tl;dr

Alex Demirović
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May 31, 2022 • 60min

tl;dr #16: Nancy Fraser: «Widerspenstige Praktiken» mit Susanne Lettow

Alex Demirović im Gespräch mit Susanne Lettow Nancy Fraser ist US-amerikanische Feministin und Sozialistin. In ihren Überlegungen lässt sie sich auch von Überlegungen aus der älteren Kritischen Theorie, von Jürgen Habermas oder Michel Foucault anregen. Ein zentrales Thema ihrer theoretischen Arbeit ist das der Öffentlichkeit. Mit diesem Begriff will sie zu einem erweiterten und erneuerten Verständnis des Sozialismus beitragen. In der Neuen Linken und der zweiten Frauenbewegung galt es, das scheinbar Private zu politisieren und öffentlich zu machen. Ein wichtiger Beitrag Frasers zu diesen Kämpfen ist, dass es sich bei ‚privat‘ und ‚öffentlich‘ nicht um stabile gesellschaftliche Sphären handelt, denn die Grenze zwischen ihnen ist ständig Gegenstand hegemonialer Kämpfe. Öffentlichkeit ist bürgerlich, männlich und elitär, also durchaus eine Praktik bürgerlicher Herrschaft, denn sie bewirkt, dass Arbeiter*innen, Frauen und rassifizierte Menschen kaum zu Wort kommen und öffentlich gehört, sondern in einen Bereich des Privaten abgedrängt werden. Fraser will Öffentlichkeit aber auch nicht einfach aufgeben. Sie macht vielmehr den Gedanken stark, dass es Gegenöffentlichkeiten von unten gibt, in denen es gelingen kann, in demokratisch organisierten Verständigungsprozessen eigene Bedürfnisinterpretationen auszuarbeiten und eben jene Grenzen zu verschieben. Dabei kann es durchaus geboten sein, die Privatsphäre von Frauen gegen die Macht männlich bestimmter Öffentlichkeit zu verteidigen. In diesem Sinn ist es erforderlich, auf bewegliche Weise transformative Kämpfe um den Grenzverlauf zwischen privat und öffentlich zu führen. Alex Demirović diskutiert in dieser Folge mit Susanne Lettow. Sie lehrt Philosophie am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung an der FU Berlin.
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Apr 29, 2022 • 56min

tl;dr #15: Frantz Fanon: «Die Verdammten dieser Erde» mit Robin Celikates

Robin Celikates, Professor für Sozialphilosophie und Anthropologie, diskutiert mit Alex Demirović die einflussreiche Arbeit von Frantz Fanon. Sie beleuchten Fanons Verständnis von Kolonialismus und Rassismus sowie die psychologischen Auswirkungen auf die Kolonisierten. Die Notwendigkeit gewaltsamen Widerstands wird kritisch analysiert, um die Unterdrückung zu überwinden. Auch die Herausforderungen nach der Dekolonisierung, die Rolle der Nationalkultur und die Relevanz von Fanons Ideen für die Dritte Welt werden thematisiert. Ein tiefgehendes Gespräch über Identität und Befreiung!
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Mar 31, 2022 • 58min

tl;dr #14: Lenin: «Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung» mit Dietmar Dath

Alex Demirović im Gespräch mit dem Schriftsteller Dietmar Dath Warum «Was tun?» lesen, ein Buch, das Lenin 1902 publiziert hat? Lenin entwickelt dort seine Konzepte von Partei und allseitigen Klassenbeziehungen. Die Idee der Zeitung als «kollektiven Organisator und Intellektueller», als zentrale Form der Bildung und Schulung. Vielfach wurde Lenin für seine Kritik an der Spontaneität, am Ökonomismus, am Mangel an Demokratie kritisiert. Was können wir heute dennoch von seinen Überlegungen lernen? Er kritisiert die Fokussierung auf die Spontanität von Streiks und betrieblichen Erfahrungen, sofern daraus Politik unmittelbar abgeleitet wird. Er lehnte es ab, sich am Alltagsverstand der Arbeiter*innen zu orientieren, dieser sollte auf den Stand der fortgeschrittensten Theorie gebracht werden. Deswegen auch seine Aufforderung an die Linke, sich in alle Dinge und in alle Beziehungen zwischen den sozialen Klassen und ihr Verhältnis zum Staat einzumischen. Über gewerkschaftliche Belange hinaus sollte die Linke auf den Sturz der Despotie und die freie Menschheit hinarbeiten. Lenins Originalität bestand darin, die Autonomie der politischen Logik zur Geltung zu bringen. Das besondere an seinem Organisationsprinzip ist nicht allein die Parteidisziplin, sondern auch die Erkenntnis, dass Organisation ein besonderes soziales Verhältnis darstellt, das Gegenstand bewusster politischer Gestaltung ist, mit denen Menschen sich ihr Handeln ermöglichen.
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Mar 11, 2022 • 60min

tl;dr #13: Louis Althusser: «Das Kapital lesen» mit Frieder Otto Wolf

Frieder Otto Wolf ist Honorarprofessor für Philosophie an der Freien Universität Berlin und Übersetzer von Althussers Werken. Im Gespräch mit Alex Demirović erläutert er Althussers radikale Lesart von Marx' ‚Das Kapital‘ als Bruch mit traditionellem Denken. Sie diskutieren die Bedeutung der politischen Ökonomie und die Herausforderungen der Staatskritik. Zudem beleuchten sie die Idee der Entidentifizierung als kollektive Praxis der Befreiung, die Transformationskraft in autoritären Strukturen entfalten kann.
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Feb 3, 2022 • 1h 1min

tl;dr #12: Stuart Hall

Alex Demirović im Gespräch mit der Soziologin Nora Räthzel Stuart Hall gilt als einer der einflussreichsten linken Wissenschaftler der Gegenwart. Politisch gehörte er zur ersten Generation der Neuen Linken. Theoretisch wollte er zur marxistischen Theorie der Überbauten beitragen. Dazu stützte er sich auf ungewöhnliche Weise auf Althusser, Derrida und Foucault und trug erheblich zu Entwicklung der britischen Cultural Studies bei. In vielen seiner Texte befasst er sich mit den Ambivalenzen der Identität und den rassistischen Erfahrungen, die er in der rassistischen Farbenlehre als «farbig» klassifizierter Bürger des Commonwealth auf Jamaika und in England machen musste. Die Idee einer Kreolisierung der Kolonialländer durch die «Kinder des Empire» macht ihn für postmigrantische Analysen wegweisend. Seine zahlreichen Aufsätze inspirierten die Medienwissenschaft, die Rassismusanalyse oder die Forschungen zu Populismus. Hall hat seine facettenreiche Theorie gelegenheitsorientiert in einer Vielzahl von Aufsätzen entfaltet und nicht in einem «Hauptwerk» komprimiert. In dieser Folge des Theoriepodcast diskutiert Alex Demirović mit der Stuart Hall-Expertin Nora Räthzel. Sie ist Soziologieprofessorin an der Universität von Umea in Schweden.
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Jan 4, 2022 • 57min

tl;dr #11: Donna Haraway: «Unruhig bleiben» mit Katharina Hoppe

Alex Demirović im Gespräch mit der Soziologin Katharina Hoppe Die ökologische Krise ist nicht nur eine Klimakrise, sondern auch eine Krise der Artenvielfalt. Das sechste große Massensterben von Tieren und Pflanzen steht im Zentrum des Buches von Haraway. Die US-amerikanische feministische Sozialistin und Wissenschaftsforscherin bemüht sich darum, das Denken derart neu auszurichten, dass die Menschen sich mit Tieren und Pflanzen in einer Verwandtschaft begreifen, als Lebewesen, die sich gemeinsam erzeugen und gestalten. Dafür entwickelt sie mit den Methoden der Science-Fiction viele neue Wörter. Nach den langen Phasen von Anthropozän (Menschenzeitalter) und Kapitalozän (Kapitalzeitalter), die geprägt waren von genozidalen Praktiken, von Rassismus und Ausbeutung, von männlich-phallischer Naturbeherrschung, sollten die Menschen artenübergreifend in die Phase des Chthuluzäns* (Wer das verstehen will, sollte den Podcast hören) eintreten – ein Vorschlag für ein neues Sozialismus-Verständnis. Denn es geht Haraway darum, dass die Pflanzen, Tiere, Bakterien, Menschen gemeinsam den verletzten Planeten in einem langfristigen Prozess reparieren müssen. Zu Gast bei **Alex Demirović **ist in dieser Folge ** Katharina Hoppe**, die an der Universität Frankfurt als Soziologin arbeitet. Sie ist Autorin des Buches «Die Kraft der Revision. Epistemologie, Politik und Ethik bei Donna Haraway.» Der Begriff Chthuluzän besteht aus zwei altgriechischen Wörtern: khthôn und kainos. Das Chthonische meint das Irdische im Gegensatz zu den Himmelsgöttern; Kainos soll heißen: eine Zeit des Anfangens und Weitermachens. Als zusammengesetztes Wort will das Chthuluzän sagen: Niemand lebt überall; jeder lebt irgendwo. Nichts ist mit allem verbunden; alles ist mit etwas verbunden. Viele Fäden und Tentakel verbinden die Lebewesen miteinander, sie bilden Netze und Netzwerke. Chthuluzän richtet sich kritisch gegen das westliche Skript des Anthropozän und des Kapitalozän, gegen Göttlichkeit, Gedankenlosigkeit, Massenvernichtung und Katastrophe. Aber es sind nicht nur Menschen, die das Geschehen auf der Erde bestimmen. Haraway zielt auf eine Theorie des Schlamms und des Komposts, des vielfach zusammengesetzten guten, gemeinsamen, verantwortlichen Lebens und Sterbens auf und in der Erde, auf ein lebbares Multispezies-Gewirr gegen das den Planeten zerstörende Kapital. Das Chthuluzän ist der Entwurf eines Anderswo und eines Anderswann.
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Nov 30, 2021 • 53min

tl;dr #10: Silvia Federici: «Caliban und die Hexe» mit Susanne Schultz

Susanne Schultz, Soziologin und Privatdozentin an der Goethe-Universität, diskutiert mit Alex Demirović über die tiefgreifenden Themen in Silvia Federicis Buch „Caliban und die Hexe“. Sie beleuchtet die historische Unterdrückung von Frauen im Kapitalismus und die Verknüpfungen zu Hexenverfolgung und Kolonialismus. Themen wie die Rolle des weiblichen Körpers, unbezahlte Arbeit und die Notwendigkeit feministische Theorien in der heutigen Gesellschaft einzubringen, werden intensiv erörtert. Dabei wird klar, wie diese Fragen auch heute noch soziale Ungleichheiten prägen.
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Oct 29, 2021 • 51min

tl;dr #9: Max Horkheimer: "Dialektik der Aufklärung" mit Rahel Jaeggi

Rahel Jaeggi, Professorin für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin, spricht über die „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno. Sie beleuchtet das Scheitern der Aufklärung angesichts von Faschismus und Autoritarismus. Die Diskussion dreht sich um den Wandel des Aufklärungsdenkens zur Mythenbildung und die Macht der Kulturindustrie. Jaeggi betont die Notwendigkeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen und die ambivalente Beziehung zwischen Aufklärung und Mythos, um zukünftige Herausforderungen zu meistern.
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Sep 30, 2021 • 56min

tl;dr #8: Nicos Poulantzas: «Staatstheorie» mit Serhat Karakayalı

Serhat Karakayalı, Professor für Soziologie und Migrationsexperte, diskutiert die ambivalente Rolle des Staates im Kapitalismus. Er beleuchtet, wie der Staat sowohl als Instrument der Herrschaft als auch als Arena gesellschaftlicher Konflikte fungiert. Die Staatstheorie von Nicos Poulantzas wird hervorgehoben, besonders die Bedeutung interner Reorganisationen für Machtkontrolle. Zudem wird das Zusammenspiel von sozialen Bewegungen, autoritären Tendenzen und der Rolle der politischen Linken analysiert, um gegenwärtige Herausforderungen zu verstehen.
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Aug 30, 2021 • 1h

tl;dr #7: Walter Benjamin: «Passagenwerk» mit Ruth Sonderegger

Ruth Sonderegger, Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der bildenden Künste Wien, taucht tief in das Leben und Werk des kritischen Intellektuellen Walter Benjamin ein. Sie diskutieren sein unvollendetes 'Passagenwerk', das komplexe Beziehungen zwischen bürgerlicher Kultur und Warenfetischismus aufzeigt. Sonderegger beleuchtet Benjamins dialektische Methode und ihre Relevanz für die heutige Konsumgesellschaft. Zudem wird die Rolle von Podcasts als Plattform für gesellschaftliche Diskussionen thematisiert.

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