

Zukunft Denken – Podcast
Alexander Schatten
Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?
Episodes
Mentioned books

Oct 15, 2020 • 17min
032 – Überleben in der Datenflut – oder: warum das Buch wichtiger ist als je zuvor
Wir leben in immer schnelleren Zeiten. Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, müssen wir auch unsere Informationskanäle beschleunigen: Soziale Medien, Videos, Newsfeeds... Bücher sind da ein überflüssiger Anachronismus und haben im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr.
Oder doch?
In dieser Episode provoziere ich wieder zum Widerspruch.
Was sind Daten und was ist Information? Braucht man in einer (angeblich) schnellen Zeit wirklich schnellere Medien, oder ist die Krise in der wir stecken vielleicht eine Folge dieses Irrtums?
Information ist »irgendein Unterschied, der bei einem späteren Ereignis einen Unterschied macht«, Gregory Bateson (zitiert aus K. P. Liessmann, Theorie der Unbildung)
Was ist das Signal/Rausch-Verhältnis moderner Medien? Gibt es überhaupt News, und wenn ja, helfen uns diese weiter? Vermissen wir irgendetwas, oder ist fear of missing out schlicht eine Marketing-Strategie um uns Unsinn zu verkaufen und abhängig zu machen?
Welche Rolle spielt das Buch in dieser Gemengelage und in welcher Form sollten wir es lesen?
Referenzen
Andere Episoden
Episode 2: Was wissen wir?
Episode 9: Abstraktion: Platos Idee, Kommunismus und die Zukunft
Episode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?
Fachliche Referenzen
Konrad Paul Liessmann, Theorie der Unbildung, Piper (2008)
Douglas Rushkoff, Team Human (2019)
Sherry Turkle, Alone Together, Basic Books (2017)
Tristan Harris, How Technology is Hijacking Your Mind — from a Magician and Google Design Ethicist
The Reading Brain in the Digital Age: The Science of Paper versus Screens, Scientific American (2013)
Lisa Allcott, Reading on-screen vs reading in print: What's the difference for learning? (2019)
Jill Barshay, Evidence increases for reading on paper instead of screens, Hechinger Report (2019)

Sep 24, 2020 • 1h 11min
031 – Software in der modernen Gesellschaft – Gespräch mit Tom Konrad
Vor fast 10 Jahren hat der Slogan des IT-Unternehmers und Gründers von Netscape Marc Andreessen »Software isst die Welt« (»Software is eating the world«) seine Kreise gezogen. Er hatte mit einem Recht: Software ist das digitale Nervensystem unserer modernen Gesellschaft geworden. Es gibt keine Lebensbereiche mehr – vom fließenden Wasser über die Versorgung mit Lebensmitteln, Mobilität, Kommunikation, Medizin bis zur Politik und Verwaltung – die nicht vollständig von Software abhängig geworden ist.
Die meisten traditionellen Unternehmen und Organisationen (auch Verwaltungen) haben diese fundamentale Erkenntnis noch nicht vollzogen: sie sind in den letzten Jahrzehnten (ob sie das wollen oder nicht) zu Software-Unternehmen geworden, mit allen positiven aber auch negativen Effekten.
Dabei haben wir als Management, als Entwickler, als Fachbereiche, als Nutzer, als Gesellschaft vergessen auf die Qualität und die Architektur dieser überlebenswichtigen Systeme zu achten. Software hat – ohne dass das den meisten Menschen bewusst wäre – vielfach bei weitem nicht die Qualität, die für die Rolle die sie spielt angemessen und notwendig wäre. Etwas direkter ausgedrückt: wir haben ein richtiges, tiefreichendes Problem.
In dieser Episode spreche ich mit Tom Konrad, einem Kollegen von mir und langjährigen Software- und Security-Experten über dieses Themenfeld. Er ist seit über zehn Jahren als Penetration-Tester und Software-Entwickler im Security-Team bei SBA Research tätig und ist Mitbegründer der sec4dev-Konferenz, einer Security-Konferenz speziell für Softwareentwickler.
Eine wichtig Anmerkung dabei: Dieses Gespräch richtet sich nicht in erster Linie an Techniker oder Software-Entwickler, sondern auch und besonders an nicht-Experten. An eine breitere Gesellschaft, Bürger, Management und Politik.
Wir sprechen über die Rolle von Software in unserer Gesellschaft, welche gravierenden Folgen mangelnde Qualität bereits heute hat und was für die Zukunft zu erwarten ist.
Was bedeutet dies für kritische Infrastruktur und wie kommt es, dass große Unternehmen nicht in der Lage sind etablierte (und offen gesagt langweilige) Standardsoftware einzuführen und diese Projekte häufig in große Probleme mit Millionen-Verlusten geraten?
Als Nutzer, der nicht hinter die Kulissen blicken kann, lassen wir uns zu häufig vom »Glanz an der Oberfläche« täuschen. Tatsächlich ist Software heute mehr eine Art von Archäologie, wo die Aquädukte der Römer noch ein Kern-Bestandteil der Wasserversorgung einer modernen Stadt sind (ohne, dass die meisten Bürger das wissen und ohne, dass wir in der Lage sind, diese noch zu warten).
xkcd – Dependency
Wir haben die zahlreichen neuen Möglichkeiten (Programmiersprachen, Tools, Prozesse) leider nicht genutzt, um wichtige Software stabiler und besser zu machen, sondern um immer mehr Software auf fragwürdigem Niveau zu entwickeln.
Welche Rolle spielt dabei Komplexität verteilter Systeme? Wie steht es um Abhängigkeiten innerhalb und außerhalb von Unternehmen? 80% des Softwarecodes eines typischen Softwareprojektes sind externe Abhängigkeiten, die nicht im direkten Einflussgebiet der Entwickler liegen, aber integraler Teil der eigenen Software sind.
Zuletzt stellen wir die Frage: wie können wir diese fundamentale Infrastruktur auf ein Qualitätsniveau heben, das unbedingt für eine resiliente Gesellschaft notwendig ist? Wer hat welche Verantwortung? Was ist konkret die Verantwortung von Entwicklern? Vom Management? Von Gesellschaft und Politik? Wie verhält es sich mit kurzfristigen und langfristigen Anreizsystemen? Was ist die geopolitische Dimension und – in die Zukunft gedacht – für Europa?
Wir benötigen neue Narrative – organische Bilder. Software ist viel besser als Ökosystem begreiflich als als »technisches System des 19. Jahrhunderts« oder als »Projekt«. Wir brauchen aber auch klare gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen und Gesetze.
Referenzen
Tom Konrad
SBA-Research / Professional Services
Tom @ SBA
Tom auf Twitter
Sec4Dev Konferenz
Andere Episoden
Episode 30: (Techno)Optimismus – ein Gespräch mit Tim Pritlove
Episode 27: Wicked Problems
Episode 24: Hangover, Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer
Episode 19 und Episode 20: Offene Systeme
Episode 10: Komplizierte Komplexität
fachliche Referenzen
Marc Andreessen, Software is eating the world
I Pencil (When ideas have sex)
I, Pencil, Artikel
I, Pencil, YouTube Video
Matt Ridley, When ideas have sex, TED-Talk
World biggest data breaches and hacks (website)
Fingerabdruck von Foto von Glas
BSI/NIS-Richtlinie
Lidl 500Mio Projekt scheitert
Nachfolge von Safe Harbour gekippt (Max Schrems)

Sep 3, 2020 • 1h 48min
030 – (Techno-)Optimismus – ein Gespräch mit Tim Pritlove
Wie optimistisch können wir in die Zukunft blicken und welche Rolle spielt dabei Technologie?
»Ohne Optimismus kann man auch gleich im Bett bleiben«
In dieser Episode spreche ich mit Tim Pritlove. Tim ist »Nerd« der frühen Stunde und seit den 1980er Jahren im Hacker-Umfeld (auch des Chaos Computer Clubs) »sozialisiert« worden. So war er auch über viele Jahre in der Organisation des Chaos Communication Kongresses tätig.
Seine Interessen sind aber deutlich vielseitiger. So hat er sich mit dem Projekt Blinkenlights einen Namen als Medienkünstler gemacht und gilt heute als einer der führenden deutschen Podcaster. Dabei beschränkt er sich nicht auf Themen im Umfeld von Computern und Technik, sondern betreibt Podcasts um wissenschaftliche Themen für einer breiteren Zuhörerschaft verständlich zu machen, im Bereich von (Netz)Politik aber auch Unterhaltung im weiteren Sinne.
In dieser Episode unterhalten wir uns über Füchse und Igel (nach Phil Tetlock), das heißt wir stellen die Frage, welche Rolle Generalisten und Spezialisten in unserer Gesellschaft im allgemeinen haben, und wie »Nerds« hier einzuordnen sind.
Wie werden Entscheidungen getroffen? Welche Herausforderungen muss die Demokratie meistern um nicht in eine Expertokratie oder in Populismus abzugleiten?
Welche Rolle spielt dabei Kommunikationstechnologie? Sind die Erwartungen seit jeher überzogen oder gibt es keine gemeinsame Zukunft ohne globale Kommunikationsmittel? Wie wird Demokratie durch die neuen Möglichkeiten verändert (z.B. Liquid Feedback, Wahlmaschinen) und was sollte man überhaupt ändern? Wie geht man mit Extremisten, mit Trollen um, wo endet Meinungsfreiheit?
»Unser inhaltlicher Umgang mit Wahnsinn gehört überarbeitet.«
Wie sind die Ideen der »Nerds« und Autodidakten der 1980er und 1990er Jahre heute zu bewerten? Skalieren die oftmals idealistischen Ideen der damaligen Zeit? Von welchen Fehleinschätzungen sollten wir für die Zukunft lernen?
Wie gehen wir mit den techno-sozialen »Wellenbewegungen« um? Vom Compuserve und AOL der 1990er Jahre über das »freie Internet« zurück zum Compuserve des 21. Jahrhunderts mit dem Namen Facebook? Wie sieht die nächste Welle aus?
Welche Rolle spielt Geschwindigkeit oder Langsamkeit – In der Adoption von Technik, in gesellschaftlichen Phänomenen und demokratischen Prozessen?
»In einem gesellschaftlichen System brauchst du genug Zeit um die Leute mitzunehmen […] Geschwindigkeit, schnelle Entscheidung ist per se keine Qualität«
Hat Europa den Anschluss bei strategischen Technologien verloren? Entscheiden wir in Europa überhaupt noch selbst, oder müssen wir zur Kenntnis nehmen, was in anderen Teilen der Welt definiert wird?
Wie verändert sich Kommunikation? Sind Menschen wirklich nur an Soundbites interessiert – wie von Legacy-Medien immer behauptet wurde, warum ist dann gerade heute das Interesse an Langformen auf YouTube oder auch bei Podcasts so beliebt? Ändert sich die Kommunikation in einer Krise?
»In Momenten der real erlebten Krise sind die allermeisten Leute in der Lage sich zusammenzuraufen-es kann dann schon sehr schnell gehen.«
Solutionism: verlieren wir uns in technischen Visionen (wie dem E-Auto, Kolonialisierung des Weltraums, Singularitätsphantasien) anstatt die klügsten Menschen an den größten Probleme der Zeit arbeiten zu lassen?
»Über kurz der lang wird es das Internet gebraucht haben« »Ich kann mir keinen Planeten Erde vorstellen […], der kein globales Kommunikationssystem hat. Aber wir sind noch lange nicht da.«, alle Zitate von Tim Pritlove
Referenzen
Tim Pritlove
Tim auf Twitter
Metaebene auf Twitter
Chaos Computer Club
Chaos Communication Congress (Event Blog, Wikipedia)
Projekt Blinkenlights (Wikipedia)
Metaebene – Das »Dach« des Podcast-Imperiums
Podcasts (eine Auswahl)
CRE: Technik, Kultur, Gesellschaft
Freakshow
Forschergeist
Raumzeit
Logbuch:Netzpolitik
UKW – Unsere kleine Welt
(Not Safe For Work)
Andere Episoden
Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
Episode 24: Hangover: Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer
Episode 19 und Episode 20 zu Offenen Systemen, hier gibt es ebenfalls zahlreiche Ergänzungen zu den mit Tim diskutierten Themen
Episode 15 und Episode 16: was hat es mit Innovation und Fortschritt auf sich?
Episode 31: Die Rolle von komplexen Software-Systemen in unserer Gesellschaft, Gespräch mit Thomas Konrad
Fachliche Referenzen
Philip Tetlock, Superforecasting. The Art and Science of Prediction, Cornerstone (2015)
Liquid Feedback (Software)
Evgeny Morozov: To save everything, click here, Penguin (2014)
Konrad Paul Liessmann, Leben mit dem Virus

Aug 21, 2020 • 14min
029 – Fakten oder Geschichten? Wie gestalten wir die Zukunft?
Eine Episode die zum Nachdenken anregen soll, und die Motivation dieses Podcasts reflektiert:
»Fakten sind wichtig aber nicht entscheidend.«
Werden wir geschoben – von der Vergangenheit, den Problemen, den bestehenden Narrativen, oder agieren wir, denken wir aktiv über die Zukunft nach – ziehen wir uns also in Richtung Zukunft?
Übernehmen wir die Verantwortung über unser Leben und die Zukunft der Gesellschaft oder verlieren wir uns in Zynismus – das Handeln ist alternativlos...?
»Menschen sind die Produkte der Geschichten, die sie über sich selbst erzählen, die ihre Gemeinschaft über sich erzählt. Fakten spielen dabei höchstens eine untergeordnete Rolle.«, Philip Blom
Welche Rolle spielen dabei Narrative, Fakten, Wissenschaft, Geschichten?
»Those who tell the stories run the world.«, George Mobiot
Was bedeutet das? Wie kommen wir zu Entscheidungen? Wie verändern wir die Welt?
»Bewegungen, welche die Welt zu verändern suchen, beginnen oft damit, dass sie die Geschichte umschreiben und die Menschen damit in die Lage versetzen, sich die Zukunft neu auszumalen.«, Yuval Noah Harari
Schreiben Sie mir Ihre Meinung!
Referenzen
Andere Episoden
Episode 12: Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
Episode 25: Entscheiden unter Unsicherheit
Episode 27: Wicked Problems
Episode 28: Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Fachliche Referenzen
Konrad Paul Liessmann, Leben mit dem Virus
Philip Blom, Was auf dem Spiel steht, Hanser (2017)
George Mobiot, Out of the Wreckage, Verso (2017)
Yuval Noah Harari, Homo Deus, Eine Geschichte von Morgen, C. H. Beck (2018)
Evgeny Morozov, To Save Everything, Click Here, Penguin (2014)
Julia Shaw, Das trügerische Gedächtnis, Heyne (2018)
Andrea Schuhmacher, Das betrogene Ich, Die Zeit 13. Oktober 2009

Aug 3, 2020 • 1h 9min
028 – Jochen Hörisch: Für eine (denk)anstössige Universität!
Ich freue mich in dieser Episode wieder einen sehr interessanten Gast begrüßen zu dürfen, Prof. Jochen Hörisch.
Jochen Hörisch, geboren 1951, studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte. Ab 1988 war er Ordinarius für neuere Germanistik und Medienanalyse an der Universität Mannheim. Er bekleidete zahlreiche Gastprofessuren an anderen Universitäten in Europa sowie den Vereinigten Staaten. Er ist mittlerweile emeritiert und hat sich dankenswerterweise zu einem online Gespräch mit mir bereiterklärt.
In früheren Episoden, wie #16 und #18 habe ich mich schon kritisch mit dem aktuellen Zustand von Forschung und Universität auseinandergesetzt. So manche Innovation die heute bejubelt wird, scheint mehr Theaterdonner als tatsächlicher Fortschritt zu sein.
In Episode 11 habe ich die Frage gestellt, wie man mit schwierigen ethischen Fragen umgehen sollte, auch mit solchen, die sich aus der Technik und Wissenschaft heraus ergeben, innerhalb dieser aber nicht entschieden werden können oder sollten. In Episode 27 stelle ich Wicked Problems zur Diskussion und die Rolle, die Generalisten für die Lösung der wesentlichen Probleme unserer Zeit spielen (werden).
Daraus ergeben sich zwei wesentliche thematische Aspekte, mit denen wir uns in dieser Episode auseinandersetzen werden:
(1) Die Rolle der Universität für unseren Lebensstandard, Kultur und Zukunft und damit verbunden: der Zustand der heutigen Universität in Deutschland und Österreich
(2) Wir neigen dazu, wichtige Fragen der Zeit, die die Gesellschaft in einem breiteren Sinne betreffen, sehr stark aus einem technisch/naturwissenschaftlichen oder ökonomischen Blickwinkel zu betrachten, mit allen daraus folgenden Problemen. Naturwissenschaft und Technik erzeugt (fast immer) geisteswissenschaftliche oder kulturwissenschaftliche Probleme und Fragen.
So sprechen wir unter anderem über die Frage, wie die heutige Universität historisch zu verorten ist, über die platonische Akademie, die Häuser der Weisheit sowie die Humboldtsche Bildungsreform. »Abweichler und Häretiker« haben dabei immer eine wichtige Rolle gespielt und einen Platz bekommen.
Heute aber ist an den Universitäten die Bologna-Professionalität eingezogen, es wird gemessen, gemanaged – die Leidenschaft ist dahin? Wir haben wohl auch bei einem Etikettenschwindel mitgemacht. Was internationalisiert werden sollte wurde bürokritisiert und verschult. Wo freies Denken möglich sein sollte herrscht das Geld, oder Geld-artige Anreizsysteme.
Wo Prozess-Steuerung und Performance-Indikatoren Einzug halten geht da nicht nur die Leidenschaft sondern auch die Qualität des Werkes verloren?
Wir stellen uns weiters die Frage, ob originelle Charaktere, Intellektuelle (»Abweichler«) noch eine Chance auf eine Uni-Karriere in Zeiten stromlinienförmiger Institute und Manager haben?
Was ist die Rolle von Generalisten heute und für die Zukunft?
Auch die Kultur- und Geisteswissenschaften müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihre (wichtige) Rolle in der Verortung des (technisch/naturwissenschaftlich/ökonomischen) Wissens hinreichend Ernst nehmen, in Diskurs mit der Öffentlichkeit gehen, ob sie Narrative, die unsere Gesellschaft treiben hinterfragen und kritisieren.
Nicht zuletzt beschreibt Prof. Hörisch die Rolle der Philosophie aber auch verschiedener vermeintlicher Orchideenfächer. Er betont die Rolle bekennender Dilettanten und philosophischer Narren.
Wir sollten wieder für eine Alma Mater Libido, für eine libidinöse Universität kämpfen, die sich nicht scheut anstössig zu sein, die nackte Wahrheit freilegen möchte.
"Wissenschaft ist obszön, sie stellt das auf die Bühne, was andere zunächst nicht sehen wollen"
"Ohne Tabubrechen ist die Universität nicht zu haben“
Arbeiten wir also gemeinsam an einer libidinösen und denkanstössigen Universität der Zukunft!
Referenzen
Prof. Jochen Hörisch
Prof. Hörisch / Uni Mannheim
Prof. Hörisch – Wikipedia
Andere Episoden
Episode 11: Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!
Episode 16: Innovation und Fortschritt oder Stagnation?
Episode 18: Gespräch mit Andreas Windisch: Physik, Fortschritt oder Stagnation
Episode 27: Wicked Problems
Fachliche Resourcen
Jochen Hörisch, Die ungeliebte Universität – Rettet die Alma Mater, Hanser (2006)
Jochen Hörisch, Das Geld der Wissenschaft (2016)
Konrad Paul Liessmann, Kant, Dienst ohne Vorschrift (2004)
Konrad Paul Liessmann im Interview mit Robert Misik
Philipp Blom, Was auf dem Spiel steht, Hanser (2017)
George Monbiot, Out of the Wreckage, Verso (2017)
Zymunt Bauman, Retrotopia, Suhrkamp (2017)
Noah Yuval Harari, Homo Deus, Eine Geschichte von Morgen, C. H. Beck (2018)
Erwin Schrödinger, What is Life? (1944)
Michel Serres, Was genau war früher besser?, Suhrkamp (2019)

33 snips
Jul 13, 2020 • 35min
027 – Wicked Problems
In dieser Folge wird das Konzept der 'Wicked Problems' vorgestellt, die komplexe und einzigartige Herausforderungen darstellen. Es wird diskutiert, warum Experten oft scheitern und wie Selbstüberschätzung zu Katastrophen führen kann. Die Rolle von Generalisten, die Wissen aus verschiedenen Bereichen verknüpfen, wird hervorgehoben. Auch die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Probleme in Bildung und Politik werden beleuchtet. Vielfalt und Perspektivwechsel sind entscheidend für effektive Lösungen!

Jun 22, 2020 • 1h 26min
026 – Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
In dieser Episode spreche ich mit Christoph Chorherr über die Herausforderungen und Chancen von Politik für die Gestaltung unserer Zukunft.
Christoph Chorherr war langjähriger Politiker und Stadtplaner. Er war etwa Stadtrat der Grünen in Wien, sowie Bundesprecher der Grünen. 2008 gründete er in Südafrika das Ithuba Skills College, eine Schule in einer Township nahe Johannesburg. Er ist seit Anfang 2019 aus der aktiven Politik zurückgetreten und eröffnet Ende 2019 gemeinsam mit Helmut Gragger eine Bio Holzofen-Bäckerei.
In diesem Gespräch freue ich mich über die langjährige politische Erfahrung von Christoph Chorherr um über Politik und die Gestaltungsmöglichkeiten die Politik heute bietet zu diskutieren.
Wir beginnen das Gespräch mit seiner persönliche Motivation, die ihn in die Politik geführt hat – »Engagement lohnt sich«. Wir stellen die Frage, was wir aus »Corona« lernen können. Ist Politik alternativlos oder kann sie gestalten? Wenn ja, in welcher Weise und auf welchen Ebenen?
Technologie spielt eine immer wichtige Rolle in der Lebenswelt vieler Menschen. Erleben wir gerade ein Auseinanderdriften in moralisierende Lager, Twitter- und Facebook-Blasen? Wie gehen wir mit widersprechenden Positionen um und wie können wir wieder zueinander und zu einem konstruktiven Dialog finden?
Wir sprechen weiters über die Schwierigkeit der Prognose, Irrtümer und wie man daraus lernt:
Wird die Welt immer besser oder schlechter? In einem zum Teil inneren Dialog (am Beispiel von systemischen Effekten, Ökologie, der Zukunft Afrikas und des Gesundheitssystems) spricht der Optimist Christoph Chorherr mit dem Pessimisten und verhandelt einen Weg aus dem Dilemma.
Wo treffen wir sinnvollerweise die immer schwieriger werdenden Entscheidungen der Zeit? Global, top down, oder eher im Lokalen, im Kleinen?
Am Beispiel von Steve Bannon zeige ich die Gefahr zynischer Interpretationen der kritischen Lage der Welt auf und stelle die Frage, wie es gelingen kann, zu einer gemeinsamen, solidarischen Interpretation und Handlungsmacht zu gelangen. Homo homini lupus? Oder ist der Mensch doch gut, wenn man den richtigen Wolf füttert?
Wie greifen noch einmal die Ambiguitäten der moderen (sozialen) Medien auf? Trennen oder vereinen sie uns? Machen sie uns klüger oder doch dümmer? Wir gelangen mit dieser Frage zur Bedeutung von Bildung, aber welcher Bildung? Einer digitalten oder gar einer (altmodischen) humanistischen Bildung? Nimmt die Aufmerksamkeit stetig ab und wollen die Menschen nur mehr Soundbites – warum hören sie dann politische Podcasts die mehrere Stunden dauern?
Zuletzt sprechen wir über die Bedeutung von Entschleunigung im Prozess der Zivilisierung und die verschiedenen Gesichter der Transparenz.
Zum Abschluss stellen wir die Frage, wie man (Partei-) Politik wieder mehr Menschen zugänglich machen kann. »Wir haben eine Denunziation des politischen Engagement« in den letzten Jahrzehnten erlebt. Können wir das umdrehen? Sind Parteien doch gar keine so schlechte Idee und »Immunisieren gegen den Durchmarsch charismatischer Verrückter«. Und wie gehen wir als Europäer mit der »chinesischen Herausforderung« um?
Christoph Chorherr endet mit einer Frage zum Weiterdenken: wie können wir die Partien, die im 19. Jahrhundert gegründet wurden fit für das 21. Jahrhundert machen?
Referenzen
Christoph Chorherr
Christoph Chorherr auf Twitter
Homepage/Blog
Ithuba – Schulprojekt
Gragger und Chorherr Bäckerei
Christoph Chorherr, Verändert! Über die Lust die Welt zu gestalten
andere Episoden
Episode 24: Hangover – Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben
Episode 17: Kooperation
Episode 12: Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
Episode 7, Episode 8: Alles wird besser (oder nicht?)
fachliche Referenzen
Hans Rosling
Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist
TED-Talks
Max Roser, Our World in Data
Jonathan Haidt, The Righteous Mind
Ulrike Guerot, Warum Europa eine Republik werden muss: Eine politische Utopie
Nassim Taleb, Das Risiko und sein Preis – Skin in the Game
Steven Bannon
Steven Bannon, Biosphere project
Trump's Chief Strategist Steve Bannon Ran a Massive Climate Experiment, Wired (2016)
Rutger Bregman, Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit
Bernhard Pörksen, Die Kunst des Miteinander-Redens
Douglas Rushkoff
Team Human Podcast
Team Human Buch
Richard David Precht – Entschleunigung (Sternstunde Philosophie)
Transparenzgesellschaft
Byung Chul Han, Psychopolitik
Lawrence Lessig, Against Transparency

40 snips
May 29, 2020 • 44min
025 – Entscheiden unter Unsicherheit
In dieser Folge wird das Thema evidenzbasierte Entscheidungen unter Unsicherheit spannend beleuchtet. Historische Beispiele aus der Medizin zeigen, wie Herausforderungen in Krisen bewältigt wurden. Die Schwierigkeit, Risiken richtig einzuschätzen, wird klar, ebenso wie die Rolle von Intuition und rationalem Denken. Verschiedene Risikoklassen werden analysiert, um die Komplexität moderner Probleme zu verstehen. Außerdem wird diskutiert, wann schnelle Entscheidungen angebracht sind und wann Überlegungen und Erfahrungen zählen.

May 9, 2020 • 1h 18min
024 – Hangover: Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer
In der heutigen Episode spreche ich mit Prof. Peter Purgathofer über das Internet. Genauer gesagt über die letzten 25 Jahre: Wie haben wir in den 1990er Jahren das »Internet« (also die neuen technischen Möglichkeiten aber auch den stetig wachsenden Services) gesehen? Welche Umbrüche und Verbesserungen für Gesellschaft und Wirtschaft haben wir uns erwartet, was waren die Visionen, in welchen bunten Farben habe jedenfalls ich mir damals die neue (digitale) Zukunft ausgemalt.
Als historische Referenz dieser Vision ein Vergleich zum 19. Jahrhundert und dem Unternehmen Cyrus Field, der das erste Transatlantik-Kabel (1861) gelegt hat:
»Its value can hardly be estimated to the commerce, and even to the peace, of the world.«
Information sollte für jeden Menschen auf der Welt leicht zugänglich sein, die Schranken für den Austausch und die damit verbundenen Gatekeeper minimiert. Demokratisierung vieler gesellschaftlicher Systeme, neue Formen von Journalismus, Medien, Schule, Lehre und Forschung, waren die Ansprüche; aber auch: Durchbrechen der bestehenden Monopole in den Medien, der Telekommunikation und Unterhaltungsindustrie, um nur einige Aspekte zu nennen.
Was haben wir aus heutiger Sicht bekommen?
In Zeiten einer Corona-Krise erkennen wir einerseits, dass digitale Technologien uns Möglichkeiten geschaffen haben, die noch vor kurzem nicht denkbar gewesen wären, die eine solche Krise noch wesentlich schwieriger bewältigen ließen.
Wir müssen andererseits aber auch feststellen, dass wir an vielen Ecken aus unserer Sicht die falsche Abzweigungen genommen haben, die etwa zu fragwürdigen Geschäftsmodellen geführt haben: Eine Art von Monopol wurde durch neue Monopole abgelöst: Überwachungs- und Ausbeutungskapitalismus und persönliches Targeting und Manipulation kann man als Folge nennen.
Auch für Kunst, Kultur und Demokratie sieht es daher bei weitem nicht alles so rosig aus, wie wir uns das erhofft hatten. Das hat natürlich auch ökonomische Gründe:
»Eine solidarische Gesellschaft ist eine, mit der man weniger Geld machen kann als eine individualistische Gesellschaft, wo jeder für sich selber verantwortlich ist. «, Peter Purgathofer
Wo stehen wir heute und was sind wesentliche Richtungsentscheidungen vor denen wir heute stehen um das Boot wieder in eine bessere Richtung zu steuern? Die Möglichkeiten der neuen Technologie für die gesellschaftliche Zukunft sind nach wie vor enorm, leider auch die Risiken.
»We need a time-out from all this frantic digital innovation to reflect on what we think we’ve been doing.« ?, James Howard Kunstler
Anmerkungen zum Beginn des Gespräches
Peter erwähnt zwei Personen zu Beginn des Gespräches, wo uns die Referenzen nicht greifbar waren; es handelt sich um:
(1) Das Manifest von John Perry Barlow, A Declaration of the Independence of Cyberspace (1996), ein Zitat daraus:
»Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather.«
(2) Vinton Gray (»Vint«) Cerf (Zentrale versus verteilte Netzwerksteuerung) ist einer der TCP/IP-Ingenieur und gilt einer der »Begründer« des Internets. In der BBC-Dokumentation The Virtual Revolution (Folge 2) hat er 2010 folgendes gesagt:
»it became more and more apparent that the internet's style of operation was the antithesis of what most countries had been accustomed to. in fact in the early days telephony and telegraphy there was only one network and it was often managed by and operated by the government, giving it substantial control. So I rather liked the idea, that the internet didn't have that let me call it deficiency and therefore opened a platform up. it's probably the most democratic opportunity for people to express themselves and to get information that has ever existed.«
Referenzen
Peter Purgathofer ist Forscher und Universitätslehrer an der Forschungsgruppe Human Computer Interaction an der TU Wien sowie Koordinator des Masterstudiums Media and Human-Centered Computing.
Homepage von Peter Purgathofer
Twitter: @peterpur
Frühere Episoden
Episode #019: Offene Systeme Teil 1
Episode #020: Offene Systeme Teil 2: Gespräch mit Christoph Derndorfer und Lukas Lang
Episode #015: Innovation oder Fortschritt?
Weitere Referenzen
John Perry Barlow, A Declaration of the Independence of Cyberspace (1996)
BBC Doku über Vint Cerf
Laura Spinney, Inequality doesn't just make pandemics worse – it could cause them, The Guardian (2020)
Laura Spinney, Pale Rider, The Spanish Flu of 1918 and How it Changed the World (2018)
James Howard Kunstler, Living in The Long Emergency (2020)
Harald Welzer und Richard David Precht in den Sternstunden Philosophie: Precht über den Fortschritt der Gesellschaft durch Verlangsamung von Prozessen
Corona App: Wie gute Absicht den Weg zu einer autoritären Gesellschaft öffnet
Yuval Noah Harari, The World after Corona Virus, Finincial Times (2020)

Apr 17, 2020 • 33min
023 – Frozen Accidents
Die Idee dieses Podcasts ist es nicht, Themen zu behandeln, die eine besonderen Bezug zu aktuellen Ereignissen haben, sondern Themen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind und eine wesentliche Rolle für unsere Zukunft spielen. Daher gibt es auch keine Covid-19 Episode. Allerdings wurden und werden in diesem Podcast Themen besprochen, die für die Corona-Krise von zentraler Bedeutung sind. In der Vergangenheit waren das etwa folgende Episoden:
Episode 6: Messen was messbar ist, über Daten und rationale Entscheidungen.
Episode 10: komplizierte Komplexität
Episode 11: Ethik und Wissenschaft, warum es wichtig ist, ethische Entscheidungen nicht Wissenschafter zu überlassen.
Episode 17: Kooperation oder Wettbewerb, gerade in der aktuellen Krise sehen wir, welche Rolle Kooperation spielt.
Und diese Episode behandelt ein, eigentlich zwei Themen, die ebenso fundamental für die Zeit einer Krise und notwendiger Veränderungen in der Zukunft sind.
Der erste Begriff ist Frozen Accidents, der auf Murray Gell-Mann und Francis Crick zurückgeht.
»Now, most single accidents make very little difference to the future, but others may have widespread ramifications, many diverse consequences all traceable to one chance event that could have turned out differently. Those we call frozen accidents.«, Murray Gell-Mann
In dieser Episode werde ich den Begriff zur Improvisation nutzen um einen zweiten, den der Status Dominanz einzuführen und zu erklären.
Wir sehen an zahlreichen Beispielen um uns herum, wie stark der Status Quo, teilweise von Frozen Accidents (mit)verursacht eine Anziehung entwickelt (durch Strukturen und Systeme), die wir kaum mehr in der Lage sind zu verändern.
Auch unsere Risikoeinschätzung wird dadurch stark beeinflusst. Wer würde etwa heute eine Technologie einführen, die jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen das Leben kosten und eine Vielzahl davon schwer verletzt?
Und nicht zuletzt stellt sich die Frage für die Zukunft: was bedeutet dies für die dringen notwendigen und fundamentalen Veränderungen in unserer Gesellschaft?
Referenzen
Frozen Accidents: Why the Future Is So Unpredictable
WHO, Why it can't handle the pandemic, The Guardian
Das Paradox der vermiedenen Katastrophe, (an)sichten
Frozen Accidents und Status Dominanz, (an)sichten
Irakkrieg und Demokratie
Donald Rumsfeld denies he thought democracy in Iraq was 'realistic' goal, The Guardian
'Wrong then, wrong now': US clash with Iran echoes march to Iraq war, The Guardian
Kenneth Pollack, The Seven Deadly Sins of Failure in Iraq: A Retrospective Analysis of the Reconstruction