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Jun 6, 2025 • 23min
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Jun 6, 2025 • 24min
Maltechnik - Der Stoff aus dem die Kunst ist
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Jun 6, 2025 • 23min
Thomas Mann und die Seinen - Im Hofstaat des Zauberers
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Jun 6, 2025 • 23min
Operation Overlord - Die Landung der Alliierten
Dr. Peter Lieb, Militärhistoriker aus Potsdam, diskutiert die entscheidenden Vorbereitungen der Alliierten für den D-Day und welche meteorologischen Herausforderungen sie bewältigen mussten. Er beleuchtet den D-Day als Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg und die komplexen strategischen Überlegungen der Alliierten. Besonders eindringlich beschreibt er die tragischen Luftbombardierungen und deren verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Zudem wird der D-Day als Symbol für das Gedächtnis alliierter Kriegsanstrengungen und seine Relevanz für aktuelle Konflikte betrachtet.

Jun 6, 2025 • 23min
Ludwig I. von Bayern - Ein großer König mit großen Emotionen
Marita Kraus, Autorin und Expertin für bayerische Geschichte, enthüllt die faszinierende Persönlichkeit von Ludwig I. von Bayern. Sie spricht über seine Herausforderung, zwischen den dominierenden Männern seiner Jugend zu navigieren, darunter Napoleon. Ludwig wurde nicht nur zu einem kunstbegeisterten König, sondern auch zu einem emotionalen Romantiker, der München mit beeindruckenden Bauwerken verwandelte. Zudem beleuchtet sie seine Konflikte zwischen Pflicht und Gefühl, sowie seine turbulente Beziehung zur Tänzerin Lola Montes.

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Jun 6, 2025 • 23min
Mamas Liebling - Wenn Eltern unterschiedlich lieben
In vielen Familien ist es ein geheimes Thema: Das Lieblingskind. Der Einfluss dieser Präferenz auf Geschwisterbeziehungen wird tiefgründig untersucht. Experten erklären, wie diese Bevorzugung das Selbstbewusstsein und zwischenmenschliche Beziehungen beeinträchtigt. Zudem wird der Teufelskreis herausfordernden Verhaltens beleuchtet, der oft aus einem Bedürfnis nach Akzeptanz resultiert. Die Dynamik der elterlichen Liebe wird analysiert und gezeigt, wie offene Kommunikation Missverständnisse klärt.

Jun 5, 2025 • 25min
Sollte jeder Mensch anders essen? Genbasierte Ernährung, Low Carb & Co.
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Jun 5, 2025 • 23min
Hitlers Nachfolger - Admiral Dönitz und der Mai 1945
Hitlers Selbstmord und die Kapitulation der Wehrmacht am 8.Mai 1945 bedeuteten nicht das Ende des Deutschen Reiches. In der Marineschule Mürwik bei Flensburg agierte noch fast drei Wochen eine Reichsregierung unter Großadmiral Dönitz, den Hitler zu seinem Nachfolger ernannt hatte: Ein bizarrer Spuk mit Kabinettssitzungen, Minister-Denkschriften - und einem Staatsbegräbnis. Auch als die britische Armee das Treiben mit Festnahmen beendete, blieb Dönitz überzeugt, rechtmäßig im Amt zu sein. Von Rainer Volk
Credits Autor dieser Folge: Rainer Volk Regie: Günter MaurerRedaktion: Thomas Morawetz
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
O-Ton 05 OKW-Bericht:
Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei bis zu seinem letzten Atemzuge gegen den Bolschewismus kämpfend für Deutschland gefallen ist.
Sprecher:
Die letzte Episode in der Geschichte des selbst ernannten Dritten Reiches beginnt nicht mit Nachricht vom Tod Hitlers. Es gibt bereits zuvor – ohne Wissen des Diktators – Pläne, Ministerien und militärische Kommandostellen aus Berlin zu verlegen. Nach Hitlers Selbstmord am 30. April wollen seine Vasallen vor allem eines: ihre Haut retten. Die Deutschen traktieren sie unterdessen mit Pathos und Durchhalteparolen – auch Karl Dönitz selbst:
O-Ton 07 Karl Dönitz:
Ein Feigling und Verräter ist, wer sich gerade jetzt seiner Pflicht entzieht und damit deutschen Frauen und Kindern Tod und Versklavung bringt. Der dem Führer geleistete Treueeid gilt nun für jeden Einzelnen von Euch mir als dem vom Führer eingesetzten Nachfolger. Deutsche Soldaten – tut Eure Pflicht. Es gilt das Leben unseres Volkes.
Sprecher:
Hitler hat den Großadmiral in einem „politischen Testament“ zu seinem Nachfolger als Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Wehrmacht ernannt. Die Deutschen kennen den 53jährigen aus der Nazi-Propaganda. Er war der Stratege des U-Boot-Krieges und oberster Kommandeur der Marine. Doch selbst er wird von der Ernennung überrascht, sagt der Flensburger Historiker Gerhard Paul, der die Endphase des NS-Regimes in einem Buch analysiert hat:
O-Ton 08 Gerhard Paul:
Eigentlich: Der starke Mann nach Hitler wäre Himmler gewesen. Himmler hatte sich aber durch die Sondierung eines „Westfriedens“ bei Hitler unmöglich gemacht. Und von daher war das klar – das läuft jetzt auf jemand aus der Wehrmacht hinaus, der als Hitler-Anhänger bekannt ist. Und ja – das war dann Dönitz.
Sprecher:
Dönitz ist Karriere-Offizier, seit Kaisers Zeiten bei der Marine. Ihm fehlt jedwede politische Erfahrung. Es heißt, er sei ein nüchterner Denker, sein Humor begrenzt. – Der eben gehörte erste Auftritt bringt dem neuen Staatsoberhaupt bereits beißende Kritik ein, etwa in einer Sendung der BBC für deutsche Kriegsgefangene, die am 3. Mai 45 zu hören ist:
O-Ton 09 BBC-Kriegsgefangenensendung:
Herr Dönitz macht sich selbst zum Führer. Er beginnt seine bestimmt nur kurze Zeit damit, dass er erklärt, der Eid auf Hitler sei auf ihn übergegangen. Die Italien-Armee: Eine Million Mann hat kapituliert und verweigert Dönitz die Gefolgschaft. Was werden die anderen tun, deren Führer Dönitz zu sein glaubt?
O-Ton 10 Sender Böhmen – „Unvollendete“:
Sprecher:
Das klingt ganz anders als die deutschen Sender, die noch arbeitsfähig sind. Der Reichssender Böhmen etwa überträgt am 2. Mai eine markige Rede des Gauleiters – gefolgt von klassischer Musik, Schuberts „Unvollendete“. Welche Rolle Radio in diesen Tagen spielt, ist schwer zu sagen. Hunderttausende von Zivilisten, Militärs und Politikern sind auf der Flucht vor den Sowjets und haben kaum Möglichkeiten, sich zu informieren. – Dönitz selbst ist einige Tage zuvor von seinem Hauptquartier bei Berlin in einem Autokonvoi Richtung Nordwesten aufgebrochen. Zeitgleich haben die oberste Führung von SS und Wehrmacht sowie wichtige Minister dasselbe Ziel. Der Historiker Gerhard Paul:
O-Ton 11 Gerhard Paul:
Da kam dann nur Schleswig-Holstein in Frage, wahrscheinlich auch, weil es zwei Seehäfen gab, über die man schnell hätte das Land verlassen können, nämlich über Kiel und über Hamburg. Und dann rückten die Engländer weiter vor. Es gab die ersten Luftangriffe auf die Gegend. Und dann ist man weiter ausgewichen nach Flensburg.
O-Ton 12 Siegfried Unseld, Verleger:
Als wir ankamen, waren wir noch die einzige mobile Funkstation; die anderen hatten den alliierten Bombenhagel nicht überstanden.
Sprecher:
Das ist Siegfried Unseld; bis zu seinem Tod im Jahr 2002 einer der wichtigsten Verleger der Bundesrepublik. Unseld ist 20 und Obergefreiter bei einem Funk-Trupp, als er Anfang Mai 1945 in Flensburg zum Zeitzeugen wird. Denn seine Abteilung hat einen LKW mit einem mobilen Radio-Übertragungsstudio:
Atmo 01: Signet Flensburg
Sprecher:
Erkennungssignal des Senders ist die Melodie des Volkslieds „Üb‘ immer Treu und Redlichkeit“, im Reich damals auch als Glockenspiel der Potsdamer Garnisonskirche berühmt. Über diesen Mai 1945 berichtet Unseld 50 Jahre später in einem Vortrag:
O-Ton 13 Siegfried Unseld:
Wir hatten Tag und Nacht im buchstäblichen Sinn alle Funkhände voll zu tun, um Meldungen, Botschaften an das deutsche Volk und Tagesbefehle an all die Orte zu senden, wo noch deutsche Truppen waren oder die Flotte operierte. Es waren erregende Tage, mit dem Gefühl zwischen den Zeiten oder in einer Niemandszeit zu leben.
Sprecher:
Seine Zelte hat Unselds Trupp in der Marinekriegsschule Flensburg-Mürwik aufgeschlagen, einem prächtigen Backsteinbau im neogotischen Stil. Schon der kaiserlichen Marine hat Mürwik als Kaderschmiede gedient. Das „Rote Schloss am Meer“, wie manche das Hauptgebäude nennen, liegt keine 50 Meter von der Flensburger Förde entfernt auf einem Hügel. Auch die „Deutsche Marine“ von heute bildet hier ihre Offiziere und Unteroffiziere aus. Die studierte Historikerin und Fregattenkapitän Vera Lassoued gestaltet bei diesen Lehrgängen den Geschichts-Unterricht:
O-Ton 14 Vera Lassoued:
Es ist halt hier ein historischer Ort. Und das können wir auch gar nicht verändern, das wollen wir auch gar nicht verändern. Hier haben vier verschiedene Marinen gewirkt. Und wir als „Deutsche Marine“ sind hier als längstens schon ‚Hausherr‘. Und haben aber dieses Gebäude und alles übernommen.
Sprecher:
Die sozusagen „heiße Phase“ der Dönitz-Regierung in Mürwik beginnt in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945, als der Großadmiral und sein Gefolge die Marineschule erreichen. Da niemand mehr einen Überblick hat über die militärische Lage, ist der Empfang improvisiert. Professor Gerhard Paul:
O-Ton 16 Gerhard Paul:
In der Marineschule, „Marinekriegsschule“ wie sie ja damals hieß, hat es keine Vorbereitungen gegeben. Der stand da plötzlich nachts vor der Tür und der Kommandeur hat ihm dann Räume zugewiesen. Auch seine Privaträume hat er nutzen dürfen. Und einen Tag später lag vor Mürwik ein ehemaliger – ich glaube es war ein Hapag-Lloyd-Dampfer, die „Patria“. Und auf der „Patria“ haben die dann Quartier bezogen – das war noch am einfachsten.
Atmo 02: Marineschule innen
Sprecher:
Bis heute lässt sich erahnen, wie es gewesen sein muss, als die Minister von Dönitz‘ Gnaden in Mürwik eintrafen. Denn jener Teil der Marinesportschule, in dem das Kabinett täglich um 10 Uhr morgens Sitzungen abhielt, ist ebenfalls erhalten. Die Flure und Räume sind typische Militär-Architektur der 1930er Jahre: dunkler Terrazzo-Fußboden, grün und weiß getünchte Wände. [OC: Alles sehr nüchtern. Fregattenkapitän Vera Lassoued:
O-Ton 18 Vera Lassoued:
(Atmo zum Blenden) Hier sind Büroräume jetzt untergebracht. Gerade unsere Sportausbildung hat hier einige Räume in Beschlag genommen. Aber ansonsten haben wir hier keine Erinnerungstafeln oder Fotogalerien von der Zeit von damals, weil das nicht Sinn der Sache war für uns. Sondern wir wollen das einfach nur als Infrastruktur nutzen. (Atmo zum blenden) ENDE OC]
Sprecher:
Gut möglich, dass Umstände und Umgebung einige in der Runde zu sehr ernüchtern. Augenzeugenberichten zufolge lässt Ernährungsminister Herbert Backe zu Beginn jeder Sitzung eine Flasche Schnaps kreisen. Die Minister sind angesichts der düsteren Aussichten Anfang Mai 1945 nicht die einzigen, die Anstand und Benimm über Bord werfen. Eine der Wehrmachtshelferinnen in der Marineschule berichtet Jahrzehnte später über ihren Alltag in Mürwik:
Sprecherin (Zitat):
Eigentlich wussten wir gar nicht, was wir den ganzen Tag machen sollten. Schriftverkehr mit außen fand praktisch nicht statt. Vor höheren Offizieren, besonders den SS-Leuten, mussten wir uns in Acht nehmen. Einige waren ständig betrunken, randalierten in den Gängen und hatten es auf uns junge Röcke abgesehen. Einmal hat ein hoher SS-Offizier an die Tür zu unserem Büro uriniert. Es stank fürchterlich. Und wir mussten dann die Sauerei wegmachen. Widerlich!
Sprecher:
Für Dönitz ist in diesen Tagen nur ein Thema wichtig: Verhandlungen zu einer teilweisen Kapitulation der Wehrmacht zu organisieren. Die Entscheidung hierzu hat er am Tag vor seiner Fahrt nach Mürwik getroffen. Am 3. Mai schickt er deshalb Generaladmiral von Friedeburg als Unterhändler mit einer Delegation ins Feldlager des britischen Oberbefehlshabers Montgomery, auf einem Hügel unweit von Lüneburg. Dort versucht er diesen zu überzeugen, nur für Dänemark, die Niederlande und die Front in Nordwestdeutschland die Waffen strecken zu dürfen. Gerhard Paul sagt über dieses Kalkül:
O-Ton 19 Gerhard Paul:
Dönitz ist immer noch von der illusionären Vorstellung ausgegangen, dass die Wehrmacht gegebenenfalls mit den Westalliierten gegen die Sowjetunion marschieren würde. Dafür spricht auch, dass es ein Dossier gab, dass der britische Premier Churchill in Auftrag gegeben hatte, dass 47 britische und amerikanische Divisionen für den Fall, dass die Sowjetunion weiter nach Westen ziehen würde – dass man sich dem entgegenstellen würde. Und dafür brauchte man noch hunderttausend Wehrmachtsangehörige.
Sprecher:
Es scheint zunächst, als könne die Rechnung aufgehen. Montgomery verspricht, deutsche Soldaten, die sich seinen Truppen ergeben, nicht den Sowjets auszuliefern und gewährt Friedeburg sicheres Geleit zurück nach Mürwik. Dort erteilt Dönitz seinen Verhandlern die nötige Vollmacht, die Kapitulation für den Westen zu unterzeichnen.
Atmo 03: Kapitulation
Sprecher:
Ein Zelt am Rand der Lüneburger Heide, 4. Mai – circa 18 Uhr. Montgomery hat Reporter und Fotografen herbeigerufen. Daher steht auf dem Tisch vor dem Feldmarschall ein Mikrofon und im Hintergrund filmt eine Kamera, als er, unterstützt von einem Dolmetscher, die Bedingungen der Kapitulation nach den britischen Vorstellungen erläutert.
Um die Briten – und möglichst auch die Amerikaner – milde zu stimmen, befiehlt Dönitz als nächsten Schritt das Ende des U-Boot-Krieges, der die Westalliierten in den Vorjahren enorme Verluste gekostet hat.
Doch alle Hoffnungen, Zeit schinden zu können und die Gegner zu spalten, zerschlagen sich bald. Der Oberkommandierende der US-Armee, General Eisenhower, besteht auf einer Kapitulation der Wehrmacht an allen Fronten. So kommt es zu jenen historischen Szenen in Reims, in Nordfrankreich, und in Berlin-Karlshorst, die den Zweiten Weltkrieg in Europa beenden.
O-Ton 21 Lüneburg:
An die Einwohner von Lüneburg. Die Nazi-Regierung und die Wehrmacht haben bedingungslos den alliierten Expeditionsstreitkräften kapituliert…
Sprecher:
An jenem 8. Mai 1945 wird Millionen Deutschen klar: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Manchmal informieren darüber Lautsprecher-Durchsagen wie hier in Lüneburg, andere hören zuhause die Nachricht im Radio oder erfahren es mündlich von Bekannten oder Freunden. In Mürwik dauert es fast einen Tag, bis die Funker aus ihrem mobilen Ü-Wagen die Neuigkeit bestätigen. Am Abend des 9. Mai ertönt das Sender-Signet ein letztes Mal.
O-Ton 22 Flensburg:
(Signet/Glockenspiel) 20 Uhr und drei Minuten. Reichssender Flensburg und die angeschlossenen Sender. Wir bringen heute den letzten Wehrmachtsbericht dieses Krieges. Aus dem Hauptquartier des Großadmirals…
Sprecher:
Der Sprecher, ein Panzerspähfunker namens Klaus Kahlenberg, verliest nach den einleitenden Sätzen die jüngsten Meldungen von allen Fronten. Überall – so lobt der Bericht des Oberkommandos – sei die Wehrmacht tapfer. Erwähnt wird, wer Auszeichnungen für sein Verhalten erhalten hat. Zwei Minuten dauert dieser monotone Vortrag. Dann folgt die entscheidende Neuigkeit:
Neben dem Sprecher sitzt auch ein britischer Offizier. Als die Funker ihn fragen, ob nach der angekündigten Stille Musik gespielt werden dürfe, antwortet er lakonisch: „Ja, aber nicht Wagner.“ Weshalb die Funk-Soldaten Haydns Kaiser-Quartett, die musikalische Vorlage zur Nationalhymne, vom Plattenspieler im Ü-Wagen in den Äther senden. Eine Anekdote, die zeigt: Eigentlicher Herr des Geschehens ist in Mürwik bereits das britische Militär. Doch auch nach dem 8. Mai führt es Dönitz an einer sehr langen Leine – findet Gerhard Paul:
O-Ton 23 Gerhard Paul:
Dönitz war es gestattet, ein eigenes Wachbataillon zu führen, das auch unter Waffen stand als die Wehrmacht bereits entwaffnet war. Und das führt zu paradoxen Zuständen. Als am 16. Mai – also eine Woche nach der Gesamtkapitulation – es ein Staatsbegräbnis gegeben hatte für den ehemaligen Kommandeur der Marineschule. Ein Kapitän zur See Wolfgang Lüth. Dazu brauchte man Soldaten, nicht nur in Uniform, sondern auch in Waffen, die dann schießen durften. Und dafür hat er die Genehmigung des britischen Stadtkommandanten eingeholt und sie auch bekommen.
Sprecher:
Die Trauerrede bei diesem letzten Staatsbegräbnis des Dritten Reiches hält Dönitz selbst. In der Aula der Marineschule bezeichnet er den nachts von einer Wache versehentlich erschossenen Lüth als „leuchtendes Vorbild für künftige Generationen“. Für Fregattenkapitän Lassoued ist diese Begebenheit ein Argument mehr, die Figur Dönitz in ihrem Geschichts-Unterricht an der heutigen Marineschule kritisch zu betrachten:
O-Ton 24 Vera Lassoued:
Wir schauen uns Reden von Dönitz an und ich analysiere das mit meinen Schülern. Wenn man dann später immer gesagt hat: Ach, die Kriegsmarine, die war ja so sauber und unbelastet, dann ist das durch diese Reden von Dönitz alleine schon widerlegt. Natürlich war der überzeugter Nationalsozialist. [OC: Von daher: Wir behandeln ihn als historische Figur hier – und seine Zeit im Mai, in der er hier war, auch wenn das vielleicht eine spannende Episode ist, ist das nicht alles, worum es geht bei uns an der Marineschule, ja.
Sprecher:
Neben „spannend“ ist das Schattenregime von Dönitz vor allem tragisch. ENDE OC] In Mürwik werden noch mehrere Todesurteile gegen Deserteure vollstreckt. Und der wahre Charakter des Nationalsozialismus wird sichtbar. Denn am 3. Mai erreicht, gezogen von einem Schlepper, ein Flusslastkahn namens „Ruth“ die Flensburger Förde. In den Laderäumen vegetieren etwa 650 Häftlinge aus dem KZ Stutthof bei Danzig; weitere 350 sind bei der Überfahrt gestorben. Dönitz behauptet später, erst zu diesem Zeitpunkt habe er von den NS-Verbrechen erfahren. Absurd, wie fleißig er in Mürwik am Mythos einer „sauberen Wehrmacht“ bastelt, sagt Gerhard Paul:
O-Ton 25 Gerhard Paul:
Da sitzt eine Regierung, die sich mit Fragen beschäftigte: Bekommen wir noch neue Uniformen und neue Uniform-Stiefel. Also dieser Mythos der sauberen Wehrmacht hat auch eine ganz materielle, sinnliche Entsprechung, ne. Durch Flensburg zogen, aus Dänemark, aus Norwegen kommend, Soldaten der Wehrmacht, die keine Stiefel mehr hatten. Die Uniformen kaputt und unvollständig. Und hier sitzt eine Regierungsriege in feinstem Zwirn!
Sprecher:
Dieses Sitzen wird jedoch von Tag zu Tag gefährlicher. Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel etwa, der in Karlshorst die Kapitulation gegenüber der Sowjetunion unterzeichnet hat, nehmen die Briten am 13. Mai auf dem Gelände der Marineschule fest. Den NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg spürt ein anderer Trupp im riesigen Lazarett von Mürwik auf – er hat einen Beinbruch vorgetäuscht und trägt Gips. – Für den „Reichssender Flensburg“ ist am 15. Mai Sendeschluss. Die Lokalzeitung „Flensburger Nachrichten“ meldet an diesem Tag:
Sprecher 2 (Zitat):
Aus dem Hauptquartier Eisenhowers wird gemeldet: Der Sender Flensburg ist von einer alliierten Kommission übernommen worden, um einer Wiederholung unautorisierter Rundfunksendungen vorzubeugen. Die alliierte Kommission wird in Zukunft stärkste Kontrolle über die Dönitz-Regierung ausüben.
Sprecher:
Ein paar Tage später ist [auch] das bizarre Treiben in Mürwik vorbei. Die Briten beugen sich dem politischen Druck aus Washington und Moskau. Am 17.Mai hat der britische Stadtkommandant von Flensburg erfahren, dass die USA Dönitz auf die Liste der Kriegsverbrecher gesetzt haben. Am Tag darauf erreicht eine sowjetische Delegation Flensburg. Sie wird auf dem zweiten Dampfer – der „Caribia“ – einquartiert, der vor der Marineschule vor Anker liegt.
O-Ton 27 Gerhard Paul:
Der Druck der Russen war sehr stark, die diese Regierung in Flensburg nie anerkannt haben, die den Sinn nicht gesehen haben. Auch die Amerikaner – Eisenhower hat das nicht gesehen, so eine – im Grunde von den Briten installierte Regierung, die man glaubte, bei den Verhandlungen über die Demobilisierung, über die Entwaffnung gebrauchen zu können. Aber diese Illusion war dann spätestens am 21./22. Mai dahin.
Sprecher:
Am Morgen des 23. Mai werden Dönitz und weitere Militärs morgens auf die „Patria“ zitiert. Dort eröffnet ihnen ein britischer General, man erachte sie jetzt als Kriegsgefangene und werde sie nachmittags ausfliegen. Die bestehende Regierung sei aufgelöst. Kurz nach 10 Uhr besetzen zwei britische Infanterie-Bataillone das Gelände – auch den Raum, in dem – wie üblich – die Minister zusammenhocken:
Sprecher 2 (Zitat):
Kurz nach Beginn der Sitzung platzten mit gezogener MP und Handgranaten bis an die Zähne bewaffnete englische Soldaten in den Saal. Erste Maßnahme: ›Hände hoch!‹ Zweite Maßnahme: ›Hosen herunter!‹
Sprecher:
Auch von dieser Szene im Korridor der Marinesportschule, die der Adjutant von Dönitz so geschildert hat, existiert ein Foto, das ein britischer Militär-Fotograf geistesgegenwärtig aufnimmt.
O-Ton 28 BBC Suizid Himmler:
Hello BBC – this is Chester Wilmot from Luneburg, where Himmler committed suicide last night…
Sprecher:
Die andere Nachricht jenes Tages lautet: Heinrich Himmler hat Selbstmord begangen. Der BBC-Reporter lässt einen Feldwebel der britischen Armee berichten, der die Szene beobachtet hat:
Sprecher:
Eine misstrauische Militärstreife hat den ehemaligen „Reichsführer SS“ bei Flensburg aufgegriffen. Am 23. Mai enthüllt Himmler Offizieren, die ihn befragen, seine Identität – und beißt bei einer Leibesvisitation im letzten Moment auf eine Kapsel mit Zyankali, die er im Mund versteckt hat. – Auch Dönitz und seine Minister werden an diesem sonnigen Frühlingstag aufs Peinlichste untersucht – was sie geradezu schockiert. Im Polizeipräsidium von Flensburg warten, neben Ärzten, einige Journalisten. Fotos, die in diesem Moment geschossen werden, zeigen Dönitz und den General Jodl in schweren Soldatenmänteln, Speer trägt einen hellen Trenchcoat. Die Inszenierung soll der Weltöffentlichkeit zeigen: Es ist Aus mit Großdeutschland. Eine Augenzeugin, die vom Postamt gegenüber die Vorführung der drei Männer beobachtet, fasst ihre Eindrücke später so zusammen:
Sprecherin (Zitat):
Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, war diese Winzigkeit: der kleine Hinterhof von nur ein paar Quadratmetern, in dem sich das Geschehen abspielte, und die Gestalten, die von unserem Fenster aus so winzig aussahen, ganz anders als man sie aus der Wochenschau kannte. Und vor allem: das unblutige, eigentlich ganz friedliche Geschehen. Dass dies wirklich das Ende des Dritten Reiches sein sollte und ich ein Zeuge davon war, hätte ich nie gedacht.
Sprecher:
Karl Dönitz findet sein Selbstbewusstsein relativ rasch zurück. Beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess agiert sein Verteidiger so geschickt, dass er nur zehn Jahre Haft erhält. Nach der Entlassung schreibt er Erinnerungen – und behauptet bis zu seinem Tod an Heiligabend 1980, rechtmäßig deutsches Staatsoberhaupt zu sein. Gerhard Paul sagt über diesen Fall von Unbelehrbarkeit:
O-Ton 29 Gerhard Paul:
Richtig ist, dass Dönitz sich Zeit seines Lebens als legitimer Nachfolger von Adolf Hitler gesehen hat, als Staatspräsident – von vielen ehemaligen Kameraden so genannt wurde. Es hat Probleme gegeben, dass Dönitz eingeladen wurde an verschiedene Schulen. Und da gab es unendliche Diskussionen in der Öffentlichkeit. Aber er ist mit diesem Titel „Staatspräsident“ beerdigt worden.

Jun 5, 2025 • 22min
Mythos Mond - Wie beeinflusst uns der Erdtrabant?
Er ist ein "herausgerissenes Kind" der Erde, ihr "natürlicher Satellit" und "treuer Begleiter" - und für die Menschheit von überragender Bedeutung: Ohne den Mond würde es uns vermutlich gar nicht geben. Doch wie genau wurde er zum Geburtshelfer für das Leben auf der Erde und wie hilft er bis heute, es zu bewahren? Von Martin Schramm (BR 2024)
Credits Autor dieser Folge: Martin Schramm Regie: Sabine Kienhöfer Es sprachen: Andreas Neumann, Rahel Comtesse, Clemens Nicol Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:Harald Lesch, Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München.Dipl.-Geol. Ulrich Köhler, Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER
Der Weltraum - vor viereinhalb Milliarden Jahren. - Ein Protoplanet, Vorläufer der heutigen Erde, hat eine schicksalhafte Begegnung:
Er kollidiert mit einem anderen Himmelskörper. Ein gigantischer Knall, bzw. eine Art „Streifschuss“, der Masse aus dem Mantel der Erde reißt - und dafür sorgt, dass sie fortan einen „treuen Begleiter“ hat, einen „natürlichen Satelliten“: den Mond.
SPRECHERIN
So oder so ähnlich könnte sich das damals abgespielt haben. Und auch wenn manches Detail noch im Dunklen liegt, uns dieser treue Begleiter bis heute noch jede Menge Rätsel aufgibt - fest steht: Ohne den Mond würde es uns Menschen vermutlich gar nicht geben - zumindest hätte sich einiges auf der Erde ganz anders abgespielt.
MUSIK: Howling moon 0‘15
GERÄUSCH: Erdbeben
ZITATOR
Der Geburtshelfer - oder: Das herausgerissene Kind der Erde
SPRECHER
Er ist ein Riese. Mit seinem Durchmesser von fast dreieinhalb Tausend Kilometern misst er mehr als ein Viertel des Erddurchmessers.
SPRECHERIN
Und dieses Verhältnis „Mond - Erde“ ist ein Superlativ in unserem Sonnensystem. Kein anderer Planet dort hat einen größeren Begleiter - im Verhältnis zu seiner eigenen Größe - sieht man mal von „Zwergplaneten“ wie Pluto und seinem Mond Charon ([ˈkaːrɔn] [ˈçaːrɔn] [çˈaːʁɔn]) ab.
SPRECHER
Die Erde hat, wie der Astrophysiker Harald Lesch gerne sagt, also einen Mond, der ihm Dienstgrad-mäßig gar nicht zusteht. Doch wie kommt das?
MUSIK: Apollo 0‘40
GERÄUSCH: Baustelle
SPRECHERIN
Dieses Rätsel hat die Astronomen lange Zeit beschäftigt. Und ein wichtiges „Puzzleteil“, um es zu lösen, sind Gesteinsproben vom Mond.
SPRECHER
Im Rahmen der Apollo-Missionen wurde dieses Gestein mit Hämmern, Bohrern, Schaufeln, Rechen und Zangen eingesammelt, in Tüten gesteckt und zur Erde gebracht. - Und die Analyse dieses Materials hatte es in sich:
01-O-TON Lesch Analyse
„Die Analyse des Mondgesteins, immerhin 400 Kilogramm, ergibt ganz eindeutig: Das Mondgestein ist so wie das Erdmantel-Gestein, nur ohne flüchtige Elemente. Das heißt, der Mond ist in seiner Zusammensetzung der Erde unheimlich ähnlich. Aber was fehlt, sind die Elemente, die bei einem starken Einschlag verschwinden, weil es heiß wird.“
SPRECHERIN
Erklären lässt sich das eigentlich nur durch das bereits eingangs geschilderte „Kollisions-Szenario“: ein anderer Planet, der rund 20 % der Erdmasse hatte, muss mit der Urerde kollidiert sein:
02-O-TON Lesch Kollisionsszenario
„Und der musste deswegen so schwer sein, wenn man das betrachtet, der Mond ist ja ein Körper, der außerhalb der Erde ist und ein Einschlag, der zu schwach ist, da fällt das Material einfach wieder auf die Erde runter. Es muss also genügend Bewegungsenergie drin sein, dass das Zeug so weit raus geschleudert wird, dass es nicht wieder auf die Erde zurückfällt. Daher die große Masse. Dieser Einschlag durfte, aber nicht so gedacht, nicht so gewesen sein, also irgendwie zentral volles Rohr sozusagen, sondern der muss streifend gewesen sein. Und dann bildet sich in einem Abstand von 60.000 Kilometer, also zehn Erdradien, bildet sich ein Gesteins-Ring - und innerhalb von wenigen Monaten, es gibt verschiedene Computersimulationen. Die einen sagen innerhalb von wenigen Monaten, die anderen sagen innerhalb von wenigen Jahren, ist aber angesichts der Tiefe der Zeit, in die wir da hineinblicken, auch wurscht, bildet sich der Mond.“
MUSIK: Earthquake 0‘42
SPRECHER
Eben aus jenem Material, das durch den heftigen Streifschuss vor allem aus der Erdkruste gelöst, stark erhitzt und in eine Erdumlaufbahn geschleudert wurde - um sich dort zusammenzuballen und zu einem Begleiter der Erde zu formen.
SPRECHERIN
Der Mond ist also vermutlich so etwas wie ein „herausgerissenes Kind“ der Erde. - Kein Begleiter, den die Erde irgendwie aus dem Weltall „eingefangen“ hat, oder der sich wie ein „Wassertropfen“ von der Urerde abgespalten hat - oder was sonst noch an möglichen Theorien kursierte.
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Und dieses Kind entfaltet zu seiner Mutter eine wechselvolle Beziehung: Mond und Erde ziehen sich gegenseitig regelrecht an - ganz ohne Magie:
03-O-TON Lesch Gravitation
„D.h. das Erde-Mondsystem beeinflusst sich gegenseitig, und zwar exakt in der Art und Weise, dass die Erde den Mond so anzieht, wie der Mond die Erde anzieht. Actio gleich Reactio. Gute alte Newtonsche Physik. Wir brauchen hier keinen Einstein. Wir brauchen gar nix. Wir haben zwei Massen, die sich gegenseitig beeinflussen. Und der Mond heute im mittleren Abstand von 400.000 km beeinflusst über seine Masse die Massenbewegungen auf der Erde, in der Erde, und die Massebewegung der Erde selbst. Das mal grundsätzlich.“
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Und dieser Gravitation, also Schwerkraftwirkung, verdanken wir dann Phänomene wie „Ebbe und Flut“ -
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- und eine Art „Knetmaschineneffekt“:
04-O-TON Lesch Knetmaschine
4:30 „Es gibt also tatsächlich zwei Wasserhügel, und die drehen sich um die Erde und zwar deshalb, weil die Erde sich unter ihnen weg dreht. Und das gleiche, was fürs Wasser gilt, gilt auch fürs Gestein. Während man es beim Wasser schön sehen kann - man stellt sich einfach in die Nordsee. Wartet sechs Stunden, und wenn man eben noch im Trockenen stand, wird man dann je nach dem wie weit man ins Watt hinausgelaufen ist, wird einem das Wasser bis zum Hals stehen. Ich kann nur warnen davor. Das Wasser kommt extrem schnell. Und das gleiche gilt also auch fürs Gestein. Das Gestein wird im Mittel um 30 cm angehoben. Und zwar überall auf der Welt. Das ist praktisch so eine ganz große Knetmaschine, die dadurch entsteht, dass die Erde sich am Mond vorbei dreht - und der Mond sich aber gleichzeitig noch einmal im Monat exakt einmal um den Mond herumdreht.“ 5:25
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Diese Effekte haben sich im Laufe der Zeit allerdings stark verändert: Der Mond geht nämlich langsam aber sicher auf Distanz zu seiner Mutter, strebt jedes Jahr um ca. eine Daumenlänge, etwa 3,8 Zentimeter von ihr weg.
GERÄUSCH: Meer
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Was andererseits bedeutet: Gerade in seiner Frühzeit vor Milliarden von Jahren war der Mond der Erde erstaunlich nahe – und die Gezeitenkräfte unglaublich heftig. - Ulrich Köhler, Planetengeologe am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt:
05-O-TON Köhler Leben
“Und da ist ein interessanter Aspekt zu betrachten: in der Zeit hat sich das Leben auf der Erde entwickelt, also vor etwa dreieinhalb Milliarden Jahre. Etwas mehr vermutlich. Und das heißt der Tidenhub war sehr viel stärker. Und wenn man eben davon ausgeht, dass das Meer auf der Erde sich die Mineralstoffe geholt hat durch eben die Gezeiten an der Küste, die immer wieder die Gesteine verwittert haben. Und das gelöste Material dann im Meerwasser - das Meersalz ist das einfachste Beispiel - dass das sehr gute Voraussetzungen geschaffen hat, dass das Leben im Ozean entstanden ist.“
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Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Die Erde wird durch den Mond regelrecht ausgebremst. Sprich: ohne Mond würde sich die Erde wesentlich schneller um die eigene Achse drehen - nicht in 24 Stunden wie heute - sondern eher in 9 bis 10 Stunden.
GERÄUSCH: Wind
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Mit drastischen Folgen auch für das Leben auf der Erde. - Harald Lesch:
06-O-TON Lesch Flache Bewohner
„Was hat das zu bedeuten – nun, wenn die Erde sich wesentlich schneller drehen würde, dann hätten wir sehr viel schnellere Strömungen in der Hochatmosphäre. Sogenannte schnelle Jetstreams. Die wären nicht 300, 400 km schnell, die wären 800, 900 km schnell. Und diese schnellen Strömungen übersetzen sich auf die tiefere Atmosphäre. Wir hätten hier Windgeschwindigkeiten zwischen 300 und 400 km - auf dem Boden! Wenn es also Lebewesen gäbe - dann wären die in jeder Hinsicht sehr flach. Und da ist der Zusammenhang: Also ohne den Mond würde es sicherlich keine aufrecht gehenden Homo sapiens geben. Wahrscheinlich nur Scholle, Scholle flach. Es hätte sich sicher auch Leben entwickelt, weiß ich nicht, - aber es wäre ganz anders geworden. In diesem Sinne hat der Mond für uns eine überragende Bedeutung.“
MUSIK: It will be fine (reduced) 0‘28
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Der Mond wurde aber nicht nur zum Geburtshelfer für das Leben auf der Erde - er hat auch geholfen, das Leben auf der Erde bis heute zu bewahren:
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Wie die Ausleger bei einem Segelschiff stabilisiert er mit seiner relativ großen Masse nämlich auch die Neigung der Erdachse - Ulrich Köhler:
07-O-TON Köhler Der Stabilisator
„Er sorgt mit seiner Bahn um die Erde dafür, dass die Erdachse relativ stabil im Raum orientiert ist. D.h. die Energieeinstrahlung der Sonne folgt einem klaren Muster, seit vielen Milliarden Jahren und verändert sich kaum. Und dadurch haben wir relativ stabile Bedingungen, die das frühe Leben sicherlich geschätzt hat. Und das macht natürlich einen großen Unterschied aus, wann wir Eiszeiten haben, wann wir Warmzeiten haben, wie das, was es sich auf der Erde verteilt und all diese Dinge. Also der Mond – ein schöner kleine Stabilisator für das Leben auf der Erde. Und das ist eine ganz wichtige Funktion.“
MUSIK: The great gig in the sky 0‘21
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Der Mann im Mond - oder: The Dark side of the Moon
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Erste, relativ genaue Mondkarten zeichnet u.a. der Italiener Giovanni Battista Riccioli - Mitte des 17. Jahrhunderts. Durch sein Teleskop erkennt er hellere und dunklere Bereiche, die er als “Terrae” und “Maria” bezeichnet, also als “Länder” und “Meere” - wohl in der Annahme, dass es tatsächlich Wasser und Ozeane auf dem Mond geben könnte.
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Heute sind wir schlauer: bei diesen angeblichen „Mond-Meeren“ handelt es sich um dunkle Tiefebenen, gerahmt von Gebirgszügen. Also um große, extrem flache Beckenstrukturen, mit weiten Ebenen aus erstarrter Lava. Staubtrocken. Von Wasser erstmal keine Spur.
MUSIK: Go through the cold (reduced) 0‘42
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Diese Tiefebenen formen auch das typische Mondgesicht - bzw. den „Mann im Mond“ - der in anderen Kulturen schon mal als „Krokodil im Mond“, als „Mondhase“ - oder auch als „Frau im Mond“ gesehen wird, die Brennholz auf dem Rücken trägt.
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Doch wie immer man diese Krater auch interpretiert. Eines ist seltsam: Warum schauen wir von der Erde aus eigentlich immer in das gleiche „Mondgesicht“? Warum verschwindet es nicht, oder zeigt sich mal von der Seite?
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Die Antwort lautet: „gebundene Rotation“. Die Gezeitenkräfte haben den Mond in seiner Rotation völlig eingebremst. Der dreht sich dadurch exakt einmal um seine eigene Achse, wenn er sich exakt einmal um die Erde dreht. Deshalb sehen wir immer die gleiche Seite des Mondes, seine „Vorderseite“.
MUSIK: Nocturnal research red 0‘41
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Was jede Menge Spekulationen über die von uns abgewandte und dadurch irgendwie auch geheimnisvolle Rückseite hervorrief. Die daher auch gerne mal als „The Dark Side of the Moon“ bezeichnet wurde - was natürlich Unsinn ist. Denn es mag dort vielleicht noch so manches verborgen sein - dunkel ist es dort aber nicht immer. Sprich: die „dunkle Seite“ des Mondes ist regelmäßig auch seine „helle Seite.“ Es gibt also auch auf dem Mond Tag und Nacht.
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Doch die Menschheit musste ganz schön lange warten, bis das Geheimnis um die Rückseite gelüftet wurde.
08-O-TON Köhler Abgewandte Seite
„Ja, da muss man sich bis in die 1960er-Jahre zurückversetzen und natürlich auch noch viel, viel früher. Das war schlichtweg ein Rätsel, wie die Mondrückseite aussehen würde, was würden wir dort erwarten? Und es war tatsächlich eine sowjetische Raumsonde, die Ende der 1950er-Jahre zum ersten Mal über die Mond Rückseite geflogen ist und Bilder zur Erde dann übertragen hat - und gezeigt hat, dass es dort etwas anders aussieht als auf der Mondvorderseite. Und seither wird es natürlich wissenschaftlich diskutiert, warum das so ist. Und eine richtige Antwort muss man ehrlicherweise sagen haben wir bis heute nicht.“
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Kleine grüne Männchen waren auf den Bildern zwar nicht zu sehen, auch keine großen. Doch die Forscher staunten nicht schlecht über die Geografie der Rückseite: Im Gegensatz zur Vorderseite gibt es dort fast keine dunklen Tiefebenen, sondern vor allem kraterreiche “Hochländer.”
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Doch wie ist das zu erklären? - Entstanden sind diese Becken auf der Vorderseite vermutlich, als Meteoriten die noch dünne Kruste des Mondes durchschlagen haben, Magma an die Oberfläche drang und die Krater flutete.
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Die Kruste auf der Rückseite ist allerdings deutlich dicker als die auf der Vorderseite: fast doppelt so dick. Und damit vermutlich zu dick, um dem Magma den Weg nach oben frei zu geben.
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Warum die Kruste auf der Rückseite so viel dicker ist - dieses Rätsel hat man bislang aber nicht wirklich gelöst.
MUSIK: The universe 0‘28
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Ansonsten steht der Mond im Vergleich zur Mutter Erde recht schutzlos da: Er hat kein Magnetfeld, das ihn vor geladenen Teilchen schützt, die von der Sonne kommen. Und: er hat keine Atmosphäre. Folglich gibt es auch keine Wolken, kein Wasser an der Oberfläche, kein Leben - und es fehlt ein Schutzschild gegen Beschüsse aller Art:
09-O-TON Köhler Schutzschild
„Na ja, das ist ein interessanter Aspekt. Denn, wenn der Mond keine Atmosphäre hat, wird er praktisch von den kleinsten Mikrometer großen Staubteilchen, die noch so im Sonnensystem herumschwirren, praktisch unmittelbar getroffen. Und das sind hohe Geschwindigkeiten, mit denen diese kleinen Teilchen auf die Mondoberfläche prasseln. Die Verglühen bei uns allesamt in der Erdatmosphäre. Wenn es größere millimetergroße Teilchen sind, dann sehen wir das als Sternschnuppen. Und ganz große Körper - kommt man vielleicht mal ein kleiner Meteorit auf der Erde an. Und so was. Aber beim Mond kommt das alles ungebremst und trifft auf die Gesteine der Mondoberfläche. Und pulverisiert die nach und nach, im Laufe der Jahrmillionen und in dem Fall sogar Jahrmilliarden.“
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Der Mondboden besteht dadurch aus einem ganz besonderen Staub, dem sogenannten „Regolith“, auf dem die Astronauten der Apollo-Missionen entsprechend scharfkantige Fußabdrücke hinterließen, wie in Zementpulver.
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Die Tatsache, dass dem Mond die Atmosphäre fehlt, hat aber noch weitere Auswirkungen: Sie macht ihn zu einem Himmelskörper der brutalen Extreme:
10-O-TON Köhler Extreme
„Dadurch, dass sie keine Atmosphäre hat, ist es in der Sonne richtig sauheiß, muss man so sagen. Das heißt, Astronauten brauchen entsprechende Kühlsysteme, und die Instrumente müssen vor zu hohen Temperaturen geschützt werden. Und sobald es allerdings Nacht wird und die Nacht dauert ja eben 14 Tage, da lässt die Temperatur sehr schnell nach. Und da geht es dann weit unter minus 100 Grad Celsius runter, weil eben auch wiederum die Wärme des Tages nicht durch eine Atmosphäre in die Nacht mitgenommen werden kann.“
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Eine riesige Herausforderung also für Habitate aller Art, die einmal auf dem Mond entstehen könnten: eine perfekte Isolierung wäre unerlässlich, um in der Eiseskälte nicht zu erfrieren. Vor allem weil die Nächte auf dem Mond eben endlose zwei Wochen dauern.
MUSIK: Futuristic workflow (red) 0‘32
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Für Aufregung sorgte schließlich die Entdeckung, dass dieser kalte, tote Brocken, der uns da begleitet, so staubtrocken wie immer angenommen, offenbar gar nicht ist. Eine Sonde lieferte tatsächlich Hinweise auf Wasser - u.a. in den Kratern am Südpol des Mondes, in die nie ein Lichtstrahl vordringt.
11-O-TON Köhler Wasser
„Und dort vermutet man Eis, also Wassereis. Und das hat man eigentlich spektral, mit Raumsonden in der Umlaufbahn schon nachgewiesen. Und da möchte man hin, um dieses Wassereis nutzen zu können. Zum einen eben für eine länger besiedelte Station, die eben genutzt wird für Wissenschaft und für Materialforschung. Und all diese Dinge, die man eben jetzt 50 Jahre nach Apollo machen möchte. Und zum anderen, um Treibstoff zu gewinnen, weil Wasser Eis lässt sich spalten in Wasserstoff und Sauerstoff. Und dann haben sie einen veritablen Raketentreibstoff. Und mit dem könnten sie eine Rakete betanken, die vom Mond dann zum Mars fliegt, weil sie dann nur ein Sechstel der Anziehungskraft beim Start überwinden müssen, um diese Rakete auf Spur zu bringen.“
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Und die Mengen, die dort vermutet werden, sind durchaus veritabel: ein paar Füllungen des Bodensees könnten es schon sein.
MUSIK: Mystic 1 0‘13
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Mond-Mythen - oder: Einfach nur ein schöner Brocken
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Der Mond hat für uns eine überragende Bedeutung. So viel steht fest, auch wenn wir ihm noch lange nicht alle Geheimnisse entlockt haben.
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Und zu den zahlreichen ungelösten Fragen, die der Mond uns immer noch aufgibt, gesellen sich dann auch noch eine ganze Reihe „Legenden und Mythen“ um die angebliche „Macht des Mondes“.
MUSIK: Well and warm 1‘10
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Hartnäckige Annahmen, dass der Mond unser Leben beeinflusst - auch jenseits aller Schwerkraft-Effekte wie Ebbe und Flut, und der Tatsache, dass es je nach Neu- oder Vollmond nachts mal heller und mal dunkler ist.
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Ratgeber bieten Hinweise an, wann man sich am besten operieren lässt, die Haare schneidet, am leichtesten abnimmt, im Garten arbeitet oder Bäume fällt.
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Manche Zeitgenossen sind auch fest davon überzeugt, dass sowohl Geburtenraten als auch Verkehrsunfälle vom Mond beeinflusst werden.
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In der Regel lassen sich derartige Zusammenhänge weder statistisch erhärten - noch ist klar, welche Kräfte dabei eigentlich am wirken sein sollen. Für Forschende ist dieser „Mondglaube“ daher nicht nur kaum nachvollziehbar - sie staunen auch, wie wenig derartige Ratschläge kritisch hinterfragt werden. - Der Astrophysiker Harald Lesch:
12-O-TON Lesch Aufklärung
„Alle diese Diskussion über kosmische Energien, ob das nun der Mond ist oder die Sterne oder was auch immer, haben nicht einen einzigen statistischen Test bis heute bestanden. Und wenn ich mir überlege, dass wir im Allgemeinen beim Kauf zum Beispiel eines Staubsaugers, eines Bügeleisens, eines Autos, Qualitätsüberprüfungen vornehmen - und danach fragen: Ja, haben wir denn - gibt es da TÜV-Untersuchungen? Hat die Stiftung Warentest dazu was zu sagen? Wir aber auf der anderen Seite bei solchen Weltbildern offenbar völlig undifferenziert uns einfach irgendwas erzählen lassen und sagen: Ja, Mensch, meine Oma, die hat ja damals auch schon immer gesagt, also der Mond, der Mond. Dann muss ich sagen, dann sind wir doch noch einen weiten Weg entfernt von dem, was Kant schreibt, was Aufklärung ist.“ 19:45
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Auch der zwar gesicherte, aber an sich schon eher kleine Schwerkrafteffekt ist eben nicht überall zu beobachten. Er führt nur deshalb zu Ebbe und Flut, weil die Ozeane riesig sind.
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Bei Seen ist bereits kein Effekt mehr zu erkennen. Geschweige denn bei uns Menschen selbst: die Gravitation und damit das Gewicht eines Menschen ändert sich durch den Mond zwischen Voll- und Neumond angeblich gerade mal um 0,000035 %.
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Mit anderen Worten: Die Wirkung ist so gut wie nicht messbar:
13-O-TON Lesch winzig
„Also man muss sich darüber im Klaren sein. Die Gravitationskraft ist ein Produkt. Und zwar von zwei Massen, die miteinander in Wechselwirkung treten. Also nehmen wir mal mich - 76 kg. Das ist wenig. Also ich bin jetzt nicht unter dem Einfluss des Mondes - ich bestehe ja wie jeder Mensch aus 70, 80 % Wasser. Das Wasser in mir wird durch die Schwerkraft des Mondes nicht besonders angezogen. Weil meine kleine Masse multipliziert mit der großen Masse des Mondes – meine kleine Masse ist das Problem - wenn ich so schwer wäre wie die Erde. Dann würde ich den Mond spüren. Aber solange ich nur so ein winziges Teilchen bin. Und das wird natürlich noch schlimmer, wenn man auf die molekulare Ebene runtergeht, dann bleibt gar nichts mehr übrig.“
MUSIK: Hopeful view 0‘49
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Unterm Strich fällt das Fazit eines Astrophysikers in Sachen Mondmystik daher erwartungsgemäß nüchtern aus:
14-O-TON Lesch - Schöner Brocken
„Das Ding ist 400.000 Kilometer von uns entfernt. Erstmal möchte ich mal wissen, ob irgendjemand sich vorstellen kann wie viel 400.000 Kilometer sind, es ist lange. Ich habe einen amerikanischen Apollo-Astronauten mal gefragt, hat gesagt: Es sind dreieinhalb Tage, du fliegst dreieinhalb Tage durch absolut nichts. Und bist froh wenn du dann mal wieder was siehst. Es ist wirklich lang. Es ist wirklich weit weg. Dieses Ding macht nichts anderes, als einfach nur schwer zu sein. Der Mond ist nicht geladen, also elektrisch irgendwie, der hat keinen Magnetfeld, nix. Da ist gor nix. Das ist einfach nur ein schöner Gesteinsbrocken. Gott sei Dank, dass wir ihn haben. Aber sonst ist da nichts dran.“

Jun 4, 2025 • 23min
Die Beneš-Dekrete - Zwangsaussiedlung der Sudetendeutschen
Jiří Pešek, Professor für Geschichte an der Karls-Universität in Prag und ehemaliger Vorsitzender der deutsch-tschechischen Historikerkommission, diskutiert die Beneš-Dekrete und die Zwangsaussiedlung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Er thematisiert die politische Situation der deutschen Minderheit vor 1939 sowie die dramatischen Folgen der Umsiedlung. Pešek beleuchtet auch die Rolle von Édvard Beneš und die Auswirkungen auf die späteren deutsch-tschechischen Beziehungen, einschließlich der Versöhnungsinitiativen unter Václav Havel.