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Mar 14, 2025 • 22min

Mythos Titanic - Ein unsinkbares Drama

Der Untergang der Titanic ist "Kult". Kitschige Schneekugeln mit dem untergehenden Schiff, Titanic-Tassen und sogar buchbare Tauchexpeditionen zum versunkenen Wrack haben als Resultat eines modernen Mythos in den Hintergrund gedrängt, dass hier über 1.500 Menschen starben. Von Frank Halbach (BR 2023) Credits Autor dieser Folge: Frank Halbach Regie: Frank Halbach Es sprachen: Laura Maire, Stefan Wilkening, Sven Hussock Technik: Monika Gsaenger Redaktion: Susanne Poelchau Im Interview:Prof. Dr. Linda Maria Koldau, Kulturhistorikerin, Autorin von „Titanic. Das Schiff, der Untergang, die Legenden“, München 2012. Das Manuskript zur Folge gibt es HIER. Diese hörenswerten Folgen von radioWissen könnten Sie auch interessieren: Seenotrettung - Einsatz in höchster GefahrJETZT ANHÖREN Seekrankheit - Qual bei Seegang JETZT ANHÖREN Literaturtipps: Robert D. Ballard, Michael S. Sweeney: Return to Titanic. Washington DC 2004. Linda Maria Koldau: Titanic – Das Schiff – Der Untergang – Die Legenden. München 2012. Walter Lord: Die Titanic-Katastrophe. München 2002. Wolf Schneider: Mythos Titanic. Hamburg 1987.Und noch ein besonderer Tip der Redaktion:Vom 14. März 2025 bis 6. Januar 2026 sehen Sie im Lokschuppen Rosenheim die  Ausstellung Titanic - Ihre Zeit. Ihr Schicksal. Ihr Mythos mit Originalartefakten, einer immversiven Multimedia-Installation und dramatischen Passagiergeschichten, die den Untergang des berühmten Schiffes lebendig werden lassen.HIER geht es zur Website Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | RadioWissen JETZT ENTDECKEN
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Mar 14, 2025 • 22min

Der Traum - Das unbekannte Hirngespinst

Der Traum ist eine im Schlaf auftretende Abfolge von Vorstellungen, Bildern, Ereignissen, Erlebnissen - so definiert es der Duden. Doch wie kommen diese Bilder zustande? Woher rühren die Vorstellungen? Und was nützen sie? Fest steht: Wir träumen viel mehr, als uns bewusst ist. Und wir können auch ganz bewusst träumen. Von Inga Pflug (BR 2023)CreditsAutorin dieser Folge: Inga PflugRegie: Christiane KlenzEs sprachen: Caroline Ebner und Stefan MerkiTechnik: Regina StaerkeRedaktion: Iska Schreglmann Das Manuskript zur Folge gibt es HIER. Diese hörenswerten Folgen von radioWissen könnten Sie auch interessieren: Stufen des Bewusstseins - Trance, Meditation, Schlaf, HypnoseJETZT ANHÖREN Das gewaltige Dunkel - Eine Kulturgeschichte der Nacht JETZT ANHÖREN Angst vor der Dunkelheit - Was die Finsternis unheimlich machtJETZT ANHÖREN Interviewpartner/innen dieser Folge:Lucas Krieg, Künstler & Traumcoach in Nürnberg, traum-studio.de;Dr. Thomas Schreiner, Lehrstuhl für Kognitive Neuropsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München;Prof. Dr. Michael Schredl, Traumforscher, Wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors Mannheim;Prof. Dr. Tobias Staudigl, Lehrstuhl für Kognitive Neuropsychologie an der LMU München Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | RadioWissen JETZT ENTDECKEN
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Mar 14, 2025 • 23min

Schlafen - Wer bin ich in meinen Träumen?

Schlaf fasziniert die Menschen seit jeher: Wie nah ist man im Schlaf dem Tod? Was oder wer ist man überhaupt im Schlaf? Philosophie, Literatur, Medizin oder Naturwissenschaften geben Antworten darauf. Die sind über die Jahrtausende hinweg allerdings sehr verschieden. Von Susi Weichselbaumer (BR 2024) Credits Autorin dieser Folge: Susi Weichselbaumer Regie: Susi Weichselbaumer Es sprachen: Irina Wanka, Burchard, Dabinnus, Silke von Walkhoff, Friedrich SchlofferRedaktion: Yvonne Maier Im Interview:Victor Spoormaker, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, MünchenHolger Brohm, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität Berlin  Diese hörenswerten Folgen von radioWissen könnten Sie auch interessieren: Seelenwanderung in den Religionen - Reinkarnation und WiedergeburtJETZT ENTDECKEN Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | RadioWissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: ZITATOR/ ZITATORIN „Guten Abend, gut Nacht“ gesummt ATMO Flirrend Feenwald  1 ZU (13 M - Kind)  Ich träume am liebsten von Feen, die zaubern lernen in der Zauberschule. MUSIK Fairies  ZITATOR/ ZITATORIN Gute Nacht! // Schlaf schön! 2 ZU (9 W - Kind)  Beim Schlafen ist der Kopf klar und man hat keinen Sorgen und man träumt was Schönes. MUSIK Doomed / ATMO Wind / Käuzchen / Schurkenlache ZITATOR/ ZITATORIN Bis morgen! // Bis in der Früh!  3 ZU (3 Q - Kind)  Wenn ich aufgewacht bin, da habe ich so eine Angst gehabt.  LANGES ENDE  4 ZU (2 W- Kind)  Ich bin nicht so ganz bei mir, glaube ich, und als ich dann aufgewacht bin, war ich erstmal so: Wow! MUSIK ERZÄHLERIN Wer bin ich, wenn ich schlafe? Das ist eine uralte Frage. Die Menschen wahrscheinlich immer gestellt haben und stellen werden.  ERZÄHLER Vielleicht ist man der oder das, was man träumt?  ERZÄHLERIN Zugleich aber immer noch das eigene ich: Mein reales Ich.  ERZÄHLER Und ist der Traum ein extra Raum? In dem eine Geschichte abläuft. Und man ist bei dieser Geschichte – ja – dann wer?  ERZÄHLERIN Die Autorin – weil: Man träumt sich das schließlich zusammen.  ERZÄHLER Oder es träumt einem! Und in dem Traum, der - bei einem! - abläuft, reagiert man auf das, was passiert. Irgendwie.  MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Mein Schlaf und ich – die Beziehung ist kompliziert. ERZÄHLER Oder ganz einfach. 5 ZU Brohm 12:20 Einerseits scheint nichts so natürlich, wie zu schlafen. Wir müssen schlafen, wir können uns dem nicht entziehen.  ERZÄHLER Sagt Holger Brohm. Er ist Kulturwissenschaftler an der Humboldt Universität zu Berlin.   6 ZU Brohm 12:20 Zum anderen können wir manchmal nicht schlafen. Wir sind schlaflos. Wir fühlen uns morgens müde, weil wir das Gefühl haben, nicht ausgeschlafen zu sein. Also ergibt sich um den Schlaf herum eine riesige, große Problematik. ERZÄHLERIN Das sehen Menschen seit jeher so. Lange weiß man nicht: Was ist Schlaf überhaupt und was genau soll das?  MUSIK ERZÄHLER Heute ist man da weiter. Etwas.  7 ZU Spoormaker 0.00 Man kann messen, was im Gehirn passiert, und da kann man dann sehen, dass Schlaf nicht eine Periode ist, sondern das sind unterschiedliche Zustände, wo manchmal das Gehirn super aktiv wird und manchmal das Gehirn halb ausgeschaltet ist. ERZÄHLERIN Erklärt Victor Spoormaker. Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München untersucht er seit Jahren per Scan, MRT, EEG: Was macht das menschliche Gehirn im Schlaf?  8 ZU Spoormaker 0.00 Es sind so Schlafzyklen. Wenn man einschläft, dann hat man erstmal leichten Schlaf, danach kommt man in Tiefschlaf, dann geht man zurück zum leichten Schlaf und dann kommt dieses komische Stadium, wo wir am meisten träumen, REM-Schlaf heißt das so nach Rapid-Eye-Movement – Schnelle-Augen-Bewegungen, und da ist das Gehirn tatsächlich so aktiv wie tagsüber.  ERZÄHLERIN In vielen seiner Bereiche. ERZÄHLER In einigen wesentlichen aber nicht. Die schalten im REM-Schlaf auf Pause. 9 ZU Spoormaker 1.24 Das sind Hirnareale hinter der Stirn, im präfrontalen  Kortex, und die sind tagsüber zuständig für Planung, Kontrolle, Arbeitsgedächtnis, also höherer kognitive Funktionen, und die stehen aus im REM-Schlaf.  MUSIK ENDE  10 ZU Spoormaker 1.24 Und dann wird es interessant.  MUSIK ERZÄHLERIN Das Ich im Schlaf ist viel ausgelieferter als bei Tag. Denn: Kontrollmechanismen fehlen. Herausforderungen begegnet der schlafende Mensch nicht planvoll, vorausschauend. ERZÄHLER Sondern in erster Linie uremotional. Da fließen die Tränen im Schlaf. ERZÄHLERIN Da wird hemmungslos gelacht. ERZÄHLER Heftig geliebt. ERZÄHLERIN Sich wild gefürchtet! MUSIK ENDE ERZÄHLER Deshalb passt der Begriff auch nicht richtig. Der Wort-Ursprung von „Schlaf“ ist altgermanisch. Die Goten sagten „sleps“. Alt- und mittelhochdeutsch wurde daraus: „Slaaf“. Gemeint war stets: Ein schlaffer Zustand. Und das ist Schlaf ja nur phasenweise.  MUSIK ERZÄHLERIN Wusste man dereinst eben noch nicht. Wie vieles über den Schlaf. Klar: Gepennt, geratzt, weggeschnarcht wurde immer. Aber ganz angenehm war das – genauso zu allen Zeiten – nicht jeder und jedem. Das Seltsame an der Sache ist ja das Loslassen. Das sich Wegbegeben aus der Realität, aus dem, was wir bewusst wahrnehmen und beeinflussen – sich wegbegeben.  MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Wohin eigentlich? 11 ZU Brohm 15:13  Lange Zeit wurde der Schlaf - schon in der griechischen Mythologie - als ein Bruder des Todes angesehen. Der Schlaf war etwas, was mit Ruhigstellung, mit Passivität verbunden ist. Der Schlaf wurde als Gefahr verstanden.  ERZÄHLER In der griechischen Sagenwelt sind der sanfte Schlaf, Hypnos, und der mitleidlose Tod, Thantos, miteinander verwandt. ERZÄHLERIN Sie sind Brüder. Söhne der Nachtgöttin Nyx. MUSIK ERZÄHLER Nyx ist komplex. ERZÄHLERIN Nyx ist besonders. ZITATOR Entstanden aus dem göttlichen Chaos am Anfang allen Seins ist Nyx die Nacht. Ihr Bruder ist die Dunkelheit. Nyx ist riesig. Wenn sie in ihrem Wagen, gezogen von zwei schwarzen Pferden, durch den Himmel rast, wehen ihre langen schwarzen Haare im Wind, die Augen sind nadelspitz – MUSIK ENDE ERZÄHLER Nyx hat in alten Darstellungen weitausladende Schwingen. Sie ist eine geflügelte Göttin. Warum fährt sie im Pferdewagen über den Himmel? Überhaupt: Was sind nadelspitze Augen? ERZÄHLERIN Wahrscheinlich solche, die dich durchbohren… Wichtig ist: Die Nacht macht den Menschen in der Antike Angst. Die Söhne der Nyx heißen nicht von ungefähr Tod und Schlaf – das sind Rätsel. Wie lange muss man nicht mehr aufwachen, um tot zu sein? Das ist eine praktische Frage früherer Bestatter.  MUSIK ERZÄHLERIN Der römische Dichter Ovid schreibt: ZITATOR Der Schlaf ist das Abbild des Todes.  ERZÄHLER Seine Koordinaten kennt die damalige Dichtung sogar auch. ZITATOR  Er wohnt in einer Höhle am Ufer des Lethebaches, wohin niemals die Sonne gelangt.  ERZÄHLERIN Lethe ist - der Sage nach - einer der Flüsse in der Unterwelt. Der Name meint „Vergessen“. Wer vom Wasser der Lethe trinkt, verliert vor dem Eingang ins Totenreich seine Erinnerung.  MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Dann scheiden sich ein bisschen die dichterischen Geister. Manch damaliger Autor belässt die Toten dort. Vergil und andere Schreiber bringen die Seelen zurück ins Leben – ohne Wissen um die eigene Vergangenheit. ERZÄHLER Zurück auf Werkseinstellung, würde man heute sagen.  ERZÄHLERIN Das ist makaber.  MUSIK ERZÄHLER Naja: Schlaf ist Todes Bruder. Glauben auch die Germanen. Die nennen sowohl den Schlaf als auch den Tod „Sandmann“. Einmal der, der den Kindern Sand in die Augen streut. Und einmal Sandmann im Sinne von „Sendmann“, „Sendbote“, hinüber in die andere Welt. Man kann in alten Zeiten schließlich nicht sicher sein. Die Menschen schlafen nicht nur deshalb zu mehreren in einem Zimmer, weil es wohnraumtechnisch bis in die Neuzeit bei vielen Familien einfach einkommensbedingt eng ist. Man fürchtet die Nacht. Dass morgens aufgewacht wird – sagt die Erfahrung. Aber nicht immer. Und warum dann mal nicht – das kann die frühe Medizin selten erklären. Ihrem Ruf als Wissenschaft wenig zuträglich sind gängige Geschichten von lebendig Begrabenen. Aus Versehen. Wusste man nicht besser. War eben lange nicht wach.  MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Schlaf als Scheintod – wird ein verbreitetes Motiv in Sagen, Dichtungen und Märchen. Éin Motiv, das sich hält, weil es fasziniert. ERZÄHLER Weil allein die Vorstellung in einem schmalen, stickigen, stinkenden Sarg aufzuwachen, zwei Meter unter der Erde… ERZÄHLERIN Hallo!  ERZÄHLER Ja. Also: Berühmte Dichtungen mit Scheintod.  MUSIK ERZÄHLER Bestes Beispiel: Shakespeares „Romeo und Julia“. In wilder Verzweiflung ob maximal brennender Liebe bei minimal einverstandener Verwandtschaft, greift SIE zum Schlaftrunk. „Julia lebt!“, seufzend sollen sie bei ihrem Wiedererwachen der Verbindung mit Romeo zustimmen. ER – Romeo – weiß von diesem Plan nichts und das ist ein Fehler! Also Romeo kommt zu früh dazu. Und wie SIE – Julia – da so liegt in diesem todesähnlichen Schlaf – und ihre Familie klagt und seine nicht, denn die Sippen sind verfeindet und ER wähnt sich schuldig, dass SIE –.  ERZÄHLERIN  Kurz: Von Trauer gebrochene Herzen fühlen nicht sicherheitshalber nochmal den Puls, ehe sie selbst -   MUSIK ENDE ZITATOR / ZITATORIN  „So wilde Freude, nimmt ein wildes Ende und stirbt im höchsten Sieg“ ERZÄHLERIN Der Prinz in Grimms Märchen „Schneewittchen“ geht patenter vor.  MUSIK ERZÄHLERIN Er küsst probeweise die schlafende Schöne im Glassarg. ERZÄHLER  Von der alle, auch sämtliche Mitbewohner-Zwerge, überzeugt sind, dass sie tot ist. Vergiftet von der eifersüchtigen Stiefmutter.  ZITATOR Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen über den sieben Bergen bei den sieben Zwergen … ERZÄHLERIN Drum prüfe, wer sich ewig bindet – ob sich nicht doch ein Lebenszeichen findet… Schneewittchen erwacht vom Kuss des Prinzen. ERZÄHLER Und heiratet ihn von der Stelle weg. Dornröschen wird das genauso handhaben, andere auch. Wachküssen macht im Märchen Schule.  MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Im echten Leben schmachtet einen morgens kein spontan verliebter Erbe der Krone an. Da rappelt gnadenlos der Wecker. Man wünscht, es wäre schon wieder Abend. 12 ZU (5W, 7b M, 9W Kinder)   Ich finde es entspannend, wenn man schläft, weil das deinen Körper wieder auftankt. // Ich schlaf am liebsten ein mit meiner Familie // Immer zum Einschlafen lese ich meiner Familie was vor und danach kuschle ich mich zu ihnen. MUSIK ERZÄHLER Und tausche mein waches Ich ein gegen mein Schlaf-Ich. Das tickt etwas anders.  ERZÄHLERIN  Die Forschung weiß inzwischen: Im Traum machen nicht nur Hirnareale Pause, die zuständig sind für Planung und logisches Denken. Auch emotionale Notbremsen setzen aus, die wir im Realen ziehen können – Wir wollen nicht, dass der Ex merkt, dass er noch berührt. Die Chefin soll nicht mitbekommen, dass ihre Kritik verletzt hat, der Einwurf des Kollegen war so grandios, wir platzen mitten in der sehr ernsthaft wichtigen Konferenz… spontan nicht heraus. ERZÄHLER  Im Schlaf aber – 13 ZU Spoomaker 2.44 Es ist nicht so, dass man das richtige Selbst ist. Sondern ein klein bisschen mehr Kontrollverlust als sonst.  ERZÄHLERIN Erklärt der Schlafexperte am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, Victor Spoormaker. 14 ZU Spoomaker 2.44 In Träumen streitet man sich öfters und hat öfters eine Hauerei als tagsüber. Die Emotionen sind viel intensiver als tagsüber, die werden auch nicht gehemmt. Da hat man dann den totalen Verlust oder die totale Freude und kann das, wenn man wach wird, gar nicht mehr so nachvollziehen.  MUSIK ENDE ERZÄHLER Blöd für viele Werbeangebote, die da behaupten der träumende Geist sei stets offen für Eindrücke, die nach dem Aufwachen weiterwirken.  MUSIK  ZITATORIN Selbstoptimierung im Schlaf -  ZITATOR/ ZITATORIN Werde klüger// gesünder // kreativer// schöner! ZITATOR Entspannter im Schlaf mit Traumreisen zur inneren Einkehr an Orte, die du liebst. ZITATORIN Diese Traumreise ist gut für dich, wenn du dich nach Behaglichkeit und einem Gefühl von Geborgenheit sehnst. Ich lade dich ein ins Auenland, in eine gemütliche Hobbit-Höhle, das Feuer prasselt im Kamin -  ZITATOR Lerne Sprachen im Schlaf - ZITATORIN Flugzeugtriebwerk. Auf Finnisch: Lentokonesuihkuturbiinimoottoriapumekaanikkoaliupseerioppilas  MUSIK ENDE ERZÄHLER Ob das tatsächlich alles im Schlaf funktioniert? ERZÄHLERIN Die Wissenschaft hat wenige Hinweise darauf. Manche Studien zeigen: Vokabeln wiederholen und sich dadurch besser merken im Schlaf, das kann gehen, wenigstens in den entspannten Zeiträumen vor und nach der traumaktiven REM-Phase. Bislang unbekannte Vokabeln speichert das Gehirn nicht.  ERZÄHLER In der bewegten REM-Phase hingegen lassen sich vielleicht motorische Fähigkeiten verbessern wie Kung Fu, Snowboardfahren oder Gitarre spielen.  ERZÄHLERIN Ganz genau weiß auch das die Forschung nicht.  ERZÄHLER Oder hat noch nicht ausreichend filigrane Messgeräte, um entsprechende Wirkungen im Gehirn exakt nachzuweisen. Vieles ist nach wie vor einfach Ausprobieren, erzählt Schlafexperte Spoormaker. Der neuste Trend:  17 ZU Spoomaker 5.10  Das Phänomen des Klartraums, wobei man versucht mit Bewusstsein einzuschlafen. Das ist superschwer, aber wenn man sehr müde ist und man schläft ein und es kommen schon paar Bilder und man kann mit Bewusstsein einschlafen, da hat man einen großen Gestaltungsspielraum. Aber es ist halt dein Gehirn, es ist nicht ganz zu manipulieren.  ERZÄHLERIN Besser als meine Fantasie kann auch mein Traum nicht?  ERZÄHLER Überraschend großartige Blockbuster entstehen vor dem inneren Klartraumauge nicht. Wahrscheinlich. Fest steht jedenfalls: Schlaf ist dem Menschen vertraut, weil alltäglich. Aber zugleich suspekt, weil nicht vollends kontrollierbar. Bereits die Höhlenbewohner stellen jede Nacht wenigstens eine – hoffentlich verlässliche – Person ab, die das Feuer bewacht. Und alle, die schlafen, vor Säbelzahntiger und Co.  ERZÄHLERIN Die römische und griechische Antike hat genauso Respekt vor dem Schlaf. Er macht den Menschen passiv, angreifbar, liefert einen aus –  ERZÄHLER Frühe östliche Kulturen wollen diese Furcht überwinden. Da wird der Schlaf beschrieben als der eigentliche, der wahre Zustand des Menschen.  ZITATOR Alles ist eins: Im Schlaf ist die Seele ungestört und aufgenommen in diese Einheit.  ERZÄHLERIN Schreibt der chinesische Philosoph Chuang Tzu um 300 vor Christus.  ZITATOR Im Wachen hingegen ist die Seele abgelenkt und sieht die verschiedenen Gegebenheiten der Welt.  MUSIK ERZÄHLERIN Die altindischen philosophische Texte der Upanishaden kennen mehrere Schlafphasen. Der Tiefschlaf ist der, der den Menschen zu seinem Selbst bringt. ZITATOR Wenn man tief schläft, ruhig und heiter und keinen Traum sieht, das ist das Selbst, das ist das Unsterbliche, Furchtlose.  MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Aber auch der Zustand, der einen glatt in die Pleite treibt, denn: Wer schläft, arbeitet nicht. Im Christentum wird das Aufwachen später oft im übertragenen Sinn verstanden: Das Neue Testament erzählt von erweckt werden, sehen, verstehen – auferstehen. Das Alte Testament ist da noch pragmatischer.  ZITATOR Liebe den Schlaf nicht, dass du nicht arm werdest; lass deine Augen wacker sein, so wirst du Brot genug haben.  ERZÄHLERIN Ein bisschen wie unser heutiges: Wer schläft, verliert. ERZÄHLER Wobei: Sind wir nicht inzwischen eins weiter, über das reine Leistungsdenken hinaus? Wo das Leben nicht mehr nur erfolgsgetrieben ist, sondern Balance will: Life and Work?  ERZÄHLERIN Gute Frage und eine, die die Menschheit bereits lange beschäftigt: Was ist das richtige Schlafverständnis?  ERZÄHLER Und entsprechend das optimale Schlafverhalten?  MUSIK ERZÄHLER Spätestens als sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Naturwissenschaft mehr und mehr durchsetzt gegen Religion und Philosophie, wird der Schlaf zum regenerativen Element. ERZÄHLERIN  Warum und wie der Mensch da was auftankt – mehr Sauerstoff, neues Blut, aufgefüllte Flüssigkeit im Gehirn – ERZÄHLER Im 19. Jahrhundert diskutieren die Gelehrten: Entsteht Schlaf durch Sauerstoffmangel? Blutleere im Gehirn? Umlagerung elektrischer Ladungen in den Nervenzellen – zum Beispiel durch zu viel Milch in der Nahrung?  MUSIK ENDE 18 ZU Spoomaker 5.10 Wir sind am Anfang. ERZÄHLERIN Gibt Victor Spoormaker vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie zu: 19 ZU Spoomaker 5.10 Wir wissen nicht mal genau, wozu gibt es REM-Schlaf? Also wieso haben wir jede Nacht ein- bis zwei Stunden so ein Stadium, das so viel Energie kostet? Und das Gehirn kostet so viel Energie, normalerweise 20 Prozent von allem Energieverbrauch des Körpers geht zum Gehirn und man würde sagen, wenn Schlaf nur zum Ausruhen da ist, dann fährt es runter, wie im Tiefschlaf. Aber im REM-Schlaf zwei Stunden lang wieder volle Kraft – wozu? ERZÄHLERIN Bereiten wir in dieser traumintensiven Schlafphase den nächsten Tag vor? Verarbeiten wir das Gestern? Schieben wir Informationen im Gehirn in andere Speicher, organisieren salopp gesagt das Oberstübchen?  ERZÄHLER Bislang wenig bis keine Ahnung. Zukünftige Untersuchungstechnologien werden mehr Aufschluss bringen, hofft Victor Spoormaker. Auch in Sachen: Wann ist wieviel Schlaf in welchen Abständen gut zu was? MUSIK ERZÄHLERIN In frühen Zeiten schlafen die Menschen nicht einmal lange und das von abends bis in den Morgen. Sondern in kürzeren Etappen. Nachts ein paar Stunden, vormittags oder mittags vielleicht wieder, vor dem Abendbrot ein Nickerchen. Auf dem Strohlager daheim, unterm Baum draußen auf dem Feld, am Biertisch -   MUSIK ERZÄHLER Richtige Betten hat meist nur der Adel. Und dann auch nicht nur zum Schlafen als auch zu Repräsentationszwecken. Der französische König Ludwig XIV. und Co. empfangen Minister und ausgewählte Untertanen gerne sitzend – im Prachtornat – im Bett. Ganz große Gunst widerfährt dem, der schon vorab ins Schlafzimmer darf zur Ankleidezeremonie.  ERZÄHLERIN Privat ist da nichts. ERZÄHLER Schlaf ist lange nicht privat. Für niemanden quer durch alle Schichten. Noch bis in die Neuzeit gilt als gegeben: Kommt man zu Besuch, auf ein Fest oder schaut einfach so wo vorbei – schläft man, sollte es spät werden, gerne mit. Auf der Lagerstatt der Familie oder auf dem Boden.  ERZÄHLERIN Und oft in vollem Gewand. Kuschelhaufen halten warm.  20 ZU Brohm 29.10 Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich die Vorstellung und die Praxis auch, dass der Schlaf im Bett zu vollziehen sei. Dafür hatten dann auch bestimmte hygienische Diskurse ihre Wirkung, die also deutlich machten, dass über eine bestimmte Schlafhygiene, natürlich auch die Ansteckungsgefahr bei großen Seuchen minimiert wird. Ebenso mengten sich da moralische Diskurse ein, die für das getrennte Schlafen plädierten, weil hier also eine große Gefahr auch unsittlichen Verhaltens mit bestünde.  ERZÄHLERIN Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts schließen sich die Schlafzimmertüren. Zuvorderst ist das eine Wohlstandsfrage. Elternschlafzimmer, Kinderzimmer.  ERZÄHLER Auch die Beschäftigung mit dem Phänomen Schlaf wird individueller, intimer, erklärt der Berliner Kulturwissenschaftler Brohm.   21 ZU Brohm 17.10 Wir fangen erst an, den Schlaf zu akzeptieren, als etwas, was gar nicht wirklich passiv ist, indem wir total ausgeschaltet sind, sondern in dem Vorgänge geschehen, die wir leider nicht so gut einsehen können. Wir können diese Vorgänge eigentlich für uns selbst nur realisieren, indem wir im Nachhinein Tagebücher führen, Protokolle führen, um festzuhalten, was sich so mit dieser Flüchtigkeit des Schlafes ergeben hat und erst auf der Basis dieses veränderten Wissens zum Schlaf, gewinnt diese Frage nach dem, wer wir sind im Schlaf jetzt diese Brisanz und Aktualität. MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Die meisten Träume vergisst man wahrscheinlich deshalb, vermuten Schlafforscher, weil die Natur da eine Sicherung eingeschraubt hat. Was im Traum erscheint, soll sich nicht vermischen mit der Realität.  MUSIK ERZÄHLER Das wäre mitunter fatal. Der Postbote träumt, die Familie in Nummer 42 hat den grantigen Hund verschenkt und läuft am nächsten Morgen gleich munter durchs Gartentor –  ERZÄHLERIN Keine gute Idee.  ERZÄHLER Aber grundsätzlich aus Briefträgersicht durchaus eine angenehme Vorstellung.  ERZÄHLERIN Bis der echte Lumpi ums Eck spurtet. Was wieder zur Eingangsfrage führt: Wer bin ich, wenn ich schlafe? ERZÄHLER Und träume ich mir dann oder träumt es mir? ERZÄHLERIN Über Jahrtausende haben sich Philosophie, Literatur, Medizin, Naturwissenschaft damit beschäftigt. ERZÄHLER Viel Konkretes rausgefunden haben sie noch nicht.  ERZÄHLERIN Vielleicht ist das große Mysterium Schlaf am Ende eh überbewertet –  ERZÄHLER Weil es bloß drauf ankommt, wer einen wachküsst? ERZÄHLERIN Nöp. Schlichte was man draus macht! 22 ZU (14 M Kinder) Manchmal habe ich, wenn ich noch wach bin, aber meine Augen schon zu habe, wenn ich einschlafe so ein Bild im Kopf und wenn ich das nicht träumen will, dann mache ich wieder auf und wieder zu und habe ein anderes Bild. Wie beim Radio Sender wechseln. 
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Mar 14, 2025 • 24min

Der Rasen – Heiliger Teppich oder ökologische Wüste?

Sattgrün, makellos und weich - der perfekte Rasen ist eine Wissenschaft für sich und sogar Studienfach! Seine Zukunft ist jedoch prekär: Wilde Wiesen mit Klee, Kräuterblumen und Moos sind für die Folgen der Klimakrise besser gewappnet. Von Kirsten Zesewitz Credits Autorin dieser Folge: Kirsten Zesewitz Regie: Sabine Kienhöfer Es sprachen: Julia Fischer, Benjamin Stedler Technik: Simon Lobenhofer Redaktion: Iska Schreglmann Im Interview:Prof. Norbert Kühn, Leiter des Fachgebietes Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung an der Technischen Universität Berlin; Prof. Iris Lauterbach, Zentralinstitut für Kunstgeschichte München; Steven Wagner, Greenkeeper Golfclub Hauptmoorwald Bamberg e.V. Diese hörenswerten Folgen von Radiowissen könnten Sie auch interessieren: Insektenvielfalt auf der Wiese - Eine Welt für sichJETZT ENTDECKEN Der Saum der Landschaft - Was existiert zwischen Feld, Bach und WaldJETZT ENTDECKEN Geniales Gras! - Alles NaturJETZT ENTDECKEN Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion: WDR 5 Das philosophische RadioEin Austausch mit anderen nachdenklichen Menschen in einer einzigartigen öffentlichen philosophischen DiskussionJETZT ENTDECKEN Linktipps: Deutsche Rasengesellschaft e.V.  Website Studiengang an der Hochschule Osnabrück Website Zentralinstitut für Kunstgeschichte Website Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen Website TU Berlin, Fachgebiet Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung  Website Golfclub Hauptsmoorwald Bamberg e.V.   Website Literatur:Gothein, Marie Luise: Geschichte der GartenkunstHennebo, Dieter: Geschichte der deutschen GartenkunstUerscheln, Gabriele: Kleines Wörterbuch der europäischen GartenkunstGrzimek, Günther: Die Besitzergreifung des Rasens (zum Thema Rasen im Olympiapark in München)Noll, Thomas: Albrecht Altdorfer in seiner Zeit (zum Thema Rasenbänke in der Kunst des Mittelalters) Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Radiowissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: SPRECHERIN Stellen wir uns ein Kind vor, das im Garten spielt. Einen Fußballer, der im Stadion den Fußball kickt. Eine Golferin, die elegant zum entscheidenden Schlag ausholt. Und vielleicht noch einen Mann, der in seinem Vorgarten einen Rasenmäher vor sich herschiebt. All das passiert auf einem Rasen.  Wikipedia schreibt dazu: ZITATOR „Rasen bezeichnet eine anthropogene Vegetationsdecke aus Gräsern, die durch Wurzeln und Ausläufer mit dem Boden verbunden ist, im Siedlungsgebiet  der Menschen liegt und nicht landwirtschaftlich genutzt wird.“ SPRECHERIN Für die einen ist er heilig – wie der Tennisrasen von Wimbledon – für andere ein Statussymbol.    Musik Fantasie für Cembalo C-Dur 0‘26 Nirgendwo auf der Welt aber erreicht der Rasen jene Schönheit und frische grüne Farbe wie in England, wo er seinen Ursprung nahm. OT 1 Iris Lauterbach England war schon im 17. Jahrhundert dafür berühmt, muss man sagen, dass dort der perfekte Rasen gedieh. Das lag natürlich am feuchten Klima und dann auch an bestimmten Pflegemaßnahmen, die man in England offenbar bereits seit dem 17. Jahrhundert ergriffen hat, um den die Rasenfläche auch so schön zu erhalten. SPRECHERIN Prof. Iris Lauterbach. Sie forscht am Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte zur Entwicklung der Gartenkunst in Europa. Und die Gartenkunst sei ohne den Rasen gar nicht vorstellbar, sagt Lauterbach... Die Farbe Grün spiele dabei eine entscheidende Rolle: Die Schönheit des frischen grünen englischen Rasens habe zeitgenössische Besucher aus Deutschland und Frankreich nachhaltig beeindruckt: OT 2  Iris Lauterbach Dass diese grünen Flächen so bedeutend waren und als schön empfunden wurden damals, hat man auch wirklich schon formuliert! Es heißt explizit: die Farbe Grün ist entspannend für das Auge und deswegen wirkt das so angenehm und natürlich. In Barockgärten, in Frankreich und Deutschland hat man dann versucht, das zu imitieren, und hat schnell angefangen, seit dem frühen 18. Jahrhundert solche Rasenflächen auch aufzunehmen. Die hießen dann immer „auf englische Art“ und dienten dazu, auch in Barockgärten eine solche natürliche Note einzubringen.  Musik: What is it 0‘22 SPRECHERIN Aber was genau macht die Faszination des Rasens aus? Dazu muss man zunächst einmal festhalten: Rasen ist nicht Wiese: Ein Rasen dient ästhetischen Zwecken, man kann auf der weichen, ebenmäßigen Grasfläche hervorragend Ballspielen, picknicken oder sich sonnen. Sie ist aber – landwirtschaftlich betrachtet – eine unproduktive Fläche; ein Stück grünes Land, das der Lebensmittelherstellung entzogen wurde. Im Gegensatz zur Wiese, sagt der Pflanzenökologe Prof. Norbert Kühn von der Technischen Universität Berlin. OT 3 Norbert Kühn Ursprünglich sind Wiesen mal dazu da, um Futter zu erzeugen, das heißt, in einer Wiese ist alles Mögliche drin und wenn ich eine Wiese 20-mal schneide, dann wird alles herausselektiert, was hoch und groß wächst. Und es bleibt im Grunde genommen nur das niedrige übrig, was diesen Schnitt übersteht. Und wenn ich davon wieder die Kräuter wegnehme, dann komme ich zu niedrigen Gräsern. Und aus diesen niedrigen Gräsern besteht üblicherweise der Rasen. SPRECHERIN Rasen ist also das, was übrigbleibt. Eine Monokultur, die entsteht, wenn man all die Vielfalt der Blumen und Kräuter runter mäht und raus spachtelt. Musik:  First steps 0‘29 Aber: Diese Monokultur ist perfekt. Sie ist unglaublich dicht und weich und sanft – und fühlt sich einfach gut an. Norbert Kühn hockt auf einer Rasen-Versuchsfläche der Technischen Universität in Berlin Dahlem und streicht mit den Fingern über den grünen Golfrasenteppich.  OT 4 Norbert Kühn Das ist schon auch etwas Besonderes. Und der hat eine ganz andere Textur wie das, was man normalerweise hat, wenn man seinen eigenen Rasen im Einfamilienhaus- Bereich hat, der ist wesentlich höher. Hier ist es wirklich, als ob man über einen Teppich drüber geht.  SPRECHERIN Auftragsforschung nennt Norbert Kühn das, was die Technische Universität Berlin hier macht. Sie untersucht die Qualität von Rasensorten.  Denn es gibt nicht „den“ „einen“ Rasen. Die Bandbreite geht vom gewöhnlichen Gebrauchsrasen für den Hausgarten über zarte, nur zum Anschauen gedachte Zierrasen bis hin zu hoch spezialisierten Sportrasen: wie dem für Golf.  Und für jede dieser Anwendungen gibt es eine standardisierte Samenmischung: die so genannte „Regel-Saatgut-Mischung“. OT 5 Norbert Kühn Und wenn man eben entsprechend eine solche „Regel-Saatgutmischung“ kauft, dann will ich davon ausgehen, dass diese Mischung auch funktioniert für den Zweck, den ich haben will. Und da kommen eben die entsprechenden, vorher geprüften Sorten rein und die müssen eben so gut sein, dass sie dieser Regel-Saatgut-Mischung dann auch genügen. SPRECHERIN Die meisten Saatgutmischungen bestehen vom Grundsatz her aus: Deutschem Weidelgras, Wiesenrispe und Rotschwingel. Sie sind sowas wie die Standardgräser im deutschen Rasen. Atmo: Rasenmäher SPRECHERIN Auf dem Versuchsgelände in Berlin Dahlem kümmern sich zwei Universitätsgärtner um die wissenschaftlichen Rasenflächen: Sie mähen und walzen den Rasen, malträtieren ihn – wie im Falle des Fußballrasens mit einer speziellen „Scherstollenwalze“ – und am Ende der Testzeit gibt Professor Kühn eine Auswertung seiner Untersuchungen an das Bundessortenamt. Musik:  Eco statistics red 0‘20 SPRECHERIN In Sachen Fußballrasen ist Norbert Kühn im Laufe der Jahre zu so etwas wie einem wissenschaftlichen Experten für das Berliner Olympiastadion geworden. Der Professor muss schmunzeln bei der Frage, was denn nun das Geheimnis des „perfekten“ Fußballrasens sei. OT 6 Norbert Kühn Also, das Geheimnis ist natürlich, dass er sich strapazieren lässt, dass er gleichmäßig aussieht und dass er auch mit den relativ schlechten Belichtungs-Verhältnissen in den Stadien gut zurechtkommt. Der muss während des Spiels topfit sein und nach dem Spiel ganz schnell sich wieder in eine gute Form bringen lassen. Ein Fußballrasen ist schon ziemlich eine hohe Kunst. Dafür gibt es dann extra Greenkeeper, um eben diese Rasen auch entsprechend herzustellen. SPRECHERIN Wenn der Fußballrasen die hohe Kunst ist, dann ist der Golfrasen wohl die Königsdisziplin.  OT 7 Steven Wagner Ist es auf alle Fälle. Ich habe ja 20 Jahre als Gärtner gearbeitet und dachte, ich kenne mich mit Rasen recht gut aus, hab dann meine Meisterausbildung zum Greenkeeper gemacht und habe gemerkt, da steckt doch einiges mehr dahinter als einfach nur Rollrasen zu verlegen oder Rasen zu mähen.  Musik:  Good reasons 1‘11 SPRECHERIN Steven Wagner betreut den Golfplatz im Bamberger Hauptsmoorwald. Ein kleiner 9-Loch Platz, gut 13 Hektar hat Wagner zu mähen – nicht viel im Vergleich zu großen Golfplätzen. Trotzdem sitzt der Mittfünfziger mit dem kahl geschorenen Kopf im Sommer jeden Tag mehrere Stunden auf dem Ansitzmäher. Es gibt einiges zu mähen: Der äußere Rasen des Golfplatzes, das so genannte „Rough“, ist zwischen 3 und 7 Zentimeter hoch.  Das „Fairway“, also die großen Rasenflächen, auf denen die Golfer den Ball weiter schlagen, wird auf 1,6 bis 2 Zentimeter Höhe geschnitten – und das „Vorgrün“ in Sichtweite des Loches auf 1 Zentimeter. Spannend wird es dann am „Grün“ oder Englisch „Green“: Hier, wo der Golfball ins Loch geputtet wird, darf das Gras gerade einmal 4 Millimeter (!) aus dem Erdboden herausschauen. Und hier liegt die Kunst. OT 8 Steven Wagner Wir bewegen uns im Millimeterbereich, das heißt, wenn dort einfach mal Wasser oder Nährstoffe fehlen oder eine Krankheit kommt, das muss man sehr früh erkennen. Und deswegen braucht man ein geschultes Auge und auch ein Gefühl für die Natur.  ATMO Golf Und beim Golf ist ja gewünscht – ich spiele selber Golf, deswegen weiß ich’s – dass der Ball auf dem Grün wie auf einem Spiegel läuft, ohne zu hoppeln. Ganz ruhig und sehr spurtreu. Spurtreu heißt bei uns, so ein Grün ist natürlich nicht immer eben. Es hat Ondulierungen, also Berge und Täler, nach links und rechts geneigt, und das sollte dieser Ball annehmen. SPRECHERIN Im Klartext: Wenn sich der Boden nach links neigt, soll der Ball auch nach links rollen. Tut er das nicht, ist der Greenkeeper „schuld“. Auch deshalb muss Wagner stets ein waches Auge auf seinen Rasenteppich haben und ihn hegen und pflegen: Vertikutieren und Aerifizieren, damit Luft an die Wurzeln kommt. Wässern und Düngen zur Nährstoffversorgung. Mähen und Walzen für das perfekte Erscheinungsbild. Das Schlimmste, was einem Greenkeeper passieren kann, ist ein filziger Rasen. Es schüttelt ihn fast bei dem Gedanken: OT 9 Steven Wagner Wenn wir mähen und düngen, sterben Pflanzenteile ab, die Bodenlebewesen schaffen das nicht, das so schnell wegzuarbeiten und es entsteht eine hydrophobe, nicht homogene Schicht, sagen wir mal. Das nennt man Rasenfilz. Da kommt dann weniger Wasser durch und die ist ja fest und die versuchen wir zu durchbrechen und aufzulockern, dass wir einen gesunden Rasen und gesunde Wurzeln haben.  Musik:  Green aspects red 0‘21 SPRECHERIN Steven Wagner kann sich richtig hineinversetzen, in die zarten Wurzeln, die all das stemmen müssen: Eine Graspflanze müsse man sich vorstellen wie einen Baum, sagt er: Mit einer weit verzweigten Wurzel, einem kurzen Stamm und vielen Blättern, das sind die Halme. Weil die aber so kurz sind und wenig Photosynthese betreiben, muss die Energie aus der Wurzel kommen. Sie ist das Geheimnis eines makellosen Golfrasens, sagt Wagner.  OT 10 Steven Wagner Man muss wirklich das von Herzen lieben und mit der Natur eins werden, um es um zu verstehen, was da im Boden passiert, von der Wurzel, die Nährstoffe, die Mikroorganismen, die Luft, was da alles stimmen muss. Deswegen muss man da ein gutes Gleichgewicht finden, nicht zu viel, nicht zu wenig Dünger, nicht zu viel, nicht zu wenig Wasser. Also, da spielen so viele Sachen zusammen… SPRECHERIN (Eben) Eine Kunst... Für viele Menschen auch eine Obsession, ein Statussymbol.  Aber… wie kam es zu dieser menschlichen Faszination für das kurzgeschnittene Grün? OT 11 Iris Lauterbach  Aus meiner Sicht ist die Gestaltung eines sterilen, perfekten Rasens ein Zeichen für mangelnde Naturnähe. Das kann man als Phänomen das 20. und 21. Jahrhunderts generell sagen, dass für viele Menschen die Natur immer weiter in die Ferne rückt. Natürlich kann ich mir vorstellen, wie so ein perfekter grüner Rasen ein Statussymbol ist, weil er die Illusion erweckt, man verfüge über ein großes Anwesen, habe Personal, das einen solchen Rasen pflegen kann.  Musik: The ancient natural world 0‘34                  SPRECHERIN Bereits in der Antike sind die Villen reicher Bürger von einer Art Rasen umgeben. Im Mittelalter werden Rasenflächen zum festen Bestandteil der Kloster- und Ziergärten.  SPRECHERIN Obgleich sich die Anlage eines Rasens mit Hilfe von Grassoden, Walzen und Striegeln bis ins 19. Jahrhundert kaum veränderte, sahen die mittelalterlichen Rasenflächen etwas anders aus als das, was man heute unter einem „perfekten“ Rasen versteht, sagt Iris Lauterbach. OT 12 Iris Lauterbach Das Gras ist durchwachsen mit Kräutern, beispielsweise mit Raute, Salbei, Basilikum... Und im Rasen findet man auch einzelne Wiesenblümchen, also Veilchen, Gänseblümchen, Primeln, Akelei. Man muss sich vor Augen halten, dass gerade im Mittelalter es nicht so viele Orte gab, an denen Gärten angelegt werden konnten. In den Städten gab es dafür überhaupt keinen Platz. Und deswegen ist der Rasen in der Natur ein ganz wichtiges Thema. Wie viele Texte des Mittelalters sprechen vom Rasenbett?  SPRECHERIN Das Rasenbett oder vielmehr: Die Rasenbank gewinnt auch in der Kunst des Mittelalters weitreichende Bedeutung: Maria mit dem Jesuskind auf einer Rasenbank sitzend, wird in der Zeit um 1500 zu einer eigenen Bildgattung. Künstler wie Albrecht Dürer und Martin Schongauer zeigen die Muttergottes in Ruhe und Abgeschiedenheit; die Blumen auf der Rasenbank symbolisieren Eigenschaften wie Reinheit, Frömmigkeit, Liebe und Demut. MUSIK:  Greenwich Palace 0‘36 SPRECHERIN Während in den italienischen Gärten der Renaissance aufgrund des heißen, trockenen Klimas nur sehr wenig Rasen zu finden war, nahm die Rasenkultur in England im 16. Jahrhundert richtig Schwung auf. Und das hatte auch mit der englischen Begeisterung für den Sport zu tun. Frühformen des Tennis und des Crickets erfreuten sich großer Beliebtheit und allen voran: Rasen Bowling, eine Art Boule-Spiel. OT 13 Iris Lauterbach Man hat dann vertiefte Rasenflächen in den Gärten angelegt. Vertieft, damit die Kugeln dieses Spiels nicht wegrollen – finde ich auch sehr praktisch – und das hat man als Bowling Green bezeichnet. Diese Bezeichnung Bowling Green wurde dann auch ins Französische übersetzt, als Boulingrin, und das ist eine der ganz charakteristischen Methoden zur Bodenmodellierung von Barockgärten des frühen 18. Jahrhunderts. SPRECHERIN Da wiederum waren die Engländer längst dem Landschaftsgarten verfallen – der mit seinen ausgedehnten Wiesenflächen wieder mehr Blühaspekte und Natur in die Graslandschaft brachte.  OT 14 Iris Lauterbach Man muss sich das so vorstellen, dass Landschaftsgärten ja in der damaligen Vorstellung Bilder der Natur waren, also Gemälde im Grunde, Landschaftsgemälde, die halt in der Natur ausgeführt wurden.  SPRECHERIN Wiesen- und Rasenflächen dienten dazu, die Größe des Gartens zu betonen, sie wurden zu Landschaft. Das betraf auch die Pflege der Flächen. Denn: Bevor der Brite Edwin Beard Budding um 1830 den mechanischen Rasenmäher erfand und wenig später auch dampfbetriebene Mähmaschinen durch die englischen Parklandschaften tuckerten, wurden eben jene Wiesenflächen mit Schafen beweidet; die mit ihren Hinterlassenschaften tatsächlich alles andere als einen „perfekten englischen Rasen“ erzeugten. MUSIK:  Close to nature 0‘24 SPRECHERIN Und heute? Viele Menschen würden sich genau das auch wieder wünschen: Die Rückkehr der Wiese, nicht nur in städtischen Parkanlagen, sondern auch in privaten Gärten. MUSIK nochmal hoch SPRECHERIN Denn: Nicht zuletzt wegen seiner intensiven Pflege und des enormen Wasserverbrauchs steht der Rasen – egal, ob auf Golfplätzen oder im kleinbürgerlichen Hausgarten – in der Kritik: Rasen gilt als die größte bewässerte Kultur außerhalb des Nahrungsmittelanbaus weltweit. In den USA macht die Bewässerung der Vorgärten drei Viertel (!) des privaten Wasserverbrauchs aus. Von Düngern und Pflanzenschutzmitteln ganz zu schweigen. Und: Rasen ist praktisch ohne Leben. OT 15 Norbert Kühn  Was lebt auf einem Rasen? Unter einem Rasen leben zumindest Würmer. Das sieht man sehr schön, wenn die Häufchen dann nach oben kommen… Im Boden dann schon Collembolen und solche Dinge. Aber auf der Rasennarbe gibt es eigentlich so gut wie keine höheren Lebewesen.  SPRECHERIN Noch einmal Norbert Kühn von der TU Berlin. Der Wissenschaftler hat vor 30 Jahren zur Renaturierung von Wiesen promoviert und forscht heute zur ökologischen Gestaltung der Stadtlandschaft. Das Thema ist hoch aktuell: Wie geht es weiter mit städtischen Parks und Grünanlagen? Wenn die Sommer immer heißer und trockener werden, lohnt es sich auch, über die „Renaturierung“ von Rasenflächen nachzudenken. Dafür braucht es einige Maßnahmen. Einen Rasen einfach sich selbst zu überlassen, sei nicht die Lösung, sagt Norbert Kühn.  OT 16 Norbert Kühn  Weil die Schwierigkeit ist, dass die Pflanzen eindringen müssen, also andere Pflanzen müssen eindringen. Das heißt, es muss erstmal ein Umgebungs-Potenzial da sein, und es müssen sich Lücken auftun, wo die sich dann etablieren. Das heißt, ich habe dann vielleicht zum paar zusätzliche Unkräuter drin, was ganz schön sein kann.. Aber so richtig artenreich bekomme ich ihn nicht. Wenn ich also wirklich will, dass ich einen bisschen artenreicheren Bestand habe, dann müsste ich den aufbrechen und auch was einsäen.  Musik: New ideas 0’28                     SPRECHERIN Samenmischungen für artenreiche Wiesen, idealerweise mit gebietstypischen, also an die jeweilige Region angepassten Blumen, Kräutern und Gräsern gibt es heute in jedem Gartenmarkt zu kaufen. Die könne man dann auch noch anreichern, rät der Pflanzenökologe, mit frühblühenden Zwiebelpflanzen. OT 17 Norbert Kühn Und selbst da, wo ich vielleicht Verbindungswege brauche, kann ich immer noch in eine Wiese Rasenwege reinmachen – also die Wiesen sind eigentlich die Alternative dazu.  SPRECHERIN Aber… Da ist er wieder, der Wermutstropfen im Widerstreit von Wiese und Rasen: Eine Wiese funktioniert nur für wenig genutzte Grasflächen. Dort, wo getreten, gejoggt, gesprintet und gehüft wird, kommt die Wiese an ihre Grenzen. Und vielleicht versteht so mancher grummelnde Hobby-Kicker nun auch, warum das Fußballspielen im Münchner Englischen Garten von der Bayerischen Schlösserverwaltung nicht gern gesehen wird: Tatsächlich leiden die vom Gartenarchitekten Friedrich Ludwig Sckell ursprünglich als „artenreiche blühende Wiesen“ angelegten Grasflächen massiv unter den Torturen eines intensiven, regelmäßigen Fußballspiels. Das erträgt eben nur: ein gut gepflegter Rasen.  OT 18 Norbert Kühn Für Fußball – oder für Sport allgemein – gibt’s keine Alternativen, weil der Sport einfach sehr hohe Beanspruchung des Rasens hat. Dazu brauche ich die entsprechenden Gräser, und ich muss auch die entsprechenden Pflegemaßnahmen: Ich muss düngen, ich muss wässern, ich muss aerifizieren, ich muss besanden… Was auch immer dort passiert, da brauche ich diese hohe Notwendigkeit der Pflege. Sonst schaffe ich das nicht bei Fußballrasen. Musik: Live better 0‘21 SPRECHERIN Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Rasen, wo Rasen hingehört.   Und… irgendwie besitzt er schon eine gewisse Faszination, so ein frischer, grüner, weicher Rasen. Der Pflanzenökologe Norbert Kühn zögert keine Sekunde bei diesem Gedanken:  OT 19 Norbert Kühn Rasen hat natürlich eine Faszination, weil es eben die extremste Form einer Nutzung ist. Und das kennen wir in der Natur ja auch: Wenn extreme Standortverhältnisse da sind, dann entsteht eine artenarme Pflanzengemeinschaft, weil nur wenige Pflanzen so hoch spezialisiert sind, um dort zu überleben. Also, im Grunde genommen kann man das wunderbar in so eine ökologische Theorie einbeziehen, zu sagen: Ein Fußballrasen ist ein extrem gestörter Rasen, extrem beanspruchter Rasen, und deshalb wächst da nur sehr wenig. Und das sind eben den Spezialisten. SPRECHERIN Steven Wagner hat seine Leidenschaft für den grünen Teppich zum Beruf gemacht. Kein Tag im Leben des Greenkeepers, an dem ihn sein Rasen langweilt:   OT 20 Wagner Es ist auf alle Fälle eine Faszination, sich mit diesen verschiedenen Gräsersorten auseinanderzusetzen, mit der Ernährung der Pflanzen, mit den Krankheiten, das ganze insgesamt. Und natürlich bewege ich mich liebend gerne in der Natur. Ja, für mich gibt es nichts Schöneres. SPRECHERIN Und die Kunsthistorikerin? Privat findet Iris Lauterbach einen makellosen Rasen abwegig und unnatürlich. Beruflich aber kann sie sich der Faszination für das Phänomen Rasen auch nicht entziehen: OT 21 Iris Lauterbach Der Rasen ist extrem wichtig für die Geschichte der Gartenkunst, weil er wirklich ein ganz prägendes, gestaltendes Element ist. Nicht nur im Landschaftsgarten, sondern bereits im Barockgarten, aber auch in den großen öffentlichen Volksparks des 19. Jahrhunderts. Da ist der Rasen, durch den die schönen Wege für die Bevölkerung der Stadt verlaufen, ein ganz wichtiges Gestaltungselement. Ohne Rasen gäbe es gar keine Geschichte der Gartenkunst.  Musik:  All good 0‘24 SPRECHERIN Und plötzlich leuchtet die zarte, grüne Rasenfläche in Nachbars Garten in ganz anderem Licht… Wobei, hier wäre eine blühende Wiese eigentlich so viel schöner.
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Mar 14, 2025 • 23min

Romeo und Julia - Die tragische Lovestory

Sie sind das berühmteste Liebespaar der Weltliteratur, Stoff zahlloser Theaterstücke, von Musik und Kinofilmen - und längst Synonym für alle herzergreifenden Liebesbeziehungen: Romeo und Julia. William Shakespeares Liebesdrama hat sie zur berühmtesten Liebesgeschichte aller Zeiten gemacht. Von Frank Halbach (BR 2022) Autor dieser Folge: Frank Halbach Regie: Frank Halbach Es sprachen: Christiane Roßbach, Edith Saldanha, Sven Hussock Technik: Roland Böhm Redaktion: Susanne Poelchau Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
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Mar 14, 2025 • 22min

Valentinstag - Von Märtyrern und Liebenden

Edith Saldanha, eine versierte Sprecherin, bringt faszinierende Einblicke in die Ursprünge und Traditionen des Valentinstags. Sie beleuchtet, wie der Tag ursprünglich ein römisches Fest war und mit dem heiligen Valentin in Verbindung gebracht wurde. Außerdem diskutiert sie die Rolle der katholischen Kirche bei der Umgestaltung der Feierlichkeiten. Der Einfluss der Konsumkultur und die große Beliebtheit von Blumen am 14. Februar kommen ebenfalls zur Sprache. Hintergründe zur niederklassigen Poesie und der Wettbewerb der Vögel bieten charmante Anekdoten zur Tradition.
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Mar 13, 2025 • 23min

Martha Gellhorn - Kriegsreporterin ohne Kompromisse

Gefahren, Action und unbekannte Gefilde zogen sie unwiderstehlich an. Kaum etwas hingegen stieß sie mehr ab als Langeweile und Stillstand: die US-amerikanische Kriegsreporterin Martha Gellhorn. Von Susanne Hofmann (BR 2019)Credits Autorin dieser Folge: Susanne Hofmann Regie: Irene Schuck Es sprachen: Andreas Neumann, Berenike Beschle, Christian Schuler Redaktion: Iska Schreglmann Im Interview: Elisabeth Bronfen, Professorin für Anglistik und American Studies an der Universität Zürich Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion: KRIEG UND (DES)INFORMATIONAlles Geschichte - History von Radiowissen hat eine spannende Staffel zum Thema: KRIEG UND (DES)INFORMATION - Beispiel KosovoJETZT ANHÖRENKRIEG UND (DES)INFORMATION - KriegsberichterstatterinnenJETZT ANHÖRENKRIEG UND (DES)INFORMATION - Im Ersten WeltkriegJETZT ANHÖREN Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Radiowissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
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Mar 13, 2025 • 23min

Brüche im Leben - Aus Krisen Kraft schöpfen

In der traditionellen japanischen Kunst werden Risse im Porzellan mit Gold verziert - um die Unvollkommenheit hervorzuheben. Die "Narben aus Gold" sind auch eine Metapher. Im richtigen Leben ist das weitaus schwieriger: Rissen in der Biografie etwas Wertvolles abzugewinnen, kann zum Kraftakt werden. Doch wenn es gelingt, kann ein Mensch über sich hinauswachsen. Von Karin Lamsfuß Credits Autorin dieser Folge: Karin Lamsfuß Regie: Sabine Kienhöfer Es sprach: Carolin Ebner Technik: Christine Frey Redaktion: Susanne Poelchau Im Interview:Sandra Stelzner-Mürköster, hat früh ihren Mann verlorenPeter, spielsüchtig und verschuldetVerena König, TraumatherapeutinDr. Michael Schonnebeck, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter einer Tagesklinik Diese hörenswerten Folgen von Radiowissen könnten Sie auch interessieren: Wird schon - die Kraft der ZuversichtJETZT ENTDECKEN Was uns tröstet - Kraft in der KriseJETZT ENTDECKEN Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion: Wie wir ticken - Euer Psychologie Podcast Wie gewinne ich die Kraft der Zuversicht? Warum ist es gesund, dankbar zu sein? Der neue Psychologie Podcast von SWR2 Wissen und Bayern 2 Radiowissen gibt Euch Antworten. Wissenschaftlich fundiert und lebensnach nimmt Euch "Wie wir ticken" mit in die Welt der Psychologie. Konstruktiv und auf den Punkt. Immer mittwochs, exklusiv in der ARD Audiothek und freitags überall, wo ihr sonst eure Podcasts hört. ZUM PODCAST Literatur: Sandra Stelzner-Mürköster: Zurück ins Leben finden. Gütersloher Verlagshaus, 2024 Doris Wolf: Einen geliebten Menschen verlieren. Begleitung durch die Trauer. PAL Verlag 2001 Claus Eurich: Die heilende Kraft des Scheiterns. Ein Weg zu Wachstum, Aufbruch und Erneuerung. Vianova Verlag, 2006 Linktipps: Website von Sandra Stelzner-Mürköster Come-Back-Life Website von Verena König HIER Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Radiowissen JETZT ENTDECKEN Das vollständige Manuskript gibt es HIER. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: O-Ton 1 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘13“):  Ja, wir waren ein ganz glücklich-jung verheiratetes Paar, wir hatten zu der Zeit ein Baby und hatten uns auf unser erstes gemeinsames Weihnachten als kleine Familie gefreut. Und dann kam alles ganz anders. O-Ton 2 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘06“):  Dieser Horror begann am 26. November, da ging mein Mann zum Laufen. O-Ton 3 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘07“):  Ich wartete und wartete und hab das Essen fertig gemacht, und er kam und kam nicht.  O-Ton 4 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘13“):  Und irgendwann klingelte es, und unsere Nachbarin stand ziemlich aufgelöst vor unserer Tür und sagte nur, in der Waldstraße hätte man einen toten Jogger gefunden.  Erzählerin:  Am 26. November zieht sich ein tiefer Riss durch das Leben von Sandra Stelzner-Mürköster. Der Mensch, den sie liebt, den sie sicher an ihrer Seite glaubt, hat einen schweren Herzinfarkt. Er bricht im Wald zusammen und ist klinisch tot. Und obwohl er zunächst reanimiert wird, stirbt er einige Zeit später im Klinikum. Dabei hatten sie noch so viel miteinander vor.  O-Ton 5 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘06“):  Ich war eingefroren. Ich war wirklich eingefroren. In dem Moment, wo er gegangen ist, bin ich innerlich eingefroren.  Musik:  Sad and heavy (reduziert) 0‘28 Erzählerin:  Die junge Mutter war plötzlich Witwe. Mit gerade mal 30 Jahren. Von einem Tag auf den anderen stand sie alleine da: mit ihrem Säugling, mit all ihren zerstörten Hoffnungen und Zukunftsplänen. Ein Absturz ins Nichts. Der Bruch bedeutete eine tiefe Zäsur in ihrem Leben.  O-Ton 6 Verena König (0‘10“):  Das Wort „Bruch“ deutet ja schon darauf hin, dass ein Ereignis eine so große Wirkung hat, dass man das Gefühl hat, danach ist das Leben, die Welt anders als zuvor.  Erzählerin:  Verena König ist Traumatherapeutin. In ihre Praxis kommen viele Menschen, die ähnlich schmerzhafte Einschnitte in ihr Leben erlebt haben wie die junge Mutter. Und diese schweren Brüche – so sagt sie, zeichnen sich auch dadurch aus, dass die bisherigen Fähigkeiten im Umgang mit Krisen nicht mehr funktionieren. Ein Absturz ins Nichts sozusagen. Ohne Netz und doppelten Boden.  O-Ton 7 Verena König (0‘20“):  Also die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten versagen zu sehen führt uns ja in Zustände der Hilflosigkeit und der Ohnmacht. Nichts ist mehr wie zuvor! Das ist wirklich so erschütternd und allumfassend, auch wenn es schwer greifbar ist. Weil wir eben nicht wissen, wie wir damit umgehen können oder wer uns dabei helfen könnte. Erzählerin:  Während es natürlich auch positive tiefe Zäsuren im Leben gibt - etwa Heirat, die Geburt eines Kindes oder die erträumte Unternehmensgründung – fordern unfreiwillige Brüche den Menschen aufs Äußerste heraus. Das Fundament ist erschüttert – von jetzt auf gleich. Das kann die unerwartete Kündigung sein, die Trennung, eine schwere Krankheit, ein Unfall oder eben der Verlust des geliebten Menschen. Musik Murder chronicles 0‘26 Erzählerin:  Sandra Stelzner-Mürköster verbrachte die Wochen und Monate nach dem Tod ihres Mannes als „Marionette in einer Seifenblase“ – wie sie es beschreibt. Als würde sie über der Erde schweben. Ohne Bodenhaftung. Einzig ihr kleiner Sohn hielt sie am Leben. O-Ton 8 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘18“):  Ich war total abgemagert, hab ja fast nicht mehr geschlafen. Ich konnte nichts essen. Aber es war auch nicht so, dass ich Schmerz empfunden habe. Ich hab einfach nichts empfunden. Ich wollte immer wissen: Wie kann ich denn jetzt mal trauern, damit wir weitergehen können? Aber dazu war ich am Anfang nicht in der Lage. Erzählerin:  Diese Reaktion sei völlig normal, sagt Dr. Michael Schonnebeck, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er leitet eine Tagesklinik für Psychosomatik. Fast alle Patienten, die dorthin kommen, haben tiefe Einschnitte erlebt. Der Mediziner kennt die Phasen nach dem Riss im Leben. Und obwohl sie nie prototypisch und in genauer Reihenfolge verlaufen, beginnen sie bei den meisten Menschen mit dem Zustand der Betäubung. So als seien alle Gefühle ausgeschaltet. O-Ton 9 Michael Schonnebeck (0‘19“):  Emotionales Numbing wird das genannt, Betäubung, ich krieg das alles erst mal gar nicht so mit, es fühlt sich an wie unter Zeitlupe oder unwirklich, und wichtig ist einfach Wärme, basale körperliche Fürsorge, unaufdringliche Anwesenheit, das reicht dann schon so.  Musik:  Behind the curtain (reduced 2) 0‘30 Erzählerin:  In dieser Phase sind vertraute Menschen im Umfeld besonders wichtig. Menschen, die einfach da sind. Unaufdringlich und trotzdem präsent. Kochen einen Tee, bieten eine Decke an, bringen einen Topf warme Suppe vorbei. Das klingt nach wenig und ist dennoch viel. In einer Zeit, in der der Mensch, der unter Schock steht, keinen klaren Gedanken fassen kann. Sandra Stelzner-Mürköster war nicht allein. Familie und Freunde standen ihr zur Seite. Trotzdem schlief sie keine Nacht länger als zwei Stunden. Funktionierte nur für ihren kleinen Sohn. O-Ton 10 Michael Schonnebeck (0‘37“):  Dann kommt die nächste Phase, und die kann dann ganz unterschiedlich aussehen von hektischer Betriebsamkeit bis emotionalem Zusammenbruch, langes Tränenfließen, und dann kommt der Moment der Besinnung, und der ist vielleicht der allerschwerste: Was fange ich mit meinem Restleben an? Jetzt liegt das in Trümmern, es tut schrecklich weh, meine Seele ist im Grunde völlig aufgerissen, wie unter einem Brennglas kommen da die Strahlen der Sonne ungehindert rein und verbrennen mich noch weiter, und da wäre die Idee, eine gewisse Aktivität zu entwickeln.  Erzählerin:  Was fange ich mit meinem Restleben an? Das ist schon eine große Frage. Die junge Mutter fragte sich vor allem: Wie kann ich überhaupt weiterleben? Eine Antwort darauf fand sie zunächst nicht. Ihrem Mann fühlte sie sich nach wie vor tief verbunden. Kommunizierte viel mit ihm. Irgendwie hatte sie das diffuse Gefühl, dass sie weitergehen sollte im Leben:  O-Ton 11 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘13“):  Es muss einen Sinn haben, auch wenn ich den noch nicht entziffern kann, und auch das Versprechen, das ich ihm am Sterbebett gegeben habe: „Wir lassen uns nicht unterkriegen. Ich weiß nicht, wie ich es schaffe, aber das werden wir schaffen!“ Erzählerin:  Der Wunsch, dem Schweren, dem zunächst Unerträglichen einen tieferen Sinn abringen, ist durchaus verständlich, sagt die Traumatherapeutin Verena König. Und gleichzeitig ist es etwas, das schnell überfordernd sein kann. Vor allem dann, wenn es nicht dem eigenen Bewusstsein entspringt, sondern von der Außenwelt herangetragen wird.  O-Ton 12 Verena König (0‘35“):  Ganz häufig wird Menschen vermittelt, dass das, was ihnen widerfahren ist, doch für sie irgendeinen höheren Sinn haben müsste. Manchmal wird ihnen sogar unterstellt, dass das was mit ihnen persönlich zu tun hat, was ihnen geschieht. Und Menschen werden natürlich sehr unter Druck gesetzt, wenn sie einerseits verantwortlich gemacht werden für das ‚Schicksal‘, ich nenne das jetzt einfach mal so, und wenn man ihnen dann die Aufgabe aufbürdet, sie wollten in dem, was ihnen geschehen ist, einen höheren Sinn erkennen, kann auch das sehr belastend sein. Erzählerin:  „Krise als Chance“, „Krankheit als Chance“ - So lauten Buchtitel und Artikel-Schlagzeilen in Hochglanzmagazinen. Als läge darin ein Zwang zur Chance. Zu einer positiven Wendung. Für den Mediziner Michael Schonnebeck ist das Ringen um Sinn nicht selten allein das Bedürfnis eines überforderten Umfeldes: O-Ton 13 Michael Schonnebeck (0‘18“):  Wenn man dem einen Sinn gibt, dann wird es plötzlich relativiert. Dann klingt ein bisschen mit: Wenn du dich dem zuwendest, hast du ja gute Chancen, damit umzugehen und ich kann mich zurückziehen. Das wäre eine Vermeidungsstrategie. Und da muss man kritisch sagen „Machst du es dir da nicht zu leicht?“ Musik:  Was bleibt (reduced 1) 0‘24 Erzählerin:  Und dennoch: Irgendetwas muss dran sein. Die Frage: „Wer bin ich, wenn alle äußeren Sicherheiten wegbrechen“ fordert den Menschen aufs Tiefste heraus. Und führt manchmal auch zu innerem Wachstum.  Musik: Futen god oft he wind (b) 0‘36 Erzählerin:  Die Idee der tiefen Schönheit von Brüchen liegt dem japanischen  ästhetischen Konzept des Wabi-Sabi zugrunde. Eine Philosophie, die die Schönheit in der Vergänglichkeit und dem Unvollständigen wertschätzt. Wabi- Sabi heißt sinngemäß übersetzt: Die Schönheit der Unvollkommenheit und der Vergänglichkeit. Ein zentraler Bestandteil von Wabi-Sabi ist die Akzeptanz von Brüchen. Gerade die Gebrochenheit ,kann  eine tiefe Schönheit und Wahrheit offenbaren. Erzählerin:  Peter, der nur seinen Vornamen nennen möchte, arbeitete im Vertrieb eines mittelständischen Unternehmens. Alles lief rund, er war erfolgreich. Innerlich ging es ihm schon lange nicht mehr gut. Statt sich dem zuzuwenden, machte er einfach weiter und verlor sich irgendwann. O-Ton 14 Peter (0‘27“):   Ich hatte eine Angststörung, wusste nicht, woher das kam, diese Angststörungen und Panikattacken haben mich auf der Arbeit und Zuhause begleitet und dann kam es aber so, dass ein lieber Mensch gestorben war, ich fühlte mich etwas isoliert und alleine, und begann dann nach Kompensationsmechanismen zu suchen, und auf diesem Wege hatte ich mich dann in die Glücksspielsucht verloren, was meine Kompensation für meine Probleme war: also Roulette spielen, hab oft Kasinos besucht und hab natürlich auch sehr viel Geld investiert.  Musik:  Murder of crows 0‘32 Erzählerin:  Der Riss durch Peters Leben ging tief und hatte mehrere Verästelungen: Diese zogen sich durch seinen Job, sein Privatleben, seine Seele. Und nicht zuletzt auch durch sein Bankkonto. Das Endergebnis seiner Spielsucht war ein höherer fünfstelliger Schuldenberg. Die Banken mahnten, Inkasso-Institute schalteten sich ein. Der Arbeitgeber durfte nichts von alledem wissen. Überhaupt niemand durfte davon erfahren! Erzählerin:  Peter verlor sich selbst. Weil er dachte, sich seinem Umfeld nicht anvertrauen zu können in seiner inneren Not.  Musik:  Futen god oft he wind (b) 0‘6 Musik:  Sumiyoshi shrine  0‘17 Erzählerin:  Im weiteren Sinne betrachtet Wabi Sabi Brüche als natürlichen Bestandteil des Lebens, das seine eigene Ästhetik und Weisheit besitzt. Der Bruch selbst wird zu einem Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und die Akzeptanz der Unvollkommenheit.  Erzählerin:  Die Schönheit in der Unvollkommenheit – sie erschloss sich Peter erst viel später. Noch befand er sich in einem tiefen Loch. Einsam und isoliert. Bis er eine neue Partnerin kennenlernte. In einer Zeit, in der er einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt hatte:  O-Ton 16 Peter (0‘33“): Dass es mir finanziell schlecht ging, das hab ich die ersten Monate für mich behalten, weil ich das auch erst mal regeln wollte, das war meine Aufgabe. Da hatte ein neuer Mensch in meinem Leben nichts mit zu tun…  Den absoluten Tiefpunkt hatte ich für mich wo ich wirklich die Buxe auf gut deutsch runterlassen musste im August, wo ich meiner Partnerin dann bekannt habe, so sieht’s mit mir aus, so ist meine Situation, da hab ich gedacht: ich weiß nicht, was mich erwartet, ich hab also ne super Reaktion erfahren und muss auch heute noch sagen: Hut ab! Erzählerin: Für die Partnerin waren Peters Schuldenberg und seine Spielsucht kein Problem. Sie blieb – obwohl Peter große Angst hatte, sie deshalb zu verlieren. Musik:  Far our 0‘21 Erzählerin:  Durch die Risse in Peters Leben – seine Angststörung, seine Spielsucht und seine Insolvenz – öffnete sich ein neues Fenster in seinem Leben. Er machte zum ersten Mal eine ganz neue Erfahrung: Er wurde akzeptiert – trotz seines vermeintlichen Scheiterns.  O-Ton 17 Verena König (0‘24“):  Also solche Brüche können uns auch in unserem Selbstwertempfinden zermürben oder zerbröseln und sie haben dann aber auch je nach Umfeld auch die Möglichkeit, eine viel tiefere Wahrheit vor Augen zu führen: nämlich dass wir trotz allem liebenswert sind und dass wir eingebunden sind in etwas, das uns willkommen heißt. Musik: Far our 0‘27 O-Ton 18 Peter (0‘32“):  Der nächste Punkt war übrigens auch, dass ich in der Firma Farbe bekennen musste. Ich hab dann auch meinen Chef informiert. Es war mir ganz wichtig, festzustellen: Du kannst nur nen Neuanfang machen, wenn du wirklich offen drüber sprichst. Und auch da muss ich feststellen, war die Reaktion natürlich auch erst mal ein Schlucken, etwas Verwunderung, und ich fand die Reaktion dann auch höchst generös, dass eben gesagt wurde: „So isses, regeln Sie das, aber es steht hier nichts in der Firma gegen Sie“ und ich kann auch meinen Job weiter behalten.  Erzählerin:  Peter hat etwas erfahren, das man in der Fachsprache „posttraumatisches Wachstum“ nennt. Also ein über sich Hinauswachsen in der schweren Krise. Eigenschaften entwickeln, die man zuvor nicht besaß. Michael Schonnebeck, der Facharzt für psychosomatische Medizin sagt aber auch: Posttraumatisches Wachstum kann passieren, doch es sollte nicht das primäre Ziel und keinesfalls ein Anspruch sein. Das Wichtigste sei zunächst einmal, das schwere Ereignis irgendwie zu überstehen und nach dem Bruch weiterzuleben. O-Ton 19 Michael Schonnebeck (0‘24“):  Es gibt auch das Erleben, dass an diesen übergroßen Herausforderungen ich scheitere!  Also ich verzage. Dass ich ausweiche. Dass ich Angst habe, abzustürzen. Dass ich wirklich abstürze. Und dann gibt’s keine Entwicklung, dann gibt’s halt Absturz oder Niederlage, oder auch ein Zusammenkauern, ein Erstarren, ein Freezen, so das ich glaube, das hält sich so die Waage.  Musik:  Unimagined course 0‘37 Erzählerin:  Scheitern, verzagen, abstürzen. Auch das kann passieren, wenn sich ein tiefer Riss durchs Leben gezogen hat. Ein Jahr war vergangen nach dem plötzlichen Tod des Ehemannes von Sandra Stelzner-Mürköster.  „So langsam muss es doch mal gut sein“, fanden Menschen aus dem Umfeld. Doch es war nicht gut. Auch im zweiten Jahr war es noch nicht gut. Im dritten Jahr kehrte ansatzweise so etwas wie Normalität in ihr Leben zurück. Schon länger ging sie wieder arbeiten in ihrem Beruf als Gymnasiallehrerin.  O-Ton 20 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘26“): Und das war der Zeitpunkt, wo ich dann richtig zusammengeklappt bin. Ich hab dann eine Lungenentzündung nach der anderen gehabt, hab noch 46 Kilo gewogen bei 1,74 und hab das dann aber nicht für mich erkannt. Ich hatte immer noch kein Gefühl für mich, bin dann immer noch brav in die Schule, mit fast 40 Fieber und wär dann fast im Schwimmbad umgekippt. Und das war der Auftakt, wo ich dann für mich erkennen musste: Ich bin jetzt wirklich in nem Burnout.  Erzählerin:  Drei Monate verbrachte sie in einer psychosomatischen Klinik. Und obwohl sie dort Hilfe erfuhr und ein wenig Stabilität und Zuversicht entwickeln konnte, meldete sich ihr Körper immer wieder: O-Ton 21 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘27“): Und hatte dann nicht nur eine Gürtelrose, sondern mehrere Gürtelrosen, die mir dann aufs Auge geschlagen sind und die Gefahr bestand, dass ich vielleicht erblinde, hatte dann einen Tumor in der Hand, wo ich nicht wusste, ob die Hand amputiert werden musste, und als meine Mutter dann verstarb, das war dann so der Punkt, wo ich gesagt habe: „Wie lange soll ich jetzt noch warten? Was soll noch alles in mir kaputtgehen? Ich darf jetzt diesem inneren Ruf lernen zu folgen.  Musik:  Ray of light 0‘35 Erzählerin:  Der innere Ruf. Das war der zweite Bruch. Diesmal ein schöner, kraftvoller, freudvoller: Sandra Stelzner-Mürköster folgte ihrem Herzen, kündigte den Job an der Schule, machte zahlreiche Ausbildungen und entwickelte sich in die Richtung, die ihr das Schicksal aufzeigte:  Sie arbeitet seitdem als Trauermentorin und gibt anderen Menschen neben ihrem Fachwissen das weiter, was sie selbst so schmerzlich erfahren musste. O-Ton 22 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘27“):  Ich kann ihnen vor allen Dingen Halt, Struktur, Ordnung geben, und ich kann ihnen auch in den Momenten, in denen sie selbst nicht mehr klar mit ihren Gefühlen sind, genau sagen, was mit ihnen los ist! Und das ist eine Qualität von mir, hier eine Sprache für die Dinge zu finden, die dem anderen unbewusst sind. Und die Feinfühligkeit, die ich immer schon hatte, ja… heute damit dienen zu können.  Musik:  Flute and Koto 0‘36 Erzählerin:  „Kintsugi“ (Aussprache: Kint-Sugi, Betonung auf 2. Silbe) ist – genau wie Wabi Sabi – ein Begriff in der japanischen Kultur. Kintsugi bezeichnet eine Kunstform, bei der zerbrochene Keramikstücke mit Gold- oder Silberlack wieder zusammengefügt werden. Die glänzenden Pinselstriche setzen den Bruch deutlich in Szene. Sie verbinden die einzelnen Scherben miteinander, verschönern und vervollkommnen sie. So entsteht etwas Neues, Schönes. Der vermeintliche Makel wird zum einzigartigen Teil der eigenen Geschichte.  O-Ton 23 Sandra Stelzner-Mürköster (0‘32“):  Und diese Teile einzeln wieder zusammensetzen, das ist dieses Kennenlernen von sich selbst. Den eigenen Gaben und Talenten. Und auch wieder Visionen vom Leben zu finden und auch sich selbst Träume zu erlauben. Und das ist der Weg! Und der ist verdammt schmerzhaft!  O-Ton 24 Verena König (0‘25“):  Die Menschen, die zu mir in die Praxis kommen, sind für mich in den allermeisten Fällen Menschen, die ich bewundere für ihre Tiefe. Bei denen ich das Gefühl habe: Sie sind anders verbunden mit dem Leben, als Menschen, die bisher vielleicht ganz unbeschwert durch ihr Leben gehen konnten. Also dass sie z.B. eine größere Wertschätzung haben für Schönes im Leben, für das Leben selbst.  Musik:  Accurate timing (red.) 0‘26 Erzählerin:  Brüche zwingen Menschen, neue Wege einzuschlagen. Oft verändern sich dabei Werte und Prioritäten. Ein Wendepunkt kann dazu führen, dass man stärker wird.  Kann. Aber nicht muss. Manche Menschen zerbrechen auch an allzu schweren Schicksalsschlägen, so die Traumatherapeutin Verena König:  O-Ton 25 Verena König (0‘34“):  Krisen können auch lebensbedrohlich sein. Also ein Bruch im Leben kann Menschen an die Grenze des Tragbaren und des Möglichen bringen. Und deswegen sind auch Suizide nicht selten ein Ausweg für Menschen. Es gibt auch Bilanz-Suizide, so genannte, oder Suizide im Affekt, die häufig aus Momenten der vollkommenen Überforderung entstehen oder der ganz großen Beschämung. Also Krise kann auch sehr bedrohlich sein und sollte nicht romantisiert werden. Erzählerin:  Es kann also in beide Richtungen gehen: Wachstum oder Absturz. Keinesfalls jeder Mensch steigt empor wie Phoenix aus der Asche. Die Forschung zeigt: Viele erholen sich irgendwann nach der Krise, andere hingegen werden nie wirklich damit fertig.  Musik:  A beginning 0‘22 Erzählerin:  Peter, der zunächst spielsüchtig und dann hochverschuldet war, sortierte sein Leben von Grund auf neu. Machte eine Psychotherapie, entdeckte das Meditieren für sich und die Natur als Kraftquelle. All das wäre ohne den Absturz wahrscheinlich nicht passiert.  O-Ton 26 Peter (0‘20“):  Ich bilde mir ein, ruhiger geworden zu sein, kann auf das schauen, was mir gut tut, im Umgang mit meiner Partnerin und anderen Menschen ist mir Achtsamkeit und gegenseitige Wertschätzung sehr wichtig, und dazu gehört auch, dass man offen miteinander umgeht und Dinge nicht hinterm Berg hält, weil sonst auch dieses Vertrauen, was notwendig ist, um auch ne Krisensituation zu überstehen, nicht entstehen kann.  Erzählerin:  Und noch etwas hat sich aus seinem Scheitern entwickelt: Peter engagiert sich bei den anonymen Insolvenzlern, einem Netz aus Selbsthilfegruppen, die Menschen in ihrer privaten- oder Firmenpleite unterstützen.  Musik:  Consistend method (reduziert)  0‘28 Erzählerin:  Bei Sandra-Stelzner-Mürköster hat der Riss in ihrem Leben fast alles verändert: Als Trauermentorin begleitet sie Menschen nach Verlusten, und als Buchautorin möchte sie ihr Wissen weitergeben. Sie hat einen neuen Partner gefunden und mit ihm eine Tochter bekommen. Mindestens genau so wichtig ist ihre innere Wandlung:  O-Ton 28 Stelzner-Mürköster (0‘29“):  Dass ich das Leben mit einer ganz tiefen Intensität leben kann, indem ich sehr intensiv fühle, und durch dieses intensive Fühlen eine ganz enge und liebevolle Beziehung zu allen Menschen hab, die in meinem Feld sind. Das ist einfach die Liebe und auch die Aufmerksamkeit wie ich Menschen begegnen kann heute. Und dass ich wirklich dadurch so vieles mitfühlen kann. Und das schafft ja auch Verbindung. Erzählerin: Letztlich gehören Brüche im Leben wie kaum etwas anderes zum Menschsein dazu – und gleichzeitig wird kaum etwas anderes so oft schamhaft verborgen.  Am Ende wäre es doch eine schöne Vision: So wie die Risse im zerbrochenen Porzellan sorgsam mit goldener Farbe verziert und somit sichtbar gemacht werden, wäre es vielleicht heilsam, wenn sich auch Menschen mehr zeigen würden: in ihrer Gebrochenheit, ihrer Verzagtheit, aber auch in ihrer gewonnenen Stärke. Sie könnten Vorbild sein für andere, deren Leben gerade in tausend Scherben zerspringt. Musik:  Timeline 0‘37 O-Ton 29 Verena König (0‘35“):  Es wäre wunderschön, wenn in unserer Gesellschaft unsere Verletzlichkeit Platz hätte und auch unsere Verletzungen, die wir mit uns tragen. Es ist so schade, dass wir Verletzlichkeit mit Schwäche gleichsetzen. Weil das nichts miteinander zu tun hat! Und wenn wir Verletzlichkeit anerkennen als eine absolute Gemeinsamkeit aller Menschen, dann würden wir uns tatsächlich sicherer fühlen können. Weil wir achtsamer mit uns selbst und mit anderen umgehen würden.  
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Mar 13, 2025 • 23min

Die Underground Railroad - Wie ein geheimes Netzwerk Sklaven befreite

Dr. Heike Raphael-Hernandez, Amerikanistin an der Universität Würzburg, bringt ihr umfassendes Wissen über die Geschichte der Sklaverei und die Underground Railroad ein. Sie diskutiert eindringlich die grausamen Sklavenauktionen und die emotionalen Zerrissenheiten, die Familien heimsuchten. Besonders faszinierend ist die Beschreibung der Underground Railroad, die als geheimes Netzwerk agierte, um versklavten Menschen zur Freiheit zu verhelfen. Das Leben von Harriet Tubman als mutige Symbolfigur und die Herausforderungen nach der Sklaverei werden ebenfalls beleuchtet.
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Mar 13, 2025 • 23min

Wachstum - Wie die Wirtschaftsidee nach Europa kam

Matthias Schmelzer, ein Wirtschaftshistoriker und Professor an der Universität Flensburg, und Robert Groß, Umwelthistoriker und Forscher in Wien, diskutieren die Entstehung der Wachstumsidee in Europa. Sie beleuchten die historische Küchendebatte von 1959 und den Einfluss des Marshallplans auf das Wirtschaftswachstum. Außerdem wird die Rolle des Bruttosozialprodukts thematisiert und die Herausforderungen des kontinuierlichen Wachstums in Europa. Die Gäste werfen auch einen kritischen Blick auf die sozialen und ökologischen Grenzen des Wachstums.

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