West-Berlin aufhebt. Ansonsten schrecke er auch vor militärischen Mitteln nicht zurück. Die Erwartungen an Kennedy’s Rede sind enorm. 1 O-TON KENNEDY REDE (WASHINGTON; 25 JULY 1961) Good evening! Seven weeks ago tonight I returned from Europe to report on my meeting with Premier Khrushchev and the others. His grim warnings about the future of the world, his aide-memoire on Berlin, his subsequent speeches and threats which he and his agents have launched, and the increase in the Soviet military budget that he has announced, have all prompted a series of decisions by the Administration and a series of consultations with the members of the NATO organization. ZITATOR / Üs KennedyHeute vor sieben Wochen bin ich aus Europa zurückgekehrt, um über mein Treffen mit Ministerpräsident Chruschtschow und den anderen zu berichten. Musik SPRECHERIN:Kennedy weiß, dass er den richtigen Ton treffen muss. Es gilt Entschlossenheit zu zeigen, dennoch will er den Konflikt nicht unnötig verschärfen. 2 Zusp Rede KennedyIn Berlin, as you recall, he intends to bring to an end, through a stroke of the pen, first our legal rights to be in West Berlin; and secondly our ability to make good on our commitments to two million people of that city. That we cannot permit. ZITATOR / Üs KennedyIn Berlin will er erstens mit einem Federstrich unsere legalen Rechte auf Anwesenheit in Westberlin aufheben und zweitens uns die Möglichkeit nehmen, unsere Verpflichtungen gegenüber den zwei Millionen Einwohnern dieser Stadt zu erfüllen. Das können wir nicht zulassen. Musik SPRECHERIN:Kennedy spricht ausdrücklich von nur zwei Millionen Berlinern. Damit meint er ausschließlich die Westberliner, denn die Stadt hat insgesamt 3,3 Millionen Einwohner. Die Ostberliner, die jeden Monat zu Tausenden nach Westberlin fliehen - im Juli ´61 sind es über 30.000 Menschen - erwähnt Kennedy mit keinem Wort. Den Amerikanern geht es um Westberlin, das nicht nur eines der wichtigsten Spionage-Zentren im Kalten Krieg ist, sondern der Weltöffentlichkeit auch das Mächteringen vorführt. Die ganze Welt blickt auf Berlin und Kennedy will die politische Zuverlässigkeit der USA demonstrieren.  Er macht klar, dass er Westberlin auf keinen Fall aufgeben wird: 3 O-TON KENNEDY REDE (WASHINGTON; 25 JULY 1961) Thus, our presence in West Berlin, and our access there to, cannot be ended by any act of the Soviet Government... ZITATOR / Üs KennedyUnsere Präsenz in West-Berlin kann durch keinen Akt der Sowjetregierung beendet werden. SPRECHERIN:Aus Kennedys Rede lassen sich drei essentielle Forderungen ableiten - die „three essentials“, deren Verletzung militärische Folgen haben würde: die Besatzungsrechte der Alliierten in West-Berlin, der freie Zugang nach West-Berlin und die Freiheit der West-Berliner. Fünf Tage später erklärt James Fulbright, der wichtigste außenpolitische Berater Kennedys, im US Fernsehen, dass er nicht verstehe, warum die ostdeutsche Grenze nicht einfach zugemacht würde. (...) wenn die Russen nächste Woche die Grenze schließen würden, könnten sie das tun, ohne einen einzigen Vertrag zu verletzen. Als ihn Kennedy darauf hin nicht zurückpfeift, ist endgültig klar: Die USA setzen einer Grenzschließung nichts entgegen. Und die scheint der DDR dringend nötig, denn die Bürger laufen ihr buchstäblich davon. TC 04:13 – Von heute auf morgen Musik SPRECHERIN:Spätestens im Juli lässt sich Chruschtschow vom DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht umstimmen. Ulbricht hatte zwar noch im Juni verkündet: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“. Doch das hält ihn angesichts der dramatischen Flüchtlings-Situation nicht davon ab, genau das doch zu tun. In der Nacht vom 12. auf den 13. August wird die Grenze abgeriegelt. Hubert Hohlbein erinnert sich noch gut daran: 4 O-TON Hubert Hohlbein:Mein Schulfreund und ich, am 12. August haben wir noch seine Freundin nach West-Berlin gebracht, haben dann auch ein Bier getrunken und nach zwölf Uhr nachts sind wir erst wieder zurückgefahren nach Ostberlin, und morgens um 8/9 Rundfunk gehört und da war natürlich die Aufregung groß. Berlin ist abgeriegelt, Ostberlin und Westberlin getrennt, Stacheldraht wird gezogen, Militär ist aufgefahren und haben die Grenzen dichtgemacht. Und da bin ich sofort zu meinem Freund, der hatte das noch nicht mitbekommen und der sagte: Komm wir fahren sofort zur Grenze und haben uns das angeschaut, wie das Militär schon den ersten Stacheldraht gezogen hat, und da sagte mein Freund, ohoh Du, das sieht aber ernsthaft aus. Da habe ich ihm noch das Geld, was ich noch in der Hand hatte, in die Hand gedrückt und dann sagt er, mach’s gut, Tschüss. Er ist über den Graben gesprungen, zack weg war er. Musik SPRECHERIN:In den Folgetagen kommt es zu dramatischen Szenen. Menschen versuchen um jeden Preis zu fliehen, sie springen über Stacheldrahtverhaue oder lassen sich aus Fenstern von Häusern fallen, die direkt an der Grenze liegen. Sie wollen zu ihren Familien und Freunden oder schlicht und ergreifend raus aus der DDR. Viele Berliner haben zwar damit gerechnet, dass etwas passieren würde, um die immer größer werdenden Flüchtlingsströme aufzuhalten, aber eine Mauer quer durch die Stadt war für die Meisten unvorstellbar. Allein 50.000 Menschen haben ihren Arbeitsplatz im Westen. 5 O-TON Hubert Hohlbein  Innerhalb des Ostens, zwischen Ostdeutschland und Ost-Berlin gab es ja schon diese Grenze und da hatten wir in Ost-Berlin gedacht, also wenn sich das hier weiter so entwickelt, dann können eben die Leipziger nicht mehr direkt nach Ost-Berlin reisen. Es heißt, die werden abgefangen. Da werden die Grenzen um Berlin herum gemacht. Man konnte sich das nicht vorstellen, dass es innerhalb Berlin so ganz abgeriegelt wird, aber eine totale Abgrenzung, wies nachher die Mauer war, das konnte sich keiner vorstellen. SPRECHERIN:Während in Berlin auf beiden Seiten die Menschen zur Mauer strömen, um sich mit eigenen Augen des Unvorstellbaren zu vergewissern, setzt sich auf der Ostseite der Parteiapparat in Bewegung. Am 13. August ist die gesamte Staatssicherheit der DDR in Bereitschaft. Wer im Urlaub ist, muss zurückkommen. Größere Proteste in der DDR müssen um jeden Preis verhindert werden. TC 06:54 – Der „antifaschistische Schutzwall“ 6 O-TON DR MARIA NOOKE:Da gab es zweistündige Berichte aus allen Kreisen, Bezirken hoch zum Ministerium, wie die Situation und die Reaktionen der Bevölkerung sind. Man hat unheimlich viele Leute verhaftet, wenn da jemand betrunken einfach mal auf Ulbricht schimpfte, dann war das schon ein Haftgrund. Die Gefängnisse füllten sich, sodass also auch eine innenpolitische Situation der Angst geschaffen wurde. Und parallel dazu hat man dann auch die Bevölkerung aufgerufen, sich mit den Maßnahmen der Regierung zu solidarisieren. Also, da gab es Unterschriftenlisten, da gab es im Radio Sendung dazu, wo sich also vor allem auch Kulturschaffende -  das macht mich heute noch fassungslos, dass sie sich dazu hergegeben haben - dann die Maßnahmen zu begrüßen und zu sagen, damit wird jetzt der Frieden gerettet. SPRECHERIN:Die Geschwindigkeit mit der die SED ihre Bürger auf den Mauerbau einschwört und Gegner einschüchtert, trägt dazu bei, dass es in der DDR verhältnismäßig ruhig bleibt. DDR-Bürgerinnen und Bürgern wird eingeimpft, dass die Mauer ein Schutzwall sei, der die Rettung des Weltfriedens zu verdanken sei. Und ab 1962 wird die Mauer dann ganz offiziell „antifaschistischer Schutzwall“ genannt. Doch selbst Kennedy soll nach dem Mauerbau einem Mitarbeiter gesagt haben, dass die Mauer zwar keine schöne Lösung sei, aber auf jeden Fall besser als Krieg. War die Mauer das kleinere Übel? Hat sie vielleicht sogar einen dritten Weltkrieg verhindert? 7 O-TON DR MARIA NOOKE:Es ist ja die große Frage, ob es wirklich zum Atomschlag gekommen wäre. Das war ja die Drohkulisse. Aber das sind alles hypothetische Fragen, was passiert wäre, wenn die Amerikaner eingegriffen hätten. (…) Das heißt, 1961 war eine hochbrisante politische Situation, sowohl innenpolitisch als auch weltpolitisch, die eben glücklicherweise nicht eskaliert ist, aber natürlich mit den Folgen, die die DDR Bevölkerung zu tragen hatte.TC 09:20 – Blutige Schicksale SPRECHERIN:Hunderte von Biografien hat Maria Nooke erforscht und dokumentiert: darunter politische Häftlinge, Familien von Flüchtlingen, die im Osten meist jahrelang Repressionen erleiden mussten und natürlich die Maueropfer selbst. Bereits am 24. August erschossen Grenzsoldaten den ersten Flüchtling. Der 24-jährige Günter Litfin starb an einem Schuss in den Hinterkopf. Mindestens 139 Menschen sollten ihm über die Mauerjahre in den Tod folgen. Die Hälfte davon allein in den ersten fünf Jahren nach dem Mauerbau. Musik SPRECHERIN:Weltweit bekannt wird der Tod des Mauerers Peter Fechter, denn ein mutiger Fotograf dokumentiert das Drama. Am 17. August 1962 flüchtet der 18- jährige während seines Dienstes. Er hat bereits die letzte Barriere des Todesstreifens erreicht und beginnt die Mauer emporzuklettern, als ihn das Feuer seiner Ostberliner Kollegen trifft. Er fällt schwer verletzt in den Todesstreifen zurück und ruft um Hilfe – vergeblich. Hubert Hohlbein erinnert sich: 8 O-Ton Hubert Hohlbein:„Man konnte rüberblicken, man konnte über die Mauer schauen. Es waren Amerikaner da gewesen, amerikanischer Soldat. Keiner hat es gewagt, diesem langsam verblutenden Flüchtling zu helfen. Und erst nach über einer Stunde sind ostdeutsche Grenzsoldaten hingegangen und haben mehr oder weniger dann den Leichnam abtransportiert. Er war verblutet...SPRECHERIN:Fechters Tod wird zum Symbol für die Grausamkeit des Grenzsystems und bringt immer mehr Menschen gegen das DDR Regime auf. Darunter auch Hubert Hohlbein. Er ist später an einer der erfolgreichsten Fluchtaktionen beteiligt: dem Tunnel 57. Doch zunächst muss er selbst fliehen. Denn 1962 lebt er noch in Ostberlin bei seiner Mutter, die er zunächst nicht alleine lassen will, da der Vater erst ein Jahr vor dem Mauerbau gestorben ist. Doch obwohl die Mutter einer Flucht positiv gegenübersteht, kann er sie zu Beginn des Mauerbaus von seiner ersten Fluchtidee nicht überzeugen. 9 O-Ton Hubert Hohlbein:Und dann hab ich versucht zu sagen komm als Familie, wir nehmen unseren Lastwagen, den großen, den wir bauen wir ein bisschen um, Sandsäcke hinten drauf, des war ein großer Lastwagen mit Allradantrieb sogar, wir fahren durch die Mauer, das hätte ich gerne gemacht, aber da hatte Muttern Angst, Schwester hatte Angst, Schwager „ um Gottes Willen“, dann sag ich, na gut, dann mach ich das irgendwann mal alleine und dann habe ich mich darauf vorbereitet, das alleine zu machen. SPRECHERIN:Gesagt, getan: mehrere Monate bereitet er sich auf seine Flucht vor. Sein Plan: er will in die Freiheit schwimmen. Zwei Kilometer von der Alten Meierei in Potsdam über den Jungfernsee nach Westen. Dazu trainiert Hubert fast ein ganzes Jahr - auch im Winter. Um sich abzuhärten, taucht er unter Eis, lernt über zwei Minuten die Luft anzuhalten. Sieben Kilo Blei trägt er um die Hüfte, um im Wasser keine Wellen zu schlagen.TC 12:31 – Übers Wasser, durch die Erde Musik SPRECHERIN:Am 21. November 1963 ist es soweit. Gegen 22 Uhr schwimmt er los. Es ist klirrend kalt. Sein Körper ist vollkommen vom Wasser bedeckt. Nur seine Schnorchelspitze könnte ihn jetzt noch verraten. Doch als er auf der Mitte des Sees ankommt, wird es plötzlich taghell über ihm. Scheinwerfer suchen das Wasser ab! 10 O-TON Hubert Hohlbein:Ich dachte, Oh, Haben die mich jetzt im Visier, oder ist es nur ein Routineableuchten? Jedenfalls hab ich dann kurz ausgeatmeten und durch mein vieles Blei, was ich um hatte, bin ich sofort ein paar Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche verschwunden. Und ich wusste, ich kann so circa zwei Minuten oder etwas mehr, die Luft anhalten und in der Hoffnung, dass dann wirklich das Licht weg war. Und so war es dann auch. Als dann ich wieder auftauchen musste, war das Licht denn auch vorüber und ich habe mich dann gleich noch mal orientiert. Wie weit hätt ich es denn noch? Es war nicht mehr so weit. SPRECHERIN:Nach eineinhalb Stunden im eiskalten Wasser, kommt Hubert Hohlbein unweit des Fernmeldeturms an. Westdeutsche Polizisten haben ihn schon beobachtet und bringen ihn zum Aufwärmen in die nächstgelegene Station. Seine geglückte Flucht macht Hubert Hohlbein Mut - Mut auch anderen zu helfen. Wenige Monate nach seiner gelungenen Flucht schließt er sich im Frühjahr `64 der Fluchthelfergruppe um Wolfgang Fuchs an. Die plant einen Fluchttunnel vom Keller einer stillgelegten Bäckerei in der Bernauer Straße unter dem Todesstreifen hindurch nach Ostberlin. Musik SPRECHERIN:Über ein halbes Jahr lang graben bis zu 35 Mann einen 12 Meter tiefen Schacht. Die Fluchthelfer arbeiten unentgeltlich in Schichten, leben spartanisch tagelang am Stück in den Kellerräumen. Am 2. Oktober `64 ist es so weit: Der Tunnel ist nun 145 Meter lang. Das Ziel, einen Keller in der Strelitzer Straße, haben die Studenten zwar verfehlt, doch dafür landen sie im Innenhof des Hauses - in einem stillgelegten Klohäuschen. Die perfekte Tarnung. Bereits am Abend des nächsten Tages soll die Aktion starten. Vier Fluchthelfer robben durch den Tunnel in den Osten, um dort die Flüchtlinge im Innenhof des Hauses zu empfangen. Einer der Helfer ist Hubert Hohlbein: 11 O-TON Hubert Hohlbein:Dieses Draußen-stehen in dem Moment, so hilflos, wir waren zwar allerdings mit einer Pistole bewaffnet, aber wir hatten es eigentlich nur für unsere eigene Beruhigung dabei. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir sie unbedingt brauchen würden. Und dann, wie die ersten Flüchtlinge kamen, das war natürlich ein innerer Jauchzer, dass es nun so weit geklappt hat, dass ich den ersten Flüchtling jetzt ins Loch runtergelassen habe, das war meine Aufgabe in unserer Vierertruppe und der dann nun verschwand, da dachte ich, so, ein haben wir jetzt erst mal durch. Musik SPRECHERIN:28 Flüchtlinge lässt Hohlbein am ersten Abend in den Tunnel gleiten. Alle kommen sicher im Westen an, darunter auch seine Mutter. Diese Aktion wird später als eine der erfolgreichsten Massenfluchten aus der DDR in die Geschichte eingehen. 57 Menschen erreichen an zwei Tagen Westberlin – daher der Name ‚Tunnel 57’. Doch mit diesem Namen ist auch das tragische Ende der Aktion verbunden: Kurz vor Mitternacht kommen zwei weitere vermeintliche Fluchtwillige. Sie wollen unbedingt noch einen Freund nachholen, wie sie sagen. Doch in Wirklichkeit verraten sie den Tunnel. Die Fluchthelfer sitzen in der Falle. Als Soldaten den Hof stürmen fallen mehrere Schüsse, auch ein Fluchthelfer schießt. Einer der Soldaten scheint getroffen! Die Fluchthelfer nutzen die Situation, um sich über den Hof zum Toilettenhäuschen zu retten. 12 O-TON Hubert Hohlbein:So schnell bin ich noch nie gelaufen, weil wir doch befürchteten, dass sie uns gleich entdeckt hatten, wie wir dort verschwanden. Und es ist nicht das erste Mal gewesen, dass dann Granaten oder Handgranaten hinterhergeworfen worden sind. Und dann wären uns die Lungen zerfetzt worden in dieser engen Röhre.Wir sind denn nur rasch rein in den Tunnel und wir haben uns dabei noch verkeilt und sind dann aber doch glücklich durchgekommen und so schnell wie möglich vom Osteingang zum Westausgang gerobbt.TC 17:01 - Aufarbeitung SPRECHERIN:Als sie in der Bäckerei ankommen, herrscht Erleichterung. Doch bereits am nächsten Morgen folgt der Schock. Wie DDR Medien berichten, ist ein Grenzsoldat erschossen worden: der 21-jährige Unteroffizier Egon Schultz. Ein Grundschullehrer, der seinen Militärdienst ableistete. Sympathisch, allseits beliebt.In den folgenden Wochen wird Egon Schultz zum Held stilisiert und die Fluchthelfer zu einer Bande Krimineller, die über Leichen geht.Vor allem der Schütze, der Medizinstudent Christian Zobel, kann sich bis zu seinem Tod davon nicht mehr erholen. 13 O-TON Hubert Hohlbein:Der machte sich natürlich große Gedanken, denn es war ja immerhin so, dass er tatsächlich geschossen hat, dass er einen getroffen hat. Aber das ist nun gleich tödlich war, das wollte er erstens gar nicht, und zweitens konnte er sich das auch kaum vorstellen. Und die Presse war jetzt aber auf diesem Trip im Osten, dass wir ihn bewusst erschossen haben. Und darunter litt er sehr, sehr, sehr... SPRECHERIN:Als Christian Zobel 1992 stirbt, ist er im festen Glauben, Egon Schultz erschossen zu haben, und in den Augen vieler Tausender Menschen steht er als Mörder da. Erst nach der Wende wird eine der ungeheuerlichsten Lügen der DDR Geschichte enthüllt. 14 O-TON DR MARIA NOOKE:Wir wissen erst aus den Stasi-Unterlagen, dass es tatsächlich so war, dass der Fluchthelfer zwar irgendwie in seiner Panik mehrere Schüsse abgegeben hat, aber nicht gezielt. Und er hat den Grenzer mit einem Schuss getroffen. Das war ein Steckschuss, der aber nicht tödlich war. Und in dieser Situation hat der Stasi-Offizier dann einen Befehl zum Schießen gegeben, und einer der herbeigeholten Grenzsoldaten hat dann seine Kalaschnikow auf Dauerfeuer gestellt und in den Hof gehalten. Und dabei hat er seinen eigenen Kameraden hinterrücks erschossen. SPRECHERIN:Für Christian Zobel war es dann zwar schon zu spät, aber die Mutter von Egon Schultz und viele der anderen Fluchthelfer konnten die Wahrheit noch erfahren. Dr. Maria Nooke ist seit 2017 Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Sie kennt viele Fälle, in denen Betroffene erst durch die konsequente Aufarbeitung der DDR-Zeit beginnen können, mit ihrem Leben wieder klarzukommen. 15 O-TON DR MARIA NOOKE:Aufarbeitung heißt, die Fakten auf den Tisch zu legen, auch das, was schwer zu ertragen ist, zu benennen und die Möglichkeit zu schaffen, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen, die auch unterschiedliche Positionen hatten und vielleicht auch heute noch unterschiedliche Positionen haben. SPRECHERIN:Mit unterschiedlichen Positionen hat Dr. Nooke Erfahrung. Als die zentrale Gedenkstätte der Mauertoten für die Stiftung Berliner Mauer erarbeitet wurde, setzte Sie sich dafür ein, auch die bei Fluchtversuchen im Dienst getöteten Grenzsoldaten als Opfer der Mauer zu würdigen. Auch ihre Bilder sollten mit den getöteten Flüchtlingen auf dem Fenster des Gedenkens erscheinen. Doch bis heute stehen ihre Namen nur auf einer Stele in unmittelbarer Nähe des Fensters. 16 O-TON DR MARIA NOOKE:All diese Biographien zusammengenommen zeigen einfach diese Auswirkungen der Diktatur. Deswegen habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass auch die getöteten Grenzer mit auf das Fenster des Gedenkens kommen. Das ist dann im Ergebnis der sehr kontrovers geführten Diskussion mit einer knappen Mehrheit im Beirat dagegen entschieden worden. Ich halte das bis heute für falsch. Musik SPRECHERIN:Wer am Fenster des Gedenkens entlang geht, dem schauen die Gesichter der Maueropfer von Schwarzweiß-Fotos entgegen: Es sind viele junge Männer darunter, aber auch Kinder und Frauen. Sie alle wollten um jeden Preis raus aus der DDR. Ihr Tod zeugt auch davon, dass mit dem Mauerbau die kommunistische Utopie von einem besseren Leben endgültig zu Ende geht. 17 O-TON DR MARIA NOOKE:Es gibt eine Filmaufnahme von einer Unterrichtstunde zum Thema Mauerbau aus dem 75 oder 76 was in der Humboldt Universität mitgeschnitten wurde und da sieht man wie die Jugendlichen, 10. Klasse, sich diesem Thema annähern und wie die Lehrerin sich müht, ihnen klar zu machen, dass der Mauerbau notwendig war, um den Weltfrieden zu erhalten, und dass das eben ein Antifaschistischer Schutzwall war, und wenn man sich die Jugendlichen ansieht, dann sieht man, dass es sie nur langweilt. Es langweilt sie und es interessiert sie nicht, und sie beten das von ihnen Geforderte daher; aber man merkt, dass es nicht Überzeugung ist und das ist so typisch für diese Zeit, also das ist genau meine Generation, so habe ich das auch erlebt in der Schule, dass man etwas vermittelt bekam, was aber nicht in den Herzen der Kinder und Jugendlichen gelandet ist. Musik SPRECHERIN:Spätestens die Generation nach dem Mauerbau kann die Partei mit Begriffen wie „antifaschistischer Schutzwall“ also nicht mehr erreichen.TC 22:13 – Outro
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Aug 1, 2024 • 25min

ERSTER WELTKRIEG - Der Versailler Vertrag

Die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs waren gerade erst ein halbes Jahr eingestellt, doch nun standen alliierte Truppen bereit, um in Deutschland einzumarschieren. Ende Juni 1919 sollte die deutsche Delegation ultimativ die Bestimmungen des Versailler Vertrags unterzeichnen, sonst wollten die Alliierten die Unterschrift erzwingen. Die deutsche Seite hatte die Vertragsbedingungen zunächst als "unerträglich" zurückgewiesen. Jetzt gab sie nach. Von Thomas Morawetz (BR 2010) Credits Autor: Thomas Morawetz Regie: Sabine Kienhöfer Es sprachen: Beate Himmelstoß, Andreas Neumann, Thomas Loibl Technik: Lydia Schön-Krimmer Redaktion: Brigitte Reimer Im Interview: Eberhard Kolb Linktipps: ARD alpha (2019): Gewaltfrieden – Die Legende vom Dolchstoß und der Vertrag von Versailles Mai 1919: Deutschland hat den Krieg verloren, seinen Kaiser gestürzt und die Alliierten stehen einmarschbereit am Rhein. Der darauffolgende "Gewaltfrieden" von Versailles und dessen Instrumentalisierung trugen bereits den Keim des noch viel grausameren Zweiten Weltkriegs in sich. Basierend auf Originaldokumenten erzählt Regisseur Bernd Fischerauer in dem zweiteiligen Dokumentarspiel „Gewaltfrieden“ die bewegende Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Waffenstillstandsabkommen und Friedensvertrag. JETZT ANSEHEN ZDF (2021): Der deutsche Abgrund – Saat der Gewalt 1918 – 1922 Am Anfang steht die Verheißung von alter Größe und neuer Ordnung, am Ende millionenfacher Mord. Was dazwischen liegt, ist eine Warnung der Geschichte. JETZT ANSEHEN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Timecodes (TC) zu dieser Folge:TC 00:15 – IntroTC 02:33 - KapitulationTC 06:34 – Die „Friedensmacher“TC 11:33 – Eine neue DeutschlandkarteTC 15:18 – Der Preis der SchuldTC 22:13 – Vom Dolchstoß und NovemberverbrechernTC 24:00 – Outro Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:TC 00:15 – Intro ZITATOR (Liest monoton)„Deutschland: 1.800.000 Tote. Frankreich: 1.400.000 Tote. Großbritannien: 910.000 Tote“ ERZÄHLERINDas Ende. Der große Krieg, der Weltkrieg, ist vorbei. ZITATOR„Österreich-Ungarn: 1.200.000 Tote. Russland: 1.700.000 Tote. USA: 115.000 Tote“ ERZÄHLERSchlussstrich. Auf der ganzen Welt ist die Menschheit in die roten Zahlen geraten. ZITATOR„Italien: 460.000 Tote. Türkei : 320.000 Tote. Bulgarien : 90.000 Tote.“ ERZÄHLERINDoch nun soll der Frieden kommen, und mit ihm – die Rechnung. ERZÄHLERDie Rechnung. Wer muss sie bezahlen? Der Verlierer? Deutschland, das Kaiserreich Wilhelms II., ist sicher nicht der einzige Verlierer des Ersten Weltkriegs, aber der größte. ERZÄHLERINDeutschland war die Führungsmacht der Mittelmächte mit Österreich-Ungarn, später schlossen sich das Osmanische Reich und Bulgarien an. Gewonnen haben die Mächte der Entente, Frankreich und Großbritannien. Russland ist am Ende ausgeschieden, das alte Zarenreich wurde weggefegt von Lenins Revolution. Dafür sind die USA auf Seiten der Entente in den Krieg eingetreten. Etwa drei Viertel der Erdbevölkerung sind am Ende in das große Töten verstrickt. MUSIK ERZÄHLERDann also der Zahltag. Am 28. Juni 1919 muss Deutschland im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles die „Rechnung“ unterschreiben. Der Vertrag beinhaltet drakonische Bestimmungen. Nach der Kriegskatastrophe eine Friedenskatastrophe, ein Schandfrieden, so sehen es in Deutschland die Politiker der jungen Weimarer Demokratie und auch die Bevölkerung. Die Deutschen fühlen sich zutiefst gedemütigt. Mit der Unterschrift unter den Versailler Vertrag sollen sie die Alleinschuld am Krieg eingestehen. TC 02:33 - Kapitulation ERZÄHLERINDie Szene im Versailler Spiegelsaal ist legendär. Sie ist die Inszenierung einer gewollten Demütigung. An die 1.000 Personen sind versammelt. Der britische Diplomat Harold Nicolson erinnert sich: ZITATOR (Nicolson)„Wir betreten den Spiegelsaal. Drüben, am anderen Ende steht die Presse bereits dicht gedrängt. In der Mitte steht eine hufeisenförmige Tafel für die Bevollmächtigten. Davor, wie eine Guillotine, der Tisch, an dem die Unterzeichnung vor sich gehen soll.“ ERZÄHLERDer Regisseur der Inszenierung ist der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau, 77 Jahre alt. „Bringen Sie die Deutschen herein!“ befiehlt er den Saaldienern:Kurz darauf schreiten Außenminister Herman Müller, ein Sozialdemokrat, und Johannes Bell, ein Zentrumsminister, mit gesenkten Blicken durch den Saal: ZITATOR MÜLLER„Wir fühlten, dass 1.000 Blicke auf uns gerichtet waren. Am Tisch angelangt, zog ich meinen Füllfederhalter und unterschrieb. Nach mir Dr. Bell. Zurück zu unseren Plätzen. Es war vorüber.“ ERZÄHLERIN Die Unterzeichnung hätte auch an einem neutralen Ort stattfinden können. Aber der Spiegelsaal in Versailles wurde auf besonderen Wunsch Clemenceaus ausgewählt. Rund 50 Jahre zuvor, am 26. Februar 1871, mussten nämlich hier unter umgekehrten Vorzeichen die Franzosen den Vorfrieden von Versailles zum Ende des deutsch-französischen Kriegs unterzeichnen. Ein Schicksalsmoment in den deutsch-französischen Beziehungen. Denn gleichzeitig wurde der Preußenkönig Wilhelm zum Kaiser eines erstmals geeinten Deutschen Reichs ausgerufen worden. ERZÄHLERFrankreich wurde zur Zustimmung gezwungen: ein geeintes Deutschland als künftige neue Großmacht in Europa, als starker Konkurrent um einen Platz an der Sonne, im Kampf um Kolonien weltweit. Deutschland war zum französischen Trauma geworden. Und nun war der Tag der Rache gekommen. ERZÄHLERINDie Verbitterung in Deutschland über diesen Frieden ist umso größer, als noch ein Jahr zuvor kaum jemand im Reich an eine Niederlage dachte. Zur Jahreswende 1917/18 scheint noch einmal alles offen: Russland ausgeschieden aus dem Krieg und die USA noch nicht so recht dabei. Jetzt oder nie! - heißt das im Frühjahr für die Oberste Heeresleitung, die OHL. Eberhard Kolb, Historiker an der Universität Köln: Zusp. Kolb„Es war klar, die Zeit arbeitet gegen Deutschland nach dem Kriegseintritt der USA. Und deshalb kam also die Entschlossenheit, möglichst rasch einen entscheidenden Erfolg an der Westfront zu erringen, das war die Frühjahrsoffensive „Michael“, die am 21. März begonnen hat, aber schon nach 14 Tagen im Wesentlichen gescheitert war ein Geländegewinn bis zu 60 km, aber nicht der strategische Durchbruch, der geplant war, der war nicht gelungen.“ ERZÄHLERDoch die OHL mit den Generälen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff gesteht den Misserfolg nicht ein, der Bevölkerung nicht und tragischerweise auch nicht der eigenen Regierung. Zusp. Kolb„Es war wahrscheinlich eine Stimmung so erwartungsvoll und hoffnungsvoll, wie sie nach dem Sommer 1914 nicht mehr gewesen war.“ ERZÄHLERINDann, am 1. Oktober 1918 der Schock. Ludendorff schenkt – noch vor der Regierung! – seinen Offizieren reinen Wein ein: Es ist aus. Der Krieg ist verloren. Jetzt gebe es nur noch die Möglichkeit, in Deutschland wenigstens eine bolschewistische Revolution wie in Russland zu vermeiden: Sofort einen Waffenstillstand herbeiführen über den amerikanischen Präsidenten Wilson auf Grundlage seiner Vierzehn Punkte.TC 06:34 – Die „Friedensmacher“ ERZÄHLERPräsident Woodrow Wilson. Wenn der Franzose Clemenceau für die Ängste der Deutschen steht, bedeutet der Amerikaner Wilson für die Deutschen Hoffnung. Erst im Januar des Jahres hat er mit seinem Friedensprogramm großes Aufsehen erregt. Die wesentliche Idee: Die Welt braucht eine umfassende Friedensordnung, die auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker beruht. ERZÄHLERINWilson ist ein erklärter Gegner von autoritären Regierungen. Der deutsche Kaiser kann also nicht mit ihm verhandeln. Und so fällt die OHL im deutschen Hauptquartier eine dramatische Entscheidung: Man entschließt sich für eine „Revolution von oben“! Die vom Kaiser ernannte Reichsleitung wird aufgelöst. Eine neue Regierung soll übernehmen. ERZÄHLERDoch woher nehmen? Jetzt gelingt ein Coup, der viele spätere Propagandakämpfe um den Versailler Frieden einleitet: Bislang sind die Mehrheitsparteien im Reichstag, Sozialdemokraten, Liberale und katholisches Zentrum nicht an der Regierung beteiligt. Sie gelten als oppositionell, als unsichere Kantonisten. ERZÄHLERINOpposition! Für die Generalität ein Phänomen nahe am Landesverrat. Jetzt, in der Stunde ihres militärischen Offenbarungseids kommt die Opposition gerade recht als Sündenbock. Ludendorff am 1. Oktober, als er die Niederlage eingesteht: ZITATOR (Ludendorff)„Die sollen nun den Frieden schließen, der geschlossen werden muss. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“ ERZÄHLERUnd genauso kommt es. Zunächst nimmt eine Übergangsregierung Kontakt zu Wilson auf. Wochen später liegt die alliierte Antwort vor. Darin heißt es: Die Alliierten sind zum Friedensschluss mit Deutschland bereit auf der Basis der 14 Punkte Wilsons. ERZÄHLERINAlso geschafft? Ist jetzt der ersehnte „Wilson-Frieden“ in Reichweite? In Deutschland herrscht keine Entspannung. Denn inzwischen ist tatsächlich die Revolution ausgebrochen. Im ganzen Land bilden sich Soldatenräte. Im Chaos verkündet die Übergangsregierung die Abdankung des Kaisers – ohne dessen Zustimmung. Zusp. Philipp Scheideman „Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen, es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!“ ERZÄHLERPhilipp Scheidemann am 9. November in Berlin. In letzter Sekunde ruft er die Republik aus, sonst hätten revolutionäre Truppen die bolschewistische Revolution verkündet. Am Tag darauf steht eine neue Regierung. Deutschland hat nun pünktlich zum Zusammenbruch eine Regierung aus Zivilisten. ERZÄHLERINInzwischen ist die deutsche Waffenstillstandskommission an die Westfront aufgebrochen. Eine nächtliche Fahrt führt in den Wald von Compiègne. Dort die erste direkte Begegnung mit dem Sieger, mit Marschall Foche, dem Verhandlungsführer der Alliierten. Das Treffen verläuft eisig. Deutschland muss sich fast völlig entwaffnen lassen. Gleich zu Beginn erklärt der Marschall: ZITATOR„Ich habe keine Vorschläge zu machen.“ ERZÄHLERDas heißt: Verhandelt wird nicht – unterschreiben! Und so geschieht es. Am 11. November 1918 schweigen die Waffen nach über vier Jahren. ERZÄHLERINWas für ein Dilemma! Die Deutschen, die nun den Frieden für ihr Land schließen müssen, sind nicht die Deutschen, die den Krieg vier Jahre lang verantwortlich geführt haben. Kaiser und Generäle haben sich bereits aus der Verantwortung gestohlen. MUSIK ERZÄHLERAm 18. Januar 1919 beginnen in Paris die Friedensverhandlungen. Ohne Deutschland. Der Besiegte bleibt ausgeschlossen, wenn nun die „Friedensmacher“ die Rechnung aufstellen. ERZÄHLERINWer sind die Friedensmacher? Eine Vollversammlung der Siegermächte hat über 1000 Beteiligte, sie tritt nur selten zusammen. Aber immerhin: An den Verhandlungen in 58 Ausschüssen und etlichen Beraterstäben sind an die 10.000 Personen beteiligt. Die eigentlichen Hauptfiguren in Paris, die wahren Friedensmacher, sind jedoch die Männer im so genannten Rat der Vier: der Franzose Georges Clemenceau, der Amerikaner Woodrow Wilson, der Brite David Lloyd George und der Italiener Vittorio Emanuele Orlando, der sich jedoch bald zurückzieht. ERZÄHLERDer Programmchef ist Woodrow Wilson: Seine 14 Punkte sind die Grundlage aller Friedensanstrengungen. Und entsprechend pocht Wilson darauf, wenn der Friede Zukunft haben soll, muss er durch ein neues internationales politisches Gebilde gesichert werden – den Völkerbund. ERZÄHLERINTatsächlich wird eine entsprechende Völkerbundsatzung schon Mitte Februar verabschiedet. Das wichtigste Ziel der neuen Staatenorganisation ist die Sicherung der territorialen und politischen Unabhängigkeit der Mitgliedsstaaten. TC 11:33 – Eine neue Deutschlandkarte ERZÄHLERSoweit, so gut, doch die Interessen Frankreichs sind weniger theoretisch. Frankreich hat klare Sicherheitsinteressen und Gebietsansprüche gegenüber Deutschland. Eberhard Kolb: Zusp. Kolb„Also, über Elsass-Lothringen brauchte nicht mehr diskutiert zu werden, das war von vorne herein entschieden, dass dieses ohne Volksabstimmung an Frankreich kommen würde. Das war in Wilsons Punkten schon so vorgesehen, darüber wurde nicht diskutiert. Was ist dann im Westen? Dann ist es das linksrheinische Deutschland. Und darum ging der Kampf. Saargebiet: Konnten Wilson und Lloyd-George verhindern, dass es einfach abgetreten würde an Frankreich, sondern man hat sich dann geeinigt, Verwaltung des Völkerbunds, wirtschaftlicher Anschluss an Frankreich, […] nach 15 Jahren eine Volksabstimmung, ob das Saargebiet zu Deutschland zurückkehren wollte, bei Frankreich bleiben wollte oder unter Völkerbundsverwaltung bleiben wollte. Das war also das Saargebiet. Aber das linksrheinische Deutschland war ja viel größer. […] Und hier war in den französischen Führungskreisen und zwar quer durch die politischen Gruppierungen schon seit 1914 und in den stärksten Bedrängnissen der Franzosen, war die Entschlossenheit, das linksrheinische Deutschland vom Reich abzutrennen, einhellig. Und darum wurde gekämpft.“ ERZÄHLERINUnd Frankreich verliert. Die Briten wollen kein allzu mächtiges Frankreich, immerhin steht man weltweit in Konkurrenz zueinander in den Kolonialgebieten. Und Wilson – er fürchtet um seine gerechte Friedensordnung, wie so oft während dieser Wochen in Paris, wenn die Großen Drei immer wieder ihre Rollen wechseln, mal Haifisch in eigener Sache, mal Notarzt für die Welt. Weitgehend einig ist man sich allerdings bei den riesigen Gebietsverlusten, die Deutschland im Osten hinnehmen soll. Eberhard Kolb: Zusp. Kolb„Das heißt, dass also an Deutschlands Ostgrenze ein starker Staat entstehen muss, nämlich Polen, […] und dieses Polen also als Kern eines Cordon Sanitaire […] zwischen Deutschland und Russland, das zu diesem Zeitpunkt ja noch im Bürgerkrieg stand mit allerdings deutlichen Vorteilen für die Sowjetmacht …“ ERZÄHLERDie Sowjetmacht! Gegen den Bolschewismus wollen die kapitalistischen Friedensmacher unbedingt einen Cordon Sanitaire, einen Sicherheitspuffer, einbauen! Denn im Bolschewismus fürchten sie eine unberechenbare Gefahr für ihre neue Weltordnung. ERZÄHLERINDie Deutschen verlieren also große Gebiete im Osten. Der Verlust des größten Teils von Posen und Westpreußen an Polen, zeigt wie drastisch die Einbußen sind: Auf der neuen Deutschlandkarte ist Ostpreußen plötzlich vom übrigen Reich abgeschnitten. Dazwischen liegt künftig der so genannte Danziger Korridor. Ohne Volksabstimmung, wie es Wilsons Gedanke der Selbstbestimmung der Völker eigentlich verlangen würde. ERZÄHLERIm Westen wie im Osten verliert Deutschland insgesamt über ein Achtel seines Staatsgebiets und über ein Zehntel seiner Bevölkerung. 15% der landwirtschaftlichen Produktion gehen verloren, 50% der Eisenerzversorgung, 25% der Steinkohleförderung. ERZÄHLERINGanz zu schweigen vom Verlust der deutschen Kolonien mit einer Ländermasse von der sechsfachen Größe Deutschlands. Mit den Kolonien verliert Deutschland auch seine Flotte. Der Vertrag gestattet Deutschland nur noch 15.000 Mann Marine. Vor allem die Briten haben ein großes Interesse daran, den früher so ehrgeizigen Konkurrenten auf den Weltmeeren auszuschalten.TC 15:18 – Der Preis der Schuld ERZÄHLERNoch härter trifft Deutschland die Beschränkung seiner Armee auf 100.000 Mann Berufsheer. Verboten sind künftig auch moderne Waffen, also Panzer, U-Boote und Luftwaffe. ERZÄHLERINDann die wirtschaftlichen Bestimmungen des Vertrags: kompliziert im Detail und widersprüchlich in der großen Linie. Einerseits sollen die deutschen Ressourcen extrem beansprucht werden, andererseits soll Deutschland erhebliche Reparationsleistungen bezahlen. ERZÄHLERDas Stichwort Reparationen berührt wie keine andere Bestimmung den Charakter des Vertrags. Wie hoch wird also die Rechnung, die Deutschland materiell begleichen soll? Unter den Großen Drei steht Wilson in dieser Frage allein. Eberhard Kolb: Zusp. Kolb„Franzosen und Engländer waren in diesem Punkt sich einiger. Vor allem eben die Engländer, die hätten bei der ursprünglichen Formulierung, dass nur Kriegsschäden ersetzt werden – wären sie relativ leer ausgegangen, denn in Großbritannien gab es praktisch keine eigentlichen Kriegszerstörungen, wohl aber gab es viele tote Briten, deren Familien versorgt werden mussten. Aus diesem Grund haben die Briten ganz energisch eine Ausweitung des Reparationsbegriffes verlangt, und auf diese Weise kamen eben die exorbitanten Reparationsforderungen zustande, denen sich die Franzosen sich natürlich auch angeschlossen haben, die aber im Vertrag selbst nicht beziffert sind. Es wurde im Vertrag nur festgelegt, dass 1921 eine Reparationskommission die Zahlen dann erarbeiten sollte, und 1921 diese Zahlen den Deutschen mit einem Zahlungsplan zugestellt würden.“ ERZÄHLERINAuch wenn die genaue Höhe der Summe einstweilen noch offen bleibt, soviel ist gewiss: Deutschland soll im Grunde für die gesamten Kriegskosten seiner Gegner aufkommen – eine unglaubliche Summe steht damit im Raum! ERZÄHLERWie soll das begründet werden? Immerhin verstehen sich die Friedensmacher als Gestalter eines Rechtsfriedens und nicht eines Gewaltfriedens, bei dem der Sieger den Gegner einfach ausnimmt. Um also ihre Ansprüche zu begründen, schreiben sie den später berüchtigten Artikel 231 in den Vertrag. In dem heißt es: MUSIK ZITATOR:„Deutschland erkennt an, dass Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und alle Schäden verantwortlich sind, welche die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.“ ERZÄHLERINBis heute wird der Artikel leidenschaftlich diskutiert. Behauptet er eine moralische Alleinschuld Deutschlands an der Gesamtkatastrophe des Ersten Weltkriegs? Oder nur eine juristische Verantwortung? Immerhin ist hier noch von Deutschland und seinen Verbündeten gemeinsam die Rede. Doch davon rücken die Alliierten später ab. In Deutschland jedenfalls wird dieser Artikel für einen Aufschrei der Empörung sorgen. Durch ihn bekommt Versailles das Stigma „Schandfrieden“. ERZÄHLERNoch ahnt in Deutschland niemand, was sich in Paris zusammenbraut. Solange die Sieger verhandeln, heißt es abwarten. Ende April, bricht die Friedensdelegation endlich auf nach Versailles. Am 7. Mai übergibt Clemenceau dem deutschen Außenminister Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau die Friedensbedingungen mit den Worten: ZITATOR (Clemenceau)„Die Stunde der Abrechnung ist da. Sie haben um Frieden gebeten, wir sind geneigt, ihn Ihnen zu geben.“ ERZÄHLERINEin klarer Ton. Brockdorff-Rantzau würzt seine Antwortrede mit einer provozierenden Geste. Demonstrativ bleibt er sitzen. Vor Wut zerbricht Lloyd George einen Brieföffner, Clemenceau läuft rot an. Nach Bekanntwerden der Friedensbedingungen sind die Deutschen hell entsetzt. ERZÄHLERFünf Tage später, Berlin: Krisensitzung der Nationalversammlung. Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann von den Sozialdemokraten ist außer sich: ZITATOR (Scheidemann)„Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in diese Fesseln legt?“ ERZÄHLERINRettungsversuche. Die deutsche Delegation in Versailles im Notenwechsel mit den Siegern. Doch am Ende lässt sich am Vertrag nicht rütteln. Am 16. Juni präsentieren die Sieger eine Mantelnote … Zusp. Kolb„[…] und da wurde nun die deutsche Kriegsschuld viel schärfer formuliert, als in dem Artikel 231, wo nur von einer Haftung die Rede ist.“ ERZÄHLERNun heißt es: MUSIK ZITATOR (Alliierte Mantelnote)„Indessen beschränkt sich die Verantwortlichkeit Deutschlands nicht auf die Tatsache, den Krieg gewollt und entfesselt zu haben. Deutschland ist in gleicher Weise für die rohe und unmenschliche Art, auf die er geführt wurde, verantwortlich.“ ERZÄHLERINGewollt und entfesselt: Damit sind die Ereignisse vom Juli 1914 gemeint, die zum unmittelbaren Kriegsbeginn geführt hatten. Tatsächlich ist die deutsche Verantwortung für den Ausbruch der Feindseligkeiten in diesen Tagen unbestreitbar. Doch diese Perspektive berücksichtigt die weiteren Zusammenhänge nicht, sie ist bis heute umstritten. Für die Deutschen in Versailles steht jedenfalls unbedingt fest: Der Große Krieg war ein Verteidigungskrieg. Jetzt daran die Alleinschuld tragen zu sollen, ist blanke Infamie. ERZÄHLERMit der Mantelnote ergeht ein Ultimatum. Wenn Deutschland nicht unterschreibt, werden die Kampfhandlungen wieder aufgenommen. Die Truppen dazu sind bereits am Rhein stationiert. ERZÄHLERINDie nächsten Tage bis zum 23. Juni ringen in Deutschland Kabinett und Fraktionen. Was soll man tun?! Was kann man wagen? Deutschland ist keiner neuen Konfrontation mehr gewachsen. ERZÄHLEREin allerletzter Versuch: Deutschland sei zum Einlenken bereit – allerdings mit Vorbehalt! Ohne die Kriegsschuld anzuerkennen! ERZÄHLERINDie Alliierten lehnen ab. In dieser Situation spricht sich Reichsministerpräsident Gustav Bauer für die Annahme des Friedens aus. Seine Rede ist auf einem Tondokument erhalten: Zusp. Gustav Bauer „[…] hier wird ein besiegtes Volk an Leib und Seele vergewaltigt … Meine Damen und Herren, kein Protest heute mehr, keinen Sturm der Empörung – unterschreiben wir! Das ist der Vorschlag, den ich Ihnen im Namen des gesamten Kabinetts machen muss. Die Gründe, die uns zu diesem Vorschlag zwingen, sind dieselben wie gestern. Nur trennt uns jetzt eine Frist von knappen vier Stunden vor der Wiederaufnahme der Feindseligkeit.“ ERZÄHLERDie Deutschen nehmen den Frieden an. Tage später fährt der Zug nach Versailles. TC 22:13 – Vom Dolchstoß und Novemberverbrechern ERZÄHLERINIn Deutschland wird der Frieden nicht verwunden. Er wird zur schweren Belastung für die Weimarer Demokratie. Ausgerechnet die Generäle Hindenburg und Ludendorff bringen das Schlagwort vom Dolchstoß unter die enttäuschten Massen. Nicht das Militär, die Zivilisten hätten den Krieg verloren! Allen voran die Novemberverbrecher, die den Waffenstillstand eingeleitet hatten. Eberhard Kolb: Zusp. Kolb„[…] und dann kam ja schnell in Umlauf die Vorstellung, […] im Felde unbesiegt hat das deutsche Volk kapituliert, im Felde unbesiegt, was eine schlichte Unwahrheit ist, denn gerade weil die Deutschen im Felde besiegt waren, kam die Kapitulation zustande.“ ERZÄHLERAm 10. Januar 1920 tritt der Vertrag endgültig in Kraft. Bald kommt es zu schweren Krisen, weil Deutschland mit den Reparationen in Verzug kommt. Erst mit dem Abkommen von Lausanne im Juli 1932 werden die Zahlungen praktisch beendet. Bis dahin hat Deutschland zwar enorme Summen, aber dennoch nur einen Bruchteil der geforderten Reparationen bezahlt. ERZÄHLERINEin halbes Jahr später wird Hitler Reichskanzler. Sofort fliegen ihm die Herzen der Reichswehrelite zu. Er verspricht, den Versailler Vertrag endgültig zu erledigen, er verspricht die verlorengegangenen Gebiete zurückzuholen. Er verspricht, die alte Herrlichkeit des Militärs wieder herzustellen. Und noch viel mehr. Der Versailler Vertrag – ein Frieden auf schiefer Ebene, ein Frieden, der direkt in den nächsten Krieg führen wird. MUSIKTC 24:00 – Outro
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Aug 1, 2024 • 20min

ERSTER WELTKRIEG - Von der Euphorie in den Abgrund

Im August 1914 war Deutschland siegesgewiss, doch bald trat Ernüchterung ein. Viele Soldaten und weite Teile der Zivilbevölkerung wurden des Krieges überdrüssig. Aber die deutsche Politik trieb den Krieg unbeirrt weiter - bis zum großen Zusammenbruch im Sommer 1918. Von Rainer Volk (BR 2014)Credits Autor: Rainer Volk Regie: Sabine Kienhöfer, Dorit Kreissl, Andreas Mangold Es sprachen: Beate Himmelstoß, Rainer Buck Technik: Gerhard Wicho Redaktion: Nicole Ruchlak Im Interview: Prof. Gerhard Hirschfeld, Prof. Ulrich Lappenküper, Hans-Peter Tombi (†) Linktipps: SWR (2024): Der Ausbruch des Krieges – Tagebücher des Ersten Weltkriegs Als im Juni 1914 in Sarajewo der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau ermordet werden, ist Europa ein von Spannungen gezeichneter Kontinent. Der Erste Weltkrieg bricht aus. Die Menschen empfinden es als ihre Pflicht, für das Vaterland in den Krieg zu ziehen. Die junge Kosakin Marina Yurlova will für den russischen Zaren kämpfen. Der 18-jährige Peter Kollwitz zieht für Deutschland an die Westfront; der Landwirt Karl Kasser soll das Großreich Österreich-Ungarn an der Ostfront verteidigen. Im ostdeutschen Schneidemühl, nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt, fürchtet die zwölfjährige Elfriede Kuhr den Einmarsch der Russen. Im französischen Sedan erlebt der zehnjährige Yves Congar, wie seine Heimatstadt von den Deutschen angegriffen wird. JETZT ANSEHEN ZDF (2020): Der Preis des Krieges – Erster Weltkrieg Mit dem Ersten Weltkrieg beginnt das Zeitalter der industriell geführten Massenkriege. Rund 20 Millionen Menschen sterben. Generationen verlieren Zukunft, Gesundheit und Wohlstand. JETZT ANSEHEN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: m Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN Timecodes (TC) zu dieser Folge:TC 00:15 – IntroTC 02:55 – Deutsch-französische Erbfeindschaft?TC 06:18 - KriegspropagandaTC 10:37 – Vom Land auf die SeeTC 12:56 – KriegsmüdigkeitTC 16:01 – „Verloren haben wir alle“TC 19:33 - OutroLesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:TC 00:15 – Intro MUSIK Erzählerin:Ein Regiment marschiert, von den Bürgern bejubelt, mit Musik aus einer Garnisonsstadt zur Eisenbahn, um an die Front zu kommen; der Bürgermeister spricht, der Regimentskommandeur dankt. Begeisterung, Patriotismus, Opferbereitschaft für das Vaterland – der Kriegsbeginn im August 1914 stößt in der deutschen Bevölkerung auf große Euphorie. O-Ton Hörbild 1914:Herr Oberst, ich kann es mir in dieser Bewährungsstunde nicht versagen, im Namen der Stadt und ihrer Einwohner unserem geliebten Regiment „Lebewohl“ zu sagen. Hurra! Hurra! Erzähler:Zumindest vermittelt dieses Hörbild einen solchen Eindruck. Diese akustische Szene stammt allerdings aus dem Jahr 1918. Sie ist ein Propagandaprojekt, das eine allseitige Euphorie bei Kriegsbeginn beschwört – das so genannte „Augusterlebnis“ in Deutschland. In Wirklichkeit aber ist die Stimmung im Sommer 1914 sehr vielschichtig. Professor Gerhard Hirschfeld, Mitherausgeber der „Enzyklopädie 1. Weltkrieg“, beschreibt die Atmosphäre: O-Ton Gerhard Hirschfeld:Patriotische Begeisterung einerseits, aber auch die Furcht vor der kommenden Ungewissheit, die Sorge um die familiäre und berufliche Existenz. Und vor allen Dingen – das scheint mir sehr wichtig zu sein – die Entladung einer ungeheuren Anspannung. MUSIK Erzählerin:Am 1. August 1914, einem Samstag, befiehlt Kaiser Wilhelm die „Mobilmachung“. Er hat seinem Verbündeten Kaiser Franz Joseph in Wien Beistand gegen Russland versprochen. Der Kriegsplan, der so genannte „Schlieffen-Plan“, stammt von Alfred von Schlieffen und liegt schon seit mehreren Jahren in der Schublade; Schlieffen selbst ist bereits eineinhalb Jahre vor Kriegsausbruch gestorben; trotzdem bleibt sein Nachfolger als Generalstabschef Helmuth von Moltke bei dessen Ideen. Denn das Kalkül der Deutschen ist unverändert: ein Zweifrontenkrieg im Osten und Westen muss vermieden werden. Deshalb soll als erstes Frankreich in einem kurzen Feldzug besiegt werden. Russland brauche für seine Mobilisierung sehr viel länger, da könne man also warten – so glaubt man in Berlin. TC 02:55 – Deutsch-französische Erbfeindschaft? Erzähler:Frankreich und Deutschland sind damals seit vielen Jahrzehnten – eigentlich Jahrhunderten – tief zerstritten; alle reden von ‚Erbfeindschaft’ und haben noch den Krieg von 1870/71 vor Augen. Aber die Rivalität der beiden Nachbarländer ist nicht die Hauptursache für den Ausbruch des Weltkrieges. Der Historiker Professor Ulrich Lappenküper skizziert die Interessen des Deutschen Reiches: O-Ton Ulrich Lappenküper:Es ging dem deutschen Kaiserreich ja in erster Linie darum, die englische Suprematie zur See zu brechen. Notwendig war, und da kommt nun der Schlieffen-Plan tatsächlich ins Spiel, dies aus Sicht des Generalstabs durch den militärischen Sieg über Frankreich. Erzählerin:Bereits in der Nacht vom 1. zum 2. August 1914 beginnen deutsche Truppen ihren Vormarsch, zunächst durch neutrale Länder: Infanteristen nehmen den Bahnhof des Örtchens Troisvierges in Luxemburg ein – von dort aus laufen Gleise Richtung Belgien, das die Deutschen auch erobern wollen. Diese ersten Tage des blitzartigen Vormarsches werden in Militärkreisen noch jahrzehntelang als „tolle Zeit“ erinnert. Ein Indiz ist der Radio-Bericht eines Berliner Majors vom Angriff auf Lüttich. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1934: O-Ton Major Nidda:Am 1. August früh morgens, ich weiß die Stimmung noch wie heute, fuhren wir fünf Sturmführer der fünf Brigaden von Berlin der Grenze zu. Deutschland in großer Wallung. Erzähler:Einen Monat lang eilen die deutschen Truppen im Westen von Sieg zu Sieg – bei rasch steigenden Verlusten. Geradezu mythischen Stellenwert erlangen Berichte von Rekruten, die frisch vom Abitur an die Front geschickt wurden und beim ersten Sturmangriff bei Langemarck in Flandern mit der Nationalhymne auf den Lippen fallen. Doch der Versuch, die französische Armee und ein britisches Expeditionskorps vernichtend und endgültig zu schlagen, misslingt: An der Marne und am Flüsschen Somme können die Alliierten die Front stabilisieren. Damit beginnen vier Jahre Stellungskrieg – auch in Elsass-Lothringen, das 1871 von Deutschland annektiert wurde. MUSIK & ATMO Erzähler:Unterwegs am „Hartmannsweilerkopf”, einem großen Bergrücken der Vogesen nordwestlich von Mulhouse. Hier sind bis heute Spuren der einzigen Front auf damals „deutschem Boden” zu sehen. Um die ehemaligen Befestigungs-Anlagen und eine Chronik der dortigen Kämpfe kümmert sich ein deutsch-französischer Verein, den der mittlerweile verstorbene Hans-Peter Tombi gegründet hat. Auf einer seiner Führungen steht er auf einer Kuppe und deutet in Richtung Westen: O-Ton Hans-Peter Tombi:Das war das Ziel der Franzosen: Dieser Ausblick – rein in die Ebene vom Elsass. Denn von hier aus konnte man das Artillerie-Feuer steuern und leiten und die Deutschen im Tal stören. Es hat natürlich nicht funktioniert, denn die Abwehr des Feindes war den Deutschen bewusst.TC 06:18 - Kriegspropaganda Erzählerin:Ein Blick in den Osten – dort wird 1914 ein Mann eine wichtige Rolle spielen, dessen Name die Deutschen noch lange begleiten wird: Paul von Hindenburg. Den General hat der Kaiser eilig aus der Pension zurück in den aktiven Dienst geholt. Denn an der Ostfront hat die russische Armee doch schneller angegriffen als erwartet. Hindenburg und Ludendorff, sein Chef-Stratege, erhalten dort die Befehlsgewalt - und siegen: O-Ton Paul von Hindenburg:Ihr habt einen vernichtenden Sieg über fünf Armeekorps und drei Kavallerie-Divisionen errungen. Mehr als 90.000 Gefangene, ungezählte Geschütze und Maschinengewehre, mehrere Fahnen und viele sonstige Kriegsbeuten sind in unseren Händen. Die geringen, der Einschließung entronnenen Trümmer der russischen Narew-Armee ziehen nach Süden über die Grenze. Die russische Wolga-Armee hat von Königsberg her den Rückzug angetreten. Es lebe seine Majestät, der Kaiser und König. Hurra! Erzählerin:Hindenburgs Aufruf an seine Soldaten nach der „Schlacht von Tannenberg”, ist nicht authentisch. Angeblich fand er Ende August 1914 statt, in Wahrheit aber wurde das Tondokument erst 1917 für die deutsche Kriegspropaganda aufgenommen. Erzähler:Anders als im Westen erstarrt das Kriegsgeschehen im Osten nicht in Gräben und Bunkern: Es herrscht Bewegung, die Deutschen marschieren vor. Die Erfolge werden jedoch durch Siege der Zarenarmee gegen Deutschlands Verbündeten Österreich-Ungarn teilweise zunichte gemacht. Die Gesamtlage bleibt daher prekär. Professor Gerhard Hirschfeld: O-Ton Gerhard Hirschfeld:Es ist ein Bewegungskrieg, der massenhafte Verluste bringt. Ohne deutsche Hilfe hätte Österreich-Ungarn diesen Krieg schon früh aufgeben müssen im Osten. Ein Kriegsfeld sollte man unbedingt noch nennen: Das ist der Krieg gegen Serbien – vor allen Dingen deshalb, weil er von ungeheurer Grausamkeit geprägt ist. Und wir verstehen bis heute nicht bestimmte Reaktionen sozusagen in dem serbischen Gefühlshaushalt, wenn wir nicht wissen, was dort während des Ersten Weltkriegs passiert ist. O-Ton Englischer Gasangriff Erzählerin:So klingt der damalige Versuch, einen Gasangriff akustisch einzufangen. Die neue Waffe wird ab April 1915 eingesetzt – zuallererst von Deutschen. Der Chemie-Krieg – mit Senfgas, Blaukreuz, Chlor und anderen Stoffen – soll wieder Bewegung in das erstarrte Frontgeschehen im Westen bringen. Doch letztlich endet auch diese Eskalation in einem „Gleichgewicht des Schreckens“ und bringt nicht den erhofften Sieg im Völkersterben. Erzähler:Im Westen dauert der Stellungskrieg also an – und was das bedeutet, zeigt das Beispiel Hartmannsweilerkopf. Hier summiert sich die Zahl der Toten, Verwundeten, Invaliden und Kriegsgefangenen in vier Jahren auf etwa 30.000. Dabei geht es nur um wenige hundert Meter Front. Und dafür wird noch dazu ein gewaltiger materieller Aufwand betrieben: Die Soldaten höhlen den Berghang unterhalb der etwa 950 Meter hohen Kuppe mit Bunkern, Unterständen und Gängen regelrecht aus. Die jeweils dreieinhalbtausend Mann auf beiden Seiten, die in vorderster Linie kämpfen, haben Strom, Wasser, Etagenbetten und ein unterirdisches Operationszimmer. Hans-Peter Tombi erläutert das in einem der Stollen: O-Ton Hans-Peter Tombi:Hier in dem Malepartus-Stollen war ein ständiger Arzt. Das heißt, die Schwerverletzten wurden hierher gebracht von der Front durch ein Stollensystem und wurden hier vor dem Weitertransport behandelt. Erzähler:Schauplätze wie Verdun sind berühmter als das Elsass. Doch Experten wie Gerhard Hirschfeld meinen: Noch wichtiger als Verdun, weil typischer, sei das Geschehen an der Somme. Hier, im äußersten Norden Frankreichs steht die Front ebenfalls seit Herbst 1914. Allerdings wollen dort Franzosen und Briten in die Gegenoffensive gehen; nach langer Planung leitet schweres Artillerie-Feuer im Sommer 1916 den Angriff ein: O-Ton Gerhard Hirschfeld:Wenn man sich die Monate 1916, die die Somme-Schlacht umfasste und zwar vom 1. Juli bis etwa 25. November anschaut, so haben wir ein Ausmaß an Vernichtung, das Verdun weit übersteigt. Wir haben etwa 1,3 Millionen Verluste. Sie liegen doppelt so hoch als wie für Verdun.TC 10:37 – Vom Land auf die See MUSIK Erzählerin:Da sich der Sieg in einem Landkrieg nicht erzielen lässt, hoffen Militärführung und Öffentlichkeit in Deutschland bald auf andere Waffen – so auch auf die kaiserliche Marine. Erzähler:Im Krieg selbst zeigt sich jedoch bald: Die deutsche Schlachtflotte ist der britischen Royal Navy weit unterlegen und dümpelt ab 1916 nur noch in den Häfen vor sich hin. Stattdessen konzentriert die Marineführung ihre Anstrengungen nun auf die U-Boot-Waffe. Da britische Schiffe mit einer Seeblockade das Land von der Einfuhr wichtiger Rohstoffe abschneiden, präsentiert die Marine bereits 1914 ein „Handels-U-Boot“, das unter dem Sperr-Riegel wegtauchen kann. Der Kommandant dieses Boots, Paul König, wird ebenfalls zu einer Schallplatten-Aufnahme gebeten: O-Ton Paul König:Dem friedlichen Handel inmitten des Weltkrieges zu dienen und den deutsch fühlenden Herzen drüben in Amerika ein greifbar Zeugnis zu bringen davon, dass Deutschland noch stark in ungebrochener Schaffenskraft besteht und aushalten wird, für seine Ideale und die Freiheit der Meere zu kämpfen, war und wird unsere erste Pflicht sein, auch auf den ferneren Fahrten. Erzählerin:Wichtigste Aufgabe der neuartigen Waffe ist der so genannte „unbeschränkte U-Boot-Krieg“: Handels- und Passagierschiffe auch neutraler Staaten sollen versenkt werden. Februar 1917 setzen sich die Befürworter des „unbeschränkten U-Boot-Kriegs“ in Berlin endgültig durch: Torpedos und Kanonen werden nun auf Schiffe aller Arten und Nationalitäten abgefeuert. Für die USA – politisch bereits lange mit Briten und Franzosen auf einer Linie – bietet das den Anlass, die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich einzustellen und Berlin den Krieg zu erklären. Zwar ist vorher bereits in Afrika und im Nahen Osten gekämpft worden – jetzt aber ist endgültig „Weltkrieg“.TC 12:56 – Kriegsmüdigkeit MUSIK Erzähler: Im November 1916 stirbt Kaiser Franz Joseph von Österreich-Ungarn, der wichtigste Verbündete des Deutschen Reiches. Wenig später scheint ein Friedensschluss in greifbarer Nähe. In den Chroniken finden sich Waffenstillstands- und Friedensangebote – auch von deutscher Seite. Doch die Alliierten lehnen rundweg ab: Man zweifelt an der Ernsthaftigkeit der Absicht. Erzählerin:Spätestens seit diesem Zeitpunkt herrscht in Deutschland ein tiefes Zerwürfnis in der Politik. Konservativ-nationale Kräfte drängen weiterhin auf einen so genannten „Siegfrieden“ mit Gewinnen an Land und Ressourcen. Die Arbeiter und ihre Vertreter dagegen murren: Die ‚kleinen Leute’ spüren die mangelhafte Lebensmittelversorgung im Reich am stärksten – sie haben Hunger, gehen in die Wälder, Kräuter und Beeren pflücken, bekommen Ersatzstoffe, die sie sättigen sollen, und hungern trotzdem weiter. Jede Familie beklagt Gefallene, man ist kriegsmüde. Zumal sich die gesellschaftliche Situation anders entwickelt hat als erhofft: Seit die Generäle Hindenburg und Ludendorff im August 1916 als Chefs der gesamten Heeresleitung eingesetzt worden sind, ist eine Art „Militärdiktatur“ entstanden: Kaiser, Reichskanzler und Parlament haben wenig zu sagen. So verlangen SPD-Abgeordnete im Mai 1917, unter ihnen Philipp Scheidemann, einen Verständigungsfrieden: O-Ton Philipp Scheidemann:Es ist genug. Es wäre ein Glück für ganz Europa, wenn wir schnellstens einen Frieden der Verständigung haben könnten. Erzähler:Auch an den Fronten ist die Kriegsmüdigkeit 1917 nicht mehr zu übersehen: Selbst einfache Soldaten erkennen, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist. So kommt es – zum Beispiel an Weihnachten – zu Verbrüderungen über die Schützengräben hinweg. Dort, wo sich über Monate kaum etwas tut und die Stellungen manchmal nur wenige Meter auseinander liegen wie am Hartmannsweilerkopf im Elsass, braucht es für diese verbotenen Momente aber keine Feiertage. Hans-Peter Tombi berichtet: O-Ton Hans-Peter Tombi:Da werden etliche Überlieferungen weiter getragen, zum Beispiel ein französischer Elsässer, kocht auf der anderen Seite und der Deutsche fragt: Hhhm, das riecht aber heute gut bei Dir drüben! – Und dann fragt der Elsässer: Haste Hunger? – Dann sagt er: Ja natürlich. – Ja, dann komm’ doch rüber. Und dann hat man zusammen gegessen. Das ging natürlich immer so lange gut, bis die Offiziere das gemerkt hatten. Erzählerin:Derartige Anekdoten finden sich immer wieder in verschiedenen Berichten von Truppenteilen und in Feldpostbriefen. Diese Dokumente auf die wahren Kriegserlebnisse hin auszuwerten, ist nicht leicht – denn bestimmte Tabus, wie etwa die Angst vor dem Tod, werden kaum angetippt. Aber eins scheint sicher: Die angebliche „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen wird von vielen im Verlauf des Ersten Weltkriegs überwunden, viele Soldaten sehen sich als Opfer der Politik. TC 16:01 – „Verloren haben wir alle“ O-Ton Amerikanisch-Französisch-Kurs:Have you seen any American soldiers? - …where are our headquarters… I want to find my regiment? – Have you seen the enemy… Can you give me any information about the enemy… we are going to attack… Erzähler:1917 verlegen die USA erste Truppen nach Europa – hier ein Französisch-Sprachkurs für amerikanische Soldaten aus diesem Jahr. Das wirkt sich auf die Kämpfe in Belgien und Nordfrankreich zwar nur allmählich aus: Die Amerikaner haben keine Kampferfahrung und erleiden anfangs große Verluste. Strategisch gesehen aber zerstört der Auftritt der Amerikaner auf dem Schlachtfeld de facto die letzten deutschen Siegeshoffnungen. Gerhard Hirschfeld: O-Ton Gerhard Hirschfeld:Hinter dem Komplex USA verbergen sich ja nicht nur die kriegführenden Truppen. Da ist eine industrielle Macht, da ist eine Kapazität vorhanden, die vor allen Dingen in wirtschaftlicher und auch in moralischer Breite diesen Krieg beeinflussen kann. Und das brachte nicht nur für die kriegführenden Franzosen und Briten einen ungeheuren Aufschwung, sondern eben auch versetzte die Deutschen doch in eine ziemliche Panik. Erzählerin:Das schließt die obersten deutschen Generäle ein. Während im Osten in Folge der russischen Revolution bereits Friede herrscht, wird im Westen noch weitergekämpft. Erst im Sommer 1918 stellen die Deutschen dort ihre letzte Offensive ein, die sie unter Aufbietung aller Kräfte gestartet haben. Die Truppen sehen sich erstmals starken Panzerverbänden gegenüber, denen sie nicht gewachsen sind. Erzähler:Das Deutsche Reich ist besiegt. Es stehen keine weiteren Soldaten mehr zur Verfügung, die Materialvorräte gehen zu Ende und die Bevölkerung ist völlig erschöpft, ausgehungert und ausgezehrt. Der berühmt-berüchtigte Steckrübenwinter, die permanente Mangelwirtschaft und die Verluste an der Front führen zu einer allgemeinen Demoralisierung. Die Weigerung Kieler Matrosen, mit den Schiffen der Schlachtflotte ein letztes Mal auszulaufen, führt Ende Oktober zu Unruhen in den Großstädten. Die Generäle erkennen: Der Krieg ist nicht mehr fortsetzbar. Bereits ein paar Monate zuvor haben Ludendorff und Hindenburg gefordert, über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Nun, am 11. November 1918, wird in Compiegne bei Paris der Waffenstillstand unterzeichnet; zwei Tage zuvor ist Kaiser Wilhelm nach Holland ins Exil geflüchtet. Er wird noch im gleichen Monat abdanken und für alle Zeiten auf den Thron verzichten. MUSIK Erzählerin:Eine Aufnahme von 1996. Raymond Abescat, ein 105-jähriger Kriegsveteran, singt ein Soldatenlied seiner Einheit aus dem Ersten Weltkrieg. Ein Indiz dafür, wie nachhaltig die Zeugen dieser Zeit von ihr geprägt wurden und dass der Historiker George Kennan recht hatte, als er den Ersten Weltkrieg die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ nannte? Die Zahl der Opfer des Ersten Weltkriegs weltweit wird auf etwa 9,5 Millionen Tote und doppelt so viele Verwundete geschätzt. Allein auf deutscher Seite starben etwa 2 Millionen Menschen, auf französischer 1,3 Millionen. Charles de Gaulle, selbst vor Verdun verwundet und dann Kriegsgefangener in Ingolstadt, bilanzierte die Jahre von 1914 bis 18 später mit dem Satz: „Es gab Sieger und Besiegte, verloren haben wir alle.“TC 19:33 - Outro
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Aug 1, 2024 • 13min

ERSTER WELTKRIEG - Die Schüsse von Sarajewo

Sarajewo, 28. Juni 1914: Schüsse eines Attentäters treffen Erzherzog Franz Ferdinand, den Thronfolger vonÖsterreich-Ungarn, und seine Gattin Sophie. Einen Monat später stellt sich heraus: Es waren die ersten Schüsse des Ersten Weltkriegs. Die Hintergründe, die zum Ausbruch dieser "Urkatastrophe" führten, sind komplex. Bis heute werden sie intensiv diskutiert. Von Thomas Morawetz (BR 2008) Credits Autor: Thomas Morawetz Regie: Sabine Kienhöfer Es sprachen: Christian Baumann, Rahel Comtesse, Friedrich Schloffer, Rainer Buck Technik: Lydia Schön-Krimmer Redaktion: Nicole Ruchlak Im Interview: Prof. Dr. Katrin Boeckh, Dr. Peter Helmberger Anmerkung der Redaktion: Prof. Dr. Katrin Boeckh war zum Zeitpunkt des Interviews Historikerin am Osteuropa-Institut in Regensburg. Inzwischen arbeitet sie am Leibniz.Institut für Ost- Und Südosteuropaforschung. Linktipps: ARD alpha (2014): Europas letzter Sommer – Die Julikrise 1914 Am 28. Juni 1914 wird in Sarajewo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordet. International nutzen Diplomaten und Staatslenker das Attentat als Vorwand, die eigene Macht zu vergrößern und alte Rechnungen zu begleichen. In nur wenigen Wochen stürzen Kompromisslosigkeit, Größenwahn und blinder Gehorsam den Kontinent in den bis dato größten Krieg der Menschheitsgeschichte. Das Dokumentarspiel von ARD-alpha aus der Reihe "Vom Reich zur Republik" beleuchtet die Zeit zwischen Attentat und Kriegsausbruch, die rückblickend auch als "Julikrise" in die Geschichte eingegangen ist. Im Fokus stehen dabei die komplexen Motivationen und Entscheidungsfindungen der Staatslenker und Diplomaten Europas. Basierend auf Originaldokumenten führt der Film den Zuschauer durch die Arbeits- und Konferenzzimmer der verschiedenen Machtzentren des Kontinents sowie durch die Clubs und Cafés der Hauptstädte, in denen die Gespräche zwischen den beteiligten Diplomaten stattfanden. JETZT ANSEHEN Deutschlandfunk (2018): Gavrilo Princip, der Attentäter von Sarajewo   Er war der Mann, der 1914 zur Pistole griff und den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau tötet: Gavrilo Princip, Unabhängigkeitskämpfer der Serben und Kroaten und Gegner der österreichisch-ungarischen Monarchie. Seine Tat löste mit den Ersten Weltkrieg aus. Princip starb am 28. April 1918. ZUM BEITRAG Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKENTimecodes (TC) zu dieser Folge: TC 00:15 - IntroTC 02:00 – Folgen eines MachtvakuumsTC 05:33 – Die KriegsschuldfrageTC 09:12 – Von der Julikrise bis zum WeltkriegTC 12:29 – OutroLesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:TC 00:15 - IntroATMO Straßengeräusch SPRECHERINSarajewo, die Hauptstadt Bosniens – Sonntag, der 28. Juni 1914, kurz nach 10 Uhr morgens: SPRECHEREine Fahrzeugkolonne von sechs Autos setzt sich in Bewegung Richtung Innenstadt. Höchster Besuch! Seit wenigen Jahren ist Bosnien ein Teil von Österreich-Ungarn. Im dritten – offenen – Wagen sitzen der Österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie. SPRECHERINAm Ende dieser Fahrt wird sich der Anlass für den Ersten Weltkrieg ergeben haben. Und am Ende des Krieges wird Deutschland dafür die Verantwortung zugesprochen werden. SPRECHERDie Route der Kolonne haben die Zeitungen schon vor Wochen bekannt gegeben. An den Straßen drängen sich die Schaulustigen und Jubelnden. Plötzlich wirft ein junger Mann eine Bombe gegen das Auto des Thronfolgers. Die Handgranate prallt ab und explodiert vor dem nächsten Wagen. Ein Insasse wird schwer verletzt. SPRECHERINVerwirrung. Die Kolonne erreicht das Rathaus, dort fasst man sich wieder. Jetzt will der Thronfolger weiter, direkt ins Hospital zu seinem verletzten Begleiter.SPRECHERWenige hundert Meter vom Rathaus entfernt springt auf einmal ein junger Mann aus der Menge auf. Zwei Schüsse fallen. Der Erzherzog wird in die Halsschlagader getroffen, Sophie in den Unterleib. Der Mitfahrende Graf Harrach sagt später aus: ZITATOR: Mitfahrender HarrachWährend das Auto zurückstieß, spritzte ein dünner Blutstrahl aus dem Munde seiner kaiserlichen Hoheit auf meine rechte Backe. … Den Erzherzog hörte ich dann sagen: `Sopherl, Sopherl, stirb mir nicht, bleibe für meine Kinder´.“ SPRECHERINEs ist zu spät. Die beiden erliegen ihren Verletzungen.TC 02:00 – Folgen eines Machtvakuums MUSIK „Der Balkan: Hexenkessel Europas“ SPRECHERDer Schütze, Gavrilo Princip, ist ein Heißsporn, ein junger bosnischer Student. Er und seine Mitattentäter sind serbische Nationalisten; in Bosnien leben etliche Serben! Für sie ist der Erzherzog nichts anderes als ein verhasster Besatzer. Denn Bosnien – finden die Serben – ist unser! SPRECHERINSerbien – das kleine junge Königreich im Osten von Bosnien – erlebt gerade ein nationales Hochgefühl der Sonderklasse. Wie ein Luftballon bläht sich sein Selbstbewusstsein zwischen zwei alten Großmächten in der engen Region auf: zwischen Österreich und den Osmanen. Denn auf dem Balkan ist alles ins Rutschen geraten. SPRECHERSeit einigen Jahrzehnten sind die Osmanen auf dem Rückzug und hinterlassen ein Machtvakuum. Den Serben ist es deshalb vor kurzem gelungen, sich einen fetten Teil der Beute zu sichern: einen satten Gebietszuwachs und Hoffnung auf mehr! SPRECHERINDenn Serbien träumt von einem jugoslawischen, wörtlich: „südslawischen“ Großreich unter seiner Führung auf dem Balkan. Katrin Boeckh ist Historikerin am Osteuropa-Institut in Regensburg: ZUSP: BOECKHAlso, dieses Südslawische ging davon aus, dass man eben eine kulturelle, eine sprachliche, eine religiöse Gemeinsamkeit aller Südslawen hat, … und dass das eben dazu führen soll, dass man eine politische Einheit unter allen Südslawen herbeiführt. SPRECHERExotisch ist der Gedanke nicht. Überall in Europa ist der Nationalismus modern und aggressiv. Doch gerade der serbische Traum ist brandgefährlich! Denn das Mittelmeer ist eine hoch sensible Region. SPRECHERINÜber das Mittelmeer muss Russland seine lebenswichtigen Getreideexporte abwickeln. Engländer und Franzosen laufen von dort Kolonien in Nordafrika an. Über den Suezkanal führen die Routen in den Indischen Ozean. SPRECHERUnd: Für Österreich-Ungarn geht es auf dem Balkan vielleicht um alles: Die alte Großmacht ist angezählt. Ihr Hauptproblem: 12 Völker leben in ihr – hochexplosiv in nationalistischen Zeiten! Gelingt es nicht, den serbischen Nationalismus zu bändigen, könnte das ganze Reich in die Zentrifuge geraten. SPRECHERINDie Doppelmonarchie sieht nur noch eine Lösung: stärker werden auf dem Balkan! Deshalb hat sie ihrerseits erst vor kurzem Bosnien annektiert – ihre Beute aus dem Türken-Erbe. Der Besuch des Thronfolgers war also tatsächlich eine Art Inspektion auf hoch gefährlichem Gelände. SPRECHERSteckt also Serbien hinter dem Attentat? SPRECHERINSicher scheint heute so viel: Die jungen Heißsporne um Princip hatten Hilfe gesucht für die Durchführung ihres Anschlags. Dabei sind sie an eine serbische Geheimorganisation geraten – die „Schwarze Hand“. Katrin Boeckh: ZUSP. BoeckhAlso, die „Schwarze Hand“ – Crna ruka – ist eigentlich zu charakterisieren im heutigen Sinn als eine terroristische Vereinigung mit militärischem Hintergrund, also, hier spielen Offiziere eine große Rolle. Aber eine direkte Beteiligung der serbischen Regierung für dieses Attentat lässt sich nicht nachweisen. SPRECHERHexenkessel Balkan! Doch was hat Deutschland damit zu tun? Immerhin formuliert nach dem Krieg eine Alliierte Note: Das Deutsche Reich trägt allein die Schuld am Ausbruch des Großen Krieges!TC 05:33 – Die Kriegsschuldfrage MUSIK „Rückblende – Die Großmächte auf dem Weg zur Katastrophe“ SPRECHERINDie so genannte „Kriegsschuldfrage“ gehört zu den am leidenschaftlichsten diskutierten Streitfragen der jüngeren Geschichte. Im engeren Sinn bezieht sie sich auf die jetzt folgenden Julitage nach den Schüssen - dazu gleich. SPRECHERDoch zuerst die weiteren Zusammenhänge: Wie sehen die Machtverhältnisse in Europa aus, dass Deutschland in einen Balkankrieg geraten kann? Noch einmal also die Uhr zurückdrehen; gut 40 Jahre vor das Attentat, ins Jahr 1871, zur Gründung des Deutschen Reichs. Peter Helmberger ist Historiker an der Universität in München: ZUSP. HelmbergerMit dieser Gründung des neuen Deutschen Reiches … gibt es auf dem Kontinent eine große Zentralmacht – erstmals wieder – die von der Größe des Landes wie von der Bevölkerung für alle anderen Mächte erst einmal eine Neuerung darstellt und durchaus auch eine Herausforderung. SPRECHERINWelchen Platz wird also der frisch geschlüpfte Riese im Kreis der Großen finden? Bismarck hat sich die Reichsgründung durch einen Krieg mit Frankreich ertrotzt. Ein Auftakt mit Gewalt. SPRECHERUnd auch schon eine erste Ursache für die spätere Katastrophe: Frankreich wird das nicht vergessen. Und Deutschland weiß daher genau: Es muss sich in Acht nehmen: vor Frankreich und – vor Russland! Denn beide zusammen könnten das junge Reich von Westen und Osten her in die Zange nehmen. Geometrie der Macht. SPRECHERINErste Absicherungsmaßnahmen: 1879 schließt Deutschland mit Österreich-Ungarn den Zweibund der Mittelmächte. Nun würde es am liebsten auch Russland noch ins Boot bekommen. Doch das misslingt während der nächsten Jahre gründlich. SPRECHERMit dramatischen Konsequenzen: Russland findet einen neuen Partner – ausgerechnet Frankreich! Großes Malheur! MUSIK SPRECHERINNächste Etappe, die Jahre ab 1900: Deutschlands Selbstbewusstsein ist ungebrochen. Kaiser Wilhelm II. verkündet neue Ansprüche: Ein „Platz an der Sonne“ muss her! Das heißt: Deutschland will nun auch ins große Kolonialgeschäft einsteigen. Dafür beschließt es den Bau einer mächtigen Schlacht-Flotte. Es ist natürlich eine klare Ansage an die übrigen europäischen Großmächte und in dem Fall insbesondere an die … SPRECHERSeemacht England – Das 19.Jh. war das Jahrhundert des Britischen Empire. Doch nun stößt es weltweit auf starke Konkurrenz: die aufstrebenden USA, auf Russland vom Mittelmeer bis zum Pazifik, auf Frankreich in Afrika! Und jetzt auch noch Deutschland! SPRECHERINWer sind die Guten, wer die Bösen? Es ist die Zeit des Hochimperialismus. Alle Großmächte kämpfen um Kolonien und um weltweite Marktzugänge. Jede Macht ein Hai für sich! Der Neuling Deutschland hofft, die Haie auszuspielen – bis er selbst umkreist wird. SPRECHERLondon versucht, sich Luft zu schaffen. Und tatsächlich: Ein Bündnis mit Frankreich gelingt – die Entente Cordiale. Bald darauf sitzt man auch mit dem Zaren am Tisch. Der Kreis der Entente-Mächte um Deutschland schließt sich. SPRECHERINDie zehn Jahre vor Sarajewo sind nervenaufreibend – eine Krise nach der anderen. England, Frankreich, Russland werden dabei ein immer besseres Team. Der deutsche Kaiser zieht regelmäßig den Kürzeren. Die Stimmung im Reich ist geladen. Was kann man gegen die Einkreisung noch aufbieten? Peter Helmberger: ZUSP HelmbergerUnd dann ist Österreich-Ungarn tatsächlich der einzige Bündnispartner, den man noch hat, den man dann auch nicht schwächen kann. SPRECHERAch ja, der Zweibund von 1879! Der Partner mit den schier unlösbaren Problemen! Durch ihn kommt Deutschland nun anstatt zu einem Platz an der Sonne – zu einem Krieg auf dem Balkan. ATMO Schüsse SPRECHERINDenn nun fallen die Schüsse von Sarajewo. Österreich kocht und will sich an den Serben rächen. Doch die haben einen mächtigen Beschützer für ihre südslawischen Träume: den großen slawischen Bruder – Russland! Der Zar braucht einen festen Stand am Mittelmeer. Was liegt also näher, als den kleinen Bruder zu beschützen?TC 09:12 – Von der Julikrise bis zum Weltkrieg MUSIK„Die Julikrise – 31 Tage bis zu einer Menschheitskatastrophe“ SPRECHERDer Countdown läuft. Die Tage nach dem Attentat heißen „Julikrise“. „Krise“ – denn immer noch gibt es politische Kräfte, die versuchen, am Krieg vorbei zu denken. Aber vor allem den Militärs brennt die Zeit schon auf den Nägeln! SPRECHERINBesonders den Deutschen. Denn Österreich wartet auf Antwort aus Berlin: Wenn Österreich nämlich Serbien angreift, wird zwangsläufig auch Russland in den Krieg eintreten! Alleine hätte Österreich aber gegen Russland keine Chance. Wird Deutschland also zu seinem Bündnispartner stehen? SPRECHERSeit Jahren hat Deutschland einen Plan für einen möglichen Krieg gegen Russland: den Schlieffenplan. Er geht aus vom Zweifrontenkrieg. Das heißt: Russland kann nur besiegt werden, wenn vorher blitzartig auf der Westseite Frankreich bezwungen wird. Erst dann können sich alle Kräfte gegen das langsamere aber viel gewaltigere Russland richten. Die deutschen Generäle fordern also: jetzt oder nie! SPRECHERIN6. Juli: Deutschland gibt Österreich die berüchtigte Blanko-Vollmacht: Jede Reaktion gegenüber Serbien wird gedeckt. Am 28. Juli erklärt Österreich Serbien den Krieg. Die klaren Konsequenzen: Russland macht mobil. Dann erklärt Deutschland dem Zaren den Krieg: 1. August 1914! SPRECHERSchlieffenplanmäßig entfaltet sich das Desaster: Deutschland greift Frankreich an. SPRECHERINAllerdings: Über das neutrale Belgien! Es liegt im Aufmarschgebiet der deutschen Divisionen. Ein klarer Völkerrechtsbruch mit enormen Folgen: Denn jetzt hat auch England einen Grund, um sich auf die Seite seiner Entente-Verbündeten zu schlagen. England erklärt Deutschland den Krieg. SPRECHERDeutschland, der eingekreiste Riese, hat nun endgültig einen schrecklichen Platz im Kreis der Großen gefunden. Es hat Österreich von der Leine gelassen, das neutrale Belgien überfallen und Frankreich angegriffen, damit es letztlich Krieg gegen Russland führen kann – um dadurch Österreich zu helfen. Nach dem Krieg wird es dafür zum Verursacher der Katastrophe erklärt werden. TC 12:29 – Outro
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Jul 11, 2024 • 32min

OMAS TASCHE UND DAS HITLER-ATTENTAT - Das Erbe (4/4)

"Der 20. Juli war der Schicksalstag unserer Familie". Das hat die Oma von Thies Marsen immer wieder behauptet. Und tatsächlich ändert sich nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler für das junge Paar alles. Von Thies Marsen (BR 2024)Credits Autor: Thies Marsen Regie: Martin Heindel Es sprachen: Thies Marsen, Maresa Sedlmeir, Sebastian Kempf, Friedrich Schloffer & Peter Veit   Technik: Robin Auld & Roland BöhmSounddesign: Dagmar Petrus  Redaktion: Nicole Ruchlak, Thomas Morawetz & Johannes Berthoud Eine Produktion des BR 2024 von RadioWissen und dem BR StoryTeam Literaturtipp: Sophie von Bechtolsheim, Verlag Herder (2019): Stauffenberg – Mein Großvater war kein Attentäter (Gesprächspartnerin in Folge 4) Linktipps: Gedenkstätte Deutscher Widerstand Sie ist ein Ort der Erinnerung, der politischen Bildungsarbeit, des aktiven Lernens, der Dokumentation und der Forschung. Mit einer umfangreichen Dauerausstellung, wechselnden Sonderausstellungen und einem vielfältigen Veranstaltungs- und Veröffentlichungsangebot informiert sie über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Gedenkstätte will zeigen, wie sich einzelne Menschen und Gruppen in den Jahren 1933 bis 1945 gegen die nationalsozialistische Diktatur gewehrt und ihre Handlungsspielräume genutzt haben. ZUR WEBSITE Dokumentation Obersalzberg    Die Dokumentation Obersalzberg ist ein Lern- und Erinnerungsort. Sie setzt sich mit der Geschichte des Obersalzbergs und der NS-Diktatur auseinander. Regelmäßige Veranstaltungen, öffentliche Rundgänge und ein umfangreiches Bildungsangebot ergänzen unsere Dauerausstellung. Fachlich betreut wird die Dokumentation Obersalzberg vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. ZUR WEBSITE Bundesarchiv Berlin: Benutzung und Auskunft aus der digitalisierten NSDAP-Mitgliederkartei Recherchen zu einzelnen Personen in der Mitgliederkartei werden auf Antrag durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesarchivs durchgeführt. Nutzerinnen und Nutzer erhalten daraufhin eine entsprechende Auskunft und – sofern vorhanden – Scans der Karteikarten. ZUM ARCHIV Militärarchiv Freiburg ZUM ARCHIV Besonderer Linktipp der Redaktion: 11 KM: der tagesschau-Podcast Geschichten zum Weitererzählen und Recherchen, die bewegen. 11KM ist ein aktuelles Thema in aller Tiefe – spannend, investigativ und hochwertig. Victoria Koopmann und die besten Journalist:innen der ARD nehmen euch mit ins Geschehen, liefern euch neue Perspektiven und tauchen mit euch ab. So steht "11KM" für die rund elf Kilometer, die es hinab geht zum tiefsten messbaren Punkt der Erde im Marianengraben. ZUM PODCAST Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN
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Jul 11, 2024 • 27min

OMAS TASCHE UND DAS HITLER-ATTENTAT - Der Anschlag (3/4)

Schon wenige Tage vor dem 20. Juli wollen die Attentäter um Stauffenberg Hitler töten - und zwar bei Berchtesgaden, auf dem Obersalzberg, dem zweiten "Führerhauptquartier". Zur selben Zeit sind ebenfalls in Berchtesgaden: Oma und Opa des Autors. Und eine Tasche, in der die Bombe für das Attentat versteckt ist... Von Thies Marsen (BR 2024)Credits Autor: Thies Marsen Regie: Martin Heindel Es sprachen: Thies Marsen, Maresa Sedlmeir, Sebastian Kempf, Friedrich Schloffer & Peter Veit   Technik: Robin Auld & Roland BöhmSounddesign: Dagmar Petrus  Redaktion: Nicole Ruchlak, Thomas Morawetz & Johannes Berthoud Eine Produktion des BR 2024 von RadioWissen und dem BR StoryTeam Linktipps: Gedenkstätte Deutscher Widerstand Sie ist ein Ort der Erinnerung, der politischen Bildungsarbeit, des aktiven Lernens, der Dokumentation und der Forschung. Mit einer umfangreichen Dauerausstellung, wechselnden Sonderausstellungen und einem vielfältigen Veranstaltungs- und Veröffentlichungsangebot informiert sie über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Gedenkstätte will zeigen, wie sich einzelne Menschen und Gruppen in den Jahren 1933 bis 1945 gegen die nationalsozialistische Diktatur gewehrt und ihre Handlungsspielräume genutzt haben. ZUR WEBSITE Dokumentation Obersalzberg    Die Dokumentation Obersalzberg ist ein Lern- und Erinnerungsort. Sie setzt sich mit der Geschichte des Obersalzbergs und der NS-Diktatur auseinander. Regelmäßige Veranstaltungen, öffentliche Rundgänge und ein umfangreiches Bildungsangebot ergänzen unsere Dauerausstellung. Fachlich betreut wird die Dokumentation Obersalzberg vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. ZUR WEBSITE Bundesarchiv Berlin: Benutzung und Auskunft aus der digitalisierten NSDAP-Mitgliederkartei Recherchen zu einzelnen Personen in der Mitgliederkartei werden auf Antrag durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesarchivs durchgeführt. Nutzerinnen und Nutzer erhalten daraufhin eine entsprechende Auskunft und – sofern vorhanden – Scans der Karteikarten. ZUM ARCHIV Militärarchiv Freiburg ZUM ARCHIV Besonderer Linktipp der Redaktion: Archivradio – Geschichte im Original   Das Radio: Seit einem Jahrhundert Wegbegleiter der deutschen Geschichte. Historische Tondokumente vermitteln ein Gefühl für wichtige Ereignisse und Stimmungen vergangener Jahrzehnte. Im Podcast „Archivradio – Geschichte im Orignal“ lassen sich so einmalige Momente und Ereignisse der Geschichte – fast wie live – anhören und miterleben. ZUM PODCAST Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN
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Jul 11, 2024 • 37min

OMAS TASCHE UND DAS HITLER-ATTENTAT - Der Opa (2/4)

Was hat sein Opa während des Nationalsozialismus gemacht? Thies Marsens Recherchen ergeben: Sein Großvater war ein Karriere-Offizier, der es tatsächlich bis in den Generalstab geschafft hat - in den näheren Umkreis von Hitler. Und er war an Wehrmachtseinsätzen beteiligt, von denen die Oma nie erzählt hat. Von Thies Marsen (BR 2024)Credits Autor: Thies Marsen Regie: Martin Heindel Es sprachen: Thies Marsen, Maresa Sedlmeir, Sebastian Kempf, Friedrich Schloffer & Peter Veit   Technik: Robin Auld & Roland BöhmSounddesign: Dagmar Petrus  Redaktion: Nicole Ruchlak, Thomas Morawetz & Johannes Berthoud Eine Produktion des BR 2024 von RadioWissen und dem BR StoryTeam Linktipps: Gedenkstätte Deutscher Widerstand Sie ist ein Ort der Erinnerung, der politischen Bildungsarbeit, des aktiven Lernens, der Dokumentation und der Forschung. Mit einer umfangreichen Dauerausstellung, wechselnden Sonderausstellungen und einem vielfältigen Veranstaltungs- und Veröffentlichungsangebot informiert sie über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Gedenkstätte will zeigen, wie sich einzelne Menschen und Gruppen in den Jahren 1933 bis 1945 gegen die nationalsozialistische Diktatur gewehrt und ihre Handlungsspielräume genutzt haben. ZUR WEBSITE Dokumentation Obersalzberg    Die Dokumentation Obersalzberg ist ein Lern- und Erinnerungsort. Sie setzt sich mit der Geschichte des Obersalzbergs und der NS-Diktatur auseinander. Regelmäßige Veranstaltungen, öffentliche Rundgänge und ein umfangreiches Bildungsangebot ergänzen unsere Dauerausstellung. Fachlich betreut wird die Dokumentation Obersalzberg vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. ZUR WEBSITE Bundesarchiv Berlin: Benutzung und Auskunft aus der digitalisierten NSDAP-Mitgliederkartei Recherchen zu einzelnen Personen in der Mitgliederkartei werden auf Antrag durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesarchivs durchgeführt. Nutzerinnen und Nutzer erhalten daraufhin eine entsprechende Auskunft und – sofern vorhanden – Scans der Karteikarten. ZUM ARCHIV Militärarchiv Freiburg ZUM ARCHIV Besonderer Linktipp der Redaktion: Tatort Geschichte – True Crime meets History Bei Tatort Geschichte verlassen Niklas Fischer und Hannes Liebrandt, zwei Historiker von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, den Hörsaal und reisen zurück zu spannenden Verbrechen aus der Vergangenheit: eine mysteriöse Wasserleiche im Berliner Landwehrkanal, der junge Stalin als Anführer eines blutigen Raubüberfalls oder die Jagd nach einem Kriegsverbrecher um die halbe Welt. True Crime aus der Geschichte unterhaltsam besprochen. Im Fokus steht die Frage, was das eigentlich mit uns heute zu tun hat. "Tatort Geschichte" ist ein Podcast von Bayern 2 in Zusammenarbeit mit der Georg-von-Vollmar-Akademie. ZUM PODCAST Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN
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Jul 11, 2024 • 28min

OMAS TASCHE UND DAS HITLER-ATTENTAT - Der Auftrag (1/4)

War Oma am Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt? Der Autor Thies Marsen ist zunächst sehr skeptisch, als ihm seine Großmutter eröffnet: Sie habe die Aktentasche besorgt, in der Graf von Stauffenbergs Bombe platziert war. Dann taucht er in die Familiengeschichte ein. Was er herausfindet, lässt ihn bis heute nicht los. Von Thies Marsen (BR 2024)Credits Autor: Thies Marsen Regie: Martin Heindel Es sprachen: Thies Marsen, Maresa Sedlmeir, Sebastian Kempf, Friedrich Schloffer & Peter Veit   Technik: Robin Auld & Roland BöhmSounddesign: Dagmar Petrus  Redaktion: Nicole Ruchlak, Thomas Morawetz & Johannes Berthoud Eine Produktion des BR 2024 von RadioWissen und dem BR StoryTeam Linktipps: Gedenkstätte Deutscher Widerstand Sie ist ein Ort der Erinnerung, der politischen Bildungsarbeit, des aktiven Lernens, der Dokumentation und der Forschung. Mit einer umfangreichen Dauerausstellung, wechselnden Sonderausstellungen und einem vielfältigen Veranstaltungs- und Veröffentlichungsangebot informiert sie über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Gedenkstätte will zeigen, wie sich einzelne Menschen und Gruppen in den Jahren 1933 bis 1945 gegen die nationalsozialistische Diktatur gewehrt und ihre Handlungsspielräume genutzt haben. ZUR WEBSITE Dokumentation Obersalzberg    Die Dokumentation Obersalzberg ist ein Lern- und Erinnerungsort. Sie setzt sich mit der Geschichte des Obersalzbergs und der NS-Diktatur auseinander. Regelmäßige Veranstaltungen, öffentliche Rundgänge und ein umfangreiches Bildungsangebot ergänzen unsere Dauerausstellung. Fachlich betreut wird die Dokumentation Obersalzberg vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. ZUR WEBSITE Bundesarchiv Berlin: Benutzung und Auskunft aus der digitalisierten NSDAP-Mitgliederkartei Recherchen zu einzelnen Personen in der Mitgliederkartei werden auf Antrag durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesarchivs durchgeführt. Nutzerinnen und Nutzer erhalten daraufhin eine entsprechende Auskunft und – sofern vorhanden – Scans der Karteikarten. ZUM ARCHIV Militärarchiv Freiburg ZUM ARCHIV Besonderer Linktipp der Redaktion: BAYERN 3 True Crime – Unter Verdacht Wer wird hier zu Recht, wer zu Unrecht verdächtigt? Was, wenn Menschen unschuldig verurteilt werden und ihnen niemand glaubt? Oder andersherum: Wenn der wahre Täter oder die wahre Täterin ohne Strafe davonkommen? In der 7. Staffel des erfolgreichen BAYERN 3 True Crime Podcasts sprechen Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens und BAYERN 3 Moderatorin Jacqueline Belle über neue spannende Kriminalfälle. Diesmal geht es um Menschen, die unter Verdacht geraten sind. Wer ist schuldig? Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Und werden am Ende immer die Richtigen verurteilt? ZUM PODCAST Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun? DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN

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