Ruth Wodak, Sprachwissenschaftlerin und Autorin, und Philipp Blom, Historiker und europäischer Geschichtsexperte, thematisieren die Instrumentalisierung von Angst in der Politik. Sie diskutieren die Normalisierung rechtsextremer Diskurse und den Einfluss populistischer Akteure wie Donald Trump auf die Gesellschaft. Die Evolution kollektiver Ängste in Europa und ihre Rolle bei der Mobilisierung von Ressentiments werden ebenfalls beleuchtet. Zudem wird die Wechselwirkung zwischen Angst und Hoffnung sowie deren Einfluss auf politische Bewegungen und Lösungen angesprochen.
Die Politik der Angst, genutzt von Führern wie Trump und europäischen Populisten, hat eine schamlose Normalisierung rechtsextremer Diskurse im Mainstream bewirkt.
Um der Politik der Angst entgegenzuwirken, ist es entscheidend, hoffnungsvolle Narrative zu entwickeln und zivilgesellschaftliche Erfolge hervorzuheben.
Deep dives
Politik und Angst: Ein gefährliches Bündnis
Die Erzeugung von Angst ist ein wirksames Instrument in der politischen Strategie, das sowohl von rechtspopulistischen Führern wie Donald Trump als auch in Europa genutzt wird. Angst wird oft als probates Mittel eingesetzt, um Wähler zu mobilisieren und sie gegen vermeintliche Bedrohungen wie Migration oder die Klimakrise aufzuhetzen. Diese geschaffenen Ängste sind häufig nicht nur imaginär, sondern können auch reale Ängste wie die vor einer Krankheit oder einer wirtschaftlichen Wende reflektieren, welche dann manipuliert werden, um politische Vorteile zu erzielen. Das Bruno Kreisky Forum behandelt, wie diese Taktiken in einen gesellschaftlichen Mainstream eindringen und dort die Akzeptanz für Lügen und Falschinformationen fördern.
Die verschiedenen Dimensionen der Angst
Es wird zwischen realen, neurotischen und imaginären Ängsten unterschieden, wobei jede Art von Angst verschiedene politische Auswirkungen hat. Reale Ängste, wie die vor Krankheit oder Klimawandel, können von Regierungen thematisiert werden, um Handlungsbedarf zu signalisieren. Im Gegensatz dazu sind neurotische Ängste oft schwer greifbar und können durch unvorhergesehene Ereignisse ausgelöst werden, während imaginäre Ängste häufig konstruiert oder übertrieben werden, um politische Agenden voranzutreiben. Historische Beispiele zeigen, wie diese unterschiedlichen Ängste genutzt wurden, um beispielsweise Wahlergebnisse zu beeinflussen oder gesellschaftliche Spaltungen zu verstärken.
Politik der Hoffnung versus Politik der Angst
Angesichts der überwältigenden Politik der Angst ist es wichtig, positive, hoffnungsvolle Narrative zu entwickeln, die der Angst entgegenwirken. Eine pragmatische Politik der Hoffnung könnte darauf abzielen, Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme zu präsentieren, anstatt nur Ängste zu schüren. Eine solche Herangehensweise könnte durch konkrete Programme, wie einen Green New Deal, greifbar gemacht werden, um den Menschen positive Ausblicke und Handlungsfähigkeiten zu geben. Es ist entscheidend, die Erfolge von zivilgesellschaftlichen Bewegungen hervorzuheben und zu zeigen, dass Veränderungen möglich sind, um die Menschen aus ihrer aktuellen Ängstlichkeit zu befreien.
Angst und der soziale Wandel
Der soziale Wandel und die damit verbundenen Ängste, insbesondere in westlichen Gesellschaften, sind nicht zu ignorieren. Die Angst vor sozialem Abstieg oder dem Verlust des Wohlstands hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, was durch Krisen wie die Finanzkrise oder die COVID-19-Pandemie verstärkt wurde. Diese Ängste sind oft mit einer Wahrnehmung von Ungleichheit und Ressourcenknappheit verknüpft, was politische Instrumentalisierungen begünstigt. Es wird argumentiert, dass nicht nur der Verlust von materiellen Ressourcen, sondern auch die emotionale und soziale Unsicherheit eine zentrale Rolle spielt und erklärt, warum viele Menschen sich von populistischen Bewegungen angezogen fühlen.
Die schamlose Normalisierung rechtsextremer Diskurse. Wer Politik mit Angst macht, der glaubt immer zu gewinnen. Das gilt für Donald Trump in den USA genauso wie für die große Schar der Rechtspopulisten in Europa. Was an Beleidigungen und Ausgrenzungen von Minderheiten, an Verlogenheiten noch vor wenigen Jahren undenkbar war, ist heute in den Mainstream vorgedrungen. Für Lügen muss man sich nicht mehr entschuldigen, sie werden als Mittel zum Protest gegen sogenannten Eliten geschätzt. Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak im Gespräch mit dem Historiker Philipp Blom. Diese Episode ist der Mitschnitt einer Veranstaltung des Bruno Kreisky Forums Wien vom 16. November 2020.
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