Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Dr. Sascha Weigel
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Sep 4, 2021 • 51min

#52 SanierungsMediation. Im Gespräch mit Uwe Kassing

Mediation und Moderation im Feld der Unternehmenssanierung und -restrukturierung Die Sanierung von finanziell angeschlagenen Unternehmen erfordert in zunehmend bereits in einem frühen Stadium des Sanierungswegs eine professionelle Begleitung. Hier können in Zukunft infolge des 2021 erlassenen StaRU-Gesetzes versierte Moderatoren und Mediatoren zum Zuge kommen. Wie es dazu gekommen ist und was im Einzelnen zu beachten sein wird, das bespricht der Mediator und Ausbilder Dr. Sascha Weigel mit dem Sanierungsexperten und Pionier auf dem Gebiet der SanierungsMediation Uwe Kassing. Inhalte: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Sanierungsverfahren und Mediationsverfahren Prinzipien der Mediation im Sanierungsverfahren Sanierungsfälle ähneln mehr Gruppenmediationen, statt klassische zwei-Seiten-Mediation Sanierungsziel vs. Mediationsoffenheit Rollenaspekt: Allparteilichkeit als Sanierungs- und Restrukturierungsberater? Rollenaspekt: Neutralität des Sanierungsmoderators bzw. der Restrukturierungsbeauftragten (vom Gericht) Problem der Vorbefassungen. Persönliche Voraussetzungen für die Arbeit von Sanierungsmoderationen und Restrukturierungsbeauftragungen. Rollenverständnis nach dem StaRUG. Methodenfragen: Einzelgespräche (Caucus-Mediation) Uwe Kassing: Bereits in der Ausbildung in den 90er Jahren begann Uwe Kassing seine Tätigkeit im Bereich Insolvenzrecht, damals noch im Konkursrecht (Konkursordnung), in der renommierten Verwalterkanzlei JNP, Hamburg. Mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung trat Uwe Kassing in die multidisziplinäre Kanzlei Haarmann Hemmelrath ein und arbeitete anschließend lange Jahre selbständig als Insolvenzverwalter (Fachanwalt für Insolvenzrecht). Nach seiner Ausbildung zum Mediator und mit Inkrafttreten des ESUG sowie des Mediationsgesetzes im Jahr 2012 widmet er sich ausschließlich als SanierungsMediator der Unterstützung von Eigenverwaltungsverfahren in kleinen und mittleren Unternehmen. Der Fokus seiner Arbeit liegt in der außergerichtlichen SanierungsMediation und der Sanierung von Unternehmen mittels Insolvenzplan. Dabei sind nach seinem Verständnis gerade in den Eigenverwaltungsverfahren mediative Kompetenzen und die Unterstützung konsensualer Lösungen von Konflikten durch transparente Kommunikation zwischen allen Verfahrensbeteiligten ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die langjährigen Erfahrungen und die Entwicklung einer veränderten Insolvenz- und Sanierungskultur kennzeichnen seine fachlichen Beiträge, u.a. seit der ersten Auflage im Handbuch Mediation (Hrsg. Haft/ von Schlieffen, 3. Auflage 2016; Kapitel „Mediation im Insolvenzrecht“). Mit der Umsetzung der Europäischen Richtlinie zum vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren wird nach seiner Einschätzung der Weg geebnet, um zwischen den betroffenen Unternehmen und den Gläubigern mit dem StaRUG in kritischen Situationen angemessene, interessengerechte Restrukturierungslösungen ohne das gefürchtete Stigma der Insolvenz zu erarbeiten.
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Aug 27, 2021 • 51min

#51 - Storytelling in der Mediation. Im Gespräch mit Hanna Milling

Storytelling als professionelle Methode in der Mediation und im Coaching Dr. Hanna Milling lebt in Berlin und Chorin. Als Mediatorin und Coach begleitet sie Menschen und Organisationen bei der Lösung von Konflikten. Die studierte Diplom-Kulturwirtin und Doktorin der Philosophie ist Ausbilderin für Mediation BM® sowie ausgebildete Klärungshelferin und Lachtrainerin. Im Gespräch mit Sascha Weigel gibt sie Auskunft über die Anwendung von Geschichten in der Mediation. Geschichten sind eine Provokation zum Umdenken. (Nossrat Peseschkian) Inhalte in dieser Episode: Wie werden Geschichten in der Mediation eingesetzt? In welcher Phase lassen sich Geschichten in der Mediation einsetzen? (Spoiler: Natürlich in jeder Phase - zu jedem Zeitpunkt. Immer!) Wie können Geschichten in der Mediation eingesetzt werden? Worauf ist zu achten beim intervenierenden Einsatz von Geschichten in der Mediation? Funktionen von Geschichten: Distanzierungsfunktion Normalisierung Suchprozessfunktion Links: Webseite Hanna Milling Webseite zum Buch: Verlagsseite Wolfgang Metzner Verlag
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Aug 21, 2021 • 58min

#50 - Wenn Berater ratlos sind. Transaktionsanalyse für eine Allgemeine Beratungstheorie

Balling-Mohr-Weigel-Gespräche. Teil 4 Beratungsschulen, die psychologisch ausgerichtet sind und sich mglw. zu einer Allgemeinen Beratungstheorie verbinden werden: Psychoanalyse Psychodynamische Schulen Verhaltenstherapeutische Schulen Humanistische Psychologie samt Ihrer Schulen (Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie, Transaktionsanalyse etc.) Systemische Therapien NLP Hypnosystemische Therapien und Beratungen In eigener Sache Neue Ausbildungskurse Mediation ab Oktober 2021 und Februar 2022. Neuer Lehrpodcast "Episoden der Mediation" auf Apple-Podcast anhören bei Spotify anhören Lern- und Wissensmanagement-Tool für unsere Ausbildungen und Seminare www.elemente-der-mediation.de Webseite: www.inkovema.de E-mail: info@inkovema.de Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen.
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Aug 14, 2021 • 52min

#49 - Die dunkle Seite der Mediation II - Gefahren für Mediator*innen. Im Gespräch mit Markus Troja

Die fünf Wege in der Mediation, die Mediator*innen auf die dunkle Seite der Mediation führen. Neuen Ausbildungskurse ab Oktober 2021 und Februar 2022. Mehr Informationen. Inhalte: Wenn es wie in Star Wars auch in der Mediation einen dunklen Lord gäbe, könnte er seinen Schülern fünf Leitsätze auf den Weg geben, die zur dunklen Seite der Mediation führen: 1. Sei Dir gewiss, Mediation kann nicht schaden. Sie ist immer den Versuch wert. 2. Deine Aufgabe ist es, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Überzeuge sie in jedem Fall von der Mediation und lenke ihren Blick weg von den Alternativen. 3. Bringe die Parteien dazu, dass sie sich einigen. Der Erfolg der Mediation ist die Vereinbarung. Lenke all Dein Handeln darauf. Was ist eine erfolgreiche Mediation? Motivationen von Mediator*innen während der Mediationen? 4. Als Mediatorin hast Du auch die Verantwortung für die Entwicklung der Mediation selbst. Du bist die Hüterin der wahren Mediation. Glaube an ihr Wirken und erlaube kein Abweichen von der reinen Lehre. 5. Strebe stets die Versöhnung der Konfliktparteien an. Betrachte einen Streit erst als beendet, wenn beide Seiten wirklich vergeben und vergessen können. „Das Bild und die Nachwirkung des Konfliktes und alles dessen, was man dem anderen vorzuwerfen hatte, bleibt im Bewusstsein bestehen und kann nicht verschmerzt werden. Aber um dies herum wächst nun doch die unverminderte Liebe und Anhänglichkeit, indem jene Erinnerungen und Resignationen nicht als Abzug wirken, sondern wie organische Bestandteile in das Bild des andern eingefügt sind, den wir nun sozusagen inklusive dieser Passiva in der Bilanz unsres Gesamtverhältnisses zu ihm lieben – wie wir doch einen Menschen auch mit all seinen Fehlern lieben, die wir nicht aus ihm fortdenken können. Die Bitternis des Kampfes, die Punkte, an denen die Persönlichkeit des andern versagt hat, die einen dauernden Verzicht oder eine immer erneute Irritation in das Verhältnis bringen – all dies ist unvergessen und eigentlich unversöhnt. Allein es ist sozusagen lokalisiert, als ein Faktor in die ganze Beziehung aufgenommen, deren zentrale Intensität darunter nicht zu leiden braucht.“(G. Simmel in Rammstedt, Georg Simmel Gesamtausgabe, Bd. 7, Frankfurt a.M. 1995, S. 343 f.) Literatur: Fachbeitrag: Markus Troja, Die dunkle Seite der Mediation, ZKM 4/2019, 138-141. Fachbuch: Fritz Breithaupt, Die dunkle Seite der Empathie. Frankfurt am Main 2017 Links: Webseite von Markus Troja: www.trojapartner.de
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Aug 6, 2021 • 53min

#48 - Die dunkle Seite der Mediation I - Im Gespräch mit Markus Troja

Gefahren durch die Mediation: Worauf wir als Gesellschaft achten müssen und was wir - mit der Mediation - tun können... Neuen Ausbildungskurse ab Oktober 2021 und Februar 2022. Mehr Informationen. Lern- und Wissensmanagement-Tool: www.elemente-der-mediation.de Mediation ist ein schillernder Begriff, dessen dunkle Seiten dadurch oftmals unerkannt bleiben. In zwei Teilen gehen Markus Troja und Sascha Weigel diesen dunklen Seiten der Mediation nach. Die dunkle Seite ist eine Konsequenz der Macht und Einflussstärke von Mediator*innen. Dabei gibt es einmal Gefahren, die durch die Mediation als Konfliktbearbeitungsverfahren ausgehen, weil strukturelle Konflikte unbeachtet bleiben und die Personen alleingemacht und vereinzelt eine unzureichende Konfliktvereinbarung untereinander treffen. Zum anderen gibt es Gefahren durch die Mediator*innen als Dritte im Konflikt, die stets als Machtfaktor oftmals selbst ihren Einfluss verkennen und persönlich "auf die dunkle Seite geraten" können. Manchmal ist die einzelne Konfliktvermittlung misslich, wenn dadurch die Organisation gehindert wird, vertiefter über das strukturelle Grundproblem nachzudenken und eine weitergehende Entscheidung zu treffen. Genannte Literatur: Fachbeitrag: Markus Troja, Die dunkle Seite der Mediation, ZKM 4/2019, 138-141. Fachbuch: Fritz Breithaupt, Die dunkle Seite der Empathie. Frankfurt am Main 2017
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Jul 20, 2021 • 52min

#47 - Deal Mediation (Vertragsmediation). Im Gespräch mit Jörg Schneider-Brodtmann

Mediation ohne Konflikt - Wer braucht so etwas und wieso hat der deutsche Gesetzgeber das nicht (auch so) gesehen? Neuen Ausbildungskurse ab Oktober 2021 und Februar 2022. Mehr Informationen. Lern- und Wissensmanagement-Tool: www.elemente-der-mediation.de Inhalte: „Deal Mediation“ – Mediation ohne Konflikt? Bei der Vertragsmediation unterstützt ein neutraler Dritter die Parteien im Verhandlungsprozess - bis hin zum anvisierten Vertragsschlusses. Das Verfahren ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass zum Zeitpunkt des Prozessbeginns kein (manifester oder eskalierter) Konflikt vorliegt, sondern allenfalls ein - allseits anerkannter - Interessengegensatz, der jedoch durch potenzielle Interessensgleichläufe auf gemeinsam zu erschaffende Gewinne nicht im Vordergrund steht, sondern beachtet werden will. Konfliktpotenziale, die aufkommen, wenn gemeinsam etwas Neues geschaffen werden will, werden mithin ernst genommen - und die vertraglichen Absprachen von Beginn an mit Hilfe eines neutralen, allparteilich agierenden Dritten unterstützt. Nutzen der Deal Mediation: Im Grunde ist jede Streitbeilegung durch Mediation auf die Herbeiführung einer Einigung, also einen Vertrag ausgerichtet. Die Anwendung der Mediationsprinzipien auf Vertragsverhandlungen, denen kein (manifester) Konflikt zugrunde liegt, ist daher aus methodischer Sicht konsequent. Als Vorteile der Deal Mediation werden u.a. hervorgehoben, dass sich die Parteien bei Hinzuziehung eines Mediators mehr auf die Verhandlungsinhalte als den Prozess konzentrieren können, wertschöpfende Aspekte gegenüber der bloßen Wertverteilung stärker betont werden, Unterschiede im Verhandlungsstil und der Verhandlungsmacht der Parteien ausgeglichen, sprachliche und kulturelle Hürden überwunden und aus dem „Verhandlungsdilemma“ resultierende Verhandlungsblockaden leichter aufgelöst werden können. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil liegt darin, dass der einmal ausgewählte Vertragsmediator im Falle eines erfolgreichen Vertragsschlusses den Vertrag über dessen gesamte Laufzeit hinweg begleiten und beim Auftreten von Störungen und Eskalationen jederzeit zur Konfliktbeilegung eingesetzt werden kann. Der Vertragsmediator agiert in diesem Sinne als „Counsel to the Deal“. Historie und Konzeption: Das Konzept der Deal Mediation wurde zunächst in den USA als neues Tätigkeitsfeld für Rechtsanwälte vorrangig in komplexen grenzüberschreitenden Transaktionen entwickelt und im Anschluss daran in Europa rezipiert. In Deutschland wurde diese Entwicklung bereits im Vorfeld des Mediationsgesetzes aufgegriffen und befürwortet, gleichwohl aber nicht im Mediationsgesetz rechtlich verankert. Links: Webseite Jörg Schneider-Brodtmann: Menold Bezler
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Jul 8, 2021 • 1h 17min

#46 - Geschichte der Beratung. Teil III - Comeback der Beratung in der Postmoderne. Gespräch mit Haiko Wandhoff

Was wir tun, wenn die Welt sich während unseres nächsten Schrittes selbst wandelt. Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. Rückblick und Zusammenfassung -Vertrauen als Beratungsressource Vertrauensaufbau mittles Schriften Fürstenspiegel und Ratgeberliteratur Beratungsangebote und Beratungsnachfrage Ich-AG und Unternehmerselbst Aufgeklärte Beratungsskepsis und Psychoanalyse Organisierte Moderne und Fachberatungsbedarf Sozialfürsorge und staatliche Beratung Liberaler Taylorismus, Staatsozialistische Kolchosen und nationalsozialistische Volksbetriebe Luhmanns Steuerungsskepsis und Systemtheoretische Wende Biologischde Systemtheorie, Maturana und Varela Antiromantik und Anti-Gegenkultur der Systemtheorie Hypnose und Hypnosystemische Beratung M. Erikson und G. Schmidt Hochzeit zwischen existenzialistischem Humanismus und Systemtheorie Der ganze Mensch im Zentrum (Flora und Fauna im Schatten!) und Dekonstruktion des Menschen in der Systemtheorie Liebe fühlen und Systeme denken (Maturana) Weg in die Beratungsgesellschaft Entfesselung der Wirtschaft hin zur globalisierten Wirtschaft Individualisierung und Amerikanisierung von Persönlichkeiten technologische Entwicklungen und Verwicklungen des Alltags (DOS-Computer) Fachberatung und zwischenmenschliche Kommunikation Blick in die Zukunft Technologisierung und Digitalisierung der Beratung Beratung durch Künstliche Intelligenzen via Internet Beratung als Lehre und Praxis vom Umgang mit Menschen
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Jul 6, 2021 • 1h 4min

#45 - Geschichte der Beratung II - Moderne und ihre Aufklärung. Im Gespräch mit Haiko Wandhoff

Was wir taten, als wir zu wissen glaubten, dass nur wir selbst es wissen könnten. Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. PS: Wir bitten um Entschuldigung für die nicht berauschende, weil berauschte Tonqualität dieser Folge! Sie ist Zeugnis eines sehr heißen Sommertages ;-) _ Informationen zur Reihe „Geschichte der Beratung“ Inhalte: In Teil 1 überfliegen wir die Antike und das Mittelalter und lernen verschiedene Ideen zur Beratung an. Teil 2 führt in die Frühe Neuzeit und Moderne, vor allem in die Epoche der Aufklärung, die auch für die Idee der Beratung eine Zeitenwende war, deren Resultat eine tiefe Beratungsskepsis mit sich brachte. Teil 3 wird sich erneut mit einer fundamentalen Wende beschäftigen, die sich in der Postmoderne ereignete und zum Konzept des Beratens ohne Ratschlag führte. Leitidee …dieser Reihe ist ein vertieftes Verständnis heutiger Beratungsphänomene zu erlangen: Was geschieht bei den beteiligten Personen eines Beratungsprozesses vorab, wenn die einen einen Rat haben wollen und die anderen sich anschicken, einen Rat zu geben? Welchen Einfluss hat der Rat auf die kognitiven Selbstberatungsprozesse und welche Funktion hat der Rat im Grunde genommen? Wie verhält sich Beratung zu anderen Beeinflussungskommunikationen: Bekehrung, Belehrung, Betreuung und Befehl und anderer Formen der Beherrschung? Wieso scheint alles systemisch sein zu müssen, was an Beratung angeboten wird? Was soll der Hinweis, dass Ratschläge auch Schläge seien? Wieso wird unsere Gesellschaft als Beratungsgesellschaft tituliert? Und wie kommt es, dass man heute kaum eine Tätigkeit mit Ernsthaftigkeit ausüben kann, ohne alsbald mit einem Beratungsangebot dazu umworben zu werden? Inhalte von Teil 2: Zusammenfassung Mätressen als Beratungsphänomen am Fürstenhof Die Neue Zeit - Das Große Europäische Gespräch (Roeck) Aufklärung und Beratungsskepsis (Montaigne und von Kleist) "Wer Rat sucht, hört nicht genügend in sich hinein - und wer Rat gibt, ist anmaßend." Die stillen Ratgeber: Siegeszug der Ratgeberliteratur Rehabilitierung der Fremdberatung im 20. Jahrhundert
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Jun 29, 2021 • 42min

#44 - Dilemmata in der Organisationsberatung. Im Gespräch mit Rolf Balling

Wer glaubt, ein Dilemma ist ein Problem, hat wirklich ein Problem. Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. Inhalt: (Auszug aus: Balling, Rolf: Dilemmata in der Mediation, in: Theorie und Praxis der Transaktionsanalyse in der Mediation, Ein Handbuch, Nomos-Verlag, 656 S., 2014)_ Definitionen und grundsätzlichen Erwägungen zum Dilemma Dilemma nennt man eine Entscheidungssituation, in der die Folgen aller bekannten Handlungsalternativen, als unbefriedigend/unakzeptabel erlebt werden. Dilemmata werden im typisch westlichen Denken, schnell als etwas Peinliches gesehen. Als etwas, was bei guter Organisation und Planung, und natürlich bei klarem Verstand, Skript-Freiheit und Entscheidungsstärke, gar nicht vorkommen dürfte. Denn seit Aristoteles denken wir gerne im ‚entweder-oder‘ und hoffen, damit schwierige Entscheidungssituationen transparent und letztendlich auch im nachvollziehbarem und überzeugendem Kalkül entscheiden zu können. Spätestens seit Gödel-Escher-Bach wissen wir allerdings, dass auch logisch richtiges Denken Widersprüche und Dilemmata produziert. Östliches Denken geht eher in die ‚sowohl-als auch‘- Richtung; das Yin-Yang-Symbol für den Gegensatz im Gegensatz ist ein bekannter Ausdruck dafür. Gerade damit entstehen dann Dilemmata, aber hier ist die Erlaubnis größer, auf diese mit pragmatischen Entscheidungen zu reagieren. Dilemmata können uns bescheiden machen. Sie führen uns in Suchprozesse, an unsere Grenzen; und häufig schenken sie uns die Gelegenheit, unseren ‚Frame of Reference‘, unsere Sicht der Welt, zu überprüfen und zu erweitern. Dies, wenn wir erkennen, dass wir uns ein Dilemma mit nicht zueinanderpassenden Glaubenssätzen selbst konstruiert haben. Ein anderer, psychischer Aspekt zeigt sich häufig in Supervisionen, in denen ‚Dilemmata‘ präsentiert werden, die keine - für den Supervisor nachvollziehbaren – ‚unakzeptablen‘ Alternativen nach sich zögen. Hier dient Abwertung und Grandiosität (nach dem Schiff´schen Passivitäts-Konzept) häufig dazu, unbewusst Dilemma-Dramen zu konstruieren, um dadurch gerechtfertigt, passiv – angesichts einer unschmackhaften Problemlösungs-Konsequenz – bleiben zu können. Gelingt es, die Grandiosität und auch die dysfunktionalen Glaubenssätze, mit denen viele präsentierte Dilemmata aufgeladen sind, herauszunehmen, bleibt doch häufig ein harter Dilemma-Kern übrig, den man auch als Aporie bezeichnen kann. Es bleibt die situative Unmöglichkeit, zwei uns wichtigen Werten und/oder Zielen, gleichzeitig und ohne Abstriche gerecht zu werden. So gesehen stellt die persönliche Dilemma-Kompetenz einen guten Anzeiger für den erreichten Grad an menschlicher Reife dar. Fundamentalismus gleich welcher Sorte kann man als Verweigerung sehen, sich Dilemmata auszusetzen. Man produziert dann eine trivialisierende Weltsicht, die es einem erlaubt, sich auf eine Seite eines Dilemma zu schlagen und die andere Seite auszugrenzen, und zu bekämpfen. Dilemmata sind wie ein schwarzes Loch oder wie der Minotaurus im Labyrinth von Kreta. Sie können uns einfangen und einsaugen. Angeraten ist es da, Abstand zu wahren und sich bei kreisender Annäherung anzuseilen. Ich werde bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema ebenfalls einen umrundenden Stil pflegen. Mögen sich dabei hilfreiche Blickrichtungen und Erkenntnisse ergeben. Echte Dilemmata kann man also nicht dauerhaft lösen. Manchmal kann man die Polaritäten eines Dilemmas auf einer höheren Ebene verschmelzen, auf der tieferen Ebene bleiben die Pole allerdings auch dann bestehen. Tröstlich kann man nur sagen, dass eine Erkenntnis des Zusammenfallens von Polaritäten auf einer höheren Ebene, zu mindestens das Treffen guter Entscheidungen auf der tieferen Ebene erleichtert. Das Wort ‚Lösung‘ möchte ich im Zusammenhang mit Dilemmata überhaupt nicht verwenden, sondern nur im Zusammenhang mit ‚Problemen‘, bei denen es tatsächlich gelingen kann, diese nachhaltig aufzulösen. Beispiele und typische Fragestellungen Klassische Dilemma-Situationen a. Dilemmata mit zwei gleich guten Alternativen. Das klassische Beispiel hierfür ist das Esel-zwei-Heuhaufen-Dilemma nach Buridan, bei dem ein Esel verhungert, weil er zwischen zwei gleich großen und gleich entfernten, Heuhaufen steht, was unseren Esel handlungsunfähig macht. Ein modernes Beispiel hierfür könnte sein: Da hat jemand zwei gleich interessante Job-Angebote. Und er kann sich nicht für eines entscheiden, auch aus Angst, dass sich seine Wahl nachträglich als falsch erweisen könnte. Zu fragen wäre dann: Könnte der sich das nachträglich verzeihen? (Skript-Ebene) Gäbe es da überhaupt etwas zu verzeihen? (Existenzielle Ebene) Könnte man das irgendwann überhaupt wissen? (Erkenntnistheoretische Ebene) b. Dilemmata mit zwei unakzeptablen Auswirkungen Da will einer sein ererbtes Vermögen in hehrem Gedenken an seine Eltern erhalten. Aber bei ‚sicherer‘ Anlage mit Staatsanleihen ist die Inflation höher als die Zinsen; eine inflationsausgleichende Verzinsung gibt es allerdings nur bei erheblich höherem Risiko, das ihn nachts nicht schlafen lässt. Hier braucht man einen durchdachten und emotional akzeptierten Kompromiss, der noch gerade die Nachtruhe sichert, und mit dem man – bis zur nächsten Überprüfung der Dilemma-Situation – leben kann. Strukturen und Prozesse einer Organisation als Dilemma-Inszenierung Organisationen verstehen sich in einem technokratischen Paradigma, als gut konstruierte Maschinen, die reibungslos funktionierten, … wenn die Menschen nicht dauernd Probleme machen würden. Tatsächlich muss sich jede Organisation mit vielen system-immanenten Dilemmata auseinandersetzen, die keineswegs von Menschen hineingetragen werden. Mit diesen Dilemmata im streng technokratisch-mechanischem Paradigma umzugehen, führt zu suboptimalen Entscheidungen, weil hierbei die Welt – trivialisierend – dem Paradigma angepasst wird. Gerade die menschliche Dilemmata-Kompetenz, nicht das technokratische Kalkül, ist es, die es Organisationen erlaubt, gute Entscheidungen in seinen originären Dilemmata zu kreieren. Beispiele für Organisationsdilemmata sind: Standardisierte und damit kostengünstige Produkte (sagt die Fertigung) versus Kundenbedarfs-genauem Variantenreichtum, der teurer ist (sagt der Vertrieb) Eine flache Hierarchie mit wenig trennenden Ebenen zwischen Vorstand und Mitarbeitern versus eine kleinere Führungsspanne, in der der Chef wirklich Zeit für seine Leute hat. Investieren in viele Zukunfts-Technologien, um viele Eisen im Feuer einer ungewissen Zukunft zu haben versus Technologieführerschaft in einer Zukunfts-Technologie, mit dem Risiko, dass sich doch eine andere durchsetzt. Eine funktionale Struktur-/Prozess Organisation inszeniert ihre relevanten Organisations-Dilemmata in ihrem strukturell-sozialen Raum mit dem Mittel einer entsprechenden Aufbau-Organisation. Die Vorteile einer solchen Vorgehensweise sind: Die Dilemmata werden damit entpersonalisiert und enttabuisiert, ein Monitoring der Auseinandersetzung zwischen den Polen und der Qualität der Verhandlungsergebnisse wird einfacher, ändert sich das Ranking der wichtigsten Dilemmata, dann kann man die Organisation dem entsprechend umbauen. (z.B. So sollte in einem Globalisierungsprozess das Dilemma ‚Zentrale versus Regionen‘, angemessen in der Struktur- und Prozessorganisation inszeniert sein). Damit Dilemma-Inszenierungen in Organisationen gute Ergebnisse bringen können, braucht es weiterhin: Eine angemessene Machtbalance zwischen den Vertretern der Polaritäten, definierte Eskalationsprozesse, wenn die Auseinandersetzung hakt, eine Kultur, in der man streiten kann und dabei nicht in Grabenkämpfe zwischen Funktionsbereichen abgleitet, eine Kultur, in der Dilemmata als normal gesehen werden, und die pragmatisch Lösungen aus einer Loyalität für das größere Ganze ermöglicht, Personen in den Organisationsrollen, die in persönlicher Reife, Ausbildung und Erfahrung diesem Anspruch gerecht werden können. Fritz Simon sieht die Möglichkeit zur Dilemma-Inszenierung als großen Vorteil, den eine Organisation gegenüber einer einzelnen Person hat, welche ihre Dilemmata intrapsychisch – in allenfalls zwei Brusthälften differenziert – bewältigen muss. Auch in Organisationen gibt es kulturell konstruierte Dilemmata, die auf dysfunktionalen Glaubenssätzen beruhen. Eine davon ist das Prinzip ‚Win-Win‘ in Verhandlungen, wenn es verabsolutiert wird. Was ist denn, wenn tatsächlich keine andere Möglichkeit besteht, als dass eine Verhandlungs-Partei zum ‚Looser‘ wird, und man deren Verlust auch nicht wirklich kompensieren kann? Hier wird manchmal die Enttrübung eines unrealistischen Win-Win-Glaubenssatzes nötig, um wieder handlungsfähig zu werden. Beratungs-Strategien bei der Bearbeitung von Dilemmata Die Erlaubnis, sich im Dilemma befindlich zu sehen und zu fühlen Mitgehen mit den Ambivalenzen Gemeinsames Leiden in identischen oder unterschiedlichen Dilemmata Umgang mit geheimen und unbewussten Loyalitäten Das Dilemma in den sozialen Raum bringen Die Rahmung von Suchprozessen mit den Dilemma-Beteiligten Eskalation im Rahmen der Klärung von Dilemmata Die Funktion von befürchtetem Fehler mit Reue und/oder Scham Der Aufbau von Dilemma-Kompetenz als Person und Rollenträger von Organisationen Links: Rolf Ballings Webeseite: https://www.rolf-balling.de/
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Jun 10, 2021 • 52min

#43 - Wenn Berater ratlos sind. Teil 3. Was sind Organisationen heute?

Balling-Mohr-Weigel-Gespräche Neuen Ausbildungskurse ab Oktober 2021 und Februar 2022. Mehr Informationen. Lern- und Wissensmanagement-Tool: www.elemente-der-mediation.de Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. Inhalte: Was sind Organisationen? Was ihre Besonderheiten und Herausforderungen bei der Beratung? Arbeitsteilung, Kooperationsfähigkeit und Organisationsfähigkeit Organisationen sind für Menschen da, nicht umgedreht! Ja, schon, aber welche Menschen sind maßgeblich? Angestellte, Eigentümer, Lieferanten, Kunden? Bilder von Organisationen? angesprochene Modelle und Konzepte "I've never kissed a system." Blogbeitrag: Praktische Diagnose einer Organisationskultur mit dem Kulturdiagnose-Dreieck nach Rolf Balling Balling-Paper: Diagnose von Organisationskulturen Podcast: #22 – Ballings Kulturdiagnose von Organisationen angesichts agiler Arbeitsweisen Mohr-Paper: Systemdynamiken (PDF) Gareth Morgan: Bilder von Organisationen (PDF english) Nikolai D. Kondratieff: Kondratieff-Zyklen (bpb-Artikel) Ulrich Bröckling. Das Unternehmerische Selbst.

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