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Jul 22, 2024 • 15min

Die Reliquien der Heiligen Drei Könige kommen nach Köln

Eigentlich sind es nur drei Skelette, aber sie haben Köln mit Pilger-Tourismus reich gemacht. Am 23.7.1164 kamen die Reliquien der heiligen drei Könige nach Köln.In der Bibel oder ihren Übersetzungen gibt es die ein oder andere Ungenauigkeit. So auch bei den Heiligen Drei Königen. Im Matthäus Evangelium werden sie als "Magoi" bezeichnet, was später fälschlicherweise in "Magier" übersetzt wird. Tatsächlich meint Matthäus wohl den Stamm der Mager, einer Priesterkaste aus Persien.Der Stern führt sie zu Jesus in der Krippe, sie huldigen ihm und beschenken ihn. Danach verliert sich ihre Spur, bis ihre angeblichen Überreste Jahrhunderte später nach Mailand gelangen. Dort haben die Reliquien der Heiligen Drei Könige eine ganze Weile ihre Ruhe. Bis Kaiser Barbarossa 1162 die widerspenstigen norditalienischen Staaten auf Linie bringen will und vor Mailand steht. An seiner Seite der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel.Mailand wird eingenommen und geplündert. Da Barbarossa mit Reliquien nicht viel anzufangen weiß, vermacht er diverse Knochen dem treuen Kölner Erzbischof. Darunter angeblich auch die der Heiligen Drei Könige. Rainald von Dassel erkennt schnell, was man mit den Gebeinen anstellen kann. Kaum sind die Reliquien in Köln, da strömen auch schon die ersten Pilger herbei. Und obwohl ihr Erzbischof schon bald nach der Reliquien-Übergabe wieder aufbricht - seine großartige Gabe werden ihm die Kölner nie vergessen.In diesem Zeitzeichen erzählt Marko Rösseler:mit welcher List Erzischof von Dassel sich auf dem Weg von Mailand nach Köln Wegelagerer und Reliquienräuber vom Hals hält,warum sich die Zahl der heiligen Könige bei der Drei einpendelt,wie die Mutter Konstantins der katholischen Kirche eine Flut an Reliquien beschert,welche Rolle die Reliquien für den Baubeginn des Kölner Doms 1248 spielen,warum die Frage nach der Echtheit der Gebeine kaum mit einem klaren "Ja" beantwortet werden kann.Das ist unser wichtigster Interviewpartner:Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti, langjähriger Sprecher des Erzbistums Köln. Buchautor in der Heiligen- und Brauchtumsforschung.Weiterführende Links:Westart: Nikolaus von Verdun: Schrein der Heiligen Drei KönigePlanet Wissen: Die römisch-katholischen BischöfeWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autor: Marko RösselerRedaktion: Sefa Inci Suvak
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Jul 21, 2024 • 15min

New Yorker Verbrecherkönigin aus Kassel: Fredericka Mandelbaum

Am 22.7.1884 wurde Fredericka Mandelbau, Kopf des organisierten Verbrechens in New York, verhaftet: Wie kam es zum Aufstieg und Fall der Meisterhehlerin? 1850 entsteigt die 25-jährige Fredericka Mandelbaum mit ihrem Mann Wolfe dem elenden Unterdeck eines Auswandererschiffes. Die Mandelbaums kommen aus Deutschland und lassen sich direkt in Kleindeutschland nieder, der mit 50.000 Bewohnern größten Einwanderer-Enklave New Yorks.In Deutschland verdienen die Mandelbaums ihren kargen Lebensunterhalt als Hausierer, als Verkäufer wiederverwerteten Mülls. Auf die gleiche Art versuchen sie es auch in Kleindeutschland. Ihre Aufstiegschancen sind damit äußerst überschaubar.Doch Fredericka Mandelbaum baut eine kriminelle Organisation auf, mit der sie zu ungeheurem Reichtum gelangt. Von ihrem kleinen Kurzwarenladen in Manhattan aus organisiert sie ihre kriminellen Aktivitäten in New York und darüber hinaus in den gesamten USA, Mexiko, Kanada und bis nach Europa. Bis 1884 wächst ihre Organisation zur größten kriminellen Vereinigung New Yorks. Am 22. Juli 1884 endet mit ihrer Festnahme Mandelbaums kriminelle Karriere in New York. Im Gefängnis aber landet sie nicht.In diesem Zeitzeichen erzählt Martin Herzog:welche Schätze die Pinkerton-Detektive bei der Festnahme in Fredericka Mandelbaums Kurzwarenladen finden,wie Mandelbaum den Rat des Spitzels, der für ihre Verhaftung sorgt, quittiert,warum Charles Dickens sich nur unter Polizeischutz in das New Yorker Kleindeutschland wagt,wie sich die Königin der Unterwelt durch einen Geheimgang mit geschätzt einer Millionen Dollar im Gepäck spektakulär absetzt.Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Margalit Fox, Journalistin, BiografinMargalit Fox: The talented Mrs. Mandelbaum. The Rise and Fall of an American Organized-Crime Boss. Random House, New York 2024 - auf Deutsch: Die furchtlose Mrs. Mandelbaum. Vom Aufstieg und Fall einer berühmt-berüchtigten Frau im New York der Gangs und Ganoven. MVG Verlag, München 2024 (erscheint im Dezember)Herbert Asbury: The Gangs Of New York. An Informal History of the Underworld, Arrow Books, London 2002Weiterführende Links:Smithonian Magazine: The Life and Crimes of "Old Mother" Mandelbaum (englisch)Museum of the Citiy of New York: The Extraordinary "Mother” Mandelbaum" (englisch)Planet Wissen: Detektive - Allan PinkertonPlanet Wissen: Metropolen - New YorkPlanet Wissen: AuswandererWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autor: Martin HerzogRedaktion: Matti Hesse
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Jul 21, 2024 • 14min

Der beste Radrennfahrer seiner Zeit: Eddy Merckx

Sein Spitzname war "der Kannibale", weil er seine Gegner "mit Haut und Haaren fraß". Seine sportlichen Leistungen waren spektakulär: Am 21. Juli 1974 gewann Eddy Merckx zum 5. Mal die Tour de France.Eddy Merckx, der beste Radrennfahrer seiner Zeit. Fünf Mal siegt er bei der Tour der France, das letzte Mal am 21. Juli 1974. Dieses Kunststück gelingt vor ihm nur Jacques Anquetil. In seiner bis heute beispiellosen Karriere gewinnt Merckx auch fünf Mal den Giro d`Italia, die Vuelta a España und 19 Radklassiker. Das Jahr 1969 markiert den Beginn der Ära Eddy Merckx - im Guten, wie im Schlechten. Vor seinem ersten haushohen Sieg bei der Tour de France steht der Giro d`Italia auf dem Rennkalender. Merckx gewinnt vier Etappen und führt in der Gesamtwertung. Doch dann wird er positiv auf verbotene Substanzen getestet. Merckx wird bis zum 1. Juli gesperrt. Kein Start bei der Tour de France. Einen Publikumsmagneten wie Merckx möchte man natürlich bei der Tour haben. Nach einigen negativen Tests wird die Sperre aufgehoben. Die anschließende Tour gewinnt der Belgier unangefochten.Im Mai 1978 erklärt Eddy Merckx auf Anraten seiner Ärzte seinen Rückzug aus dem Rennsport. Der "zweite König" von Belgien, wie ihn seine Landsleute nennen, tritt ab, wie er früher am Berg antritt: Schnörkellos konsequent, nur aufs Ziel fokussiert, dabei aber ein fairer Sportsmann. In diesem Zeitzeichen erzählt Herwig Katzer:wie in Flandern rund um Jahrmärkte, Stadtfeste und Feiertage Radsporttalente entdeckt werden,was Eddy Merckx seinen Spitznamen "Der Kannibale" beschert,was die französische Radsportikone Jacques Anquetil über den belgischen Ausnahmesportler sagt,wie Eddy Merckx sich auch als Mannschaftssportler zeigt,welcher der zahlreichen Merckx-Rekorde bis 2024 hält.Das sind unsere wichtigsten Quellen:O-Ton Reportage Dieter ZimmerO-Ton Herbert Watterott (WDR)Weiterführende Links:Planet Wissen: Tour de France: Die Geschichte, die Hintergründe, die SkandaleStichtag: 18. November 1987: Tod der Radsportlegende Jacques AnquetilWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autor: Herwig KatzerRedaktion: Sefa Suvak
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Jul 19, 2024 • 15min

Erfinder der Dinosaurier: Richard Owen wird geboren (20.7.1804)

Paul Barrett, Paläontologe am Natural History Museum London, spricht über Richard Owen, den Erfinder des Dinosaurierbegriffs, und dessen Bedeutung für die Wissenschaft. Owen sammelte und systematisierte Fossilien, entdeckte erstmals die Merkmale der Dinosaurier und prägte den Begriff 1842. Der Podcast thematisiert auch Owens Konflikt mit Charles Darwin, seine anfängliche Unterstützung für ihn und die darauf folgende Feindschaft, ausgelöst durch die Evolutionstheorie. Barrett beleuchtet zusätzlich Owens Rolle in der Geschichte des Natural History Museums.
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Jul 18, 2024 • 15min

Das erste öffentliche Pissoir in Paris (am 19.7.1839)

Öffentliche Toiletten sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Und sie erzählen viel über das Patriarchat, die Gleichberechtigung von Frau und Mann und Unterschiede zwischen arm und reich.Wo und wann die allererste öffentliche Toilette der Geschichte gestanden hat - das weiß niemand so genau. Vielleicht in Mesopotamien, 2400 vor Christus. Archäologen haben dort im Nordpalast von Ešnunna sieben nebeneinanderliegende, in Stein gemeißelte Löcher gefunden. Für die kann es nur eine Erklärung geben: Hier konnte, wer musste.Den Römern wird sogar eine regelrechte Latrinenbesessenheit nachgesagt. "Stille Orte" sind Latrinen dabei nicht: Hier wird Handel betrieben, werden Verträge beschlossen. Getreu der heute bekannten Redensart: "Ich geh mein Geschäft machen."Aber nicht nur auf den Latrinen werden Geschäfte gemacht. Latrinenbetreiber sammeln und verkaufen den Urin als Mittel zur Gerbung von Leder. Das Geschäft ist so einträglich, dass der römische Kaiser Vespasian sogar eine Latrinensteuer einführt. Auf den Protest seines Sohnes soll Vespasian ihm das eingenommene Geld unter die Nase gehalten und entgegnet haben: "Pecunia non olet - Geld stinkt nicht." Bis heute nennen die Franzosen ihre öffentlichen Toiletten "Vespasiennes".Mit dem Zerfall des Römischen Reiches ist auch die gehobenere Klokultur dahin. Im Mittelalter erleichtert man sich hinter einem Busch oder in einer Hausecke. Um 1800 bieten "mobile Abtrittsanbieter" ihre Dienste an - Buttenweiber oder Buttenmänner mit zwei Eimern, in die man gegen einen kleinen Obolus sein Geschäft verrichten kann. Auch hier wird der Urin dann wieder gewinnbringend etwa an Färber verkauft.Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sich in europäischen Großstädten wie Paris und London die Kanalisation durch. Am 19. Juli 1839 gibt der Polizeipräsident von Paris bekannt: "Ich habe versuchsweise auf dem Boulevard Montmartre und dem Boulevard des Italiens die Errichtung von Plakatsäulen mit Innen-Urinal-Ständen gestattet." Für Frauen entstehen erst 1902 rund ein Dutzend "Notdurft-Chalets".In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:warum in Berlin die ersten Litfaßsäulen Urinale enthalten sollten - es aber nicht taten,wie und warum das Dixie-Klo in einer Garage in Velbert erfunden wurde undwie der Papst dem Dixie-Klo zum Durchbruch verhalf,warum Frauen vor wenigen Jahren in den Niederlanden zu "Pinkelprotesten" aufriefen,auf was der Welttoilettentag am 19. November aufmerksam machen soll,warum die öffentliche Toilette heute ein bedrohter Ort ist.Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Florian Kinast (Journalist, Schriftsteller)Rebekka Endler: Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt. Köln 2021.Florian Kinast: Die Toilette. Alles zum stillen Örtchen. Berlin 2024.Ralph Schock: Der liebste Ort auf Erden. Klogeschichten. Zürich 2015.Weiterführende Links:Festival-Klos: Ideen gegen fiese Toiletten-Trips"City Toilet" für mehr kostenlose Toiletten in DüsseldorfPlanet Wissen: Rohstoffquelle ToiletteZeitzeichen 19.11.2001: Erster Welttoilettentag wird ausgerufenWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Martina MeißnerRedaktion: Sefa İnci Suvak
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Jul 17, 2024 • 16min

Nero und der Brand von Rom: Wahrheit oder Mythos?

Der Große Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. wirft viele Fragen auf: War Kaiser Nero der Täter oder sind es nur Gerüchte? Die enge Stadtstruktur und brennbare Materialien begünstigten die Flammen erheblich. Historische Quellen wie Tacitus zeigen, dass Nero nach dem Brand humanitäre Maßnahmen ergriff, was sein Bild kompliziert. Wie sehr prägten senatorische Feindschaft und Hollywood-Narrative Neros Ruf? Trotz aller Spekulationen bleibt die Brandursache unklar, und die Geschichte bietet weiterhin Rätsel über Helden und Schurken.
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Jul 16, 2024 • 15min

"I can't breathe": Eric Garner stirbt nach Festnahme in New York

Am 17.7.2014 stirbt Eric Garner nach einer brutalen Festnahme. Elfmal ruft er "I can't breathe" - vergeblich. Die Worte werden zum Symbol der Black-Lives-Matter-Bewegung.Der 17. Juli ist ein Sommertag in Staten Island, dem südlichsten Stadtteil von New York. Eric Garner lehnt an einer Hauswand, als ihn die Polizei anspricht. Er soll unversteuerte Zigaretten verkauft haben. Garner ist zwar polizeibekannt, wurde schon mehrfach wegen kleinerer Delikte verhaftet. Doch an diesem Nachmittag geht er nur spazieren.Der Afroamerikaner misst mehr als 1 Meter 90 und wiegt fast 160 Kilogramm. Er hat etliche gesundheitliche Probleme, ist ständig krank. Im Verlauf des Gesprächs mit den Beamten beteuert er immer wieder, nichts getan zu haben, bittet sie, ihn in Ruhe zu lassen - vergebens. Vier Beamte versuchen schließlich, ihn zu Boden zu bringen. Einer von ihnen ist Daniel Pantaleo.Pantaleo würgt Garner im Verlauf des Handgemenges so sehr, dass dieser am Boden liegend nur noch röcheln kann: "I can’t breathe, I can’t breathe." Wenig später verstummt er. Eric Garner erstickt.In diesem Zeitzeichen erzählen Ulrich Biermann und Veronika Bock:warum Schwarze in den USA oft Opfer von Polizeigewalt werden,ob Daniel Pantaleo für sein Handeln bestraft wurde,wie die "Black Lives Matter"-Bewegung die USA veränderte.Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Silvan Niedermeier (Historiker, Uni Erfurt)Matt Taibbi: I Can't Breathe: A Killing on Bay Street. 2017Weiterführende Links:Wikipedia: Zahl der in den USA bei der Verhaftung getöteten Afroamerikannerinnen und Afroamerikaner Zeitzeichen 04.05.1884: Die Afroamerikanerin Ida B. Wells wird aus dem Zugabteil für weiße Damen geworfenStichtag 29.04.1992: Unruhen in Los Angeles nach PolizeigewaltZeitzeichen 04.04.1968: Todestag von Martin Luther King Welches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autoren: Ulrich Biermann und Veronika BockRedaktion: Matti Hesse
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Jul 15, 2024 • 15min

Adolf Lüderitz: Mit Betrug zum kolonialen Besitz

Seinen eigenen Streifen Land in Afrika hat Adolf Lüderitz durch einen Betrug deutlich vergrößert - der Anfang vom Genozid an Herero und Nama. Wie soll man heute an ihn erinnern?Adolf Lüderitz, ein Name, der heute kontrovers diskutiert wird: Der deutsche Kaufmann und Kolonialpolitiker, trägt maßgeblich zur Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika bei. Geboren am 16. Juli 1834 in Bremen, tritt Lüderitz nach einer Ausbildung im Ausland zunächst in das väterliche Tabakunternehmen ein. Doch sein Abenteurergeist und seine Goldgräbermentalität führen ihn schließlich nach Südwestafrika. Durch fragwürdige Landkäufe und betrügerische Verträge legt er die Grundlage für die deutsche Kolonialherrschaft. Seine Unternehmungen finden ein abruptes Ende, als er 1886 während einer Expedition im Süden der Kolonie verschwindet. Seine Leiche wird nie gefunden. Die rund 30-jährige deutsche Kolonialherrschaft in Südwestafrika ist geprägt von Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt, die 1904 in den Aufständen der Herero und Nama und deren brutaler Niederschlagung gipfelt. In diesem Zeitzeichen erzählt Maren Gottschalk:warum Bismarck Kolonien zunächst als Luxus betrachtet und was seine Meinung ändert, wie die Geschichte der ersten deutschen Kolonie mit einem Betrug beginnt,was es mit der Lüderitzbucht auf sich hat, wieso der Kaufmann Adolf Lüderitz auch "Lügenfritz" genannt wird,und warum es immer noch zu viel Unwissen über die deutsche Kolonialgeschichte gibt. Das sind unsere wichtigsten Quellen:Jürgen Zimmerer (Hg): Kein Platz an der Sonne, Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt, New York 2013. Ders. und Joachim Zeller (Hg), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika, Berlin 2003. Horst Drechsler, Südwestafrika unter Deutscher Kolonialherrschaft, Berlin 1966. Wilhelm Schüßler, Adolf Lüderitz. Ein deutscher Kampf um Südafrika 1883-1886, Bremen 1936. Und das ist unser Interviewpartner:Prof. Jürgen Zimmerer, Afrikawissenschaftler und Leiter der Forschungsstelle Hamburgs (-post-) koloniales Erbe Weiterführende Links:Online-Ausstellung: From where do we speak?Bundeszentrale für politische Bildung - Deutschland in Afrika - Der Kolonialismus und seine Nachwirkungen Planet Wissen: Deutschland als KolonialmachtWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Maren Gottschalk Redaktion: Frank Zirpins Technik: Nikolas Dohle
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Jul 14, 2024 • 15min

Vom Kabarett ins KZ und ins Kloster: Isa Vermehren

Isa Vermehren ist die erste Frau, die das Wort zum Sonntag spricht. Die Nonne und Schauspielerin erreicht damit viele Menschen. Sie stirbt am 15.7.2009 in Bonn.Isa Vermehren kommt 1918 in Lübeck zur Welt. Sie ist das Kind einer wohlhabenden Senatorenfamilie - protestantisch, liberal, weltoffen. Ihr Vater ist Jurist, die Mutter Journalistin. Gemeinsam mit ihren zwei Brüdern verbringt sie eine unbeschwerte Kindheit. 1933 erlebt sie dann jedoch den ersten gravierenden Einschnitt in ihrem Leben: Sie fliegt von der Schule, weil sie sich weigert, die Hakenkreuzfahne zu grüßen.Ohne Abschluss reist die 15-jährige nach Berlin. Im Gepäck hat sie ihr Akkordeon, das sie - nach einer ihrer früheren Kinderschwestern - "Agathe" nennt. Vermehren und "Agathe" machen Karriere im Kabarett. Nebenbei nimmt sie Schallplatten auf und spielt in UFA-Filmen neben Stars wie Rudolf Platte oder Brigitte Horney. Doch dann wird Vermehren in den Krieg geschickt: Sie und "Agathe" sollen die Truppe hinter der Front bei Laune halten. 1944 wird die Sängerin plötzlich verhaftet. Ihr Bruder, der kürzlich in den diplomatischen Dienst eingetreten war, ist zu den Briten übergelaufen. Die ganze Familie wird in "Sippenhaft" genommen. Isa Vermehren kommt ins KZ - sie überlebt.Nach dem Krieg ändert sie ihr Leben radikal und wird Nonne. Als Schwester Isa kennen sie viele Fernsehzuschauer: Bis Mitte der 1990er Jahre präsentiert Vermehren regelmäßig in der ARD "Das Wort zum Sonntag". Isa Vermehren stirbt am 15. Juli 2009 im Alter von 91 Jahren. Und "Agathe"? Die steht bis heute im Haus der Geschichte in Bonn.In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Belemann:Warum sich Vermehren als Schülerin geweigert hat, die Hakenkreuzfahne zu grüßen,wie das Lied "Eine Seefahrt, die ist lustig" zur Anti-Nazi-Hymne wird,welche Voraussetzungen Vermehren erfüllen musste, um in den Orden aufgenommen zu werden,ob Vermehren es jemals bereut hat, ins Kloster gegangen zu sein.Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:Dr. Helga Böse, Wegbegleiterin von Isa Vermehren und Herausgeberin ihrer TagebücherWeiterführende Links:8. Mai 1954 - "Das Wort zum Sonntag" wird erstmals ausgestrahltWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens!Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Claudia BelemannRedaktion: Sefa Inci SuvakTechniker: Nico Soellner
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Jul 13, 2024 • 15min

Louis Barthas: Jeden Tag an den Wahnsinn des Kriegs erinnern

Minutiös schreibt Louis Barthas das Grauen auf, das er als Korporal im Ersten Weltkrieg gesehen hat. Doch der einfache Handwerker glaubt nicht, mit intellektuellen Autoren mithalten zu können. Erst sein Enkel gibt die Erinnerungen als Buch heraus.Es ist Winter 1914/15, als Louis Barthas, ursprünglich ein einfacher Küfer aus dem sonnigen Südwesten Frankreichs, in den Schützengräben liegt und beginnt, seine Erlebnisse festzuhalten. Barthas ist kein typischer Soldat. Mit 35 Jahren, verheiratet und Vater von zwei Söhnen, wird er im August 1914 eingezogen. Als überzeugter Pazifist und Sozialist steht er dem Krieg kritisch gegenüber. In den Tagebüchern schreibt er über die brutalen Kämpfe, das harte Leben in den Schützengräben und die unmenschlichen Befehle der Vorgesetzten. Er reflektiert über die Sinnlosigkeit des Krieges, die Verzweiflung und Angst. Aber er berichtet auch von zwischenmenschlichen Begegnungen mit deutschen Soldaten, von Momenten der Menschlichkeit und seinen Visionen von Frieden und Brüderlichkeit.Barthas Erlebnisse, die er auf über 1.700 Seiten festhält, bleiben zunächst unbeachtet. Erst 1977, lange nach seinem Tod, werden sie veröffentlicht. Der unverfälschte Einblick in das Leben eines einfachen Soldaten im Ersten Weltkrieg wird zum Bestseller und Mahnmal - und hat auch heute nichts von seiner Aktualität verloren. In diesem Zeitzeichen erzählt Sabine Mann:Warum Infanterie-Korporal Louis Barthas das Vorgehen seiner Befehlshaber für barbarisch hält, warum es sich bei Barthas trotz nur grundlegender Schulausbildung um einen belesenen Mann handelt, woran er glaubt, wie er den „Weihnachtsfrieden“ erlebt, und was uns die Berichte über den tatsächlichen Alltag und Ablauf des Krieges erzählen. Das sind unsere wichtigsten Quellen:Louis Barthas, Les carnets de guerre de Louis Barthas, tonnelier, 1914-1918, Paris 1997. Jean Renoir in „Mein Leben und meine Filme“, München 1975. Und das sind unsere Interviewpartner:Gerd Krumeich, Historiker Stéphane Audoin-Rouzeau, Historiker und Co-Direktor des Historial de la Grande Guerre Weiterführende Links:14 Tagebücher des ersten WeltkriegsPlanet Wissen: Erster WeltkriegPlanet Wissen: Der Kriegsverlauf 1914 bis 1916Welches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Sabine Mann Redaktion: Christoph Tiegel/Frank Zirpins Technik: Annett Bastian

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