Alles Geschichte - Der History-Podcast

ARD
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Nov 7, 2025 • 23min

DIE NÜRNBERGER PROZESSE – Dimension und Folgen (4/4)

Die Nürnberger Prozesse setzen Maßstäbe für das internationale Strafrecht des 21. Jahrhunderts. Sie erheben den Anspruch, NS-Verbrechen juristisch aufzuarbeiten, statt Rache zu üben. Erläutert werden die vier Anklagepunkte und die Schaffung neuer Rechtsprinzipien. Der Einfluss der Prozesse reicht bis zum Internationalen Strafgerichtshof und prägt unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit. Nürnberg wird als Mahnmal für die Staatenwelt und als Stadt der Menschenrechte reflektiert, mit einem bleibenden Erbe: Verbrechen werden nicht vergessen.
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Nov 7, 2025 • 32min

DER NÜRNBERGER PROZESS – Die Täter und ihr Psychologe (3/4)

Katja Bürkle ist eine talentierte Sprecherin, die in dieser Folge dokumentarische Stimmen verleiht, während Thomas Lettow Interviews und Tagebuchauszüge kommentiert. Die beiden beleuchten die Verteidigungsstrategien von Angeklagten wie Albert Speer und Alfred Rosenberg. Speer zeigt sich kooperativ, räumt Mitverantwortung ein und behauptet irreführend einen Attentatsplan auf Hitler. Rosenberg bleibt unbelehrbar in seinem Antisemitismus. Die Episode analysiert die Psychologie der Täter und die komplexen Emotionen vor der Urteilsverkündung.
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Nov 7, 2025 • 26min

DER NÜRNBERGER PROZESS – Die Täter und ihr Psychologe (2/4)

In dieser Folge spricht Katja Bürkle, die als Sprecherin dramatische Texte vorträgt, mit Historiker Thomas Lettow über den Nürnberger Prozess. Sie erkunden die mysteriösen Reaktionen der Angeklagten auf die Beweise, insbesondere Rudolf Hess' skurrile Amnesie und Hans Franks widersprüchliche Reue. Lettow erläutert die tragende Rolle von Franks Tagebüchern und die Auswirkungen von dokumentarischen Filmen auf die Angeklagten. Die spannende Analyse der psychologischen Dynamik zwischen Tätern und ihrem Psychologen wirft ein faszinierendes Licht auf diesen historischen Prozess.
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Nov 7, 2025 • 24min

DER NÜRNBERGER PROZESS – Die Täter und ihr Psychologe (1/4)

Gustave M. Gilbert, US-Offizier und Psychologe, beobachtete die Angeklagten des Nürnberger Prozesses und dokumentierte seine Erkenntnisse in seinem ‚Nürnberger Tagebuch‘. Er diskutiert seine Methoden, darunter tägliche Gespräche und psychologische Tests. Alexander Korb liefert wertvolle Einblicke in den historischen Kontext und die Persönlichkeiten der Angeklagten. Besonders spannend ist die Frage nach einer ‚Nazi-Psyche‘ und die verschiedenen Charaktere wie Göring und Keitel, die ihre Verhaltensweisen und Motivationen offenbaren.
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Nov 5, 2025 • 2min

TRAILER - Seweryna und die unsichtbaren Nazis

Die 26jährige Polin Seweryna Szmaglewska wird im Zweiten Weltkrieg in ihrer Heimat von der Gestapo verhaftet und ins KZ Birkenau gebracht. Dort ist sie fast 1000 Tage. Immer wieder geht sie besonders hohe Risiken ein, um zu erfahren, welche Verbrechen die Nationalsozialisten begehen. Heimlich macht Seweryna Notizen von dem, was sie erlebt, wie etwa Kinder von ihren Müttern getrennt und getötet werden. Davon berichtet sie 1946 als Zeugin im Nürnberger Prozess. Den vierteiligen NDR-Podcast "Seweryna und die unsichtbaren Nazis" gibt's ab dem 19. November hier in "Alles Geschichte".Bei uns in „Alles Geschichte“ ist der 80. Jahrestag des Prozessauftakts zu den Nürnberger Prozessen Schwerpunkt. Schon ab dem 7. November gibt’s hier die Staffel: „Der Nürnberger Prozess – Die Täter und ihr Psychologe“. Und in der ARD Mediathek erscheint am 9. November das große Doku-Drama „Nürnberg 45“.
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Oct 31, 2025 • 23min

WAHR ODER GELOGEN - Fake News früher

Falsche Todesnachrichten, angebliche Krankheitsüberträger, geleugnete Niederlagen: Herrscher setzten schon vor vielen hundert Jahren auf Fake News. Von Claudia Steiner (BR 2025)CreditsAutor dieser Folge: Claudia SteinerGesprochen haben: Katja Amberger, Burchard DabinnusIn der Technik war: Simon LobenhoferRegie: Kirsten BöttcherRedaktion: Nicole RuchlakIm Interview: Daniel Bellingradt, Professor am Institut für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg; Roxane Bicker, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München; Diego De Brasi, Junior-Professor für Gräzistik, Universität Trier Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025 Besonderer Linktipp der Redaktion: WDR: nah dran - die Geschichte hinter der Nachricht Onlinebetrug und moderne Sklaverei – wie funktionieren die Methoden der Cybermafia? Oder: Macht der Massentourismus die Kanaren kaputt? Der nah dran-Podcast vom WDR spricht mit Reporterinnen und Reportern, die wirklich „nah dran“ sind an einem Thema. Dort erfahrt ihr Hintergründe zu aktuellen Themen. ZUM PODCAST Linktipps: WDR (2025): Mutter aller Fake-News? Die New York Sun "entdeckt" den Mond Die New York Sun berichtet ab 25.8.1835 über Fledermausmenschen und Tempel auf dem Mond. Als Satire gedacht, wird es die Geburtsstunde des Boulevardjournalismus. ZUM PODCAST Deutschlandfunk Nova (2024): Bilder, die lügen - Wie uns Propaganda betrügt Bilder entscheiden darüber, wie Geschichte aussieht und wie sie erzählt wird. Wer ihre Manipulation versteht, kommt auch der Wahrheit ein bisschen näher – von der Sowjetzeit über den Nationalsozialismus bis zur russischen Propaganda von heute. ZUM PODCAST ZDF (2022): Meinungsmacher  Die Geschichte wird fortlaufend von einflussreichen Persönlichkeiten geprägt. Um ihre Ansicht zu verbreiten und Macht auszuüben, nutzen Meinungsmacher die Medien ihrer Zeit auf geschickte Weise. ZUR DOKU Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:ARD Audiothek | Alles GeschichteJETZT ENTDECKEN Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: SPRECHERIN Es ist eine der bekanntesten Fake News der Geschichte – ein Großskandal: Juden schänden geweihte Hostien. Sie durchstächen die Hostien mit einem spitzen Werkzeug, so dass sie bluten. Legenden über den angeblichen Hostienfrevel kamen offenbar erstmals im Jahr 1290 in Paris auf. Nach katholischem Glauben ist Jesus Christus in der geweihten Hostie präsent. Deshalb wurden die Juden bezichtigt, die Tötung Christi zu wiederholen, indem sie die Hostien als Leib Christi verletzten. Auch in Röttingen bei Würzburg gingen solch judenfeindliche Verleumdungen um. Davon zeugt sogar ein Ölgemälde, das lange Zeit in der Röttinger Pfarrkirche hing. SPRECHER Erzählt wurde, dass ein Mesner Juden Hostien verkauft habe. In der Osternacht sollen die Juden dann mit Klingen auf die Hostien eingestochen haben, die daraufhin zu bluten begangen. Entsetzt sollen sie die entweihten Hostien in die Tauber geworfen haben. Das Wasser habe sich blutrot gefärbt. Flussabwärts beim Kloster Schäftersheim seien die Hostien aus dem Wasser gefischt worden. Danach seien feurige Lichter über dem Mesnerhaus und der Synagoge erschienen. SPRECHERIN Ausgangspunkt für diesen Vorwurf waren vermeintliche Blutflecken auf den Hostien. In Wirklichkeit kamen die roten Flecken von Bakterien, die einen Farbstoff bildeten. Diese Fake News hatte grausame Folgen: Am 20. April 1298 wurden in einem ersten Massaker die 21 Juden der Stadt Röttingen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Weitere Morde folgten. Im Nürnberger Memorbuch, einem jüdischen Totengedenkbuch sind die Namen von 3.441 ermordeten Jüdinnen und Juden aus mehr als 40 Orten aufgeführt. Diese historische Falschmeldung aus dem 13. Jahrhundert ist Teil eines verschwörungsideologischen, antijudäischen, antisemitischen Weltbildes. Immer wieder wurden und werden Lügen über Juden verbreitet – mit katastrophalen Folgen bis heute. SPRECHERIN Historische Fake News, damals nicht global, sondern meist lokal oder regional, nicht digital, sondern analog. Verbreitet wurden die Falschmeldungen mündlich, auf Papyrus, per Brief, Flugschrift oder später in Zeitungen. SPRECHERIN Der Begriff Fake News kommt aus dem Englischen und bedeutet „gefälschte Nachricht“ oder „Falschnachricht“. Fake News werden heute in den Medien und im Internet, besonders in den Sozialen Medien verbreitet, und zwar in manipulativer Absicht.
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Oct 31, 2025 • 22min

WAHR ODER GELOGEN - Der Erfinder der PR, Edward Bernays

Michael Kunczik, ein Publizist und Experte für Public Relations und Propaganda, diskutiert die kontroversen Methoden von Edward Bernays, dem "Mister Meinungsmacher" des 20. Jahrhunderts. Er erläutert, wie Bernays Kriege für US-Präsidenten medial inszenierte und die Öffentlichkeit manipulierte. Die Rolle der Medien im Staatsstreich von Guatemala und Bernays’ Techniken, um Zigaretten als Symbol weiblicher Freiheit zu vermarkten, werden ebenfalls thematisiert. Eine spannende Auseinandersetzung mit Ethik, Propaganda und dem Einfluss von Freuds Theorien auf die Massenpsychologie.
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Oct 31, 2025 • 23min

WAHR ODER GELOGEN - Die Dolchstoßlegende

Ein Dolchstoß von hinten - Verrat an den kämpfenden Soldaten? Am Ende des Ersten Weltkrieges verschleierte die kaiserliche Militärführung ihr Scheitern. Rechte Verschwörungslegenden machten stattdessen die demokratischen Politiker der Weimarer Republik für die Kriegsniederlage verantwortlich. Und zur Zielscheibe rechter Gewalt. Von Renate Eichmeier (BR 2024)CreditsAutor dieser Folge: Renate EichmeierGesprochen haben: Katja Amberger, Christian BaumannIn der Technik war: Daniela RöderRegie: Sabine KienhöferRedaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Prof. Dr. Martina Steber, Professorin für Neueste Geschichte an der Universität Augsburg und Stellvertretende Direktorin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025 Linktipps: Bayern 2 (2025): Philosophie auf Abwegen - Eine kleine Geschichte der Verschwörung Fakt oder Verschwörung? Im Zweifel an der Wirklichkeit kann sich das Denken in Verschwörungstheorien verlieren. Doch auch Philosophie zweifelt an der Wirklichkeit. Wo hört Denken auf - wo fängt der Wahn an? Eine Gratwanderung in die Abgründe der Skepsis. ZUM PODCAST ARTE (2020): _Underscore (1/5) - Die Ästhetik der Verschwörung Haben erfolgreiche Verschwörungen eine bestimmte Ästhetik? Wie trugen digitale Medien zu ihrer Formung bei? Fragmente zensierter Dokumente, veränderte Screenshots und beschädigte Fotos finden wir dann als typische Zeugnisse vor. Es ist, als ob das Bild selbst in Zeiten von Pixeln und Bites weiterhin als eine Art Wahrheitsreferenz herhalten muss. Dabei wusste Susan Sontag schon vor dem Internet, dass jedes Bild lügt - im Digitalen ganz besonders. ZUR DOKU Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.  Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:ARD Audiothek | Alles GeschichteJETZT ENTDECKEN Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: ERZÄHLERIN: August 1921. Gegen 11 Uhr vormittags. In der Nähe von Bad Griesbach hallen Schüsse durch den Schwarzwald. Sie gelten einem Mann, der mit einem Parteikollegen einen Spaziergang in seiner schwäbischen Heimat macht: Matthias Erzberger, Mitte 40, Gehrock, dunkle Hose, schwarzer Hut, Politiker des katholischen Zentrums, bis vor wenigen Monaten Finanzminister der Weimarer Republik. Matthias Erzberger wird von den Schüssen schwer verletzt, versucht zu fliehen, stürzt an einem Abhang, am Boden liegend treffen ihn weitere Kugeln. Die beiden Attentäter kommen aus rechtsextremen Netzwerken. Vor seiner Ermordung wurde Matthias Erzberger wie andere führende Politiker der Weimarer Republik von rechtsnationalen Kreisen mit Hetzkampagnen gejagt. ERZÄHLER: Fort mit Erzberger! Vaterlandsverräter! Novemberverbrecher! Verrat an den kämpfenden Soldaten! Ein Dolchstoß von hinten! ERZÄHLERIN: Am Ende des Ersten Weltkrieges hatte die Militärführung des Deutschen Kaiserreiches ihr Scheitern verschleiert und damit den Boden für rechte Verschwörungslegenden bereitet. Diese machten die demokratischen Politiker der Weimarer Republik für die Kriegsniederlage verantwortlich. Und zur Zielscheibe rechter Gewalt. Prof. Dr. Martina Steber: In rechten Kreisen, in rechtsextremen Kreisen wird dieser Begriff des Dolchstoßes beständig überall aufgegriffen und wird zu einer Propaganda-Formel, zu einer Hetz-Formel, die Gewalt legitimiert, nämlich 'ne Gewalt, die sich dann in Morden an diesen führenden Vertretern der Novemberrevolution dann auch breit macht. ERZÄHLER: So die Historikerin Martina Steber, Professorin für Neueste Geschichte an der Universität Augsburg und Stellvertretende Direktorin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin. Prof. Dr. Martina Steber: Man kann sagen, dass das die Funktion hat, die historische Realität tatsächlich zu verschleiern. ERZÄHLERIN: Die historische Realität? Um sie zu verstehen, muss man zurückgehen zum Beginn des Ersten Weltkrieges.
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Oct 17, 2025 • 24min

MEDIZINGESCHICHTEN - Die Macht der Syphilis

Die Geschlechtskrankheit Syphilis wurde sogar als biologische Waffe eingesetzt. Denn wenn sich zu viele Soldaten ansteckten, konnte die Infektion kriegsentscheidend sein. Hunderttausende Menschen starben an Syphilis. Erst vor rund 100 Jahren hat man eine wirksame Waffe gegen den Erreger gefunden: Das Antibiotikum Penicillin. Von Lukas Grasberger (BR 2022)CreditsAutor dieser Folge: Lukas GrasbergerRegie: Sabine KienhöferEs sprachen: Christian Baumann, Andreas NeumannTechnik: Roland BöhmRedaktion: Nicole RuchlakIm Interview: Prof. Norbert Brockmeyer (Mediziner, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft), Prof. Verena Schünemann (Medizinerin für Evolutionäre Medizin), Dr. Lutz Sauerteig (Medizinhistoriker), Prof. Martin Tobin (US-Autor)Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025Besonderer Linktipp der Redaktion:SWR (2025): Der Schrei – Der rätselhafte Fall Rafael Blumenstock Seit 35 Jahren lässt eine Geschichte die Menschen in Ulm nicht los: Der Fall Rafael Blumenstock. Im November 1990 findet man den 28-Jährigen tot auf dem Münsterplatz - nur wenige Schritte vom Polizeipräsidium entfernt. Nur eine einzige Zeugin will seine Schreie gehört haben. Rafael fällt auf: Er spaziert mit Lippenstift und Handtasche durch die Stadt und tritt in langen Kleidern auf der Bühne auf. Wurde Rafael Blumenstock Opfer, weil ihn Ulm als anders wahrgenommen hat? ZUM PODCASTLinktipps tagesschau (2024): Mehr Sex, mehr Syphilis, mehr Scham Syphilis ist seit Jahren auf dem Vormarsch. Obwohl die gefährliche Krankheit leicht behandelbar ist, scheuen Betroffene teils den Arztbesuch: Sie schämen sich zu sehr. In dieser Folge von 11KM: der tagesschau-podcast geht Datenjournalistin Claudia Kohler auf die Suche nach den Ursachen. Warum nehmen Geschlechtskrankheiten zu und was macht den Kampf dagegen so schwierig? ZUR FOLGE Bayern 2 (2023): Aus Versehen genial - Wie der Zufall zu neuen Entdeckungen führte Penicillin, Röntgenstrahlen oder auch die Pockenimpfung - viele Meilensteine der Medizin verdanken wir dem Zufall. Aber auch alltägliche Dinge wie Tesafilm, die Mikrowelle oder das Eis am Stiel waren eigentlich so nie geplant. Wie kam es zu diesen Entdeckungen? Und was begünstigt Zufallsfunde? ZUR FOLGEUnd hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.Alles Geschichte gibt es auch in der ARD Audiothek:ARD Audiothek | Alles GeschichteJETZT ENTDECKENLesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: SPRECHER Es ist ein Brandbrief, den ein Sekretär im Jahr 1503 an Kaiser Maximilian I schickt: Soldaten sind Opfer einer bösartigen, unbekannten Seuche geworden. ZITATOR „Die einen waren vom Scheitel bis zu den Knien mit einer zusammenhängenden, fürchterlichen schwarzen Art von Krätze überzogen, und dadurch so abschreckend, dass sie, von allem Kameraden verlassen, sich in der Einsamkeit den Tod wünschten; die anderen hatten diese Krätze an einzelnen Stellen, aber härter als Baumrinde, am Vorder- und Hinterkopfe, an der Stirne, dem Halse, der Brust, dem Gesäße und zerrissen sich dieselben vor heftigem Schmerze mit Nägeln. Die übrigen starrten an allen Körperteilen von einer solchen Menge von Warzen und Pusteln, dass ihre Zahl nicht zu bestimmen war.“ SPRECHER Die Syphilis war in Europa angekommen – eine tückische Krankheit, die in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten von Italien bis Estland, von Russland bis nach Portugal ziehen sollte. Doch wo kam sie her – diese rätselhafte, extrem ansteckende Seuche? War sie ein Souvenir, das Christoph Kolumbus von seiner ersten Expedition nach Südamerika nach Europa einschleppte? Lange galt das als unstrittig und auch heute sind viele Wissenschaftler davon überzeugt. Kolumbus landete im Mai 1493 in Barcelona. Dort wurden bald infizierte Seeleute bei einem Arzt vorstellig, der notierte: Die neue Krankheit stamme von der Karibik-Insel Hispaniola, wo die Mannschaft des Entdeckers mit Eingeborenen in Berührung gekommen sei. Deutlicher wurde seinerzeit ein spanischer Geschichtsschreiber: „Die Krankheit“, so hielt es Gonzalo Fernández de Oviedo fest, „wird am leichtesten durch Geschlechtsverkehr übertragen, wie man es oft beobachtet hat ... Von den Spaniern, die mit den indianischen Weibern verkehrten, entgingen nur wenige der Ansteckung.“ Von den Häfen Spaniens sei die Krankheit dann nach Italien und in andere Länder gelangt. Doch: War es wirklich so einfach? Stimmte das so plausible wie willkommene Erklärungsmuster, nach dem die Syphilis gleichsam eine gerechte Antwort darstellte auf die mörderischen Krankheitserreger, die die Europäer nach Amerika einschleppten und durch die Völker sogar ausgelöscht worden waren? Zweifel an der These, dass Kolumbus die Syphilis aus Amerika nach Europa brachte, säten unlängst nicht nur Funde aus Niederösterreich: Archäologen gruben 2019 in Sankt Pölten das Skelett eines Kindes aus, das für Syphilis typische Zahnmissbildungen aufwies. Die Forscher datierten den Todeszeitpunkt auf mindestens 50 Jahre vor Kolumbus`Reisen. Auch Paläogenetiker der Universität Zürich fanden Hinweise darauf, dass die Syphilis bereits vor Christoph Kolumbus in Europa grassiert haben könnte.  Prof. Verena Schünemann „Wir haben im Moment Genome, die aus dieser Zeit kommen.“  SPRECHER …sagt die Züricher Forscherin Verena Schünemann, die DNA-Proben alter Knochen aus Finnland, Estland und den Niederlanden auf Syphilis-Erreger hin untersucht hat.  O-TON Schünemann „Das heißt, man kann sagen: Ja, sie kommen aus dem 15. Jahrhundert! Aber ob sie davor oder danach sind – das ist bei diesen Proben ein bisschen schwierig.  SPRECHER Sie habe – das räumt die Professorin für evolutionäre Medizin ein - nicht mehr in der Hand als eine Indizienkette, die sich indes nach und nach verdichte. Da sind zum einen die Berechnungen der Forscher, nach denen sich der Vorgänger aller modernen Syphilis-Formen vor mindestens 2500 Jahren entwickelt haben muss - und womöglich seinen Ursprung in Europa hatte. Und da ist der Fakt, dass es schon zum Ende des 15. Jahrhunderts eine große Vielfalt von Unterarten des Erregers Treponema pallidum in Europa gab – was gegen die bisherige Annahme steht, erst Kolumbus und seine Mannschaft hätten die Syphilis neu eingeschleppt.
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Oct 17, 2025 • 24min

MEDIZINGESCHICHTEN - Weiße Kittel im Ost-West-Konflikt

Menschenversuche im "Kalten Krieg" - im Namen der Feindesabwehr wurden zigtausende Menschen zu medizinischen Versuchskaninchen. Im Osten wie im Westen. Zum Beispiel gab es radioaktive Verseuchung von Menschen in der Sowjetunion genauso wie Experimente mit Drogen und giftigen Chemikalien an Strafgefangenen in den USA. Von Lukas Grasberger (BR 2018)CreditsAutor dieser Folge: Lukas GrasbergerRegie: Sabine KienhöferEs sprachen: Katja Amberger, Johannes Hitzelberger, Martin FogtTechnik: Adele KurdzielRedaktion: Nicole RuchlakIm Interview: Allen Hornblum (US-Autor), Prof. Wolfgang U. Eckart (Medizinhistoriker, ehem. Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Uni Heidelberg), verstorben 2021Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025Besonderer Linktipp der Redaktion:MDR (2025): DNA des Ostens 35 Jahre sind wir wiedervereint, aber die Unterschiede zwischen Ost und West sind nach wie vor ein Thema. Man könnte sagen, die Wiedervereinigung ist unvollendet. Menschen im Osten fühlen sich als Bürger zweiter Klasse - der Westen schaut dagegen oft mit Unverständnis gen Osten. In „DNA des Ostens“ stellt Host Anna Thalbach die Fragen: Warum ist das Zusammenwachsen so schwierig? Und wie könnte es besser gehen? ZUM PODCAST Linktipps Deutschlandfunk Kultur (2025): Späte Einsicht – Deutsche Ärzte arbeiten NS-Vergangenheit auf Keine andere akademische Gruppe hat sich so konsequent und bedingungslos dem Nationalsozialismus unterworfen wie die deutsche Ärzteschaft. Ihre Vergehen und Verbrechen blieben lange unaufgearbeitet. Jetzt findet ein Umdenken statt. JETZT ANHÖREN Bayern 2 (2022): Ohne Zustimmung geht gar nichts - 75 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess Im Dritten Reich beteiligten sich viele Mediziner ohne Skrupel an Menschenversuchen, bis hin zum Tod. Aber nur wenige davon mussten sich beim Nürnberger Ärzteprozess verantworten. Es ist ein Prozess, der bis heute große Bedeutung hat, wenn es um die Selbstbestimmung der Patienten geht. JETZT ANHÖREN Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.Alles Geschichte gibt es auch in der ARD Audiothek:ARD Audiothek | Alles GeschichteJETZT ENTDECKENLesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: SPRECHERIN   Nürnberg im Dezember 1946: Ein junger Arzt ringt bei seiner Aussage als Zeuge vor dem Kriegsverbrechertribunal mit sich - und um die Wahrheit.  O-Ton Wolfgang Lutz, NS-Luftfahrtmediziner „Wir gingen dabei von der Voraussetzung aus, dass kriegswichtige Versuche vorgenommen werden. Deren Ergebnis geeignet ist, das Leben von Soldaten zu retten. Und dass diese Versuche ausgeführt werden an kriminellen Verbrechern, die durch ein ordentliches Gericht zum Tode verurteilt worden sind. Und denen durch Teilnahme an den Versuchen die Möglichkeit gegeben wird, begnadigt zu werden. Und wir haben das reichlich hin- und her diskutiert – aber wir sind nicht zu einem ganz eindeutigen Ergebnis gekommen.“ SPRECHERIN   Worüber der Mediziner Wolfgang Lutz mit Kollegen diskutiert haben will - das waren Menschenversuche: vorgenommen an Häftlingen im KZ Dachau. Die Versuchsperson wurde dabei etwa in eine Unterdruckkammer gesteckt, um den Absturz eines Kampfpiloten aus großer Höhe zu simulieren. Dutzende Häftlinge kamen bei den so genannten Höhenversuchen in Dachau ums Leben. Allein bei medizinischen Menschenexperimenten in Konzentrationslagern sollen mindestens 20.000 Menschen ermordet worden sein; insgesamt gab es Schätzungen von Forschern zufolge fast 200.000 Todesopfer allein im Namen der NS-Medizin. Lediglich 20 Ärzte und drei Nichtmediziner mussten sich ab 1946 dafür bei den „Nürnberger Ärzteprozessen“ verantworten. Es war ein amerikanisches Militärgericht, das ihnen den Prozess machte, betont Allen Hornblum, Verfasser mehrerer Bücher zur Ethik in der Medizin. Die Vertreter der Vereinigten Staaten agierten dabei aus einer Position der ethisch-moralischen Überlegenheit, so der amerikanische Autor.  SPRECHER: O-Ton Allen Hornblum, US-Autor „Wir haben den Nazi-Ärzten, Deutschland und dem Rest der Welt gezeigt, wie medizinische Versuche ausgeübt werden sollten. Und die Juristen haben in der Urteilsbegründung den „Nürnberger Kodex“ entwickelt: Den bis heute wohl besten Kodex, um Menschen zu schützen, die an wissenschaftlichen Versuchen teilnehmen.“  SPRECHERIN Nie wieder sollten Probanden mit Gewalt oder Zwang, durch Täuschung oder Überredung dazu gebracht werden, an medizinischen Versuchen teilzunehmen. Nie wieder sollten Ärzte Experimente an Menschen vornehmen, bei denen diese von vorneherein der Tod oder ein dauernder Schaden erwartet. Versuche sind demnach auch immer nur dann zulässig, wenn der Proband weiß, was mit ihm passiert: Wenn er aus freiem Willen eine verständige und informierte Entscheidung trifft. All dies wurde im „Nürnberger Kodex“ dauerhaft festgeschrieben - und fand angesichts der nationalsozialistischen Medizinverbrechen Konsens der Ärzteschaft weltweit. Doch die Tinte unter dem „Nürnberger Kodex“ war kaum trocken, schon wurde er gebrochen, sagt Medizinhistoriker Wolfgang U. Eckart, Autor eines Buchs zur Medizin in der NS-Diktatur. O-Ton Prof. Wolfgang U. Eckart „Es ist ganz erstaunlich, dass trotz der Nürnberger Erklärung (…) dass dann trotzdem sehr intensiv auf amerikanischer, aber auch auf französischer Seite, vermutlich auch auf sowjetischer Seite Humanexperimente angestellt wurden. Dass ganz deutlich gegen diese Nürnberger Deklaration verstoßen wurde - und zwar in einem großen Umfang.“ SPRECHER: O-Ton Hornblum OV Die amerikanische Medizin fand nach dem Krieg keinen Bezug zu den Ärzteverbrechen der Nazis – und wollte ihn vielleicht auch nicht finden. Das waren doch keine echten Ärzte! Das waren doch abscheuliche Betrüger und Folterer – das dachte man. Die echte Medizin wird doch von Menschen gemacht, die verschiedene Eide geschworen haben, das Leben von Menschen zu retten und zu bewahren.“ SPRECHERIN Jenseits des Atlantiks wähnte man sich auf der „richtigen Seite“, sagt Allen Hornblum. Auf der „richtigen Seite zu stehen“ - das war bald weniger eine moralische, als vielmehr eine strategische Anforderung: Aus dem Ringen der Siegermächte um die Ordnung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg war schnell ein Wettstreit der Systeme von Ost und West geworden. Den die Sowjets wie die USA mit Hilfe der besten Köpfe zu gewinnen trachteten. 

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