Bernhard Pörksen – Zuhören als Kunst, sich der Welt zu öffnen
Feb 8, 2025
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Bernhard Pörksen, ein Medienwissenschaftler aus Tübingen, beleuchtet die Kunst des Zuhörens und dessen gesellschaftliche Bedeutung. Er erklärt, dass echtes Zuhören oft als riskant empfunden wird, da es unsere eigenen Überzeugungen herausfordert. Pörksen thematisiert, wie Missverständnisse und die Weigerung zuzuhören zu Skandalen führen können, und erörtert die Verantwortung des Zuhörers in der öffentlichen Kommunikation. Außerdem wird die Rolle des Zuhörens im Journalismus und die Gefahr oberflächlicher Interaktionen in einer von Fake News dominierten Welt hervorgehoben.
Zuhören ist eine Kunst, die über akustische Verarbeitung hinausgeht und oft in der modernen Kommunikationskultur vernachlässigt wird.
Der Unterschied zwischen Ich-Ohr und Du-Ohr verdeutlicht, wie Empathie und Perspektivwechsel essentielles Zuhören ermöglichen können.
Die Herausforderung des Zuhörens wird besonders in Kontexten von Macht und Missbrauch sichtbar, wo oft ein gesellschaftliches Schweigen herrscht.
Deep dives
Die Kunst des Zuhörens
Zuhören ist eine anspruchsvolle Kunst, die weit über die bloße akustische Verarbeitung hinausgeht. Viele Menschen fühlen sich ungehört, weil sie in der modernen Kommunikationskultur oft bestrebt sind, ihre eigenen Ansichten zu bestätigen. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen argumentiert, dass die Gesellschaft tendenziell das Reden zelebriert und das Zuhören als stillschweigende Supermacht in der Kommunikation vernachlässigt. Trotz seiner zentralen Bedeutung wird Zuhören häufig nicht ausreichend gewürdigt und bleibt im Schatten des Redners.
Ich-Ohr vs. Du-Ohr
Pörksen unterscheidet zwischen dem Ich-Ohr und dem Du-Ohr, die unterschiedliche Arten der Aufmerksamkeit darstellen. Das Ich-Ohr fokussiert auf die eigene Perspektive und prüft, ob das Gesagte mit den eigenen Ansichten übereinstimmt. Im Gegensatz dazu ermöglicht das Du-Ohr einen Perspektivwechsel, indem es sich für die Welt des Gegenübers öffnet. Diese Art des Zuhörens erfordert Empathie und die Fähigkeit, das Fremde in seiner Andersartigkeit wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Schweigen und Tiefengeschichte
Pörksen betont die Bedeutung der inneren Tiefengeschichte, die das individuelle Zuhören beeinflusst. Persönliche Erfahrungen und Emotionen spielen eine entscheidende Rolle darin, wie wir auf das Gehörte reagieren. Oft kann das eigene Erleben eine Art Filter sein, der das Zuhören erschwert, besonders wenn Schmerz und Trauma im Spiel sind. Die Bereitschaft, das Schweigen im Gespräch auszuhalten, ermöglicht es, tiefere Einsichten zu gewinnen und das Gesagte auf eine neue Weise zu reflektieren.
Gesellschaftliches Schweigen und Missbrauch
Ein zentrales Thema im Gespräch ist das gesellschaftliche Schweigen über Missbrauch, wie am Beispiel der Odenwaldschule veranschaulicht wird. Trotz des Wissens um Missstände blieben viele Betroffene still, was auf eine weit verbreitete Kultur der Ignoranz hinweist. Die Diskussion beleuchtet die Herausforderungen des Zuhörens in Kontexten, in denen Machtverhältnisse und Missbrauch eine Rolle spielen. Laut Pörksen ist es entscheidend, diese Stille zu durchbrechen, um eine offene Kommunikationskultur zu fördern.
Herausforderungen des Zuhörens in der Politik
Pörksen thematisiert auch die Schwierigkeiten, authentisch zuzuhören, besonders in der politischen Arena. Viele Politiker geben lediglich den Anschein des Zuhörens, während die echte Verständigung und das Eingehen auf andere Perspektiven oft ausbleiben. Er kritisiert diese 'Fassadenkommunikation', bei der Zuhören als strategisches Werkzeug genutzt wird, um Wählerstimmen zu gewinnen. Die Gespräche sollten darauf abzielen, Brücken zu bauen und echte Verbindungen herzustellen, anstatt Instrumentalisierungen zu fördern.
«Hör mir endlich zu!», lautet eine Forderung, die immer wieder erhoben wird. Einander reden zu hören, scheint nicht dasselbe wie zuzuhören. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen erhebt das Zuhören sogar in den Rang einer Kunst – und sagt: Sie sei schwerer einzuüben denn je.
Am Anfang eines jeden Skandals steht die Weigerung zuzuhören, sagt der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Jemand will nicht hinhören, will vertuschen und negieren. Bis die Stimmen sich in einer Weise Gehör verschaffen, dass die Gesellschaft aufhorchen muss – so geschehen etwa bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals an der deutschen Odenwaldschule. Dabei hören Menschen nicht nur weg, um die eigene Haut oder liebgewonnene Ansichten zu retten. Wirklich zuhören ist auch deshalb eine Kunst, weil, wer zuhört, immer auch sich selbst hört. Pörksen nennt das unsere Tiefenstruktur: Prägungen und Überzeugungen beeinflussen, was Menschen hören und wem sie Gehör schenken.
«Wir hören, was wir fühlen», lautet deshalb eine zentrale These seines soeben erschienenen Buches mit dem Titel «Zuhören. Die Kunst, sich der Welt zu öffnen». Wer wirklich zuhört, läuft dagegen Gefahr, in den eigenen Grundfesten erschüttert zu werden. Zuzuhören ist deshalb nicht selten riskant. Doch soll wirklich jeder und jedem Gehör geschenkt werden? Auch dem Hooligan, der Verschwörungstheoretikerin, dem kruden Rassisten? Barbara Bleisch hört zu und fragt nach.
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