In dieser Diskussion sprechen Gudrun Biffl, eine Expertin für Migrationsforschung, Melisa Erkurt, die über Bildung und Medien forscht, Adi Buxbaum, ein Spezialist für Wirtschaftspolitik, und Barbara Blaha, die neoliberale Politiken herausfordert. Sie beleuchten die Herausforderungen der Migration und deren Einfluss auf den Sozialstaat. Die Kontrolle über soziale Ungleichheiten und die Notwendigkeit einer Wertschätzung systemrelevanter Berufe kommen zur Sprache. Zudem wird die dringende Neuausrichtung der Sozialpolitik und der Bildungssysteme thematisiert.
Migration muss als wertvolle Ressource angesehen werden, um Vorurteile abzubauen und die Integration in die Gesellschaft zu fördern.
Das Bildungssystem trägt zur sozialen Ungleichheit bei, weshalb hochwertige Bildungsangebote und Ganztagsschulen entscheidend für den sozialen Aufstieg sind.
Um einen stabilen Sozialstaat zu sichern, ist eine gerechte Verteilung der Steuerlast sowie Investitionen in soziale Infrastruktur unerlässlich.
Deep dives
Die Realität von Migration in Österreich
Österreich wird oft nicht als Einwanderungsland wahrgenommen, obwohl die Realität zeigt, dass es einen signifikanten Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Bevölkerung und im Arbeitsmarkt gibt. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass sich sowohl Migrantinnen und Migranten als auch die Aufnahmegesellschaft oft fremd fühlen. Die politischen Vorstellungen und Strukturen unterstützen diese Wahrnehmung, indem sie keine unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen bieten und somit die Integration erschweren. Dies fördert ein Gefühl von Xenophobie und Ausländerfeindlichkeit, was die Notwendigkeit unterstreicht, Migration als wichtige Ressource anzuerkennen und zu fördern.
Sozialstaat und Migration: Eine wechselseitige Beziehung
Die öffentlichen Diskussionen über Migrantinnen und Migranten in Österreich sind häufig von einem Missverständnis geprägt, wonach diese als Schmarotzer des Sozialsystems angesehen werden. Tatsächlich tragen Migrantinnen und Migranten im erwerbsfähigen Alter jedoch mehr in das Sozialsystem ein, als sie entnehmen, was durch empirische Studien belegt ist. Diese Menschen sind oft in systemrelevanten Berufen tätig, die schlecht bezahlt und körperlich anstrengend sind, aber essentiell für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, den Wert dieser Arbeitskräfte anzuerkennen und die Debatte über ihre Rolle in der Gesellschaft zu verändern.
Bildungssystem und Chancenungleichheit
Das österreichische Bildungssystem wird häufig als Hindernis für den sozialen Aufstieg wahrgenommen, insbesondere für Kinder aus Migrantenfamilien. Die Schule zementiert bestehende soziale Ungleichheiten, da frühe Trennungen im Bildungssystem den Zugang zu höheren Bildungswegen für Kinder aus unteren sozialen Schichten stark einschränken. Ganztagsschulen könnten eine Möglichkeit bieten, diese Ungleichheiten abzubauen, sind jedoch oft mangelhaft entwickelt und finanziert. Es besteht die Notwendigkeit, qualitativ hochwertige Bildungsangebote für alle Kinder bereitzustellen und die soziale Durchmischung in Schulen zu fördern, um eine gerechtere Chancengleichheit zu gewährleisten.
Die Rolle von Sozialinvestitionen
Ein funktionierender Sozialstaat sollte nicht nur unterstützend tätig sein, sondern auch in Bildung und soziale Infrastruktur investieren, um Chancengerechtigkeit zu fördern. Die gegenwärtigen sozialen Sicherungssysteme sind stark von den Beiträgen der Arbeitnehmer abhängig, während Unternehmensgewinne und Vermögen proportional weniger zur Finanzierung beitragen. Eine gerechtere Verteilung der Steuerlast ist entscheidend, um die Stabilität des Sozialstaats langfristig zu sichern. Die Diskussion um die zukünftige Ausrichtung der Sozialpolitik muss daher auch klare Ansätze für neue Sozialinvestitionen und deren Finanzierung berücksichtigen.
Gesellschaftliche Verantwortung und Integration
Die Integration von Migrantinnen und Migranten in die Gesellschaft ist eine gemeinsame Verantwortung, die über Bildung hinausgeht und alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft. Für eine erfolgreiche Integration müssen sowohl staatliche Strukturen als auch die Gesellschaft als Ganzes zusammenarbeiten und Anpassungen vornehmen, um Vorurteile abzubauen und ein besseres Verständnis füreinander zu fördern. Es ist erforderlich, die Herausforderungen der Migration proaktiv anzugehen, um das Potenzial dieser Menschen zu nutzen und eine lebenswerte Zukunft für alle zu gestalten. Wenn wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen wollen, ist es wichtig, transparente Planungen und Unterstützungsangebote für Migrantinnen und Migranten zu schaffen.
Wie wir Arbeit, Migration und Sozialstaat neu organisieren müssen. Zu hören in einer FALTER-Radio Debatte: Ökonomin Gudrun Biffl, Journalistin Melisa Erkurt, Ökonom Adi Buxbaum und Politikwissenschaftlerin Barbara Blaha bei Raimund Löw auf der Buchmesse Buch Wien.