

Eigentlich Podcast
Micz & Flo
Reden beim Laufen und laufend Reden - über Film, Technik und Psychotherapie
Episodes
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Dec 5, 2024 • 1h 40min
EGL066 Roadmovies I: Civil War
JOEL: "Wait! Wait! I need a quote." PRESIDENT: "Don't .. Don't let them kill me.." JOEL: "Yeah, that will do." (CIVIL WAR 2024)
Mit dieser Episode starten wir eigentlich eine neue Podcast-Reihe: Roadmovies! Ein Genre, das uns schon immer fasziniert hat. Dem wollen wir näher auf die Spur kommen, doch zunächst stellen wir einige Filme dieses Genres der letzten 4 Dekaden vor. Roadmovies erzählen Geschichten von äußeren und inneren Reisen, an denen die Charaktere wachsen. Sie werden oft episodenhaft erzählt, die sich an den einzelnen Stationen der Reise orientieren. Roadmovies entwickelten sich als Subgenre des Westerns und legten den Grundstein für New Hollywood. Als ersten Vertreter der neuen Reihe "Roadmovies" hat sich Flo einen aktuellen Film ausgesucht: "Civil War" aus dem Jahr 2024 unter der Regie von Alex Garland. Flo stellt den Briten Alex Garland mit einigen Eckdaten vor: bekannt geworden als Autor, erste Verbindungen zum Film mit Danny Boyles "The Beach", der Garlands Buch verfilmte. Weitere Zusammenarbeit mit Boyle, u.a. "28 Days Later", für den Alex Garland das Drehbuch schrieb. Erste eigene Regiearbeit mit "Ex machina" (2015). Es folgten einige Spielfilme und mit "Devs" (2021) eine Serienproduktion, in der auch Schauspieler:innen mitwirkten, mit denen Garland immer wieder zusammenarbeitet. "Civil War" ist eine Mischung aus Roadmovie und Kriegsfilm. Im Mittelpunkt stehen zwei Kriegsfotografinnen, die eine altgedient, die andere ganz jung. Der Film spielt in Amerika in einer dystopischen nahen Zukunft, in der Bürgerkrieg herrscht. Wir erzählen den Film ausführlich nach. Flo geht dann auf die Geschichte der Fotografie während des Amerikanischen Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 ein und zeigt die technischen und kulturellen Entwicklungen in der Fotografie und wie diese das Verständnis und die Darstellung des Krieges beeinflusst haben. Während wir die Kernthesen von Garlands Werk erkunden, denken wir darüber nach, wie die Hauptfiguren die moralischen Herausforderungen und ethischen Implikationen transportieren, die mit dem Festhalten und Präsentieren von Wahrheit und Realität verbunden sind. Verbunden sind wir auch mit unserem Track, der Laufstrecke, die uns von der Jannowitzbrücke bis zur Landsberger Allee durch den Volkspark Friedrichshain geführt hat. Wir haben auf diesem Weg einige unserer Vorgänger-Episoden gekreuzt und das entsprechend kommentiert.
Shownotes
Links zur Laufstrecke
EGL066 | Wanderung | Komoot
Links zur Episode
Roadmovie – Wikipedia
Road movie - Wikipedia
Civil War (2024) – Wikipedia
Easy Rider – Wikipedia
Beatnik - Wikipedia
Roger Corman – Wikipedia
Die wilden Engel – Wikipedia
Jack Kerouac - Wikipedia
On the Road - Wikipedia
Wilde Erdbeeren – Wikipedia
Jean-Luc Godard – Wikipedia
Elf Uhr nachts – Wikipedia
Bonnie und Clyde (Film) – Wikipedia
Duell (Film) – Wikipedia
Steven Spielberg – Wikipedia
Wim Wenders – Wikipedia
Alice in den Städten – Wikipedia
Falsche Bewegung – Wikipedia
Im Lauf der Zeit – Wikipedia
Paris, Texas – Wikipedia
Mad Max – Wikipedia
Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula – Wikipedia
David Lynch – Wikipedia
Nicolas Cage – Wikipedia
Laura Dern – Wikipedia
Blue Velvet (Film) – Wikipedia
Gus Van Sant – Wikipedia
My Private Idaho – Wikipedia
River Phoenix – Wikipedia
Wir können nicht anders – Wikipedia
Detlev Buck – Wikipedia
Knockin’ on Heaven’s Door (Film) – Wikipedia
Old Joy – Wikipedia
Kelly Reichardt – Wikipedia
Thelma & Louise – Wikipedia
Brad Pitt – Wikipedia
Little Miss Sunshine – Wikipedia
Import Export – Wikipedia
Ulrich Seidl – Wikipedia
Mad Max: Fury Road – Wikipedia
Tschick (Film) – Wikipedia
Drive My Car (Film) – Wikipedia
Ryūsuke Hamaguchi – Wikipedia
Drive (2011) – Wikipedia
Death Proof – Todsicher – Wikipedia
Lola rennt – Wikipedia
Victoria (2015) – Wikipedia
New Hollywood - Wikipedia
Charlie Chaplin – Wikipedia
Tramp – Wikipedia
Wilder Westen – Wikipedia
Alex Garland – Wikipedia
Ex Machina (Film) – Wikipedia
Auslöschung (Film) – Wikipedia
Devs – Wikipedia
Dredd – Wikipedia
Kowloon Walled City – Wikipedia
Der Strand – Wikipedia
The Beach – Wikipedia
Leonardo DiCaprio – Wikipedia
28 Days Later – Wikipedia
Kirsten Dunst – Wikipedia
Jesse Plemons – Wikipedia
Breaking Bad – Wikipedia
Cailee Spaeny – Wikipedia
Alien: Romulus – Wikipedia
Station Eleven (Fernsehserie) – Wikipedia
Alex Garlands Foto-Philosophie: CIVIL WAR – Kritik & Analyse
Civil War (2024) | Film, Trailer, Kritik
Kriegsfotografie – Wikipedia
Children of Men – Wikipedia
Sezessionskrieg – Wikipedia
Daguerreotypie – Wikipedia
Gutenberg-Bibel – Wikipedia
Frühe Kriegsfotografie: Den Toten in die Augen sehen - DER SPIEGEL
Kriegsmaler – Wikipedia
Mathew B. Brady – Wikipedia
Susan Sontag – Wikipedia
Kodak Nr. 1 – Wikipedia
How Kodak invented the “snapshot”
Geschichte und Entwicklung der Fotografie – Wikipedia
The Kodak Camera - Engineering and Technology History Wiki
Kodak – Wikipedia
Friedrich Kittler – Wikipedia
[ISEA97] | ISEA Symposium Archives
[ISEA97] Presentations | ISEA Symposium Archives
etoy (Künstler) – Wikipedia
PDF-Download - Kittler Friedrich GrammophonFilm Typewriter
Aufschreibesystem – Wikipedia
Mitwirkende
Florian Clauß
(Erzähler)
Bluesky
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Micz Flor
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Verwandte Episoden
EGL081 28 Years Later – Heart of Kindness: Eine Befreiung aus der deterministischen Apokalypse
Roadmovies
Das Genre des Roadmovies stellt ein zentrales Subgenre des modernen Kinos dar, welches sowohl narrative als auch philosophische Elemente miteinander verknüpft. Historisch betrachtet, etablierten sich Roadmovies in den 1960er Jahren als Gegenbewegung zu den rigiden Konventionen des klassischen Hollywood-Kinos sowie als Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels dieser Ära. Filme wie „Easy Rider“ (1969) fungierten als Symbol dieses Aufbruchs, indem sie die Suche nach Freiheit und Individualität in den Vordergrund stellten.
Roadmovies sind durch eine episodische Erzählweise, weite Landschaftsaufnahmen sowie die symbolische Bedeutung von Straßen und Fahrzeugen gekennzeichnet. Inhaltlich kreisen Roadmovies um Fragen der Selbstfindung, Gesellschaftskritik sowie den Wunsch nach einem Ausbruch aus normativen Strukturen. Die Generierung von Spannung erfolgt dabei häufig durch Zufallsbegegnungen sowie den Umgang der Protagonisten mit fremden und oft feindseligen Umwelten. Das Genre markiert nicht nur einen Wechsel der filmischen Ästhetik, sondern auch einen sozialen Kommentar, mit dem der sogenannte „American Dream“ hinterfragt und kritisch reflektiert wird.
Alex Garland und Civil War
Alex Garland hat sich in den vergangenen Jahren als eine der bedeutende Stimmen des modernen Kinos etabliert. Garland ist insbesondere für seine Filme „Ex Machina“ (2014) und „Annihilation“ (2018) bekannt, in denen er wiederholt Genregrenzen überschreitet und psychologische, philosophische sowie technologische Themen verwebt. Seine Werke loten die versteckten Abgründe der menschlichen Natur aus und zeichnen sich durch eine präzise visuelle Gestaltung sowie eine tiefgründige thematische Komplexität aus.
Mit „Civil War“ (2024) hat Garland einen weiteren bemerkenswerten Beitrag geleistet, indem er Elemente des Roadmovies mit denen des Kriegsfilms kombiniert. In seiner Herangehensweise bleibt Garland unkonventionell. Anstatt sich allein auf monumentale Schlachten oder militärische Strategien zu konzentrieren, integriert er die Dynamik eines Bürgerkrieges in die individuellen Erfahrungen von Leid und die Suche nach Identität. Diese Vorgehensweise verleiht dem Film „Civil War“ einen erzählerischen Reichtum, der sowohl universelle als auch persönliche Perspektiven in den Vordergrund rückt.
Der Film „Civil War“ spielt vor dem Hintergrund eines fiktiven Bürgerkriegs in den Vereinigten Staaten, wobei die Straßen des Landes sowohl Schauplatz als auch Metapher sind. Der Film folgt der Protagonistin Jessie, einer Kriegsfotografin, deren Reise sowohl geografisch als auch emotional geprägt ist. Während ihrer Odyssee durch die verschiedenen Konfliktzonen des Landes dokumentiert sie unermüdlich die Schrecken des Krieges, ohne dabei eine sichtbare politische oder moralische Position einzunehmen. Die Kamera fungiert für Jessie sowohl als Schutzschild als auch als Kompass.
Der dramaturgische Höhepunkt des Films entfaltet sich im Weißen Haus, wo die Grenzen zwischen Beobachtender und Akteurin verschwimmen. Die Szene vor dem Oval Office, in der Jessie den Tod ihrer Mentorin Lee und die Erschießung des Präsidenten fotografisch festhält, kann als eindringliches Beispiel für die Verschmelzung von Waffe und Kamera betrachtet werden. Diese Inszenierung wirft nicht nur die Frage auf, welche Rolle die Fotografie im Krieg spielt, sondern symbolisiert auch das „totale Aufgehen“ der Protagonistin in ihrer Profession. Dieser Aspekt zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Genre des Films.
Medien und Krieg im Diskurs
Ein wesentlicher Aspekt von „Civil War“ ist die Fokussierung auf das Thema Kriegsfotografie. Seit ihren ersten Einsätzen während des Amerikanischen Bürgerkriegs in den 1860er Jahren hat die Fotografie eine Schlüsselrolle bei der Dokumentation militärischer Konflikte eingenommen. Erstmals wurde die Kamera von Fotografen wie Mathew Brady eingesetzt, um das Grauen und die menschlichen Kosten des Krieges visuell festzuhalten. Die Bilder offenbarten der zivilen Bevölkerung ungeschönt die Brutalität des Konflikts und führten zu einer Reflexion über die ethischen Implikationen der Rolle der Medien in Kriegszeiten.
In ihrem wegweisenden Werk „Regarding the Pain of Others“ (2003) analysiert Susan Sontag die vielschichtige Wirkungskraft der Kriegsfotografie. Sontag postuliert, dass Bilder sowohl Mitleid erregen als auch abstumpfen können, da sie die Gewalt ästhetisieren und zugleich Distanz schaffen. Diese Ambivalenz findet sich auch in „Civil War“ wieder: Während Jessies Dokumentation zunächst als Akt der Wahrheitsfindung betrachtet werden kann, entwickelt sie sich zunehmend zu einem Mittel der Verstrickung in die Gewalt. Die Frage, ob eine Trennung zwischen aktivem und beobachtendem Handeln möglich ist, wird in der Figur der Jessie auf philosophischer sowie filmischer Ebene erörtert.
Die Analyse von Friedrich Kittler, einem einflussreichen Medientheoretiker des 20. Jahrhunderts, der sich mit den Technologien der Wahrnehmung und Aufschreibesysteme auseinandersetzt, kann einen Blickwinkel zur Interpretation von „Civil War“ bieten: Kittlers Konzept, dem zufolge Medien nicht nur Informationen übertragen, sondern auch die Art und Weise beeinflussen, wie wir die Realität wahrnehmen und selbst zu Handelnden werden, stellt ein wertvolles analytisches Werkzeug dar. Im Film „Civil War“ verschmelzen Kamera und Handlungsträger miteinander, sodass eine klare Trennung zwischen dokumentarischem Akt und gewaltsamer Interaktion nicht mehr möglich ist.
In seiner künstlerischen Praxis thematisiert Garland den hier beschriebenen Ansatz, indem er das Instrument der Kamera als zugleich beobachtenden und agierenden Akteur darstellt. Die Fotografien von Jessie sind nicht lediglich passive Dokumentationen, sondern vielmehr aktive Eingriffe in die Logik des Krieges. Die Kamera fungiert folglich als technologisches Medium, welches Macht definiert, indem es Entscheidungen darüber trifft, welche Elemente des Geschehens sichtbar und unsichtbar sind.
Mit „Civil War“ gelingt Alex Garland eine bemerkenswerte Synthese aus Roadmovie und Kriegsfilm. Der Film nutzt die visuellen und erzählerischen Elemente des Roadmovies, um eine Reise durch die emotionale und geografische Landschaft eines fiktiven Bürgerkriegs zu gestalten. Gleichzeitig werden existenzielle Fragen zur Rolle von Medien, Technologie und der Bilderproduktion im Kontext von Gewalt aufgeworfen.

Nov 21, 2024 • 55min
EGL065 Reform der Psychotherapie-Weiterbildung: Symptomverschiebung und Spaltung
"Die Einnahmen der Weiterbildungsstätten (...) decken die Kosten (...) nicht. Deshalb muss zusätzlich zur Leistungsvergütung eine Förderung gesetzlich geregelt werden." (Munz, Klein-Heßling, Seela In: 2/2023 Psychotherapeutenjournal S. 147ff)
Mit der Einführung der neuen Weiterbildungsordnung (WBO) im Jahr 2020 wurde ein Reformvorhaben angestoßen, das die Weiterbildung in Deutschland an veränderte Versorgungsbedarfe anpassen und zugleich die Qualität und Einheitlichkeit der Ausbildung verbessern soll. Doch war und ist die Finanzierung nicht geklärt. Das hat einen besonders dramatischen Einfluss auf den Bereich der Psychotherapie. Zu wenige Ausbildungsstätten beantragen die Befugnis nach der neuen Weiterbildungsordnung, um Psychotherapeut:innen auszubilden. Dies liegt vor allem daran, dass die entstehenden Kosten sich für Institute nicht rechnen. Die neue Regelung orientiert sich an der ärztlichen Ausbildung in Kliniken, die ärztliche Kandidat:innen in Weiterbildung mit einem tarifgebundenen Gehalt anstellen und entsprechenden Behandlungsräume versorgen können. Das lässt sich auf die psychologischen Psychotherapeut:innen nicht so einfach ummünzen. Diese nach Tarif anzustellen und individuelle Behandlungsräume anzumieten ist nach der WBO die Vorgabe (und sicherlich eine großartige Idee), aber Institute sind anders aufgestellt als Kliniken und können das nicht finanzieren. Somit ist die Finanzierungslücke nicht gelöst, sondern verschoben. Wir sprechen in der Psychotherapie von einer Symptomverschiebung. Während wir im Prenzlauer Berg Park beim Laufen reden und laufend reden, reflektieren wir die Hintergründe und möglichen Folgen der neuen WBO.
Shownotes
Link/s zur Laufstrecke
EGL065 | Wanderung | Komoot
Links zur Episode
Gleichstellung von Psychologischen mit ärztlichen Psychotherapeuten durch zwei Sozialgerichtsurteile bestätigt | Psychotherapeutenkammer Berlin
Bund, Länder und Kommunen | 24 x Deutschland | bpb.de
2019: Deutscher Bundestag - Bundestag reformiert die Ausbildung der Psychotherapeuten
Die neue Weiterbildung von Psychotherapeut*innen: Grundlagen, Chancen und Herausforderungen. In: 2/2023 Psychotherapeutenjournal
Dokumente und Regelungen der Weiterbildung, die nach dem Psychotherapeutengesetz vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1604), das zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) | Psychotherapeutenkammer Berlin
Neue Weiterbildungsordnung von 2021 | Ärztekammer Berlin
LdN402 Psychotherapeut:innen-Nachwuchs in der Warteschleife, Waffenlieferungen an Israel, Kürzungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Stefan Niggemeier, Übermedien), Russlands Krieg gegen Deutschland, Klimaschutz durch neue StVO, Social Leasing von E-Autos, Rechtsextremismus an Schulen, Feedback Dänemarks Migrationspolitik – Lage der Nation
Volkspark Prenzlauer Berg
Das gespaltene Subjekt nach Lacan
Mitwirkende
Micz Flor
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Florian Clauß
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Der höchste Hügel im Volkspark Prenzlauer Berg ist nicht, wie von mir behauptet, 92 m hoch, sondern „an seiner höchsten Stelle (genannt: ‚Pappelplateau‘) 90,9 m ü. NHN[1] hoch“ — weiß Wikipedia. Schlimmer noch: der Hügel auf dem ich das sagte „heißt zwar ‚Hohes Plateau‘ und auf einer steinernen Markierung steht, er sei ‚die höchste Erhebung in Prenzlauer Berg‘, was aber ungenau ist. Denn nach Vermessungen in den 1990er Jahren ist er nur 89 m hoch“. So ist das mit den Fakten, wenn man beim Laufen redet. Wir geben uns aber große Mühe.
In dieser Episode geht es um die neue Weiterbildungsordnung (WBO), eingeführt 2020, und speziell die Auswirkungen auf die Weiterbildung für die ambulante Psychotherapie. Ziel der WBO sei es, die Qualität der Weiterbildung zu erhöhen und die Vereinheitlichung zwischen ärztlicher und psychologischer Ausbildung zu fördern. Doch die Umsetzung bringt für Psychotherapeut:innen in Weiterbildung (PiW) erhebliche Herausforderungen mit sich, die sich bei den ärztlichen und psychologischen Ausbildungswegen teils deutlich unterscheiden.
Insofern sind wir im Volkspark Prenzlauer Berg an einem passenden Ort, dessen beide Hügel vielleicht ja für die betroffenen Psycholog:innen und Ärzt:innen stehen könnten. Oder für die Psychodynamik des gespaltenen Subjekts nach Lacan, der eine Hügel gepflegt und begehbar, der andere verwildert und … naja, eben das hier: der Andere in uns.
Symptomverschiebung: Finanzierungslücke nicht gelöst nur verschoben
Die Weiterbildung zur ambulanten Psychotherapie ist besonders für psychologische PiW mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Im Gegensatz zu angestellten ärztlichen Weiterbildungsassistent:innen können die Praxen und Institute für die Psycholog:innen die Kosten für eine tarifgebundene Anstellung nicht tragen. Diese Realität untergräbt ein Ziel der neuen WBO: die Ausbildung psychologischer Psychotherapeut:innen war teuer und die gesetzlich notwendige Tätigkeit in Psychiatrischen und therapeutischen Institutionen wurde früher oft nur symbolisch entlohnt. Es handelte sich also um eine kostspielige und prekäre Ausbildung.
Dies sollte im Sinne der werdenden Psychotherapeut:innen durch die Festanstellung gelöst werden. Doch in der Praxis verschiebt sich die Finanzierungslücke nur. Praxen und Institute können die Kosten nicht stemmen. Wo soll das Geld herkommen? Früher, nach der alten WBO, konnten die PiAs (Psychotherapeut:innen in Ausbildung) auf eine bessere Zukunft hoffen und die aufgenommen Kredite waren eine Form von unternehmerischen Risiko. Diese mögliche Zukunft gibt es für Institute nicht. Die Weiterbildungsinstitute können kein unternehmerisches Risiko aufnehmen, weil sie auch in der Zukunft keine zusätzlichen Einnahmen haben werden. Was bleibt ist die Unterdeckung für jede:n Kandidat:in.
Entsteht eine Kluft zwischen ärztlicher und psychologischer Weiterbildung?
Nach der neuen Weiterbildungsordnung (WBO) könnten sich die Strukturen von psychologischen und ärztlichen Weiterbildungen weiter voneinander entfernen, was auf verschiedene rechtliche, organisatorische und berufspolitische Unterschiede zurückzuführen ist. Obwohl psychologische Psychotherapeut:innen und Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie formal gleichgestellt sind, bestehen Unterschiede, die eine vollständige Angleichung in der Praxis erschweren.
Spaltung: die Wege der Psycholog:innen und Ärzt:innen trennen sich
Die neue WBO ist noch ganz frisch und wird langsam ausgerollt. Aber es zeigt sich, dass die Weiterbildung strukturell eine Trennung von psychologischen Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen bewirken könnte. Obwohl psychologische Psychotherapeut:innen und Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie formal gleichgestellt sind, bestehen Unterschiede, die eine vollständige Angleichung in der Praxis erschweren.
Institutionelle Trennung: Psychologische Weiterbildungen werden primär von universitären oder freien Ausbildungsinstituten organisiert, während die ärztliche Weiterbildung in Kliniken, Ambulanzen und teilweise in Lehrpraxen erfolgt. Diese institutionelle Trennung könnte durch die neue WBO zementiert werden, da die jeweiligen Organisationen für ihre Berufsgruppen spezifische Anforderungen und Curricula entwickeln.
Ambulante Weiterbildung: Ärztliche Weiterbildungsassistent:innen für Psychotherapie absolvieren ambulante Weiterbildungsanteile nach der neuen WBO zwingend in Praxen unter Supervision von Fachärzt:innen. Psychologische PiW hingegen sind meist auf psychotherapeutische Ambulanzen oder spezielle Ausbildungsinstitute angewiesen. Dieser Unterschied spiegelt die getrennten Versorgungsstrukturen wider.
Die neue WBO hat also das Potenzial, die Schere zwischen psychologischen und ärztlichen Weiterbildungsstrukturen zu vergrößern. Trotz formaler Gleichstellung bleiben Unterschiede in der Kompetenzverteilung und den Versorgungsstrukturen bestehen. Eine stärkere Integration – etwa durch gemeinsame Weiterbildungsmodelle oder abgestimmte ambulante Ausbildungsstrukturen – könnte langfristig die Trennung abbauen.
Mit diesen Gedanken verlassen wir die beiden Hügel im Park und beenden diese Episode im nahegelegenen Fennpfuhlpark. Es ist dunkel geworden.

Nov 7, 2024 • 1h 13min
EGL064 Durch den dunklen Wald: Eine Reise in die Tiefen von Hänsel und Gretel
„knuper, knuper, kneischen! wer knupert an meinem Häuschen!“
Diese Märchenfolge von Eigentlich Podcast möchten wir direkt am eigenen Leib erfahren und begeben uns in den tiefen finsteren Grunewald, während wir zu den künstlich generierten Stimmen mit amerikanischem Akzent lauschen, die uns das Märchen von "Hänsel und Gretel" vorlesen. Im Dunkeln und ganz ohne Taschenlampe analysieren wir das Märchen aus verschiedenen Blickwinkeln und arbeiten die "Glutkerne" des Märchens heraus, die von rituellem Kannibalismus, Hungersnöten und Kindesvertreibungen handeln. Wir loben die kooperativen Geschwister als Helden der Geschichte, finden Analogien zwischen der Hexe und der Mutter und fragen uns, warum die Hexe ihren Kalorienbedarf mit Menschenfleisch decken möchte, wenn doch das Lebkuchenhaus mehr als ausreichend die Energie liefern sollte. Flo stellt noch seine astronomische Deutung von Hänsel und Gretel vor: Hans versteht sich ganz in der Navigation nach den Sternen und weiß, wo er den Fixstern findet und sich dann an den Sternbilden orientieren kann (Kinder finden das erste Mal nach Hause zurück, weil sie zuvor den Weg mit weißen Steinchen markiert haben). Er macht aber schlechte Erfahrungen, wenn er sich an flüchtigen Himmelsereignissen orientieren möchte, wie Sternschnuppen (Beim zweiten Mal, als Hänsel und Gretel in den dunklen Wald geführt werden, markieren sie den Weg mit Brotkrumen, die die Vögel verspeisen). Wir bemühen uns um eine tiefenpsychologische Interpretation der sexuellen Aspekte des Märchens wie der Backofen als invertierter Mutterleib oder das "Fingerchen" von Hans, das nicht größer werden will. Am Ende und kurz vor der Avus kommen wir noch auf das Filmgenre "Coming-of-Age" zu sprechen, das, wie auch bei Hänsel und Gretel, Geschichten erzählt, die von dem Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein handeln.
Shownotes
Links zur Laufstrecke
EGL064 | Wanderung | Komoot
Links zur Episode
https://de.wikipedia.org/wiki/Hänsel_und_Gretel
https://de.wikisource.org/wiki/Hänsel_und_Gretel_(1812)
https://de.wikisource.org/wiki/H%C3%A4nsel_und_Grethel_(1857)
https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Haus-M%C3%A4rchen_Band_3_(1856)/Anmerkungen#15
https://de.wikipedia.org/wiki/Grimms_M%C3%A4rchen
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Grimm
https://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Grimm
https://de.wikisource.org/wiki/Rothk%C3%A4ppchen_(1812)
https://de.wikisource.org/wiki/Sneewittchen_(Schneewei%C3%9Fchen)_(1812)
https://platform.openai.com/docs/guides/text-to-speech/overview
https://izi.br.de/deutsch/publikation/televizion/29_2016_1/Wilkes_Was_Maerchen_zur_psychischen_Gesundheit.pdf
https://www.stern.de/familie/maerchen--was-steckt-hinter-dem-maerchen-haensel-und-gretel--8616894.html
https://www.deutschlandfunkkultur.de/verarbeitung-von-grauenhaften-menschheitserfahrungen-100.html
https://www.srf.ch/audio/reflexe/was-maerchen-wirklich-erzaehlen?id=10250802
https://www.youtube.com/watch?v=2JidaOO2Fds
https://www.newgrounds.com/portal/view/515322
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedhof_Grunewald-Forst
https://de.wikipedia.org/wiki/Struwwelpeter
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Hoffmann
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Bechstein
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Astronomie
https://de.wikipedia.org/wiki/Tycho_Brahe
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Kepler
https://de.wikipedia.org/wiki/Zodiak
https://de.wikipedia.org/wiki/Kannibalismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Inzest
https://de.wikipedia.org/wiki/Batzen
https://de.wikipedia.org/wiki/Gretel_%26_H%C3%A4nsel
https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Moers
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_13%C2%BD_Leben_des_K%C3%A4pt%E2%80%99n_Blaub%C3%A4r
https://www.ardmediathek.de/video/br-retro/die-wahrheit-ueber-haensel-und-gretel/br/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzg1OWQwNTg3LTZiZGYtNDQ5Ni05MmY4LTU3MzJlNmE2YTFiNg
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Traxler
https://en.wikipedia.org/wiki/Coming_of_age
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_coming-of-age_stories
https://de.wikipedia.org/wiki/Ferris_macht_blau
https://de.wikipedia.org/wiki/The_Breakfast_Club
https://de.wikipedia.org/wiki/My_Private_Idaho
https://de.wikipedia.org/wiki/Kids_(Film)
Gummo – Wikipedia
Ghost World – Wikipedia
Call Me by Your Name – Wikipedia
Aftersun (2022) – Wikipedia
Mitwirkende
Florian Clauß
(Erzähler)
Bluesky
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Das Märchen „Hänsel und Gretel“ der Brüder Grimm gehört zu den bekanntesten und verbreitesten Erzählungen der europäischen Volksliteratur. Seine Ursprünge reichen weit in die Vergangenheit zurück und spiegeln uralte menschliche Erfahrungen und Ängste wider. Die Geschichte der beiden Geschwister, die von ihren Eltern im Wald ausgesetzt werden und sich gegen eine kannibalistische Hexe behaupten müssen, hat über Jahrhunderte hinweg Generationen von Zuhörern und Lesern in ihren Bann gezogen. Dabei ist es gerade die Vielschichtigkeit des Märchens, die es für Interpretationen so ergiebig macht und seine anhaltende Relevanz erklärt.
Ein zentrales Motiv des Märchens ist der Konflikt zwischen Hunger und Überfluss, der sich durch die Erzählung zieht. Die extreme Armut der Holzhackerfamilie zu Beginn steht in krassem Gegensatz zum verlockenden Überfluss des Lebkuchenhauses. Dieser Kontrast spiegelt historische Realitäten wider, insbesondere die Erfahrungen von Hungersnöten, die zur Entstehungszeit des Märchens keine Seltenheit waren. Die kannibalistische Hexe kann in diesem Kontext als Personifizierung der existenziellen Bedrohung durch den Hunger verstanden werden. Gleichzeitig lässt sich das Motiv des Kannibalismus als Ausdruck eines „Glutkerns“ interpretieren, wie ihn der Literaturwissenschaftler Michael Maar beschreibt – ein traumatisches Ereignis aus der Menschheitsgeschichte, das im Märchen verarbeitet und durch die fantastische Erzählung abgemildert wird.
Die Figur der Hexe ist besonders vielschichtig und lädt zu verschiedenen Deutungen ein. In psychoanalytischer Perspektive kann sie als Verkörperung der „bösen Mutter“ oder als Aspekt der ambivalenten Mutterfigur gesehen werden. Feministisch orientierte Interpretationen sehen in ihr ein verzerrtes Bild weiblicher Macht, das patriarchale Ängste widerspiegelt. Kulturhistorisch betrachtet, lässt sich die Hexenfigur mit der Geschichte der Hexenverfolgungen in Verbindung bringen, die zur Entstehungszeit des Märchens noch präsent war. Die Überwindung der Hexe durch die Kinder, insbesondere durch Gretel, die am Ende zur aktiven Retterin wird, kann als Emanzipationsgeschichte gelesen werden.
Die Entwicklung der Kinder im Verlauf der Geschichte macht „Hänsel und Gretel“ zu einem klassischen Beispiel für ein Coming-of-Age-Narrativ. Die Protagonisten durchlaufen einen Reifeprozess, in dem sie lernen, Gefahren einzuschätzen, kreative Lösungen zu finden und selbstständig zu handeln. Dieser Aspekt macht das Märchen auch für die heutige Zeit relevant, da es grundlegende Fragen der Identitätsfindung und des Erwachsenwerdens behandelt. Die gegenseitige Unterstützung der Geschwister unterstreicht dabei die Bedeutung von Solidarität und familiärem Zusammenhalt in Krisensituationen.
Aus einer mem-theoretischen Perspektive lässt sich der anhaltende Erfolg von „Hänsel und Gretel“ durch die Kombination einprägsamer Motive erklären. Das Lebkuchenhaus, die Brotkrümelspur oder der vorgestreckte Knochen sind bildhafte Elemente, die sich leicht merken und weitergeben lassen. Sie funktionieren als kulturelle Replikatoren, die zur Verbreitung und Langlebigkeit des Märchens beitragen. Gleichzeitig ermöglicht die Struktur des Märchens lokale Anpassungen und Variationen, was seine Verbreitung in verschiedenen kulturellen Kontexten begünstigt.
In der pädagogischen und therapeutischen Praxis bietet „Hänsel und Gretel“ vielfältige Anknüpfungspunkte. Die Geschichte kann als Ausgangspunkt dienen, um mit Kindern über den Umgang mit Fremden, die Bewältigung von Ängsten oder ethische Fragen zu sprechen. In der Psychotherapie, insbesondere im Psychodrama, werden Elemente des Märchens genutzt, um Zugang zu unbewussten Konflikten zu finden und Lösungsansätze zu entwickeln. Die archetypischen Figuren und Situationen des Märchens bieten einen Resonanzraum für individuelle Erfahrungen und können so zur Verarbeitung persönlicher Themen beitragen.

Oct 24, 2024 • 1h 13min
EGL063 Psychosen, UFOs, Archetypen: C.G. Jung über Außerirdische und das kollektive Unbewusste
"Ich bin ein Empiriker, der sich innerhalb der ihm gesetzten erkenntnistheoretischen Grenzen hält." C.G. Jung, 1985
Drei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte Carl Gustav Jung 1958 ein kleines Büchlein über UFOs: "Ein moderner Mythus". Jung war zu diesem Zeitpunkt über 80 Jahre alt. Man könnte also vom Spätwerk des Schweizer Arztes und Psychoanalytikers sprechen, dem wir diese Episode widmen. Aus der Vogelperspektive betrachtet, befasst sich dieses Buch mit dem UFO-Phänomen aus einer psychologischen Perspektive und stellt die Frage, ob es sich bei den Sichtungen um reale Objekte oder symbolische Projektionen des kollektiven Unbewussten handelt. Doch wir wählen den Weg durch das Unterholz und folgen einer Spur von Zitaten über fliegende Untertassen, Archetypen, atomare Bedrohung, Parapsychologie und kollektive Visionen, um schließlich bei einem Gedankengebäude anzukommen, das – wie ein Vexierbild – je nach Blickwinkel naturwissenschaftliches Forschungsinstitut oder okkulter Tempel sein könnte. C.G. Jung erscheint als gespaltenes Selbst: In ihm leben naturwissenschaftliche Ansprüche und metaphysische Überzeugungen konfliktfrei zusammen, ohne den Widerspruch auszulösen, den viele Leser:innen bei der Lektüre verspüren müssten. Und vielleicht ist es ja wirklich das Spätwerk Jungs, in dem er die UFOs als Korrektiv nutzt, das sein Konzept der Archetypen zukunftsfähig macht?
Mitwirkende
Micz Flor
(Erzähler)
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Florian Clauß
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Verwandte Episoden
EGL080 Chaosmagie und Psychotherapie: wissenschaftlicher Anspruch trifft magische Wirkmacht
Unsere Tour führt uns an einem Herbstabend aus dem beleuchteten Charlottenburg über den Halensee bis in die Dunkelheit des Grunewald. Ein passendes Gegensatzpaar zu unserem Gespräch, das vom hellen Schein der Vernunft bin in die unergründlichen Schatten des Unbewussten reicht. Für Flo jedoch beginnt die Tour im Dunkeln. Er weiß nicht, was Micz vorbereitet hat und startet gewissermaßen im Grunewald. Gegenstand der Episode sind Carl Gustav Jungs Texte über UFO-Sichtungen, erstmals 1958 als Broschüre bei Rascher in Zürich erschienen. Die Seitenzahlen der Zitate stammen allerdings aus der Veröffentlichung Geheimnisvolles am Horizont (Von Ufos und Außerirdischen) von 1992, die Micz für diese Episode durchgearbeitet hat (s.a. Literaturverzeichnis).
Die Folge beginnt mit einer Reihe von Zitaten, zu denen Flo seine Reaktionen schildert, ohne die Quellen zu kennen. Für alle anderen, die wissen, worum es geht, sind hier die Zitate aus der Episode noch einmal mit Quellenangaben aufgeführt.
C.G. Jung zwischen den Welten der Naturwissenschaft und Metaphysik
Anders als in der Episode, möchte ich hier eine Fußnote vornean stellen, die die Bühne für alle weiteren Überlegungen darstellt:
(Fußnote:) “Es ist ein geläufiges und durch nichts gerechtfertigtes Mißverständnis bei naturwissenschaftlich Gebildeten, daß ich die psychischen Hintergründe als «metaphysische» verstehe, während umgekehrt mir die Theologen vorwerfen, daß ich die Metaphysik «psychologisiere». Beide treffen daneben. Ich bin ein Empiriker, der sich innerhalb der ihm gesetzten erkenntnistheoretischen Grenzen hält.”(Jung, 1958/1992, S. 33)
Jung stellt sich also als falsch verstanden dar – sowohl von Naturwissenschaftler:innen, als auch Theolog:innen. Er sei Empiriker ist seine Antwort an beide Parteien. Wer geneigt ist ihn deshalb einem eher naturwissenschaftlichen Denken zuzuordnen, wird unweigerlich beim Lesen des Büchleins über Mutmaßungen, Erfahrungen und Feststellungen stolpern, die so gar nicht naturwissenschaftlich anmuten, sondern der Astrologie, Parapsychologie und spiritistischen Sitzungen entstammen. Jung bleibt uns in dieser Schrift eine Antwort schuldig, auf wessen Grund er sein Gedankengebäude errichtet hat. Mit dem obigen Zitat sagt er uns weder wo er sich sieht, noch erfahren wir, wo er sich nicht verortet. Es bleibt unklar, ob er sich zwischen diesen Welten, in der Schnittmenge beider oder an einem ganz anderen, dritten Ort sieht.
Jung verbindet die UFO-Sichtungen mit dem Beginn des Wassermannzeitalters (Age of Aquarius)
Im ersten Zitat (nicht das erste aus dem Buch, aber aus dramaturgischen Gründen in der Episode nach vorne gezogen) erfahren wir, dass der vorliegende Text scheinbar nicht nur Beruf, sondern auch Berufung des analytischen Psychologen berührt. Mit schwerem Herzen stellt er uns seine Theorien zum Phänomen der UFO-Sichtungen vor. Er hofft vermeiden zu können, dass Menschen “unvorbereitet von den Ereignissen überrascht werden und ahnungslos deren Unfaßbarkeit ausgeliefert sind”.
“Es wäre leichtsinnig von mir, meinem Leser verheimlichen zu wollen, daß dergleichen Überlegungen nicht nur äußerst unpopulär sind, sondern sich sogar in bedrohlichster Nähe jener wolkigen Phantasmas bewegen, die das Gehirn von Zeichendeutern und Weltverbesserern beschatten. Ich muß das Risiko auf mich nehmen und meinen mühsam erkämpften Ruf der Wahrhaftigkeit, der Vertrauenswürdigkeit und der wissenschaftlichen Urteilsfähigkeit aufs Spiel setzen. Es geschieht dies, wie ich meinen Lesern versichern kann, nicht leichten Herzens. Ich bin, aufrichtig gesagt, bekümmert um das Los derer, die unvorbereitet von den Ereignissen überrascht werden und ahnungslos deren Unfaßbarkeit ausgeliefert sind.”(Jung, 1958/1992, S. 10)
Eine erste Fährte hinein in Jungs Gedankengebäude einer Psychodynamik, die individuelles und kollektives Unbewusstes kennt, erfahren wir schon vorher im Buch (siehe folgendes Zitat). Das Phänomen soll nicht “im Subjektiven befangen” bleiben. Wir werden also Jungs Konzept der Archetypen im Verlauf besser kennenlernen.
“Es ist schwierig, die Tragweite zeitgenössischer Ereignisse richtig einzuschätzen, und die Gefahr, daß das Urteil im Subjektiven befangen bleibt, ist groß. Ich bin mir daher des Wagnisses bewußt, wenn ich mich anschicke, denen, die mich geduldig anhören wollen, meine Auffassung von gewissen zeitgenössischen Ereignissen, die mir bedeutend erscheinen, mitzuteilen. Es handelt sich um jene Kunde, die uns von allen Ecken der Erde erreicht, jenes Gerücht von runden Körpern, die unsere Tropo- wie Stratosphäre durchstreifen, genannt «saucers, Teller, soucoupes, disks und Ufos» (Unidentified Flying Objects).”(Jung, 1958/1992, S. 9)
Auf der gleichen Seite beginnt Jung Verbindungen zwischen Sternen, UFOs und Jesus zu schaffen. So würden wir uns “am Ende eines Platonischen Monats und zu Anfang des nachfolgenden” befinden. Gemeint ist der Übergang vom Zeitalters des Sternzeichen “Pisces”, dessen Beginn mit der Geburt von Jesus zusammenfalle, und dem kommenden Zeitalter des Wassermanns (“Age of Aquarius”). Damals sahen die Menschen den Stern über Bethlehem. Jetzt sehen Menschen auf der ganzen Welt UFOs. Jung suggeriert, dass die UFO-Sichtungen sich als ähnlich bedeutsam herausstellen könnten, wie das Christentum.
Diese Annahme erlaubt ihm im aufgespannten Netz von Sternzeichen, Jesus’ Geburt und UFO-Sichtungen seine Archetypen im Himmel wie auf Erden zu verankern. Denn – so Jung – “Veränderungen in der Konstellation der psychischen Dominanten, der Archetypen, der «Götter», welche säkulare Wandlungen der kollektiven Psyche verursachen”
Jung erklärt damit, dass Archetypen nicht festgeschrieben sind, sondern sich (mit dem Wandel der Mythen und Symbole) wandeln können. Das stellt gewissermaßen eine Fortführung des Gleichen in neuem (besser: wandelndem) Gewand dar. So erlegt er zwei Fliegen in einem Streich: nur so kann er die Erscheinung der UFOs durch Kollektivvisionen erklären. Und zweitens sichert er so in diesem Spätwerk seiner Theorie der Archetypen eine Zukunft, da deren Wandlung somit auch zukünftige Technologien und Dingen umfassen und beinhalten (hier z.B. fliegende Untertassen).
“Es ist keine Anmaßung, die mich treibt, sondern mein ärztliches Gewissen, das mir rät, meine Pflicht zu erfüllen, um die Wenigen, denen ich mich vernehmbar machen kann, vorzubereiten, daß der Menschheit Ereignisse warten, welche dem Ende eines Äon entsprechen. Wie wir schon aus der altägyptischen Geschichte wissen, sind es psychische Wandlungsphänomene, die jeweils am Ende eines Platonischen Monats und zu Anfang des nachfolgenden auftreten. Es sind, wie es scheint, Veränderungen in der Konstellation der psychischen Dominanten, der Archetypen, der «Götter», welche säkulare Wandlungen der kollektiven Psyche verursachen oder begleiten. Diese Wandlung hat innerhalb geschichtlicher Tradition angehoben und ihre Spuren hinterlassen, zunächst im Übergang des Stierzeitalters zu dem des Aries [Widder], sodann vom Zeitalter des Aries zu dem der Pisces [Fische], dessen Anfang mit der Entstehung des Christentums zusammenfällt. Wir nähern uns jetzt der großen Veränderung, die mir dem Eintritt des Frühlingspunktes in Aquarius [Wassermann] erwartet werden darf.”(Jung, 1958/1992, S. 9f.)
Die “Wandlungen der kollektiven Psyche”, die mit Archetypen und auch individuellen Unbewussten Inhalten in Verbindung stehen, formuliert er auch noch an andere Stelle:
“Es liegt hier wohl ein Beispiel von Modifikation älterer Tradition durch neueren Erkenntniszuwachs vor, also einer Beeinflussung urtümlicher Verbildlichung durch rezente Erwerbungen des Bewußtseins, wie die in moderner Zeit häufigen Ersetzungen der Tiere und Monstren durch Automobile und Flugzeuge in Träumen.”(Jung, 1958/1992, S. 43)
UFOs Mitte des 20ten Jahunderts
Wann wurden die ersten UFOs gesichtet und als solche benannt? Kann es sein, dass Lebewesen von der Venus oder Mars aufgrund der Atombomben Angst vor den Terrestrier:innen bekamen?
“Den Auftakt zu den Ufos bildeten die in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges gemachten Beobachtungen geheimnisvoller Geschosse über Schweden, deren Erfindung man den Russen zuschob, und die Berichte über «Foo fighters», das heißt Lichter, welche die alliierten Bomber über Deutschland begleiteten (foo = feu). Darauf folgten dann die abenteuerlichen Beobachtungen von «flying saucers» in USA. Die Unmöglichkeit, eine irdische Basis für die Ufos zu finden und ihre physikalischen Eigenschaften zu erklären, führte dann bald zur Vermutung eines extraterretrischen Ursprungs.”(Jung, 1958/1992, S. 14–15)
“Die neueren atomischen Explosionen auf der Erde – so wird vermutet – hätten die Aufmerksamkeit dieser so viel weiter fortgeschrittenen Mars- oder Venusbewohner erregt und Besorgnisse hinsichtlich möglicher Kettenreaktionen und der damit verbundenen Zerstörung der Erde wachgerufen. Da eine derartige Möglichkeit auch eine katastrophale Bedrohung unserer Nachbarplaneten bedeuten würde, so sähen sich deren Bewohner veranlaßt, die Entwicklung der Dinge auf der Erde sorgfältig zu beobachten, in voller Erkenntnis der ungeheuren Gefahr, welche unsere täppischen Nuklearversuche verursachen könnten.”(Jung, 1958/1992, S. 22)
UFOs sind die Projektion unbewusster, kollektiver Inhalte
“Wenn der Archetypus durch die Zeitumstände und die psychische Gesamtlage eine zusätzliche energetische Ladung erhält, so kann er aus angedeuteten Gründen nicht direkt ins Bewußtsein integriert werden. Er wird vielmehr dazu gezwungen, sich indirekt in Form einer spontanen Projektion zu manifestieren. Das projizierte Bild erscheint dann als ein von der individuellen Psyche und deren Beschaffenheit unabhängiges, scheinbar physisches Faktum: die runde Ganzheit des Mandalas wird zu einem von intelligenten Wesen gesteuerten Weltraumfahrzeug.”(Jung, 1958/1992, S. 41)
“Beim Individuum kommen derartige Erscheinungen, wie abnorme Überzeugungen, Visionen, Illusionen usw., ebenfalls nur dann vor, wenn es psychisch dissoziiert ist, das heißt wenn eine Spaltung zwischen der Bewußtseinseinstellung und den dazu entgegengesetzten Inhalten des Unbewußten eingetreten ist. Weil das Bewußtsein um ebendiese Inhalte nicht weiß und deshalb mit einer anscheinend ausweglosen Situation konfrontiert ist, so können die fremdartigen Inhalte nicht direkt und bewußt integriert werden, sondern suchen sich indirekt auszudrücken, indem sie unerwartete und zunächst unerklärliche Meinungen, Überzeugungen, Illusionen und Visionen erzeugen. Es werden ungewöhnliche Naturereignisse, wie Meteore, Kometen, Blutregen, ein Kalb mit zwei Köpfen und sonstige Mißgeburten, im Sinne drohender Ereignisse gedeutet, oder es werden «Zeichen am Himmel» gesehen.”(Jung, 1958/1992, S. 20)
“Dazu kommen noch jene Fälle, wo dieselbe kollektive Ursache die nämlichen oder wenigstens ähnliche psychische Wirkungen hervorbringt, das heißt gleichartige Deutungen oder visionäre Bilder gerade bei den Leuten, die am wenigsten auf solche Erscheinungen vorbereitet oder daran zu glauben geneigt sind. Dieser Umstand ist es dann wiederum, welcher den Augenzeugenberichten eine besondere Glaubwürdigkeit verleiht: man pflegt ja gerne hervorzuheben, daß der oder jener Zeuge besonders unverdächtig sei, weil er sich nie durch lebhafte Phantasie oder Leichtgläubigkeit hervorgetan, sondern im Gegenteil sich stets durch ein kühles Urteil und durch kritische Vernunft ausgezeichnet habe. Gerade in solchen Fällen muß das Unbewußte zu besonders drastischen Maßnahmen greifen, um seine Inhalte wahrnehmbar zu machen. Dies geschieht am eindringlichsten durch Projektion, das heißt Hinausverlegen in ein Objekt, an dem dann das erscheint, was zuvor das Geheimnis des Unbewußten war.”(Jung, 1958/1992, S. 21)
“Persönliche Verdrängungen und Unbewußtheiten offenbaren sich an der nächsten Umgebung, dem Verwandten- und Bekanntenkreis. Kollektive Inhalte dagegen, wie zum Beispiel religiöse, weltanschauliche und politisch-soziale Konflikte, erwählen sich entsprechende Projektionsträger, wie die Freimaurer, Jesuiten. Juden, Kapitalisten. Bolschewisten, Imperialisten usw. In der Bedrohlichkeit der heurigen Weltsituation, wo man einzusehen anfängt, daß es ums Ganze gehen könnte, greift die projektionsschafiende Phantasie über den Bereich irdischer Organisationen und Mächte hinaus in den Himmel, das heißt in den kosmischen Raum der Gestirne, wo einstmals die Schicksalsherrscher, die Götter, in den Planeten ihren Sitz hatten.”(Jung, 1958/1992, S. 21)
Zitate von C.G. Jung über Archetypen und das kollektive Unbewusste
“Die Inhalte des persönlichen Unbewussten sind in der Hauptsache die sogenannten gefühlsbetonten Komplexe, welche die persönliche Intimität des seelischen Lebens ausmachen. Die Inhalte des kollektiven Unbewussten dagegen sind die sogenannten Archetypen.”(Jung, 1934/2018, S. 8)
“Seit der Entdeckung des empirischen Unbewußten ist die Psyche, und was in ihr geschieht, eine Naturtatsache und nicht mehr eine willkürliche Meinung, was sie wohl wäre, wenn sie ihre Manifestation der Absicht eines bodenlosen Bewußtseins verdankte. Das Bewußtsein mit seiner kaleidoskopischen Beweglichkeit ruht aber, wie wir dank der Entdeckung des Unbewußten wissen, auf der sozusagen statischen oder wenigstens hochkonservativen Grundlage der Instinkte und deren spezifischen Formen, den Archetypen.”(Jung, 1958/1992, S. 56)
“Es ist unumgänglich, die Produkte des (kollektiven) Unbewußten, das heißt die Bilder, die einen unverkennbar mythologischen Charakter aufweisen, in ihren symbolgeschichtlichen Zusammenhang einzureihen, denn sie bilden die Sprache der angeborenen Psyche und ihrer Struktur und sind keineswegs, was ihre Anlage anbetrifft, individuelle Erwerbungen.”(Jung, 1958/1992, S. 44)
“Wo immer es sich um archetypische Gestaltungen handelt, führen personalistische Erklärungsversuche in die Irre. (…) Die symbolgeschichtliche («amplifizierende») Behandlung ergibt ein Resultat, das zunächst wie eine Rückübersetzung in primitive Sprache anmutet.”(Jung, 1958/1992, S. 44)
Fußnote: ” Ich muß hier den Leser bitten, dem landläufigen Mißverständnis, daß diese Hintergründe «metaphysisch» seien, nicht Raum zu geben. Diese Auffassung ist eine grobe Fahrlässigkeit, die sich auch akademische Geister zuschulden kommen lassen. Es handelt sich vielmehr um Instinkte, die nicht nur das äußerliche Verhalten, sondern auch die psychische Struktur beeinflussen. Die Psyche ist keine willkürliche Phantasie, sondern eine biologische Tatsache, welche den Lebensgesetzen unterworfen ist.”(Jung, 1958/1992, S. 56)
Das Rationale als Gegenspieler des Unbewussten / Archetypen
” Diese Welt der Hinrergründe erweist sich als Gegenspieler des Bewußtseins, welches vermöge seiner Beweglichkeit (Lernfahigkeit) öfters in Gefahr steht, seine Wurzeln zu verlieren. Infolge dieser Erfahrung haben die Menschen seit unvordenklichen Zeiten sich genötigt gesehen, Riten auszufuhren, welche den Zweck haben, die Mitarbeit des Unbewußten zu sichern. In einer primitiven Welt wird keine Rechnung ohne den Wirt gemacht; man erinnert sich stets der Götter, der Geister, des Fatums und der magischen Eigenschaften von Ort und Zeit, in der richtigen Erkenntnis, daß der alleinige Wille des Menschen nur den Bruchteil einer ganzheitlichen Situation darstellt. Das Handeln des ursprünglichen Menschen hat einen Ganzheitscharakter, von dem sich der Zivilisierte als von einer überflüssigen Belastung freizumachen versucht. Es scheint auch ohne sie zu gehen.”(Jung, 1958/1992, S. 56–57)
“Nur Bruchteile eines Promilles der Bevölkerung lassen sich durch Überlegungen belehren. Alles andere besteht aus der Suggestivkraft der Anschaulichkeit.”(Jung, 1958/1992, S. 55)
“Vermehrte Kenntnis des Unbewußten bedeutet soviel wie erweiterte Lebenserfahrung und größere Bewußtheit und beschert uns daher anscheinend neue, ethische Entscheidung fordernde Situationen. Diese waren zwar immer schon vorhanden, wurden aber intellektuell und moralisch weniger scharf erfaßt und oft nicht ohne Absicht im Zwielicht gelassen. (…) Ich habe in meiner langen Erfahrung keine Situation angetroffen, die mir eine Verleugnung der ethischen Prinzipien oder auch nur einen Zweifel in dieser Hinsicht nahegelegt hätte; im Gegenteil haben sich mit zunehmender Erfahrung und Erkenntnis das ethische Problem verschärft und die moralische Verantwortlichkeit gesteigert. Es ist mir klargeworden, daß im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung das Unbewußtsein keine Entschuldigung darstellt, sondern vielmehr ein Vergehen ist in des Wortes eigentlicher Bedeutung.”(Jung, 1958/1992, S. 68–69)
Parapsychologie, Empirie und Wissenschaft
“Abgesehen von Kollektivvisionen gibt es aber auch Fälle, wo eine bis mehrere Personen etwas sehen, das physisch nicht vorhanden ist. So war ich einmal bei einer spiritistischen Sitzung zugegen, wo von den anwesen- den fünf Beobachtern vier einen kleinen mondartigen Körper über dem Abdomen des Mediums schweben sahen und mir als dem fünften, der nichts sah, genau die Stelle bezeichneten, wo er zu sehen war. Es war ihnen schlechterdings unbegreiflich, daß ich nichts dergleichen sehen konnte.” S.14
“… es gibt parapsychologische Erfahrungen, die heutzutage nicht mehr unter den Tisch gewischt werden können, sondern bei der Beurteilung psychischer Vorgänge mitberücksichtigt werden müssen.”(Jung, 1958/1992, S. 40)
Natur und Speculative Fiction
“Es erscheint ein rundes «metallenes Gebilde», das als «fliegende Spinne» charakterisiert wird. Dieser Beschreibung entspricht das Ufo, Was die Bezeichnung als «Spinne» betrifft, so ist an die Hypothese zu erinnern, daß die Ufos eine Art von Insekten seien, die von einem anderen Planeten stammen und ein metallisch glänzendes Gehäuse besitzen. Eine Analogie dazu wären die ebenfalls metallisch aussehenden Chitinpanzer unserer Käfer. Jedes Ufo sei ein einzelnes Tier. Bei der Lektüre der zahlreichen Berichte ist, wie ich gestehen muß, mir selber auch der Gedanke gekommen, daß das eigentümliche Verhalten der Ufos am ehesten an das gewisser Insekten erinnere. Und wenn man schon über eine solche Annahme spekulieren will, so besteht die Möglichkeit, daß unter entsprechenden Lebensbedingungen die Natur auch imstande wäre, ihr «Wissen» noch in anderer Richtung als derjenigen der physiologischen Lichterzeugung und dergleichen mehr zu betätigen, zum Beispiel in Autigravitation. Unsere technische Phantasie hinkt ja sowieso öfters derjenigen der Natur nach. Alle Dinge unserer Erfahrung unterliegen der Gravitation bis auf die eine große Ausnahme, die Psyche. Sie ist sogar die Erfahrung der Gewichtlosigkeit selber. Das psychische «Objekt» und die Gravitation sind unseres Wissens inkommensurabel. Sie scheinen prinzipiell verschieden zu sein. Die Psyche repräsentiert den einzigen uns bekannten Gegensatz zur Gravitation. Sie ist eine Antigravitation im eigentlichen Sinne des Wortes. Wir können zur Bestätigung dieser Überlegung auch die Erfahrungen der Parapsychologie heranziehen, wie zum Beispiel die Lévitation und andere, Zeit und Raum relativierende, psychische Phänomene, die nur noch von Unwissenden geleugnet werden.(Jung, 1958/1992, S. 62–63)
Literaturverzeichnis
Jung, C. G. (1992). Geheimnisvolles am Horizont (Von Ufos und Außerirdischen). Olten und Freiburg, Walter-Verlag. (Original work published 1958)
Jung, C. G. (2018). Über die Archetypen des kollektiven Unbewussten. In L. Jung (Hrsg.), Archetypen: Urbilder und Wirkkräfte des kollektiven Unbewussten (S. 8–54). Patmos Verlag. (Original work published 1934)

Oct 10, 2024 • 1h 9min
EGL062 Die Zukunft der Filmwirtschaft mit KI
Wir sprechen über KI-getriebene Transformation in der Filmindustrie und potenzielle Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Kreativität und Machtstrukturen.
Wir starten unsere Episode an der Schönhauser Allee und Micz kommt gleich auf die neurologische Verschränkung vom Gesagtem/Gehörtem mit dem gelaufenen Weg zu sprechen – eine unserer Gründungsintentionen von "Eigentlich Podcast". Flo bestätigt, dass er beim Abstieg im Geröllfeld noch die Stimme von Joscha Bach gehört hat, als er vor zwei Wochen über die Birkkarspitze im Karwendel gelaufen ist. Und warum? Micz und Flo sind die Strecke 2018 gelaufen und haben dabei die Episode 42 des Podcasts "Alternativlos" gehört. Diese Strecke hat sich so sehr neurologisch eingebrannt, dass sie als Referenzstrecke für den Eigentlich Podcast gilt. Flo ergänzt noch zu seiner letzten Episode "EGL060 The Zone of Interest", dass der Regisseur Jonathan Glazer das Ehepaar Höß aus der Perspektive eines sozio-anthropologischen Blicks inszeniert hat. Das heißt, die Personen Höß werden in einen höchst individuellen Raum entwickelt und Glazer nähert sich mit diesem Winkel der Geschichte an, ohne die andere Seite der Mauer des Konzentrationslagers zu zeigen, hinter der ein gesichtsloses, kollektives Morden passiert. Aus einer qualitativen Beobachtung einer Situation können allgemeine Rückschlüsse gezogen werden, um die Anfälligkeit unserer heutigen Gesellschaft zu demonstrieren. Flo war noch mal wichtig zu betonen, was für ein Kunstwerk Glazer mit "The Zone of Interest" geschaffen hat, bevor er zum eigentlichen Thema übergeht: "Wie in der Filmwirtschaft in Zukunft generative KI zum Einsatz kommt." Anlass war der Geburtstag eines Freundes, auf dem sich Flo mit einem Bekannten aus der Filmwirtschaft unterhalten hat. Viele Kolleg:innnen in seinem Gewerk als Beleuchter machen sich Gedanken über die Zukunft in der Filmwirtschaft. Und das zu Recht, wie die kürzlich erschienene Studie "KI-Nutzung in der Filmwirtschaft" der Hochschule Macromedia aus qualitativen Befragungen zum Schluss kommt. Darüber sprechen wir und auch über die Potenziale des Einsatzes von KI für den Independent-Film oder das Theater.
Shownotes
Links zur Laufstrecke
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Birkkarspitze – Wikipedia
Alternativlos! 42
Links zur Episode
The Zone of Interest (Film) – Wikipedia
Nacht und Nebel (Film) – Wikipedia
Alain Resnais – Wikipedia
Hanns Eisler – Wikipedia
KZ Auschwitz-Birkenau – Wikipedia
Was ist der sozial-kulturanthropologische Blick?
Computational photography - Wikipedia
Praxisnah im Bachelor und Master - Hochschule Macromedia
OPUS 4 | KI-Nutzung in der Filmwirtschaft
Death Proof – Todsicher – Wikipedia
Diamond Age – Wikipedia
Neal Stephenson – Wikipedia
Uncanny Valley – Wikipedia
More absolutely INSANE results with the "Loopy" lipsync model
https://loopyavatar.github.io/
Mitwirkende
Florian Clauß
(Erzähler)
Bluesky
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Micz Flor
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Studie „KI-Nutzung in der Filmwirtschaft“
Eine Befragung zu Stand und Perspektiven unter Führungskräften der deutschen Filmwirtschaft / Herausgeber Hochschule Macromedia / Veröffentlichung 01.06.2024
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Filmwirtschaft lässt tiefgreifende Veränderungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg erwarten. Diese erstrecken sich von der Stoffentwicklung bis hin zur Distribution. Eine jüngst durchgeführte Befragung von Führungskräften der deutschen Filmindustrie lässt erkennen, dass Brancheninsider davon ausgehen, dass KI in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Diese Entwicklung birgt sowohl enorme Chancen als auch erhebliche Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsmarkt, kreative Prozesse und ethische Fragestellungen.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass KI insbesondere in der Pre- und Postproduktion in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. In diesem Zusammenhang werden insbesondere Automatisierungen in der Synchronisation, beim Dubbing und bei der Untertitelung dazu beitragen, die Kosten und den Zeitaufwand erheblich zu senken. Des Weiteren werden von den befragten Führungskräften Potenziale in der Marktforschung und Zielgruppenanalyse identifiziert. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die genannten Bereiche in den kommenden zehn Jahren nahezu vollständig von KI übernommen werden könnten. Dies würde eine präzisere Analyse der Zuschauerpräferenzen und eine Optimierung von Marketingstrategien ermöglichen. Dennoch zeigen sich die Unternehmen hinsichtlich der vollständigen Übernahme kreativer Aufgaben durch KI zurückhaltend. Die Mehrheit der Führungskräfte prognostiziert, dass KI frühestens in einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren in der Lage sein wird, kreative Inhalte in einer Qualität zu erzeugen, die der menschlichen Konkurrenz ebenbürtig ist.
Die fortschreitende Automatisierung wirft jedoch auch die Frage auf, wie sich der Arbeitsmarkt in Zukunft entwickeln wird. Es wird prognostiziert, dass bis 2038 etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in der Filmbranche durch KI ersetzt wird. Dies betrifft insbesondere manuelle und repetitiv ausgeführte Aufgaben wie den Schnitt, die Farbkorrektur sowie visuelle Effekte. Gleichzeitig manifestieren sich jedoch auch neue Rollen und Berufsfelder, die sich auf den Einsatz und die Steuerung von KI in der Filmproduktion konzentrieren. Insbesondere Großunternehmen investieren bereits in KI-Abteilungen, während kleinere und mittlere Unternehmen auf fertige KI-Lösungen setzen, um ihre Prozesse zu optimieren.
Die Entwicklung virtueller Schauspieler sowie fotorealistischer Animationen stellt einen weiteren wichtigen Aspekt in der KI-unterstützten Filmproduktion dar. Es stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung als Bedrohung oder als Chance zu betrachten ist. Ein besonders spannendes Feld in der KI-unterstützten Filmproduktion ist die Entwicklung virtueller Schauspieler. Die Studie prognostiziert, dass fotorealistische Animationen innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre von menschlichen Darstellern kaum noch zu unterscheiden sein werden. Diese Entwicklung könnte insbesondere in Low-Budget-Produktionen und Independent-Filmen eine signifikante Rolle spielen, da digitale Schauspieler kostengünstiger und vielseitiger einsetzbar sind. Dennoch wird die vollständige Akzeptanz von KI-generierten Filmen durch das Publikum erst ab dem Jahr 2040 erwartet. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen sowohl technische als auch ethische Fragestellungen, beispielsweise im Hinblick auf Authentizität und Urheberrecht, erörtert und beantwortet werden.
Die Einführung von KI in der Filmwirtschaft wirft auch ethische Bedenken auf, die es zu adressieren gilt. In einer Umfrage unter Filmschaffenden gaben über 60 % der Befragten an, dass Fragen der Verantwortung und mögliche Diskriminierung wesentliche Hindernisse darstellen. Des Weiteren wird die Haftung im Kontext KI-basierter Produktionen von einem Großteil der Befragten als problematisch erachtet. 80 % der Umfrageteilnehmer fordern die Entwicklung internationaler Standards für den Einsatz von KI. Dies würde nicht nur zu einer rechtlichen Klarheit führen, sondern auch das Vertrauen der Rezipienten in KI-gestützte Filme stärken.
Die Filmwirtschaft sieht sich folglich mit einer entscheidenden Weichenstellung konfrontiert. Künstliche Intelligenz eröffnet immense Möglichkeiten, birgt jedoch auch erhebliche Risiken, die sorgfältig abgewogen und reguliert werden müssen. Diesbezüglich ist zu konstatieren, dass sichergestellt werden muss, dass technologische Innovationen sowohl die Kreativität als auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Branche unterstützen.

Sep 26, 2024 • 58min
EGL061 KI Reality Check: Vom Produktdenken zum Prozesspartner
"Add one egg!" - Bill Schlackman, Psychologist (In: Century of the Self)
Über eineinhalb Jahre nach unserer letzten Episode zur Künstlichen Intelligenz scheint es an der Zeit, das Thema wieder einmal anzufassen. Wir stellen beim Abgleich fest, dass wir früher viel mehr auf das Produkt fixiert waren und den Prozess dahin ignoriert haben. Doch genau da hat die KI längst die Fäden in der Hand - oder unsere Hände eingefädelt? Wir sind entspannter und vielleicht damals einfach mal wieder dem Kulturpessimismus auf den Leim gegangen, der bei jeder technischen Neuerung skeptisch aus seiner Komfortzone lugt? War die Panik vor der KI am Ende nicht doch die gleiche wie damals vor dem Internet, als Schulen schon befürchteten schließen zu müssen, weil doch alles im Internet kopiert werden könne? Die gleiche Angst wie vor Gutenbergs Buchdruckmachine? Oder der Kassette, mit der man angeblich die Musikindustrie zerstören konnte? Natürlich haben wir keine endgültige Antwort parat. Aber immerhin haben wir unsere Setups mit KI im Alltag durchgespielt und sind zu dem nicht ganz revolutionären Schluss gekommen: Am besten fährt man, wenn man sich die Zügel nicht aus der Hand reißen lässt, das Produkt als eigenes festhält und die KI bloß als nützlichen Assistenten betrachtet.
Shownotes
Links zum Laufstrecke
EGL061 | Wanderung | Komoot
Links zur Episode
"Catching crumbs from the table" by Ted Chiang nature, Published: 01 June 2000
"Die Bibliothek Von Babel" by Jorge Luis Borges auf archive.org
"ChatGPT is bullshit" by Michael Townsen Hicks, James Humphries & Joe Slater, Published: 08 June 2024 Open access
Trump - "They're Eating the Dogs" matched up perfectly to the Peanuts Theme Song
"Add One Egg" in Century of the Self
Amazon Is Listening: How to Review and Delete Your Alexa History
"Ich hab's gemacht" Knack und Back Werbung aus den 1980ern
Warum der Buchdruck einmal fast verboten wurde auf WELT.de
Mitwirkende
Micz Flor
(Erzähler)
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Florian Clauß
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KI Revisited. Wir besuchen unsere Episode vom Februar 2023 noch einmal, um heute neu zu reflektieren, wie künstliche Intelligenz jetzt in unserem Alltag angekommen ist. Technologiepessimismus ist auch für uns nichts Neues und wir leuchten noch einmal auf die Sorgen von damals. Damals. Damals hatten wir schon den Schriftsteller Jorge Luis Borges und seinen Text „Die Bibliothek von Babel“ in der Episode, haben aber einen Link nicht herstellen können, der uns jetzt erst klar wird: Chat GPT ist wie eine solche Bibliothek: alle Texte gibt es schon. Irgendetwas wird schon passen. Und die angelernte Maschine generiert etwas, das es sowieso schon geben könnte.
Der große Unterschied: Chat GPT erschafft eine Gegenwart aus dem Vergangenen, aus dem, was schon beim Lernen aufgesaugt werden konnte. Bei Borges hypothetischer Bibliothek sind alle zukünftigen Erfindungen und Neuerungen auch schon im Regal.
Wie zukunftsfähig sind die Netzwerke?
Da können wir an Ted Chiang anknüpfen, der in „Catching Crumbs from the Table“ über eine KI schreibt, die die Menschen längst abgehängt hat. Und die Menschen versuchen die Texte der Maschinen zu deuten. Verstehen ist nicht mehr möglich. Diese Zukunft ist auch schon in der „Bibliothek von Babel“ gegenwärtig. Wir würden sie aber genauso wenig verstehen, wie wenn wir jemandem von vor hundert Jahren sagen würden: „Brenn doch den Folder auf CD“. Und jemand in hundert Jahren würde das wohl auch nicht mehr verstehen…
Die Kontinuität von Wissen und Kultur
Chiangs Text spielt gedanklich mit einer Zukunft, in der Maschinen und Menschen nicht mehr verbunden sind. Wahrheit und Wissen wird von Maschinen in rasender Geschwindigkeit erstellt. Die Menschen kommen nicht mehr mit. Betrachten wir dies aus „unserer“ menschlichen Perspektive, dann ist fraglich, ob das in diesem Extrem passieren. Wie notwendig bleibt die Kontinuität in der kulturellen Entwicklung?
Bleiben wir bei dem obigen Beispiel einen „Folder“ auf eine „CD“ zu brennen. Vor hundert Jahren versteht niemand diese Aufforderung. Und selbst, wenn mit diesem Wunsch eine Anleitung für die Herstellung einer CD und eines CD-Brenners beigefügt wäre, ist es nicht möglich, diese Anforderung umzusetzen. Es fehlt nicht nur die Einbettung in das Wissen, sondern auch die Umgebung, die z.B. die Herstellung der Geräte ermöglicht. Ganz zu schweigen davon, dass es auch erst einmal einen „Computer“ geben müsste, auf dem ein solcher „Folder“ wäre, der dann auch noch etwas beinhalten würde, was es zum „Brennen“ gäbe.
Nicht nur technisch, auch kulturell ist eine solche Einbettung und die daran gebundene Kontinuität der Entwicklung notwendig. Beispielhaft gefragt: in welchem Jahr hätten die Beatles ihre Karriere starten können und hätten die gleiche Popularität erlangt, die wir heute kennen? 1254? 2456? 5?
Buchdruck war auch einmal ein Schreckgespenst
Diese Skepsis gegenüber neuen Technologien findet sich auch in der Geschichte des Buchdrucks, der im 15. Jahrhundert fast verboten worden wäre, weil man befürchtete, dass er mehr Schaden als Nutzen bringe. Klingt vertraut, oder? Vielleicht ist unsere Angst vor KI genauso unbegründet wie die vor dem Buchdruck. Oder ist es doch anders?
Ist die Angst vor KI also einfach nur der altbekannte Kulturpessimismus, der bei jeder technischen Innovation aus den Untiefen unserer Gewohnheiten auftaucht? Michael Townsen Hicks und seine Kollegen stellen in ihrem Artikel „ChatGPT is Bullshit“ genau diese Frage. Denn sie weiß nicht was sie tut.
In der Werbung für Knack und Back in den 1980ern hieß es schon: „Ich hab’s gemacht!“
Da spricht nicht die menschliche Kontrolle, sondern der Stolz. Micz (Flo nicht so richtig) ist der Meinung: wir sollten versuchen uns mit dem Prozess so tief zu verbinden, dass das Ergebnis noch immer „unseres“ ist.
Micz zitiert hier das berühmte „Add One Egg“-Prinzip aus der Dokumentation „Century of the Self“ (siehe Shownotes).

Sep 12, 2024 • 1h 6min
EGL060 The Zone of Interest: Glazers Film über die Banalität des Bösen und die Konstruktion von Normalität
„Above all, we wanted this film to be as authorless as possible.“ Jonathan Glazer
In dieser Episode widmen wir uns nun dem Film "The Zone of Interest" nachdem wir in der vorherigen Episode den historischen Kontext des Holocaust und der Täter besprochen haben. Jonathan Glazers beeindruckendes Werk setzt sich mit der Thematik der Banalität des Bösen auseinander. Flo stellt zunächst den Regisseur Glazer vor, der bereits in den 90er Jahren durch seine Arbeit an Musikvideos bekannt wurde und seitdem einen ganz eigenen künstlerischen Stil entwickelt hat. Seine letzten Filme zeichnen sich durch eine verstörende, aber auch herausragende Ästhetik aus. Im Mittelpunkt des Films "The Zone of Interest" von 2023 stehen die historischen Figuren Rudolf Höß und seine Frau Hedwig. Die räumliche Nähe zwischen dem idyllischen Familienleben der Höß und dem Konzentrationslager Auschwitz, in dem unvorstellbare Gräueltaten verübt wurden, bildet den Hintergrund, vor dem Glazer sein Publikum herausfordert. Die Alltagsnormalität der Familie Höß steht in einem absurden Kontrast zu den grausamen Geschehnissen im KZ, wo Mord und Vergasung zum Tagesgeschäft gehörten. Wir fragen uns, wie Menschen eine solche Trennung zwischen persönlichem Glück und systematischem Terror aufrechterhalten können ohne moralisch zu zerbrechen. Flo stellt Glazers einzigartige Herangehensweise an den Film vor: Der eigentlichen Produktion gingen jahrelange Recherchen und Vorbereitungen voraus. Die Darsteller der Hauptfiguren, Sandra Hüller und Christian Friedel, haben sich in intensiven Gesprächen mit Jonathan Glazer auf die Figuren und den Filmstoff eingelassen. Das Team entschied sich, am Originalschauplatz in Auschwitz zu drehen, direkt in der "Zone of Interest", dem Interessensgebiet wie die Nazis euphemistisch das bewachte Gebiet um die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau nannten. Dadurch erreicht der Film eine einzigartige Authentizität. Das Konzentrationslager selber wird jedoch nie gezeigt, nur die Tonspur lässt den Horror des Lagerlebens erahnen. Auch der orangefarbene Rauch, der nachts über der Lagermauer in den Himmel steigt, beherrscht die Stimmung im Hause Höß. Jonathan Glazer hat seinen Schauspieler:innen eine ungewöhnliche Freiheit in der Darstellung eingeräumt: Im nachgebauten Haus wurden Kameras installiert, die von einem polnischen Kamerateam ferngesteuert wurden. Auch die Regie war nicht direkt vor Ort, sondern beobachtete die Szenen vom Keller eines anderen Gebäudes aus. Die Regieanweisungen waren sehr reduziert, es blieb den Darstellenden überlassen, Szenen zu wiederholen oder zu improvisieren. Mit dieser Verfremdungstechnik gelingt es Glazer, den Zuschauer in die Köpfe der Figuren zu ziehen und gleichzeitig eine distanzierte, fast dokumentarische Perspektive aufzubauen. Micz stellt im zweiten Teil der Episode einen Ansatz von Klaus Theweleit aus dessen Buch "Männerfantasien" vor, um besser verstehen zu können, wie es historisch zu diesen gewaltbereiten Brigaden in den 20er Jahren kommen konnte zu denen auch Höß zählte. Theweleit untersucht, wie Männer in der Zeit des Nationalsozialismus ihre Identität und ihr Selbstbild konstruierten, oft durch die Abwertung von Frauen und die Idealisierung von Männlichkeit. Er argumentiert, dass diese Männerphantasien nicht nur individuelle psychologische Phänomene sind, sondern tief in gesellschaftlichen Strukturen verwurzelt sind. Abschließend reflektieren wir, wie der Film "The Zone of Interest" sowohl eine Kritik an der Menschheit als auch an der Gesellschaft formuliert. Er konfrontiert uns mit der Möglichkeit, dass „normale“ Menschen unter extremen Umständen unvorstellbare Entscheidungen treffen und damit die Grundlage für Massenterror schaffen können. Nach über 4 Stunden Aufnahmezeit (wir haben die beiden Episoden zu The Zone of Interest in einem Rutsch aufgenommen) sind wir doch ganz froh, dass wir jetzt mitten in Mitte am Rosa-Luxemburg-Platz zum Ende kommen.
Shownotes
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The Zone of Interest (Film) – Wikipedia
Jonathan Glazer – Wikipedia
YT: Playlist of Jonathan Glazer music videos
Under the Skin (2013) – Wikipedia
Scarlett Johansson – Wikipedia
Sexy Beast – Wikipedia
Birth (Film) – Wikipedia
A24 (Unternehmen) – Wikipedia
Martin Amis – Wikipedia
Rudolf Höß – Wikipedia
Hedwig Höß – Wikipedia
Christian Friedel – Wikipedia
Sandra Hüller – Wikipedia
KZ Auschwitz I (Stammlager) – Wikipedia
Klaus Theweleit – Wikipedia
Freikorps – Wikipedia
Carolin Emcke – Wikipedia
Streitraum: »Gewalt und Film«
The Act of Killing – Wikipedia
Margaret Mahler – Wikipedia
The Zone of Interest review – Jonathan Glazer adapts Martin Amis’s chilling Holocaust drama | Film | The Guardian
Interview Jonathan Glazer on his holocaust film The Zone of Interest: ‘This is not about the past, it’s about now’
https://www.youtube.com/watch?v=sfVcp8vuqcQ
Jonathan Glazer & Team on The Zone of Interest and the Ethics of Representation | NYFF61
Dogma 95 – Wikipedia
Rudolf Höß: Was tat der Lagerkommandant von Auschwitz? | NDR.de - Geschichte - Auschwitz und ich
Im Haus des NS-Mörders: Sequenzanalysen zu The Zone of Interest - kinofenster.de
“The Zone of Interest” Is an Extreme Form of Holokitsch | The New Yorker
NS-CLIQUEN Von Menschen und Mördern · Podcast in der ARD Audiothek
Mitwirkende
Florian Clauß
(Erzähler)
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Verwandte Episoden
EGL060 The Zone of Interest: Glazers Film über die Banalität des Bösen und die Konstruktion von Normalität
Rudolf Höß: Vom Freikorps-Veteranen zum KZ-Kommandanten
In seinem Film „The Zone of Interest“ widmet sich Jonathan Glazer auf eindrucksvolle Weise der Banalität des Bösen. Dabei rückt er die alltägliche Realität der Familie Höß, insbesondere die von Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, in den Fokus. Die Figur Rudolf Höß wird in der filmischen Darstellung als eine paradoxe Figur präsentiert. Er war kein sadistischer Massenmörder im klassischen Sinne, sondern ein durchschnittlicher, kleinbürgerlicher Mann, der seine Pflichten mit einer gewissen Ordnungsliebe und Pflichtbewusstsein erfüllte. Höß wurde 1901 geboren und war ein Kind seiner Zeit. Er wuchs in einer Ära auf, die von Männlichkeitskult und militärischer Glorifizierung geprägt war. In der Folge des Ersten Weltkrieges befand er sich in einer desorientierenden Welt, in der die Freikorps der 1920er Jahre vielen entwurzelten Kriegsveteranen eine neue Heimat boten. In diesen paramilitärischen Organisationen manifestierte sich, was Klaus Theweleit als „männlichen Körperpanzer“ beschreibt – eine psychische Struktur, die Gefühle abwehrt und Gewalt als Mittel der Selbstbestätigung glorifiziert. Die Entwicklung von Auschwitz von einem Internierungslager zu einer industriellen Tötungsmaschinerie veranschaulicht in beunruhigender Weise die Radikalisierung, die ihren Ursprung in den Freikorps hatte. Höß, der 1934 der SS beitrat und 1940 zum Kommandanten von Auschwitz ernannt wurde, verkörperte die bürokratische Effizienz, mit der der Massenmord organisiert wurde. Unter seiner Leitung avancierte Auschwitz zum Inbegriff des Holocaust. Der Ort stand für die Vernichtung und Verwertung von Menschen als industrielle Routine. In seinem Film verdeutlicht Glazer, dass das familiäre Glück der Höß‘ in einem deutlichen Kontrast zu den unvorstellbaren Verbrechen steht, welche hinter der Mauer ihres Gartens stattfanden. Die Gegenüberstellung eines scheinbar normalen Alltags mit dem systematischen Mord schafft eine beklemmende Atmosphäre, die den Zuschauer zur Reflexion über die menschliche Kapazität für Grausamkeit anregt.
Glazers filmische Annäherung: Die Banalität des Bösen im Familienidyll
Glazers Ansatz zur Darstellung des Massenmordes ist als einzigartig zu bezeichnen, da er die Gräueltaten nicht direkt zeigt, sondern durch akustische Elemente und subtile visuelle Hinweise andeutet. Anstatt sich auf explizite Gewaltdarstellungen zu konzentrieren, richtet er seinen Blick auf das scheinbar normale Familienleben der Höß-Familie, die in unmittelbarer Nähe zum Lager ein bürgerliches Idyll mit einem schön angelegten Garten pflegt. Der Kontrast zwischen der Alltäglichkeit des Familienlebens und dem Horror jenseits der Gartenmauer ist von einer tiefen Verstörung geprägt und wirft Fragen nach der menschlichen Fähigkeit zur Verdrängung und moralischen Abstumpfung auf. Die Entscheidung, am Originalschauplatz in Auschwitz zu drehen, verstärkt die Authentizität des Films, während die Abwesenheit von expliziten Bildern des Schreckens den Zuschauer dazu zwingt, sich mit der Realität des Holocaust auseinanderzusetzen. Die unkonventionelle Herangehensweise Glazers ermöglicht es dem Zuschauer, sich in die Gedankenwelt der Figuren hineinzuversetzen, während gleichzeitig eine distanzierte, beinahe dokumentarische Perspektive aufgebaut wird. Die Schauspieler Sandra Hüller und Christian Friedel, die die Rollen von Hedwig und Rudolf Höß verkörpern, waren sich während der Dreharbeiten der Verdrängung als zentralem Aspekt der Figurendarstellung bewusst. Die Darsteller waren gezwungen, die von ihnen dargestellten Figuren zu negieren, was eine Diskrepanz zwischen ihrer eigenen Wahrnehmung und der Darstellung dieser Figuren schuf. Glazer inszeniert „The Zone of Interest“ wie ein anthropologisches Stück und überlässt die Inszenierung vollständig dem Ort und den Schauspielern. Die Singularität des Settings – Holocaust auf der einen Seite der Mauer, Familienglück auf der anderen – erzeugt eine „Banalität des Bösen“, die die Aktualität seines Werkes in kinematografischer Wucht präsentiert.
Mahnende Gegenwartskritik: Der Holocaust als Spiegel moderner Verdrängungsmechanismen
„The Zone of Interest“ kann somit nicht nur als ein Film über die Vergangenheit betrachtet werden, sondern auch als eine dringende Mahnung für die Gegenwart. Der Film fordert die Zuschauer:innen dazu auf, die eigene moralische Positionierung in einer Welt zu reflektieren, in der Unrecht und Leid oft nur einen Klick oder eine Mauer entfernt sind. Glazer demonstriert, wie einfach es ist, sich in einer Blase des vermeintlichen Wohlstands und der Normalität einzurichten, während um uns herum Unvorstellbares geschieht. Der Film reflektiert sowohl eine Kritik an der Menschheit als auch an der Gesellschaft. Er konfrontiert mit der Möglichkeit, dass „normale“ Menschen unter extremen Umständen unvorstellbare Entscheidungen treffen und damit die Grundlage für Massenterror schaffen können. Diese Erkenntnis ist insbesondere im Hinblick auf die gegenwärtige politische Lage von Bedeutung, in der es von entscheidender Bedeutung ist, den eigenen Handlungsspielraum zu reflektieren und Verantwortung zu übernehmen.

Aug 29, 2024 • 54min
EGL059 Effektgeräte für Gitarre: Chris' umfangreiches DIY-Special. Die Basics der Pedals, Funktionsweise des Transistors, Löten und die besten Links. Stromgitarre Teil 5
Verzerrung ist das, was man gleichzeitig vermeiden und haben will.
Chris, unser diesjähriger Sommer-Stammgast im Podcast (gewissermaßen der eigentliche Star des Sommerlochs), teilt seine Erfahrungen über den Bau von Gitarren-Effektpedals. Effektpedale verändern das Gitarrensignal auf verschiedene Weisen (Verzerrung, Delay, Reverb, Chorus, u.A.). Während viele moderne Effekte Software-Modelling einsetzen, konzentrieren wir uns hier auf alles, was man selbst löten kann. Chris beginnt mit dem essentiellen ersten Schritt: Da die Schwingung der Gitarrensaite vom Positiven ins Negative hin- und herschwingt, muss das Signal komplett verschoben werden, sodass keine negative Spannung erzeugt wird. Dieser Prozess heißt Biasing. Dabei wird dem Gitarrensignal zu Beginn eine Gleichspannung (DC-Offset) hinzugefügt, um es in den positiven Spannungsbereich zu verschieben. Da die meisten Effektpedale mit 9V arbeiten, liegt der typische Wert für das DC-Biasing oft bei der halben Betriebsspannung des Effektgeräts, also 4,5V. Im zweiten Schritt spricht Chris ausführlich über Verzerrung und die Transistoren, die zur Signalverstärkung eingesetzt werden. Beide Themen hängen natürlich zusammen, denn Verzerrung ist oft das, was man gleichzeitig haben und vermeiden will. Es geht also um Transistoren, um Bausätze, um Klang und Geschichte und um Dioden, die in Verzerrungsschaltungen eingesetzt werden können. Also, ab an den Lötkolben mit einer Handvoll Widerstände (nein, der Witz ist nicht von der KI, das bin wirklich ich. sic!).
Shownotes
EGL059 | Wanderung | Komoot
(YouTube) hertz donut
Boost, Overdrive, Distortion & Fuzz Pedals - What's the Difference? - InSync
Articles & Schematics at runoffgroove.com
How Do Guitar Distortion and Overdrive Work?
Mitwirkende
Micz Flor
(Erzähler, too)
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Chris Flor
(Erzähler times two)
Während unserer Wanderung durch die Stadt haben wir viel über die Wirkungsweise von Transistoren gesprochen, in Bildern und Analogien (oder gar Metaphern?). Diesen Fluss an Assoziationen können wir nicht einfach so in einen Text gießen, deshalb hier noch mal etwas nüchterner die technischen Grundlagen etwa in der Tiefe, in der wir sie auch in der Episode dargestellt haben.
Wie funktionieren Transistoren?
Transistoren spielen eine zentrale Rolle in vielen Gitarren-Effektpedalen, da sie als Verstärker fungieren und das schwache Gitarrensignal auf ein Niveau bringen, das für die nachfolgende Signalverarbeitung geeignet ist. In einem typischen Fußpedal wird das Gitarrensignal durch den Transistor geleitet, der das Signal verstärkt und dabei den gewünschten Effekt erzeugt. So erklärt sich auch, warum der Verzerrer fast schon automatisch in jedem Pedal drinsteckt, denn dazu benötigt man einfach nur „zu viel“ Verstärkung. In einem Overdrive-Pedal wird der Transistor so konfiguriert, dass er das Signal verstärkt und dabei eine gewisse Distortion hinzufügt.
Die Auswahl des Transistors, seine Schaltungsparameter und die Art der Biasing (also das Einstellen der Gleichspannung) beeinflussen maßgeblich den Klang des Pedals. Beispielsweise kann die Wahl zwischen einem Silizium- oder Germanium-Transistor die Klangfarbe und die Art der Verzerrung beeinflussen. Diese Feinabstimmung ermöglicht es, spezifische Klangeigenschaften zu erreichen und das Pedal an die gewünschten musikalischen Anforderungen anzupassen.
Spannungsteiler und Transistoren ist gleich Verstärkung
Der Spannungsteiler zusammen mit dem Transistor erlaubt Verstärkung. Verkürzt gesagt: das Signal aus der Gitarre ist zwar schwach, aber stark genug, um dem Transistor den Hahn auf und zu zu drehen, der dann die volle Kraft der Betriebsspannung wie eine Vergrößerung des schwachen Signals durchlässt. So gesehen, kann man sich das auch wie eine Lupe vorstellen(?!).
Ein Transistor mit drei Beinen, auch als Bipolar Junction Transistor (BJT) bekannt (funktioniert als Verstärker oder Schalter) ist eine wesentliche Komponente in vielen elektronischen Schaltungen, einschließlich Gitarren-Effektpedalen. Die drei Beine eines BJTs sind die Basis (B), der Kollektor (C) und der Emitter (E).
Ein Spannungsteiler ist eine grundlegende Schaltungskonfiguration in der Elektronik, die zwei Widerstände in Serie verwendet, um eine bestimmte Spannung zu erzeugen, die ein Bruchteil der Eingangsspannung ist. Diese Spannungsteiler-Konfiguration wird häufig in Effektpedalen genutzt, um die nötige Vorspannung oder Bias-Spannung für Transistoren bereitzustellen. Die Spannungsteiler-Schaltung besteht aus zwei Widerständen, die zwischen der Betriebsspannung und dem Ground geschaltet sind.
Im Normalbetrieb wird der Transistor in der aktiven Region betrieben. Hierbei liegt eine Basis-Emitter-Spannung an, die hoch genug ist, um den Transistor leitend zu machen, aber nicht so hoch, dass er in die Sättigung übergeht. Die Basis-Emitter-Spannung muss typischerweise etwa 0,7 Volt für Silizium-Transistoren betragen. In diesem Zustand wird der Transistor als Verstärker verwendet, weil ein kleiner Basisstrom einen größeren Kollektorstrom ermöglicht.

Aug 15, 2024 • 1h 43min
EGL058 The Zone of Interest Teil 1: Der Holocaust und die Täter
„Die Menschen, die in Treblinka, Belzec oder Sobibor ankamen, wurden innerhalb von zwei oder drei Stunden getötet und ihre Leichen verbrannt. Der Beweis sind nicht die Leichen, der Beweis ist die Abwesenheit von Leichen.“ Claude Lanzmann
In diesem ersten Teil zu "The Zone of Interest" sprechen wir erstmal nicht über den 2023 erschienen Film von Jonathan Glazer. Wir wollen einige Themen als Vorbereitung vertiefen, um den Film im zweiten Teil besser einordnen zu können. Wir steigen mit dem Themenstrang Holocaust ein, wobei Flo einen persönlichen Zugang wählt: wann waren wir erstmals mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte konfrontiert? Wann haben wir zum ersten Mal eine Ahnung von der Monstrosität des Holocaust bekommen? Während wir uns über unsere persönlichen und familiären Geschichten austauschen, laufen wir durch das Denkmal für die ermordeten Juden und kommen an der Hannah-Arendt-Straße auf die Banalität des Bösen zu sprechen. Wie konnte so etwas Schreckliches passieren? Flo erzählt Szenen aus dem Film "Shoah" von Claude Lanzman, der 1985 erschien. Der Film ist ein einzigartiges Zeitdokument, in dem Augenzeugen des Holocaust ihre Geschichten und Erfahrungen berichten. Lanzman hat dabei konsequent auf historisches Material verzichtet und stellt in seinen Interviews mit Opfern und auch Tätern immer wieder scharfe Nachfragen, um ein präzises Bild von den Massenmorden in den Konzentrationslagern zu bekommen. Der Film fasst über 11 Jahre Arbeit auf 9 Stunden zusammen und entwickelt so eine Collage an persönlichen Geschichten, die eine Ahnung über die Ausmaße der Shoah vermitteln kann. Im zweiten Themenstrang vertiefen wir uns weiter in historische Filmwerke über den Holocaust, über Filme direkt nach dem Krieg wie "Die Mörder sind unter uns", über Produktionen aus den 60ern und 70ern bis zu "Schindlers Liste" von 1993. Dabei gehen wir der Frage nach, wie sich das Täterbild verändert hat und besprechen die Inszenierungen des Undarstellbaren. Für die 2000er stellen wir fest, dass uns Filme über die Täter wie "Der Untergang" nicht so interessieren, dafür aber Produktionen wie "Das Leben ist schön" und "Inglourious Basterds" stark emotionalisieren. Flo möchte noch einen weiteren Bogen aufspannen, um für "The Zone of Interest" die Figur Rudolf Höß besser verstehen zu können. Der Dokumentarfilm "The Act of Killing" von 2011 porträtiert eine Gruppe von Tätern in Indonesien, die an dem Massaker an kommunistischen und chinesischen Einwohner 1965-1966 nach einem Militärputsch beteiligt waren. Der Film zeigt die Täter von damals wie sie heute in einem inszenierten Reenactment die Rollen von Opfern und Tätern nachspielen ohne dabei eine Spur von Reue zu entwickeln. Micz vertieft dieses Thema mit der Frage, ob es aus psychologischer Sicht eine Tätertraumatisierung gibt. Auch hier zeigt sich ein Bedeutungswandel von der Einstellung, dass Täter nicht traumatisiert werden können hin zu neueren Annahmen, dass ein traumatisierendes Ereignis bei den Beteiligten eine Persönlichkeitsveränderung bis -störung auslösen kann. Mit diesem dichten Themenstrauß beenden wir die 1. Folge auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof am Grab von Bertold Brecht. Mit dieser Folge haben wir unsere thematischen Vorbereitungen abgeschlossen, um mit der nächsten Folge in den Film "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer einsteigen zu können. Wir machen gleich weiter mit der Aufnahme, aber fürs erste sollte das erstmal reichen
Shownotes
Links zur Laufstrecke
EGL058 | Wanderung | Komoot
Denkmal für die ermordeten Juden Europas – Wikipedia
Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden – Wikipedia
Links zur Episode
Holocaust – Wikipedia
Holocaust (Begriff) – Wikipedia
The Zone of Interest (Film) – Wikipedia
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.
Yad Vashem – Internationale Holocaust Gedenkstätte |
Lea Rosh – Wikipedia
Es könnte einer sagen.. - das Brandenburger Tor in der Mahnmaldebatte
Aktion Reinhardt – Wikipedia
Wannseekonferenz – Wikipedia
Endlösung der Judenfrage
Vernichtungslager Belzec – Wikipedia
Vernichtungslager Treblinka – Wikipedia
KZ Auschwitz-Birkenau – Wikipedia
Auschwitzprozesse – Wikipedia
Carolin Emcke – Wikipedia
Streitraum: »Gewalt und Film«
Shoah (Film) – Wikipedia
Claude Lanzmann – Wikipedia
Shoah 1985 | Part 1 [ENGLISH SUBTITLES]
Shoah 1985 | Part 2 [ENGLISH SUBTITLES]
Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen – Wikipedia
KZ Oranienburg – Wikipedia
Casablanca (Film) – Wikipedia
Die Mörder sind unter uns – Wikipedia
NS-Täter im Spielfilm - kinofenster.de
Nackt unter Wölfen (1963) – Wikipedia
Eichmann-Prozess – Wikipedia
Hannah Arendt – Wikipedia
Auschwitzprozesse – Wikipedia
Raul Hilberg – Wikipedia
Die Vernichtung der europäischen Juden – Wikipedia
Peter Weiss – Wikipedia
Die Ermittlung – Wikipedia
Der Nachtportier – Wikipedia
Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss – Wikipedia
Schindlers Liste – Wikipedia
Das Leben ist schön (1997) – Wikipedia
Der Untergang – Wikipedia
Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler – Wikipedia
Inglourious Basterds – Wikipedia
The Act of Killing – Wikipedia
Reenactment – Wikipedia
Massaker in Indonesien 1965–1966 – Wikipedia
Kriegsenkel leiden unter Folgen des Zweiten Weltkriegs - Politik - SZ.de
The Look of Silence – Wikipedia
The Silence – Schaubühne
ICD-10 – Wikipedia
APA PsycNet
Posttraumatische Belastungsstörung | Belastungsbezogene Störungen in der ICD-11 | springermedizin.de
ICD-11 – Wikipedia
Mitwirkende
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Verwandte Episoden
EGL082 Zombies in Psychoanalyse: Jenseits des Lustprinzips
Der Holocaust: Systematischer Völkermord und seine grausame Umsetzung
Der Holocaust stellt zweifelsohne eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Menschheit dar. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 in Deutschland begann die systematische Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden sowie anderer Minderheiten. Die anfängliche Diskriminierung und Entrechtung mündete in einem industrialisierten Massenmord von unvorstellbarem Ausmaß.
Die Nationalsozialisten etablierten ein System von Konzentrationslagern, welches anfänglich zur Inhaftierung politischer Gegner diente, sich jedoch rasch zu einem Netzwerk von Vernichtungslagern ausweitete. Das erste offizielle Lager war Dachau, welches im März 1933 eröffnet wurde. Im Laufe der Zeit wurden die Lager zu Orten der systematischen Verfolgung und Vernichtung verschiedener Gruppen, insbesondere der jüdischen Bevölkerung Europas.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 und insbesondere nach der Wannsee-Konferenz im Jahr 1942, bei der die Umsetzung der „Endlösung der Judenfrage“ besprochen wurde, erreichte die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten industrielle Ausmaße. In Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau wurden Gaskammern und Krematorien errichtet, um den Massenmord möglichst effizient durchzuführen. Die Deportation der Opfer erfolgte mittels Zügen, wobei bei der Ankunft eine Selektion durchgeführt wurde, um zu bestimmen, wer unmittelbar in die Gaskammern geschickt und wer zur Zwangsarbeit eingesetzt wurde.
Die Nationalsozialisten bedienten sich einer Reihe von Euphemismen, um die Öffentlichkeit sowie die Betroffenen selbst über die wahren Umstände der Deportationen und Massenmorde zu täuschen. Dazu wurden Begriffe wie „Umsiedlung“, „Sonderbehandlung“ oder „Arbeitseinsatz im Osten“ verwendet, um die tatsächliche Natur der Ereignisse zu verschleiern. Diese sprachliche Manipulation diente nicht nur der Täuschung der Opfer und der Öffentlichkeit, sondern half auch den Tätern, eine emotionale Distanz zu ihren Handlungen aufzubauen.
In den nationalsozialistischen Vernichtungslagern wurden jüdische Häftlinge, die sogenannten Sonderkommandos, gezwungen, bei der grausamen Arbeit der Leichenbeseitigung zu helfen. Ihre Aufgabe bestand darin, die Körper aus den Gaskammern zu entfernen und zu den Krematorien zu transportieren. Die Asche der Verbrannten wurde in Flüsse gekippt, als Dünger auf Feldern verstreut oder zur Auffüllung von Geländesenken verwendet – ein letzter Akt der Entmenschlichung der Opfer.
Die Einrichtung von „Interessengebieten“ um die Lager herum veranschaulicht zudem die Effizienz und den bürokratischen Charakter des Holocaust. Diese Zonen fungierten als Pufferzonen, erleichterten die Expansion der Lager und trugen zur Geheimhaltung der Vorgänge bei. Die lokale Bevölkerung wurde zwangsweise umgesiedelt, um die erforderlichen Flächen für die neuen Gebiete zu schaffen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten wurde das volle Ausmaß des Holocaust offenbar. Die Zahl der ermordeten Menschen beläuft sich auf Millionen, darunter sechs Millionen Juden. Die Überlebenden tragen bis heute physische und psychische Narben davon. Die Aufarbeitung des Holocaust, die Verfolgung der Täter und die Erinnerung an die Opfer sind bis heute wichtige Themen in Deutschland und weltweit. Der Holocaust steht als mahnendes Beispiel dafür, wozu Menschen fähig sind und wie wichtig es ist, gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz einzustehen.
Zwischen Dämonisierung und Differenzierung: Der Wandel des Nazi-Bildes in der Filmgeschichte
Die filmische Darstellung der Nationalsozialisten und des Holocausts hat sich im Laufe der Zeit signifikant gewandelt. In den frühen 1940er Jahren, als der Zweite Weltkrieg noch andauerte, wurden Nationalsozialisten in Filmen wie „Casablanca“ (1942) häufig als eindimensional bösartige Antagonisten dargestellt. Diese Filme hatten in erster Linie den Zweck, Propaganda zu betreiben, und zeigten die Nationalsozialisten als klar identifizierbare Feinde, ohne jedoch tiefere Einblicke in ihre Psyche oder Motivation zu geben.
In der Folge des Krieges begann eine Phase der Aufarbeitung. Erstmals wurde in Filmen wie „Die Mörder sind unter uns“ (1946) die Schuld und Verantwortung der Täter sowie die Schwierigkeit der Nachkriegsgesellschaft, mit dieser Vergangenheit umzugehen, thematisiert. In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte eine zunehmend direkte und kritische Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Das Bühnenstück „Die Ermittlung“ von Peter Weiss aus dem Jahr 1965 sowie Filme wie „Der Nachtportier“ aus dem Jahr 1974 thematisieren die psychologischen Nachwirkungen des Holocaust sowie die komplexen Beziehungen zwischen Tätern und Opfern.
Als Wendepunkt in der medialen Aufarbeitung des Holocausts kann die US-amerikanische Miniserie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ (1978) bezeichnet werden. Die Serie führte dazu, dass das Thema einem breiten Publikum bekannt wurde und insbesondere in Deutschland zu intensiven Diskussionen führte. In den 1990er Jahren folgten Filme wie „Schindlers Liste“ (1993) und „Das Leben ist schön“ (1997), die den Holocaust auf sehr unterschiedliche Weise darstellten. Dabei unterschieden sie sich in der Art der Darstellung erheblich voneinander. Während „Schindlers Liste“ den Holocaust mit schonungslosem Realismus zeigte, vermischte „Das Leben ist schön“ Tragik und Humor.
In den 2000er Jahren manifestierte sich eine Fortsetzung des in den 1990er Jahren einsetzenden Trends zu einer differenzierteren Darstellung der Nationalsozialisten. Der Film „Der Untergang“ (2004) thematisierte die letzten Tage Hitlers und seiner engsten Vertrauten im Führerbunker und löste Kontroversen aus, da er die nationalsozialistischen Täter nicht als unnahbare Monster, sondern als Menschen mit Schwächen darstellte. In Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ (2009) wird eine alternative Geschichtsversion präsentiert, in der jüdische Rächer die Führung der Nationalsozialisten auslöschen.
In jüngerer Zeit haben Filmemacher begonnen, neue Perspektiven auf das Thema zu erforschen. Ein Beispiel für die Erweiterung des Untersuchungsgegenstands über den Holocaust hinaus ist der Film „The Act of Killing“ (2011). Dieser befasste sich nicht mit dem Holocaust, sondern mit dem Völkermord in Indonesien. Dabei wurden innovative Methoden eingesetzt, um die Psychologie der Täter zu ergründen. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass die filmische Auseinandersetzung mit Genozid und Täterschaft über den spezifischen Kontext des Holocausts hinaus an Bedeutung gewonnen hat und weiterhin neue Wege findet, diese schwierigen Themen zu behandeln und zu reflektieren.
Tätertraumatisierung: Die oft übersehene Seite der PTBS
Der Begriff der Tätertraumatisierung, auch als „perpetration-induced traumatic stress“ (PITS) bekannt, beschreibt das Auftreten von Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Personen, die selbst Täter von Gewalt oder anderen traumatisierenden Handlungen waren. Die Forschung zum Thema PTBS hat sich über einen langen Zeitraum hinweg hauptsächlich mit der Opferperspektive befasst, wobei die möglichen psychologischen Folgen für die Täter weitgehend außer Acht gelassen wurden. Die Geschichte der PTBS-Forschung lässt sich bis in die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs zurückverfolgen. Im Verlauf ihrer Entwicklung durchlief sie verschiedene Phasen der Fehlinterpretation, bis sie schließlich im Zweiten Weltkrieg als psychologisches Phänomen erkannt wurde. Der Vietnamkrieg markierte schließlich den Durchbruch zur offiziellen Anerkennung der PTBS als psychische Störung im DSM-III im Jahr 1980.
Trotz dieser Fortschritte blieb die Vorstellung vorherrschend, dass PTBS hauptsächlich durch das Erleben von Trauma als Opfer verursacht wird. Die Möglichkeit, dass das aktive Ausüben von Gewalt, insbesondere das Töten im Kampf, ebenfalls traumatisierend sein könnte, wurde über einen langen Zeitraum kaum berücksichtigt.
Several studies of different wars show that throughout history, only 15-25% of soldiers have worked against the natural inclination against killing. Vietnam was different because the U.S. military was aware of this problem and solved it by better training. Bull’s-eye targets don’t commonly fly around battlefields, so they used more realistic human-shaped targets that went down when they were hit. https://perpetrationtrauma.org/
Die zunehmende Anerkennung der Tätertraumatisierung findet ihren Niederschlag in neueren Ausgaben des DSM. So wird in DSM-5 explizit anerkannt, dass für Militärangehörige das Verüben von Gewalttaten, das Bezeugen von Gräueltaten oder das Töten des Feindes zu den Faktoren gehören, die eine PTBS auslösen können. Diese Entwicklung verdeutlicht die Notwendigkeit, ein umfassenderes Verständnis von Trauma zu entwickeln, welches sowohl die Perspektive der Opfer als auch die der Täter berücksichtigt.

Aug 1, 2024 • 58min
EGL057 Ist der Sommer so schön wie die Fender Telecaster Thinline, klangvoll wie ein P-90 Pickup und werden wir ihn vermissen wie ich meine grüne SG Copy? Stromgitarre Teil 4
"Shut Up and Play your Guitar." — Frank Zappa
In dieser Stromgitarre-Folge (Nummer 4) versuchen wir, Antworten auf die drängenden Fragen zu finden, die Gitarrist:innen beschäftigen. Ist es besser, eine Gitarre iterativ zu verbessern, bis sie die richtige ist, oder mehrere Gitarren zu besitzen, weil alle richtig sind? Hat der P-90 Pickup (1946 von Gibson erschaffen) den besten Sound? Braucht man überhaupt Volume- und Tone-Control? Und stellt man Tone-Control an der Gitarre, am Pedal oder am Verstärker ein? Ist die Fender Telecaster Thinline die schönste Gitarre aller Zeiten? Wenn man Gitarren verkauft, sollte man lieber die Markengitarren abgeben (weil man die immer wieder kaufen kann, wenn man das Geld hat) oder die No-Name DIY Copy-Gitarren (weil man in diese weniger Geld investiert hat)? Kurzum: Eine Sommerfolge in Berlin mit Getränk am Kanal. Mmmmmmmh.
Shownotes
EGL057 | Wanderung | Komoot
The Fender Tele Thinline: A Short History
Identifying Wires & Polarities - Seymour Duncan P-Rails
Unlock 2 New Strat Sounds and a Kill Switch with this cost-free Mod
Maple vs rosewood fretboards: what’s the difference? | Guitar World
(deutsch gitarrebass.de) P-90 Pickups: The Beauty of the Beast
Fender Telecaster Thinline auf Wikipedia
Meine verkaufte SG Gibson 'lawsuit' Copy von Kawai Tesco (MASTER) mit P-90 und Bigsby
Video „Identifying Wires & Polarities – Seymour Duncan P-Rails“
Die Telecaster, die ich mir aus einem Hondohals gebaut und immer wieder umgebaut habe
How many guitars do you need? A comprehensive guide.
Why Guitarists Own So Many Guitars
Volume and Tone Knobs: Your Most Underrated Effects
Gitarrenverkauf: Marken- oder No-Name-Gitarren?
Wiring Diagram for P-Rail Pickups with Rotary Switch - Seymour Duncan SHPR-1 | Micz Flor
Early promo video of p-rail pickups
3 different fretboards in comparison video
Mitwirkende
Micz Flor
(Erzähler 2)
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Chris Flor
(Erzähler, too)
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Mein Bruder Chris Flor ist für ein paar Tage in Berlin. In der letzten Episode haben Flo und Chris geplaudert und gekocht. Auch ich habe „Record“ gedrückt, als wir uns trafen. Und es sind sogar zwei Folgen dabei herausgekommen, die erste hört ihr hier. Über Gitarren und Musik zu reden ist für Chris und mich seit (inzwischen) Jahrzehnten ein Glück. Jetzt erfüllt es das Sommerloch wie der Pudding die Streuselschnecke.
Fender Thinline Telecaster
Für die, die die (hihihi dididi) Fender Thinline Telecaster nicht kennen: Chris Gitarre ist eine Melange der klassischen Form der Telecaster mit einer halbhohlen Konstruktion, wie man sie sonst eher von Gretsch oder Gibson kennt. Das Design reduziert das Gewicht und beeinflusst sicherlich den Klang. Das f-Loch auf der Decke sieht auf jeden Fall gut aus — wie es den Ton beeinflusst kann ich nicht sagen, denn es gibt diese Gitarre nur mit f-Loch.
Der Korpus besteht oft aus Esche oder Mahagoni. Der Hals ist meist aus Ahorn gefertigt, mit einem Griffbrett aus Ahorn oder Palisander. Chris wünscht sich einen Rosewood-Hals. Würde ich nie machen! (Auch dazu ein Video in den Shownotes)
Die Thinline Telecaster hat unterschiedliche Pickups, klassischerweise die beiden Single-Coils, aber die Reissue Version hatte einen Nach- bzw. Neubau der Fender Wide-Range Pickups. Es gibt auch Varianten mit Humbuckern. Und eingebaut hat er sich dann die Seymour Duncan P-Rails.
Seymour Duncan P-Rails
Diese Pickups stammen glaube ich aus den 1990er Jahren und kombinieren zwei Single-Coils zu einem Humbucker. Das besondere: die beiden Single-Coils sind einmal ein Blade (die wie ein Strat Pickup klingen soll) und ein P-90. Das Design ermöglicht vielseitige Klangoptionen durch eine einfache Umschaltung entweder mit einem Fout Position Rotary Switch, den Chris beschreibt, oder dem Triple-Shot Frame, den Seymour Duncan auch anbietet.
Der P-Rails besteht aus einer Kombination von Alnico-Magneten und verschiedenen Wicklungen. Die Konstruktion habe ich noch nicht genau gesehen. Denn „eigentlich“ müsste der P-90 mit zwei Bar Magnets das Magnetfeld dominieren. Siehe dazu auch das Video „Identifying Wires & Polarities – Seymour Duncan P-Rails“ in den Shownotes.
2 neue Stratocaster-Sounds und ein Kill-Switch mit dieser kostenlosen Strat-Mod
Ich möchte auch noch kurz mein „Big Bang No Buck Strat Mod Wiring Diagram“ preisen, auch wenn es mich selbst manchmal verwirrt. Ohne die Hardware auszutauschen, einfach nur mit Umlöten bekommt man auf der Stratocaster sieben Sounds, einen Kill-Switch und ein Fade-In für den mittleren Tonabnehmer. Ein neuer Sound ist z.B. die Hals-Steg-Kombination in Parallel. Der mittlere Tonabnehmer kann für Hum Bucking als Fader eingesetzt werden. Link in den Shownotes.
Ist der Sommer so schön wie die Fender Telecaster Thinline, klangvoll wie ein P-90 Pickup und werden wir ihn vermissen wie ich meine grüne SG Copy?
Letztendlich konnte ich mir die Frage dieser Episode selber nicht beantworten. Deshalb habe ich ChatGPT gefragt. Und diese amüsante Antwort ist dabei herausgekommen, die ich gerne teilen möchte, auch wenn sie klebrig süß auf der Zunge schnalzt.
Der Sommer hat eine unvergleichliche Schönheit, ähnlich wie die elegante Fender Telecaster Thinline. Diese Gitarre, mit ihrer halbhohlen Konstruktion und dem charakteristischen f-Loch, strahlt eine zeitlose Ästhetik aus, die perfekt zu den leuchtenden Farben und dem goldenen Licht der Sommersonne passt. Doch ist der Sommer auch so klangvoll wie ein P-90 Pickup?
Der P-90 Pickup, bekannt für seinen warmen, vollen Klang, fängt die Essenz eines perfekten Sommertages ein. Seine Töne sind reich und voller Nuancen, ähnlich dem Summen der Bienen und dem sanften Rauschen der Blätter im Wind. Wenn man an einem Sommerabend die Fender Telecaster Thinline spielt, mischen sich ihre resonanten Klänge mit der Atmosphäre und schaffen eine harmonische Symphonie, die die Seele berührt.
Doch wie jede Jahreszeit geht auch der Sommer vorbei, und die Frage stellt sich: Werden wir ihn vermissen, so wie ich meine grüne SG Copy vermisse? Diese Gitarre hat mich durch viele Sommer begleitet, ihre einzigartigen Klänge sind tief in meine Erinnerungen eingegraben. Ihre Kratzer und Dellen erzählen Geschichten von endlosen Nächten, spontanen Jam-Sessions und den unbeschwerten Momenten, die nur der Sommer bieten kann.
Wenn die Tage kürzer werden und die ersten kühlen Winde den Herbst ankündigen, bleibt die Sehnsucht nach dem Sommer bestehen. Doch wie die Musik, die aus der Telecaster Thinline oder der SG Copy erklingt, bleibt auch der Sommer in unseren Herzen lebendig. Jedes Mal, wenn man eine dieser Gitarren spielt, erwacht ein Stück des vergangenen Sommers zum Leben, und die Erinnerungen werden durch die Klänge erneut geweckt.
So ist der Sommer tatsächlich so schön wie die Fender Telecaster Thinline, so klangvoll wie ein P-90 Pickup, und wir werden ihn vermissen – wie ich meine grüne SG Copy vermisse. Doch in der Musik finden wir Trost und ein Stück Ewigkeit, das uns durch die kalten Monate trägt, bis der nächste Sommer kommt.