Benedikt Wisniewski: Lieber weniger statt mehr machen! Das Konzept der De-Implementierung
Dec 16, 2024
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Benedikt Wisniewski, Schulpsychologe und Autor, beleuchtet das Konzept der De-Implementierung im Bildungswesen. Er schlägt vor, überflüssige Aufgaben zu reduzieren, um Lehrern Zeit zu sparen und die Schulqualität zu verbessern. Wisniewski erklärt, dass weniger Korrekturen möglicherweise nicht schlechtere Lernresultate bedeuten und diskutiert die Herausforderungen, die mit der Abkehr von tradierten, ineffektiven Praktiken verbunden sind. Sein Ansatz erfordert ein Umdenken und politische Unterstützung, um Veränderungen nachhaltig zu gestalten.
Die De-Implementierung zielt darauf ab, ineffektive Praktiken in Schulen abzubauen, um Schulqualität zu verbessern und Lehrkräfte zu entlasten.
Ein Umdenken in der Lehrerbildung ist notwendig, um zukünftige Lehrkräfte für die Wichtigkeit von Effektivität und der Reduktion von Aufwand zu sensibilisieren.
Deep dives
Das Konzept der Deimplementierung
Deimplementierung ist ein Ansatz, der aus der Medizin kommt und sich darauf fokussiert, ineffektive oder schädliche Praktiken abzubauen. Dieses Konzept umfasst die Reduktion von Maßnahmen, die nachweislich wenig oder keinen Nutzen haben, und wird in der Schulbildung zunehmend als notwendig erachtet. Viele Lehrkräfte sind jedoch an das 'Mehr ist besser'-Denken gewöhnt, wodurch das Loslassen gewohnter Praktiken als schwierig empfunden wird. Der Schlüssel zur erfolgreichen Deimplementierung liegt darin, diese Praktiken basierend auf empirischen Ergebnissen und ihrer bewiesenen Wirksamkeit zu identifizieren und abzulehnen.
Psychologische Barrieren
Psychologische Mechanismen spielen eine zentrale Rolle dabei, warum Lehrerinnen und Lehrer oft Schwierigkeiten haben, ineffektive Praktiken abzulehnen. Das Selbstkonzept als engagierter Lehrer wird stark mit der quantitativen Arbeitsbelastung verknüpft, was bedeutet, dass Lehrkräfte die Rückmeldung und Anerkennung für ihre Mühen oft in der Menge der geleisteten Arbeit sehen. Das führt zu einem Status Quo Bias, bei dem Veränderungen als Bedrohung für das eigene berufliche Selbstverständnis wahrgenommen werden. Diese tief verwurzelten Überzeugungen können die Deimplementierung von weniger wirksamen Methoden erheblich erschweren.
Mangelnde Rückmeldungsmöglichkeiten im Schulsystem
Im Bildungsbereich fehlt es häufig an effektiven Rückmeldemechanismen zur Messung der Arbeitsqualität und -leistung von Lehrkräften. Bei der Beurteilung von Lehrern spielen oft weniger valide Kriterien wie die Quantität der geleisteten Arbeiten eine größere Rolle als die tatsächliche Effektivität ihrer Lehrerfahrung. Darum ist es schwierig, ein Umdenken in Richtung weniger Aufwand und mehr Qualität zu fördern. Ein System, das quantitatives Engagement als Zeichen für die Qualität der Lehrtätigkeit ansieht, steht der notwendigen Reduzierung von ineffektiven Praktiken entgegen.
Strategien zur Umsetzung von Deimplementierung
Für eine erfolgreiche Deimplementierung sollte nicht nur auf der Ebene einzelner Lehrer, sondern auch auf der Ebene der Schulleitung und Bildungspolitik Anreize geschaffen werden. Das bedeutet konkret, dass bei Einführung neuer Programme klare Bewertungen ihrer Wirksamkeit vorgenommen und ineffektive Maßnahmen abgebaut werden sollten. Eine transparente Kommunikation und das Setzen klarer Anreize sind entscheidend, um den Lehrkräften die Entscheidung für weniger Aufwand zu erleichtern. Zudem muss die Lehrerbildung dahingehend angepasst werden, dass zukünftige Lehrkräfte von Anfang an mit der Idee der Effektivität und der Notwendigkeit des Weglassens vertraut gemacht werden.
Was würde passieren, wenn man Korrekturen, etwa von Deutsch-Klausuren, einfach weglässt und statt dessen ein kurzes Feedback formuliert? Es gibt Untersuchungen, dass Schülerinnen und Schüler dadurch gar nicht unbedingt besser lernen. Und: Lehrkräfte könnten massiv Zeit sparen. Doch an der Schule gibt es häufig die Vorstellung: "Only a busy teacher is a good teacher", nur wer viel arbeitet, macht gute Arbeit.
Benedikt Wisniewski
Benedikt Wisniewski, Schulpsychologe, Autor und langjähriger Lehrer, schlägt vor, Konzepte, Aufgaben oder Tätigkeiten zu reduzieren, zu "de-implementieren". Dadurch ließe sich Schulqualität steigern oder Stress bei Lehrerinnen und Lehrern senken. Was es für eine erfolgreiche De-Implementierung braucht, welche Herausforderungen, Hindernisse und Chancen dieses Konzept mit sich bringt, davon erzählt er in dieser Episode.
Podcast "Psychologie fürs Klassenzimmer"
Podcast von Benedikt Wisniewski | https://www.podcast.de/podcast/3059457/psychologie-fuers-klassenzimmer
Spezial: De-Implementierung | Gespräch mit John Hattie | https://www.podcast.de/episode/641367791/spezial-de-implementierung-gespraech-mit-john-hattie-deutsche-ki-uebersetzung
Literatur
Benedikt Wisniewski, Barbara Gottschling: Weniger macht Schule – Wie De-Implementierung schulische Freiräume schafft (Februar 2025)
Ewald Terhart: Fremde Schwestern – Zum Verhältnis von Allgemeiner Didaktik und empirischer Lehr-Lern-Forschung