Sternengeschichten

Florian Freistetter
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Oct 10, 2025 • 12min

Sternengeschichten Folge 672: Der Zweck und die Geschichte des Countdowns

Der Countdown ist mehr als nur ein Rückwärtszählen. Er hat technische und emotionale Dimensionen, die tief in der Raumfahrtgeschichte verwurzelt sind. Von den ersten Tagen der Apollo-Missionen bis hin zu Fritze Langs Filmideen zeigt sich, wie Drama und Technik verschmelzen. Die NASA übernahm diese filmische Dramatisierung für öffentliche Starts. Der Countdown feiert den Start ins Unbekannte und weckt somit Begeisterung, indem er die Menschheit auf eine Reise ins All mitnimmt.
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Oct 3, 2025 • 14min

Sternengeschichten Folge 671: Trojaner und UFOs im Sternbild Netz

Das eher unscheinbare Sternbild Netz birgt interessante Geschichten. Es wurde von Astronomen wie Jacob Bartsch im 17. Jahrhundert geprägt. Die hellsten Sterne, Alpha und Beta Reticuli, werden genauer betrachtet, während Epsilon Reticuli als Doppelstern mit einem faszinierenden Planeten hervorgehoben wird. Zudem wird die theoretische Existenz von Trojaner-Planeten in Lagrange-Punkten diskutiert. Abgerundet wird die Episode durch die kritische Betrachtung des Hill-UFO-Falls und seiner Sternenkartenhypothese.
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Sep 26, 2025 • 11min

Sternengeschichten Folge 670: Die Große Meteorprozession von 1913

Die faszinierende Meteorprozession von 1913 wird anhand von Augenzeugenberichten lebendig. Ein feurig-rotes Objekt hinterließ einen eindrucksvollen Schweif, dessen Ursprung bis heute ein Rätsel bleibt. Die ungewöhnlichen Bewegungen und die weitreichende Sichtbarkeit Beeindruckten. Verschiedene Theorien, von einem eingefangenen Minimond bis hin zu Mondvulkanismus, wurden diskutiert. Mit neuen Archivfunden wird die mysteriöse Erscheinung über 11.000 Kilometer hinweg bestätigt. Trotz aller Erklärungsversuche wird die genaue Ursache wohl immer ein Geheimnis bleiben.
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Sep 19, 2025 • 17min

Sternengeschichten Folge 669: "Die gleißende Welt" von Margaret Cavendish

Die seltsame Welt der ersten Sci-Fi-Autorin Sternengeschichten Folge 669: "Die gleißende Welt" von Margaret Cavendish Diese Geschichte beginnt mit einer Geschichte und die beginnt so: "Ein Kaufmann, der in ein fremdes Land reiste, verliebte sich heftig in eine junge Dame. Da er jedoch ein Fremder in diesem Land war und ihr sowohl an Geburt als auch an Reichtum weit unterstand, konnte er sich nur geringe Hoffnung machen, sein Verlangen zu erfüllen. Doch da seine Liebe mehr und mehr in ihm entbrannte, bis hin zur Missachtung aller Schwierigkeiten, fasste er schließlich den Entschluss, sie zu entführen. Dazu bot sich ihm umso leichter Gelegenheit, da das Haus ihres Vaters nicht weit vom Meer entfernt lag und sie häufig, begleitet von nicht mehr als zwei oder drei Dienerinnen, Muscheln am Ufer zu sammeln pflegte – was ihn umso mehr ermutigte, seinen Plan auszuführen. So geschah es, dass er eines Tages mit einem kleinen leichten Schiff, nicht unähnlich einem Postboot, bemannt mit einigen wenigen Seeleuten und wohl mit Proviant versehen – aus Furcht vor unvorhergesehenen Zwischenfällen, die ihre Reise vielleicht verzögern könnten – zu dem Ort kam, den sie gewöhnlich aufzusuchen pflegte; dort entführte er sie. Doch als er sich für den glücklichsten Mann der Welt hielt, erwies er sich als der unglücklichste; denn der Himmel, zürnend über seinen Raub, ließ einen solchen Sturm aufkommen, dass sie nicht wussten, was zu tun oder wohin sie steuern sollten. So wurde das Schiff, sowohl durch seine eigene Leichtigkeit als auch durch die gewaltige Kraft des Windes, so schnell wie ein Pfeil aus dem Bogen gen Nordpol getragen, und erreichte in kurzer Zeit das Eismeer, wo der Wind es zwischen gewaltige Eisblöcke trieb. Doch da es klein und leicht war, gelang es ihm – mit Hilfe und durch die Gunst der Götter gegenüber dieser tugendhaften Dame – sich so zu drehen und zu wenden zwischen diesen Klippen, als sei es von einem erfahrenen Lotsen und kundigen Seemann gesteuert. Aber ach! Die wenigen Männer, die sich darin befanden, wussten nicht, wohin sie fuhren, noch, was in einem so seltsamen Abenteuer zu tun sei, und da sie nicht für eine so kalte Reise gerüstet waren, erfroren sie allesamt; nur die junge Dame blieb am Leben – durch das Licht ihrer Schönheit, die Wärme ihrer Jugend und den Schutz der Götter. Es war auch kein Wunder, dass die Männer erfroren, denn sie wurden nicht nur bis an das äußerste Ende oder den Punkt des Pols jener Welt getrieben, sondern sogar bis zu einem anderen Pol einer anderen Welt, die dicht daran anschloss; sodass die Kälte an der Verbindung dieser beiden Pole eine doppelte Stärke hatte und unerträglich wurde. Schließlich wurde das Boot, immer weiter getrieben, in eine andere Welt gezwungen; denn es ist unmöglich, den Globus dieser Welt von Pol zu Pol zu umfahren, so wie wir es von Osten nach Westen tun; da die Pole der anderen Welt mit den Polen dieser zusammentreffen, lassen sie keinen weiteren Durchgang zu, um die Welt auf diese Weise zu umschiffen. Gelangt man zu einem dieser Pole, so bleibt einem nichts anderes übrig, als umzukehren oder in eine andere Welt einzutreten. Und damit ihr nicht daran zweifelt und denkt, dass in diesem Fall jene, die an den Polen leben, entweder zwei Sonnen auf einmal sehen müssten oder aber niemals für sechs Monate ganz ohne Sonnenlicht wären, wie man gewöhnlich glaubt: Ihr müsst wissen, dass jede dieser Welten ihre eigene Sonne hat, die sie erhellt, und dass jede ihre eigene Kreisbahn zieht. Diese Bewegung ist so genau und gleichmäßig, dass die eine die andere weder hindern noch stören kann; sie überschreiten ihre Tropen nicht. Und selbst wenn sie einander begegnen sollten, können wir es in dieser Welt kaum wahrnehmen, wegen der Helligkeit unserer Sonne, die uns näher ist und den Glanz der Sonne der anderen Welt verdeckt. Diese ist zu weit entfernt, um von unserem Sehvermögen erkannt zu werden, außer durch sehr gute Teleskope; und mit solchen haben geschickte Astronomen oft zwei oder drei Sonnen zugleich beobachtet." Ein wilder Anfang für eine Geschichte, die noch sehr viel wilder weitergeht. Eine junge Frau wird entführt, landet am Nordpol, ihre Entführer erfrieren und sie stellt dafür fest, dass der Nordpol das Portal in eine andere Welt ist und auf einmal sind wir mitten in einer himmelsmechanischen Rechtfertigung dafür, dass man von unserer Welt aus gesehen nichts von dieser anderen Welt mitbekommt. Wer denkt sich sowas aus? Und vor allem: Wie geht die Geschichte weiter? Das werden wir bald noch erfahren. Der Titel dieser Geschichte auf jeden Fall aber lautet: "The Description of a New World, Called The Blazing-World" oder auf deutsch: "Die Beschreibung einer neuen Welt, genannt die gleißende Welt", geschrieben von einer Frau namens Margaret Cavendish und zwar im Jahr 1666. Das war ein Jahr, in dem viel passiert ist. Ok, gut, das gilt für jedes Jahr in der Geschichte der Menschheit aber 1666 war aus wissenschaftlicher Sicht tatsächlich außergewöhnlich. In England ist damals die Pest ausgebrochen und ein junger Wissenschaftler namens Isaac Newton verlässt seine Universität und zieht sich aufs Land zurück. Dort macht er sich Gedanken über die Welt und aus diesen Gedanken entsteht das, was die moderne Naturwissenschaft bis heute prägt. 1666 war das Jahr, in dem Newton die Grundlagen für seine Gravitationstheorie entwickelt, für seine Theorien zur Optik, zur Infinitesimalrechnung in der Mathematik, und so weiter. Aber eigentlich soll es in dieser Folge ja nicht um Newton gehen, sondern um Margaret Cavendish. Ich habe Newton deswegen erwähnt, um zu zeigen, was man damals über die Welt gewusst hat und was nicht. Einerseits war das späte 17. Jahrhundert genau die Zeit, in der sich das entwickelt hat, was später zur modernen Physik, Astronomie, Biologie und so weiter geworden ist. Isaac Newton hat die Optik revolutioniert, neue Teleskope gebaut, einen Weg gefunden, um Phänomene in der Natur durch allgemeingültige mathematische Gesetze zu beschreiben, und so weiter. Andere, wie Robert Hooke haben frühe Mikroskope benutzt, um die unsichtbare Mikrowelt sichtbar zu machen. Überall haben Menschen angefangen, zu experimentieren, zu forschen und die Welt auf eine ganz neue Weise zu betrachten als vorher. Das bedeutet aber andererseits auch, dass man damals genaugenommen noch nicht viel von dem Wissen gehabt hat, das wir heute als "Naturwissenschaft" bezeichnen - es gab noch nicht mal das Wort "Naturwissenschaft", man hat das damals "Naturphilosophie" genannt. Alles stand damals zur Diskussion; alles konnte erforscht werden und alles wurde erforscht. Das ist die Welt, in der Margaret Cavendish ihr Buch über die gleißende Welt geschrieben hat. Man kann sie durchaus als eine der ersten Science-Fiction-Autorinnen der Welt betrachten und ebenso durchaus als Wissenschaftlerin. Ihren genauen Geburtstag kennen wir nicht, aber sie wurde im Jahr 1623 geboren. Ihr Vater war ein Adeliger und Margaret wurde als Teenagerin Hofdame von Königin Henrietta Maria. 1645 traf sie William Cavendish, den 1. Duke of Newcastle und wurde seine Frau. William war der Wissenschaft durchaus zugetan und traf sich regelmäßig mit Leuten wie René Descartes, dem Astronom Pierre Gassendi, dem Mathematiker Marin Mersenne, dem Philosophen Thomas Hobbes und anderen Intellektuellen der damaligen Zeit. Und Margaret war Teil dieser Gruppe, auch wenn sie als Kind selbst keine vernünftige Ausbildung erhalten hatte. Aber sie hat sich für die Welt interessiert, sich aus Büchern jede Menge Dinge selbst beigebracht und schon früh angefangen, eigene Ideen zu formulieren und aufzuschreiben. Ab 1650 fing sie an, ihre Gedanken auch zu veröffentlichen und das unter ihrem eigenen Namen. Was damals definitiv unüblich war, zumindest für Frauen, die - wenn sie überhaupt irgendwas veröffentlichen konnten - das meistens anonym getan haben. Cavendish schrieb Gedichte, Texte über Naturphilosophie, Theaterstücke, literarische Texte und hatte auch keine Hemmungen, alles zu vermischen. Zum Beispiel in ihrem Gedicht "A Worlde made by Atomes" aus dem Jahr 1653: "SMall Atomes of themselves a World may make, As being subtle, and of every shape: And as they dance about, fit places finde, Such Formes as best agree, make every kinde." Das Gedicht geht noch weiter und Cavendish hat noch einen ganzen Schwung weiterer Atom-Gedichte geschrieben, die quasi eine ganze Atomtheorie enthalten. Über das, was sich Cavendish über Atome gedacht hat; wo sie mit den Physikern ihrer Zeit übereinstimmte und vor allem wo sich ihre Theorie davon unterschieden hat: Darüber könnte man fast eine eigene Podcastfolge machen. Aber wir wollen ja wissen, wie es mit der "Gleißende Welt" weitergeht. Es geht vor allem mal sehr lange weiter: "Die gleißende Welt" ist keine Kurzgeschichte, sondern ein ganzer Roman, den ich deswegen hier auch nicht komplett nacherzählen kann. Die namenlose Frau, die entführt und am Nordpol gelandet ist, gelangt von dort auf jeden Fall in eine andere Welt. Dort leben seltsame Wesen; die alle von ihrem Aussehen nach halb Mensch und halb Tier sind. Es gibt Vogel-Menschen und Bären-Menschen und Wurm-Menschen, und so weiter. Und es gibt einen Kaiser, der sich spontan in die Heldin verliebt, sie heiratet und sie zur Kaiserin macht. Und die frischgebackene Kaiserin lässt erstmal all die unterschiedlichen Wesen antanzen, um sich diese neue Welt zu erklären zu lassen. Die Vogel-Menschen sind die, die sich mit Astronomie auskennen und sie erklären, dass die Sonne der gleißenden Welt vermutlich ein sehr großer, leuchtender Stein ist. Ob der Stein leuchtet, weil er heiß ist oder ob er leuchtet, weil er Licht von irgendwo her reflektiert: Darüber ist man sich noch uneins. Klar ist aber, dass es neben Sonne und dem Mond in dieser Welt keine Sterne gibt. Es gibt nur "Blazing Stars", sowas ähnliches wie Kometen, die aber still am Himmel stehen und manchmal einen Schweif haben, manchmal nicht und generell alle möglichen Formen haben. Und weil es dort am Himmel nur "Blazing Stars" gibt, wird die Welt auch die "Blazing World" genannt. Man ist sich in der Blazing World generell ein wenig uneins, was die Erklärung der diversen Naturphänomene angeht. Die Kaiserin fragt die Vogelmenschen auch nach der Entstehung von Donner und Blitz und die einen sagen, dass es sich dabei um etwas handelt, wenn in den Wolken Kälte und Hitze aufeinander treffen. Die anderen waren der Meinung, der Donner entsteht, wenn sich in der Luft ein enormer "Blaz" bildet, ohne aber erklären zu können, was so ein "Blaz" eigentlich sein soll. Also schickt die Kaiserin die Bären-Menschen los, denn die sind in dieser Welt die Experimental-Philosophen, also die, die Instrumente wie Teleskope oder Mikroskope benutzen, um die Welt zu verstehen. Aber auch das funktioniert eher suboptimal. Die Beobachtungen der Bären-Menschen sind mehr verwirrend als hilfreich. Ein paar zum Beispiel sagen, ihre Beobachtungen zeigen, dass die Sonne stillsteht und die Erde sich um sie herum bewegt, ein paar sagen genau das Gegenteil und ein paar sagen, dass sich alle beide bewegen. Ebenso uneins ist man sich bei der Beobachtung des Mondes und der Blazing Stars. Die Kaiserin ist unzufrieden mit dieser Arbeit und befiehlt, die Teleskope zu zerstören, weil sie anscheinend nur falsche Informationen liefern anstatt der Wahrheit. Was die Bären-Menschen natürlich blöd finden, und am Ende dürfen sie ihre Instrumente behalten, müssen aber versprechen, ihren Streit nur innerhalb ihrer Schulen zu führen und den Rest der Welt damit nicht zu belästigen. Die Kaiserin lässt sich von den anderen Wesen das Innere der Erde erklären, die Meere, und so weiter. Und sie hat politische Ambitionen, will die neue Welt unter einer Religion vereinen und sucht dazu Hilfe in der Welt der Geister - die es dort auch gibt. Die Geister raten ihr, einen Geist aus einer ganz anderen Welt in die Blazing World zu bringen, denn dieser Geist wäre super geeignet, alles über die neue Religion aufzuschreiben und zu sortieren. Dieser externe Geist ist aber niemand anderes als die Duchess of Newcastle, also quasi die Autorin selbst. Kaiserin und Duchess freunden sich schnell an; sie reisen auch gemeinsam in die Welt der Duchess um dort dem König bei einem großen Krieg zu helfen und es passiert noch jede Menge anderes absurdes Zeug. Am Ende stellt die Duchess fest, dass sie auch gerne eine eigene Welt hätte, über die sie herrschen kann, so wie die Kaiserin. Und es gibt zwar jede Menge Welten, unendlich viele, die alle über die jeweiligen Pole verbunden sind. Aber leider ist jede davon schon beherrscht und bewohnt - als beschließt die Duchess, sich ihre Welt in sich selbst zu erschaffen. Sie probiert dabei verschiedene Ansätze aus, mal so wie Aristoteles die Welt beschrieben hat, mal so wie der Philosoph Thomas Hobbes, und so weiter. Aber nichts funktioniert so wirklich und nichts passt ihr. Also erfindet sie einfach selbst eine Welt. Cavendish schreibt: "Und als diese Welt erschaffen war, erschien sie so kunstvoll und voller Vielfalt, so gut geordnet und weise regiert, dass es unmöglich ist, sie mit Worten auszudrücken – ebenso wenig wie die Freude und das Vergnügen, welche die Herzogin bei der Erschaffung dieser ihrer eigenen Welt empfand." und man kann das durchaus auch als Beschreibung ihrer eigenen, realen wissenschaftlichen Arbeit interpretieren. "Die gleißende Welt" ist ein verwirrendes Werk. Es ist voll mit wissenschaftlichen Gedanken und voller Fiktion und damit durchaus das, was wir heute "Science Fiction" nennen. Cavendish baut ihre eigenen Vorstellungen über den Aufbau der Welt ein, gibt aber auch gleichzeitig die wissenschaftlichen Kontroversen ihrer Zeit wieder. Es ist aber auch ein Buch, in dem über politische und philosophische Konzepte diskutiert wird und vor allem ein Buch, in dem es zwei Frauen sind, die die Welt führen, gestalten und am Ende sogar erschaffen. "Die gleißende Welt" ist also nicht nur ein frühes Werk der Science Fiction, sondern auch ein früher feministischer Text. Margaret Cavendish hat die Wissenschaft nicht revolutioniert; was unter anderem auch daran gelegen hat, dass sie die Wahrnehmung der Sinne immer über die mit Instrumenten gewonnenen Erkenntnisse gestellt hat. Sie hielt Teleskope, Mikroskope, und so weiter für unzuverlässig und die daraus gewonnenen Daten für nicht objektiv, wie es ja auch die Bären-Menschen aus der gleißenden Welt demonstriert haben. Aber Cavendish war eine Frau, die sich auf eine Art Gedanken über die Welt gemacht hat, die - zumindest nach damaligen Maßstäben - definitiv wissenschaftlich waren. Und sie war im Jahr 1667 auch nicht unverdient die erste Frau, die in die Royal Society eingeladen wurde, um dort mit den wissenschaftlichen Größen des 17. Jahrhunderts zu diskutieren. Margaret Cavendish ist am 15. Dezember 1673 gestorben, im Alter von 50 Jahren. Und am besten beende ich diese Folge mit dem, was sie in der Einleitung zu "Die gleißende Welt" geschrieben hat: "Auch wenn ich weder Heinrich der Fünfte noch Karl der Zweite sein kann, so will ich doch versuchen, Margareta die Erste zu sein. Und obwohl ich weder Macht, Zeit noch Gelegenheit habe, eine große Eroberin zu sein wie Alexander oder Cäsar, so will ich doch, eher als auf die Herrschaft über eine Welt zu verzichten – da mir Fortuna und die Schicksalsmächte keine verliehen haben – mir meine eigene erschaffen."
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Sep 12, 2025 • 12min

Sternengeschichten Folge 668: Kathryn's Wheel: Das Feuerwerk der galaktischen Kollisionen

Ein Ring aus Sternen Sternengeschichten Folge 668: Kathryn's Wheel: Das Feuerwerk der galaktischen Kollisionen Ein leuchtender Ring aus Sternen mit einem Durchmesser von knapp 20.000 Lichtjahren. Wer mit einem ausreichenden starken Teleskop - und es muss ein wirklich starkes Teleskop sein! - am Himmel der südlichen Hemisphäre in Richtung des Sternbilds Altar schaut, kann dort diese beeindruckende Struktur beobachten. Sie befindet sich gut 30 Millionen Lichtjahre entfernt, was definitiv weit weg ist. Trotzdem ist Kathryn's Wheel das uns am nächsten gelegene Beispiel für die selten auftretenden Ringgalaxien. Von Galaxien habe ich schon oft erzählt und auch von ihren unterschiedlichen Formen. Es gibt Spiralgalaxien, wie unsere Milchstraße, die im Wesentlichen aus einer große Scheibe bestehen, in der die Sterne spiralförmig angeordnet sind. Und es gibt elliptische Galaxien, eigentlich nur große, mehr oder weniger abgeplattete Kugeln aus Sternen. Und dann gibt es natürlich auch noch alle möglichen Arten von unregelmäßig geformten Galaxien und in sehr vielen Fällen ist ihre unregelmäßige Form das Resultat von galaktischen Kollisionen. Eine Ringgalaxie ist ein Sonderfall. Der Name beschreibt die Form äußerst treffend: In so einer Galaxie findet man einen hellen Ring aus jungen, meist bläulich leuchtenden Sternen, der ein dunkleres Zentrum umgibt. Wir kennen nicht viele dieser Objekte, aber die, die wir kennen, sind immer spektakulär. Zum Beispiel die Wagenradgalaxie, die sich 500 Millionen Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbilds Bildhauer befindet. Sie sieht tatsächlich wie das Rad eines Wagens oder eines Fahrrads aus. Ein heller, blauer Ring aus Sternen mit einem Durchmesser von 150.000 Lichtjahren, mit schwach leuchtenden "Speichen", die ins Zentrum des Rings führen in dem sich eine rötlich, hell leuchtende kugelförmige Struktur aus Sternen befindet. Genau so eine Ringgalaxie haben Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Quentin Parker und Albert Zijlstra vom Australischen Astronomischen Observatorium im Jahr 2015 entdeckt. Oder besser gesagt: Die grundlegenden Daten sind eigentlich schon im Jahr 2005 gesammelt worden. Damals hat ein anderes Team, ebenfalls unter der Leitung von Quentin Parker einen großen Teil des Himmels im H-Alpha-Licht kartografiert. So bezeichnet man rotes Licht mit einer Wellenlänge von 656,28 Nanometern und man hat dieser Wellenlänge deswegen einen eigenen Namen gegeben, weil es nicht einfach irgendeine Wellenlänge ist. Es ist das Licht, das Wasserstoffatome aussenden, wenn sie auf eine spezielle Weise angeregt werden. Die Details sind jetzt nicht wichtig, die hebe ich mir für eine eigene Folge zur H-Alpha-Astronomie auf. Wichtig ist jetzt nur: Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum und wenn man die Strahlung aus dem All durch einen Filter schickt, der nur das H-Alpha-Licht durchlässt, kann man sehr viele Phänomene sehr viel besser untersuchen, als wenn man einfach alles Licht auf einmal betrachtet. Damals, im Jahr 2005, war man eigentlich an planetarischen Nebeln interessiert, also den kosmischen Wolken, die von Sternen am Ende ihres Lebens erzeugt werden, wenn sie Teile ihrer atmosphärischen Schichten hinaus ins All abstoßen. Aber die Beobachtungen waren gut genug, um auch Objekte zu sehen, die weiter weg waren. Man wusste auch 2005 schon, dass sich in dieser Region am Himmel eine ferne Galaxie befindet; das hat man schon in entsprechenden Katalogisierungsbeobachten aus dem Jahr 1974 gewusst. Aber es gibt halt viele Galaxien im Universum und man kann sich nicht jede davon im Detail ansehen. Das Objekt mit der offiziellen Bezeichnung ESO 179-13 ist also zwar immer wieder mal untersucht worden, aber die Galaxie war nie besonders wichtig in der Forschung. Vor 2005 wusste man, dass da eine Galaxie ist und dass diese Galaxie eigentlich aus zwei Galaxien besteht, die gerade dabei sind, irgendwas miteinander anzustellen. Sie sind einander nahe genug, dass sie sich gegenseitig durch ihr Gravitationskraft beeinflussen können. Man wusste, dass es sich um eher kleine Galaxien handelt, vergleichbar mit den Magellanschen Wolken, also den Zwerggalaxien, die zu den Satellitengalaxien der Milchstraße gehören. Man wusste, dass die Galaxien mit einem Abstand von circa 30 Millionen Lichtjahren vergleichsweise nahe sind, aber sie liegen von uns aus gesehen genau in der Richtung in der sich auch die meisten Sterne der Milchstraße befinden. Oder anders gesagt: Wenn man diese beiden wechselwirkenden Galaxien beobachten will, stehen einem die viel heller leuchtenden Sterne unserer eigenen Galaxie im Weg. Dann kamen die Beobachtungen im H-Alpha-Licht aus dem Jahr 2005 und die haben die Sache klarer gemacht. Das Licht des Wasserstoffs hat gezeigt, dass es bei diesen Galaxien Regionen gibt, in denen gerade viele Sterne entstehen müssen, denn das sind genau die Bereiche, die besonders gut im H-Alpha-Licht sichtbar sind. In den Jahren danach wurden mehr Daten mit anderen Teleskopen gesammelt; die Daten wurden kombiniert, gefiltert, und so weiter und am Ende stand das, was Quentin Parker und Albert Zijlstra in der Arbeit aus dem Jahr 2015 verkündet haben: Bei ESO 179-13 handelt es sich nicht einfach nur um zwei kleine Galaxien, die gerade miteinander wechselwirken. Es handelt sich um eine Ringgalaxie und noch dazu eine Ringgalaxie, die uns - nach allem was wir bis dahin wussten - am nächsten von allen bekannten Ringgalaxien liegt. Warum das wichtig ist, klären wir gleich noch, aber es ist auf jeden Fall wichtig genug, dass die Astronominnen und Astronomen das Ding nicht mehr einfach nur ESO 179-13 nennen wollten. Sie haben es "Kathryn's Wheel" genannt. Einerseits, weil dieser leuchtende Ring aus Sternen so aussieht, wie das Feuerwerk, das wir auf deutsch "Feurrad" nennen und das auf englisch als "Catherine Wheel" bezeichnet wird. Und andererseits weil die Ehefrau von Albert Zijlstra ebenfalls "Kathryn" heißt und er ihr damit eine Freude machen wollte. Also: Seit 2015 wissen wir, dass sich in 30 Millionen Lichtjahren Entfernung von der Erde eine Ringgalaxie befindet. Sie besteht aus einem Ring, der hell leuchtet und in dem jede Menge junge Sterne erst vor kurzer Zeit entstanden sein müssen. Im Zentrum des Rings erkennt man eine schwach leuchtende, kleine Galaxie, ähnlich der großen Magellanschen Wolke. Und die war quasi die "Kugel", die mit ihrem Treffer den Sternenring erzeugt hat. Der Prozess läuft circa so ab: Zuerst ist da eine Spiralgalaxie, die friedlich ihrer Wege durchs Universum geht. Bis dann auf einmal eine andere Galaxie ankommt und alles durcheinander bringt. So wird es ja auch bei uns sein: Die Milchstraße, eine große Spiralagalaxie, ist gerade dabei mit der Andromedagalaxie zu verschmelzen. Beide Galaxien bewegen sich aufeinander zu und in ein paar Milliarden Jahren werden sie eine gemeinsame Galaxie bilden. Bis dahin werden sie vielleicht noch ein paar Mal aneinander vorbei fliegen, einander wieder anziehen, sich annähern, sich vielleicht auch das eine oder andere Mal durchdringen, und so weiter. All das wird für jede Menge Aufruhr sorgen, die Galaxien werden sich dabei verformen, die Spiralarme werden sich auflösen oder noch weiter verwickeln - kurz gesagt: Es wird all das passieren, was passiert, wenn zwei Galaxien miteinander wechselwirken und wir können solche Prozesse überall im Universum beobachten. Bei der Entstehung einer Ringgalaxie passiert all das auch, aber auf eine sehr spezielle Weise. Die eine Galaxie trifft dabei genau auf das Zentrum der anderen Galaxie. Ungefähr so wie wenn man einen Dartpfeil genau ins Bulls Eye einer Dartscheibe wirft, nur dass das Bulls Eye hier das Zentrum der Galaxie ist und der Dartpfeil eben die andere Galaxie. Das Zentralgebiet einer Galaxie ist aber sowieso schon der Bereich, wo sich die meisten Sterne befinden und das daher eine besonders große Gravitationswirkung auf die weiter außen liegenden Sterne ausübt. Wenn da jetzt noch eine zweite Galaxie ihre gesamte Masse ins Zentrum der ersten verlagert, hat das weitreichende Folge. Sterne und vor allem auch das interstellare Gas zwischen den Sternen wird aus den äußeren Regionen der Zielscheiben-Galaxie in Richtung Zentrum gezogen. Allerdings nur so lange, bis die Dartpfeil-Galaxie die Zielscheibengalaxie durchdrungen und auf der anderen Seite wieder verlassen hat. Dann bewegen sich Sterne und Gas wieder zurück. Diese spezielle Art der Bewegung von Sternen und Gas sorgt dafür, dass eine sich vom Zentrum weg bewegende "Verdichtungswelle" entsteht. Oder anders gesagt: Wenn eine Galaxie genau durch das Zentrum einer anderen Galaxie fliegt und wenn sie das schnell genug macht, entstehen dabei Gravitationskräfte, die dazu führen, dass interstellares Gas in einem Ring um das Zentrum der durchdrungenen Galaxie komprimiert wird. Und wenn man interstellares Gas verdichtet, dann entstehen daraus Sterne. Wir kriegen also jede Menge junge Sterne, die einen Ring bilden, der hell leuchtet, weil junge Sterne dazu neigen, sehr hell zu leuchten. So einen Ring gibt es aber wirklich nur, wenn die Galaxie von der anderen zentral getroffen wird, wenn die Dartpfeil-Galaxie nicht zu groß ist und wenn sie sich ausreichend schnell bewegt. Das passiert nicht so oft und deswegen sind Ringgalaxien sehr seltene Objekte. Allein deswegen ist es schon aufregend, wenn man, wie im Fall von Kathryn's Wheel ein neues Objekt dieser Art entdeckt. Und wenn es dann auch noch die uns am nächsten gelegene Ringgalaxie ist: Um so besser. Denn Kathryn's Wheel ist nicht nur sehr nahe, es handelt sich um eine sehr kleine Ringgalaxie. Die bei ihrer Entstehung beteiligten Objekte waren Zwerggalaxien und der Ring selbst hat auch nicht viel Masse. Er besteht aus nur gut einer Milliarde Sterne, das ist quasi nichts im Vergleich zu den über 100 Milliarden Sternen, die zum Beispiel unsere Milchstraße bilden. Wenn aber auch kleine Galaxien Ringe bilden können, dann könnten Ringgalaxien vielleicht häufiger sein, als wir bisher gedacht haben, weil kleine Galaxien viel häufiger sind als die großen. Und dass wir sie bis jetzt trotzdem nicht so oft beobachtet haben, liegt einerseits daran, dass man kleine Galaxien schlechter beobachten kann als die großen, die heller leuchten. Und andererseits vielleicht auch daran, dass wir noch nicht so genau wissen, wonach wir da suchen müssen und wie man die Objekte genau erkennt. Selbst bei Kathryn's Wheel hat es ja gut 10 Jahre gedauert, bis genug Daten beisammen waren, um am Ende den Ring aus Sternen sichtbar zu machen. Aber jetzt wo wir diese nahe Ringgalaxie entdeckt haben, können wir sie im Detail erforschen und besser erforschen, als die weiter entfernten, großen Ringgalaxien wie die Wagenradgalaxie. Und am Ende finden wir vielleicht noch mehr dieser spektakulären Feuerwerke aus leuchtenden Sternenringen im Universum.
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Sep 5, 2025 • 10min

Sternengeschichten Folge 667: Die Hyaden

Weinende Schwestern und leuchtende Sterne Sternengeschichten Folge 667: Die Hyaden Das Sternbild des Stiers kann man in Mitteleuropa von September an den ganzen Winter bis weit in den Frühling hinein am Himmel stehen sehen. Besonders markant ist dort nicht nur der sehr helle Stern Aldebaran, von dem ich schon in Folge 475 ausführlich erzählt habe, sondern die ganze Region, die wir als Kopf des Stiers interpretieren. Direkt neben Aldebaran erkennen wir eine V-förmige Struktur aus Sternen, die alle zu den Hyaden gehören. So nennt man einen Sternhaufen, der schon seit der Antike bekannt ist und bis heute neue wissenschaftliche Informationen liefert. Der Name leitet sich vom griechischen Wort "hyein" ab, was so viel bedeudet wie "es regnen lassen" und früher hat man die Hyaden auch als das "Regengestirn" bezeichnet. Tatsächlich hat man die Hyaden im antiken Griechenland mit Regen verknüpft: Wenn die Sterne der Hyaden direkt bei Sonnenaufgang über dem Horizont erscheinen (oder direkt bei Sonnenuntergang wieder hinter dem Horizont verschwinden), dann sollte das Zeiten im Jahr ankündigen, in denen es besonders oft regnet. Passend zu dieser Beobachtung hat man auch den Namen und den zugehörigen Mythos entwickelt. Die Hyaden waren die Töchter des Titanen Atlas und Schwestern von dessen Sohn Hyas. Als dieser Hyas einmal in Lybien unterwegs auf der Jagd war, ist er von einem Löwen getötet worden. Oder einer Schlange. Oder einem Wildschwein. Da ist sich die Mythologie nicht ganz einig. Auf jeden Fall war Hyas tot und seine Schwestern extrem traurig. Sie weinten und weinten und konnten gar nicht mehr aufhören zu weinen. Die Götter hatten Mitleid mit ihnen und versetzen sie als Sterne an den Himmel. Wieso das bei der Trauer helfen soll, bleibt zwar unklar, aber auf jeden Fall haben wir seitdem den Sternhaufen der Hyaden und dass die Schwestern des Hyas als Sterne nicht wirklich glücklicher geworden sind, merkt man auch daran, dass ihre Tränen immer noch zur Erde fallen, jedesmal wenn es regnet. Das sagt zumindest der Mythos und was er uns nicht sagt, ist übrigens die Anzahl der Hyaden. Mal sind es fünf Schwestern, mal sieben, mal drei und mal fünfzehn. Also lassen wir die Mythologie sein und widmen uns der Wissenschaft. Die sagt uns, dass der Sternhaufen der Hyaden aus circa 350 Sternen besteht. Alle befinden sich circa 150 Lichtjahre von der Erde entfernt und der ganze Haufen hat einen Durchmesser von 9 bis 10 Lichtjahren. Oder genauer gesagt: Der innerste, dichte Teil des Haufens hat diesen Durchmesser. Es gibt auch noch einen Haufen Sterne, die weiter entfernt sind, bis zu einer Entfernung von ungefähr 33 Lichtjahren. Da fängt dann die Gravitationskraft der restlichen Sterne in der Milchstraße an, stärker zu werden als die Gravitationskraft der Sterne im Hyaden-Haufen oder anders gesagt: Ab dieser Distanz kann der Haufen nicht mehr durch seine eigene Gravitationskraft zusammenhalten. Wir kennen aber auch eine Menge Sterne der Hyaden, die sich außerhalb dieser Grenze von 33 Lichtjahren befinden - das sind Sterne, die gerade dabei sind, sich vom Haufen zu lösen. Was mit den Hyaden in Zukunft passieren wird, schauen wir uns dann später noch an, zuerst geht es aber in die Vergangenheit. Das Alter der Hyaden liegt bei ungefähr 600 Millionen Jahren. Damit sind sie ein bisschen älter als der Sternhaufen der Plejaden, der ja quasi gleich nebenan im Sternbild Stier liegt. Und jetzt fragt sich vielleicht der eine oder die andere: Wie bestimmt man eigentlich das Alter von so einem Sternhaufen? Dazu muss man sich zuerst einmal darüber im Klaren sein, dass Sterne nie allein entstehen, sondern immer in Sternhaufen. Die meisten dieser Haufen lösen sich aus unterschiedlichsten Gründen schnell auf, meistens in weniger als 50 Millionen Jahren. So war es auch bei unserer Sonne: Auch sie ist vor 4,5 Milliarden Jahren gemeinsam mit ein paar hundert bis 1000 anderen Sternen entstanden, aber die sind im Laufe der Zeit alle ihrer eigenen Wege gegangen. Wie schnell sich so ein Haufen auflöst, hängt zum Beispiel davon ab, wie nahe die Sterne nach der Geburt beieinander sind und wie stark deswegen die Gravitationskraft ist, die sie zusammenhält. Oder davon, wie weit der Haufen vom galaktischen Zentrum entfernt ist. Die dichte Zentralregion der Milchstraße übt ja eine besonders starke Gravitationskraft aus, die so einen Haufen auch besonders gut zerreißen kann. Die Hyaden sind offensichtlich als ein Haufen entstanden, der dicht genug und weit genug vom galaktischen Zentrum entfernt war, so dass er bis heute als Haufen überleben hat können. Aber auch er wird sich irgendwann auflösen. Einerseits, weil sich viele Sterne früher oder später doch vom Haufen lösen. Diesen Prozess nennt man "Evaporation" und es läuft circa so: In so einem Haufen sind die Sterne einander viel näher als es Sterne normalerweise sind. Es kommt daher auch immer wieder mal zu nahen Begegnungen zwischen zwei Sternen. Dabei kann Bewegungsenergie von einem Stern auf den anderen übertragen werden. Der ganze Vorgang ist naturgemäß komplex, aber es läuft darauf hinaus, dass Sterne mit mehr Masse immer näher an das Zentrum des Haufens rücken und leichtere Sterne weiter nach außen, wo sie sich dann irgendwann komplett vom Haufen lösen. Andererseits leben Sterne ja auch nicht ewig, und diese Information ist relevant, wenn wir das Alter eines Sternhaufens bestimmen wollen. Wir gehen dazu zuerst einmal davon aus, dass alle Sterne der Hyaden mehr oder weniger zur selben Zeit entstanden sind. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass die Sterne nach ihrer Geburt alle einander ähnlich waren. Ganz im Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass alle Variationen von Sternen entstanden sind. Massereiche Sterne, massearme Sterne und alles dazwischen. Und wir wissen ja auch, dass die Lebensdauer eines Sterns von der Masse abhängt: Je mehr Masse ein Stern hat, desto heißer ist er und desto schneller hat er den Wasserstoff in seinem Inneren durch Kernfusion verbrannt. Massereiche Sternen leben nur ein paar Dutzend Millionen Jahre, massearme Sterne können Milliarden bis Billionen Jahre durchhalten. Wir können jetzt also von allen Sternen der Hyaden die Masse und die Helligkeit bestimmen. Beziehungsweise die Temperatur und die Helligkeit, was ja aufs gleiche rauskommt. Das tragen wir in ein Diagramm ein und kriegen das, was ich vor langer Zeit in Folge 6 der Sternengeschichten erzählt habe: Ein sogenanntes Hertzsprung-Russell-Diagramm der Hyaden. Normalerweise sehen wir in so einem Diagramm, wie sich die Sterne entlang einer Linie anordnen, die von hellen und heißen Sternen diagonal nach unten zu den dunklen und kühlen Sternen führt. Bei den Hyaden wird man aber sehen, dass diese Linie am oberen Ende quasi abgeschnitten ist. Die hellen und heißen Sterne fehlen im Diagramm und sie fehlen deswegen, weil sie ihr Leben schon beendet haben. Die ganz hellen und ganz heißen verschwinden zuerst, dann die ein bisschen weniger hellen und heißen, und so weiter. Die Sterne eines Haufens entstehen zwar alle gemeinsam. Aber weil die Lebensdauer eines Sterns direkt mit der Masse, also der Helligkeit und der Temperatur zusammenhängt, verschwinden sie, schön nach Masse geordnet, der Reihe nach. Wir müssen also nur noch nachschauen, wie groß die Masse der massereichsten noch existierenden Sterne in den Hyaden ist und können daraus berechnen, wie viel Zeit seit seiner Entstehung vergangen sein muss, damit die anderen alle verschwinden konnten. Im Fall der Hyaden sehen wir, dass die aktuell dort noch vorhandenen massereichsten Sterne circa 2,3 mal so schwer sind wie die Sonne was auf ein Alter von um die 600 Millionen Jahre hindeutet. Und ein paar hundert Millionen Jahre lang wird es den Haufen auch noch geben. Dann werden die schwereren Sterne ihr Leben beendet haben und die leichteren aus dem Haufen evaporiert sein. Am Ende bleiben vielleicht noch ein paar Dutzend Sterne übrig, die der endgültigen Auflösung des Haufens noch ein bisschen länger wiederstehen können. An unserem Himmel werden die Hyaden dagegen schon etwas früher aufhören, der prominente und beeindruckende Anblick zu sein, der sie derzeit sind. Die Sterne der Hyaden bewegen sich natürlich alle durch die Milchstraße, sie tun es aber alle zusammen in die selbe Richtung mit mehr oder weniger der selben Geschwindigkeit. Von der Erde aus beobachtet bewegen sie sich auf einen Punkt zu, der ein Stückchen östlich des hell leuchtenden Sterns Beteigeuze im Sternbild Orion liegt. Aus unserer Sicht entfernt sich der Haufen also, und schrumpft dadurch auch scheinbar. Was jetzt noch eine ausgedehnte, markante Sterngruppe im Kopf des Stiers ist, wird in ein paar Dutzend Millionen Jahren ein eng gedrängter Lichtfleck über der Schulter des Orion sein. Aber noch können wir die Hyaden in Ruhe betrachten. Sowohl mit unseren eigenen Augen am Nachthimmel, als auch mit wissenschaftlichen Instrumenten. Weil die Hyaden uns vergleichsweise nahe sind, sind sie ein wunderbarer Ort, um die Entwicklung von Sternen im Detail beobachten zu können und noch dazu eines ganzen Haufens an Sterne, die alle gemeinsam entstanden sind. Sie werden uns noch lange Zeit wissenschaftliche Daten liefern. Und noch viel länger wird uns ihr Anblick am Nachthimmel Freude bereiten - zumindest wenn wir ignorieren, dass es sich dabei laut griechischen Mythen um einen Haufen weinender Schwestern handelt.
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Aug 29, 2025 • 16min

Sternengeschichten Folge 666: Die Achse des Bösen

Sind wir doch der Mittelpunkt des Universums? Sternengeschichten Folge 666: Die Achse des Bösen In dieser Folge geht es um die "Achse des Bösen". Und damit ist nicht der Begriff gemeint, den der damalige US-Präsident George Bush im Jahr 2002 benutzt hat, um Länder wie Nordkorea, Iran und Irak zu beschreiben, die er beschuldigt hat, Terrorismus zu unterstützen. In dieser Folge geht es nicht um Politik, sondern um Kosmologie. Es geht um die Eigenschaften des gesamten Universums und um ein Phänomen, dass zwar nicht wirklich "böse" ist, aber dass man zumindest als "Bedrohung" für unser derzeitiges Verständnis des Universums betrachten kann. Um zu verstehen, was mit der "Achse des Bösen" gemeint ist; um welche "Achse" es geht und warum sie "böse" sein soll, müssen wir aber zuerst ein wenig ausholen und bei der kosmischen Hintergrundstrahlung beginnen. Davon habe ich hier ja schon oft erzählt, aber weil es zentral ist für diese Geschichte, erzähle ich das wichtigste nochmal. Es geht um das, was ungefähr 400.000 Jahre nach dem Urknall passiert ist. Bis dahin war das junge Universum dicht mit Materie gefüllt, es gab aber noch keine Atome im heutigen Sinn. Sondern nur die Atomkerne; die Elektronen, die normalerweise die Hülle der Atome bilden, sind noch frei durch die Gegend gesaust. Es war noch zu heiß im Universum, als dass sich Atomkerne und Elektronen aneinander binden hätten können. Dadurch konnte sich aber auch das Licht nicht ausbreiten. Das Universum war auch voll mit jeder Menge Energie in Form von Lichtteilchen, die aber bei ihrem Weg ständig von den Elektronen aufgehalten worden sind. Das ganze Universum war damals ein wenig wie ein trüber, nebliger Tag an dem man nichts sieht, nur eben sehr, sehr viel heißer als ein trüber nebliger Tag. Aber dann, 400.000 Jahre nach dem Urknall, war das Universum weit genug abgekühlt, die Elektronen haben sich an die Atomkerne gebunden, der Weg war frei für die Photonen, die sich jetzt in alle Richtungen ausbreiten konnte. Von jedem Punkt im Universum hat sich damals also Strahlung in jede Richtung aufgemacht. Bis heute hat sich das Universum dann natürlich immer weiter ausgedehnt und abgekühlt, die Strahlung von damals ist aber immer noch unterwegs. Wir hier auf der Erde können heute den Teil davon beobachten, der gerade jetzt erst aus den fernen Ecken des Universums bei uns ankommt. Diese Strahlung kommt von jedem Punkt des Himmels zu uns und deswegen nennt man sie "Hintergrundstrahlung". Könnten wir sie mit unseren Augen sehen, dann würden wir sehen, dass der ganze Himmel ständig gleichmäßig schwach leuchtet. Aber unsere Augen können die Hintergrundstrahlung nicht wahrnehmen, es handelt sich um langwellige Mikrowellenstrahlung, die wir nur mit speziellen Teleskopen beobachten können. Der zentrale Punkt, um den es hier geht, ist aber die Tatsache, dass die kosmische Hintergrundstrahlung mehr oder weniger gleichmäßig aussehen sollte. Wenn wir den Himmel beobachten und die Intensität dieser Strahlung messen, dann sehen wir quasi wie das Universum damals, kurz nach dem Urknall ausgesehen hat. Und damals gab es keine Galaxien, keine Galaxienhaufen, usw - es gab nichts, außer Elektronen, Atomkernen und Energie und alles war gleich im Raum verteilt. Da war keine Hälfte des jungen Universums die leer war, weil sich alles in der anderen Hälfte gedrängt hat. Warum hätte das auch so sein sollen? Es gibt keinen Bereich des Universums, der sich irgendwie fundamental von allen anderen Orten unterscheidet. Die Bedingungen sind überall die selben und es gibt keine "besonderen" Plätze im Kosmos. Das nennt man in der Wissenschaft das "kopernikanische Prinzip" und es ist eines der zentralen Elemente bei unserer Beschreibung des Universums. Und sicherheitshalber sage ich noch einmal dazu: Das gilt, wenn wir das Universum im großen Maßstab betrachten. Natürlich ist unsere Erde ein "besonderer" Platz, zumindest insofern, als sie sich deutlich und dramatisch zum Beispiel vom Mars, der Venus oder dem leeren Weltraum unterscheidet. Unser Sonnensystem ist ein besonderer Platz, weil es sich von Sternen unterscheidet, die nicht von Planeten umkreist werden. Und so weiter: Es geht aber nicht darum, sondern um das große Ganze. Egal wohin wir im Universum schauen, wir sehen Galaxien voller Sterne, die sich in Galaxienhaufen anordnen. Es sind immer andere Galaxien mit anderen Sternen, aber im Grunde ist es immer das selbe. Ein Ecke des Universums sieht aus wie jede andere Ecke des Universums. So ist es heute und so muss es auch damals gewesen sein, 400.000 Jahre nach dem Urknall. Es gab keinen Bereich in dem sich sehr viel mehr Lichtteilchen rumgetrieben haben als anderswo. Und deswegen kann es auch heute keinen Bereich am Himmel geben, aus dem sehr viel mehr Hintergrundstrahlung zu uns kommt als von anderswo. Die Hintergrundstrahlung ist gleichmäßig, weil es im Universum keinen besonderen Ort gibt. Und nachdem ich das jetzt alles erklärt habe, müssen wir uns als nächstes mit den Variationen in der Hintergrundstrahlung beschäftigen. Ja, ich weiß, ich habe gerade gesagt, dass es so etwas nicht geben sollte. Aber auch hier geht es um die Details und nicht das große Bild. Im Großen und Ganzen erreicht uns aus jeder Richtung des Himmels Hintergrundstrahlung mit der selben Intensität. Aber es gibt winzige Variationen, weil die Materie nach dem Urknall nicht absolut komplett gleichmäßig verteilt sein hat können. Es muss Regionen mit ein klein wenig mehr Materie gegeben haben und Regionen mit ein bisschen weniger. Die dichteren Bereichen haben im Laufe der Zeit eine größere Gravitationskraft ausgeübt, noch mehr Materie angezogen und so haben sich dann Strukturen wie Galaxienhaufen usw bilden können. Ansonsten wäre das Universum auch heute noch komplett gleichmäßig mit Teilchen angefüllt und es gäbe keine Sterne, keine Planeten und auch uns nicht. Es muss also kleinste Variationen in der Verteilung der ursprünglichen Materie gegeben haben und die führen - aus Gründen auf die ich im Detail jetzt nicht eingehen will - dazu, dass auch die Intensität der Hintergrundstrahlung leicht variabel ist. Man spricht in der Kosmologie von der "Temperatur" der Hintergrundstrahlung; das bedeutet also, je nachdem an welchen Punkt des Himmels wir blicken, ist es dort ein kleines bisschen wärmer oder kälter. Die Variation in der Hintergrundstrahlung haben wir das erste Mal 1993 gemessen und seitdem immer genauer. Und, ich wiederhole es nochmal, weil es wichtig ist: Diese Variationen widersprechen vorerst nicht dem kopernikanischen Prinzip. Wir können uns irgendeinen Bereich des Himmels raussuchen und werden dort warme und kalte Flecken sehen. Die sehen wir aber genau so, wenn wir uns irgendeinen anderen Bereich des Himmels anschauen. Insgesamt betrachtet gibt es keine Gegend am Himmel, die sich fundamental von irgendeiner anderen unterscheidet; überall gibt es eine Mischung aus kalt und warm. So soll es zumindest sein. Ob es auch wirklich so ist, muss man genau messen. Das hat man getan und damit sind wir schon fast bei der Achse des Bösen angelangt. Wir müssen aber zuerst noch klären, wie man die Verteilung der warmen und kalten Flecken tatsächlich wissenschaftlich exakt fassen kann. Es reicht nicht, einfach nur zu schauen, ob das Warm/Kalt-Muster halbwegs zufällig aussieht. Man muss das irgendwie mathematisch quantifizieren und das macht man mit etwas, das man "Multipol"-Entwicklung nennt. Im Detail ist das eine gar nicht so unkomplizierte Methode; das Prinzip ist aber leicht erklärt. In der mathematisch sehr vereinfachten Version läuft das so: Zuerst betrachtet man den Himmel als Gesamtheit und bestimmt die durchschnittliche Temperatur der Hintergrundstrahlung. Die liegt übrigens bei 2,725 Kelvin, falls es jemand wissen will und in diesem sehr simplen Bild kann es natürlich keine Variation geben. Im nächsten Schritt teilen wir den Himmel in zwei Hälften und bestimmen die Durchschnittstemperatur für jede davon. Dann teilen wir den Himmel in vier Viertel und berechnen wieder die durchschnittliche Temperatur für jedes Viertel, dann in acht Achtel, und so weiter. Macht man das mathematisch korrekt und nicht nur mit Hälften, Vierteln und Achteln sondern geht bis zu sehr, sehr, sehr viel feineren Unterteilungen, kann man durch die Überlagerung all dieser Bilder am Ende die beobachtete Temperaturverteilung der Hintergrundstrahlung rekonstruieren. Man kann sich jetzt aber auch die einzelnen Zwischenschritte genauer anschauen und vor allem mathematisch analysieren. Das Bild, wo der Himmel einfach nur eine Durchschnittstemperatur hat und ansonsten keine Struktur wird "Monopol" genannt und ist für unsere Geschichte nicht weiter interessant. Auch nicht der "Dipol", also das Bild, wo der Himmel in zwei Hälften geteilt wird. Der Dipol der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigt klar, dass eine Hälfte des Himmels kälter ist als der Durchschnitt und die andere wärmer. Aber genau das ist auch zu erwarten, denn die Erde bewegt sich ja - mitsamt Sonne und Milchstraße - durch das Universum. Wir fliegen quasi einem Teil der Hintergrundstrahlung entgegen und entfernen uns vom anderen Teil, was dazu führt, dass wir eine Hälfte wärmer messen und die andere kälter. Das ist ein bisschen so, wie der Fahrtwind beim Radfahren unser Gesicht abkühlt, den Hinterkopf aber nicht. Interessant wird es beim Quadrupol, also dem Bild mit den vier Vierteln. Hier sollten wir jetzt die echten Variationen der Hintergrundstrahlung sehen. Ebenso beim Oktupol, also dem Bild mit den Achteln, und so weiter. Und jetzt sind wir direkt bei der Achse des Bösen angekommen. Bleiben wir dafür nochmal ein bisschen beim Quadrupol. Wir haben also den ganzen Himmel in vier Bereich geteilt und die jeweilige Durchschnittstemperatur bestimmt. Wir haben ein Muster bekommen, aus kalten und warmen Bereichen. Und können uns jetzt überlegen, ob es eine Richtung gibt, in der das Muster besonders stark ausgeprägt ist. Das soll folgendes bedeuten: Wir stellen uns das Universum als große Kugel vor und malen die Oberfläche der Kugel entsprechend der Temperatur der Hintergrundstrahlung an. Ein warmes Viertel wird rot, ein kaltes blau, und so weiter. Wie genau müssen wir diese Kugel dann drehen, dass das entstehende Muster möglichst symmetrisch aussieht? Wir können so dann quasi eine Ebene bestimmen, die die warmen von den kalten Bereichen trennt und wir können schauen, in welche Richtung diese Ebene zeigt. Diese Richtung ist die "Achse des Quadrupols" und wir können genau so eine Achse des Oktupols bestimmen, und so weiter. In Wahrheit ist das, wie gesagt, mathematisch alles ein wenig komplexer, aber fürs Erste reicht auch die vereinfachte Erklärung. Bestimmt man die Achsen von Quadrupol und Oktupol, dann zeigt sich ein überraschendes Bild. Erstens stimmen beide fast überein. Und zweitens ist die Ausrichtung dieser Achsen auch noch mehr oder weniger identisch mit der Ausrichtung der Ebene unseres Sonnensystems. Und "überraschend" ist eigentlich das falsche Wort für dieses Phänomen. Es kann eigentlich nicht sein, dass das so ist! Überlegen wir noch einmal, was das bedeutet: Wir betrachten die Variationen der kosmischen Hintergrundstrahlung. Es sollte - ausgehend vom kopernikanischen Prinzip - keine Bereiche des Universums geben, die irgendwie besonders sind. Es gibt also erstens keinen Grund, warum die Achse des Quadrupols irgendwas mit der Achse des Oktupols zu tun haben sollte, weil die Variationen zwar vorhanden sind, aber ohne großflächiges Muster. Und, sehr viel wichtiger: Die kosmische Hintergrundstrahlung die wir heute beobachten, ist vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden, nur ein paar hunderttausend Jahre nach dem Urknall. Damals gab es noch keine Sterne, keine Galaxien, gar nichts. Ganz besonders nicht gegegeben hat es das Sonnensystem. Das ist erst vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden, da war die kosmische Hintergrundstrahlung schon mehr als 9 Milliarden Jahre lang durch das Universum unterwegs. Wie um Himmels Willen soll die Ausrichtung unseres Sonnensystems irgendwas mit der Verteilung der Materie kurz nach dem Urknall zu tun haben? Und warum orientieren sich die Variationen der Hintergrundstrahlung gerade an unserem Sonnensystem? Wie die Planetenbahnen um einen Stern herum ausgerichtet sind, ist reiner Zufall, das hat mit den chaotischen Entstehungsprozessen von Planetensystemen zu tun. Warum soll sich die Hintergrundstrahlung und damit das gesamte Universum gerade an den Umlaufbahnen der Planeten eines einzigen Sterns orientieren der noch dazu der Stern ist, den wir mit der Erde umkreisen? Klar, in so einem Fall liegt es nahe, dass da irgendein systematischer Beobachtungseffekt aufgetreten ist. So wie beim Dipol, wo wir eine warme und eine kalte Hälfte des Universums sehen, die genau in die Bewegungsrichtung der Erde orientiert sind. Da ist das weder Zufall noch überraschend, sondern halt einfach ein ein Effekt den wir nur sehen WEIL wir eben von der sich bewegenden Erde beobachten. Solche Effekte kann man auch leicht entsprechend korrigieren. Aber bei Quadrupol und Oktupol hat man natürlich auch probiert, solche Effekte zu finden - bis jetzt aber erfolglos. Dass das Universum nicht ganz so gleichförmig ist, wie es das kopernikanische Prinzip verlangt, haben schon Daten der Hintergrundstrahlung nahe gelegt, die man Anfang der 2000er Jahre gewonnen hat. Als man dann aber auch noch herausgefunden hat, dass es anscheinend eine bevorzugte Richtung im Universum gibt, die noch dazu mit der Richtung übereinstimmt, die die Orientierung unseres Sonnensystems beschreibt, war man verwirrt. Die Astronomin Kate Lang und ihr Kollege João Magueijo vom Imperial College in London haben dieses Phänomen in einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 2005 scherzhaft als "Axis of Evil", die Achse des Bösen bezeichnet. Neuere Daten haben das Bild leider nicht klarer gemacht. Je nachdem, wie man die Beobachtungen mathematisch im Detail auswertet, sieht man den Effekt oder auch nicht. Vielleicht ist das alles wirklich nur ein hartnäckiger, seit Jahrzehnten unentdeckter Fehler in der Datenauswertung. Vielleicht hat das alles irgendwas mit einem lokalen Phänomen in unserer Ecke des Universums zu tun, das wir noch nicht verstanden haben. Oder aber das Universum ist anders, als wir es bisher gedacht haben und es gibt tatsächlich Bereiche, die fundamental anders sind als andere. Die Frage nach der Natur der "Achse des Bösen" gehört zu den unbeantworteten Fragen der Kosmologie. Dass wir entgegen aller bisherigen Annahmen doch der Mittelpunkt des ganzen Universums sind, bleibt aber weiterhin unwahrscheinlich.
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Aug 22, 2025 • 9min

Sternengeschichten Folge 665: Der Meteorit von L'Aigle

Astronomischer Wendepunkt in der Normandie Sternengeschichten Folge 665: Der Meteorit von L'Aigle Meteoriten sind Überreste von Asteroiden, die mit der Erde kollidiert sind. Überall auf der Welt haben wir diese Brocken aus Stein und Metall gefunden und mit ihnen können wir erforschen, wie die Objekte dort draußen im Weltall beschaffen sind und funktionieren. Aber das Wissen über ihren kosmischen Ursprung ist noch vergleichsweise jung. Erst vor gut 200 Jahren hat sich die Wissenschaft davon überzeugen lassen, dass diese Brocken wirklich aus dem Weltall kommen. Der Wendepunkt war ein Ereignis in der kleinen französischen Stadt L'Aigle. Bevor wir aber schauen, was dort am 26. April 1803 passiert ist, schauen wir aber noch ein Stück weiter in die Vergangenheit. Steine, die vom Himmel fallen, haben die Menschen immer schon beobachtet. Es gab allerdings unterschiedliche Vorstellungen darüber, um was es sich dabei handelt. Im Jahr 861 haben Menschen in Japan einen hellen Lichtblitz in der Nacht gesehen und eine laute Explosion gehört und am nächsten Tag einen großen, schwarzen Stein im Garten eines Tempels gefunden. Die Priester haben das als Zeichen des Himmels betrachtet und den Stein als speziellen Schatz aufgehoben. 1492 hat ein Junge in der französischen Stadt Ensisheim einen Stein vom Himmel in ein Weizenfeld fallen sehen und auch das wurde als göttliches Zeichen interpretiert. In der Antike hat man natürlich auch schon über die Steine Bescheid gewusst, die vom Himmel fallen. Im 5. Jahrhundert vor Christus hat der Philosoph Diogenes von Apollonia erklärt, dass das unsichtbare Sterne wären, die zur Erde fallen. Aristoteles dagegen war fest überzeugt, dass es sich um ein Phänomen in der Atmosphäre handeln muss; dass sich dort irgendwie Materie zusammenklumpt, die dann zu Boden fällt. Das altgriechische Wort "meteoros" bedeutet auch so viel wie "in der Luft schwebend" und die diversen Erscheinungen, die dort in der Luft stattfinden, hat Aristoteles in einem Buch mit dem Titel "Meteorologie" beschrieben. Dieses Wort verwenden wir heute noch, wenn wir von der Wissenschaft der Atmosphäre und des Wetters sprechen. Aber wir finden es eben auch im Wort "Meteorit". Denn das Werk von Aristoteles hatte auch weit über die Antike hinaus großen Einfluss und seine Vorstellungen sind von den Gelehrten des Mittelalters und der frühen Neuzeit übernommen worden. Deswegen war man auch im 18. Jahrhundert noch davon überzeugt, dass Meteorite nicht aus dem Weltall kommen. Man ging davon aus, dass es Steine sind, die vielleicht durch Vulkane oder Blitzeinschläge in die Luft geschleudert werden und dann wieder runterfallen. Oder dass Blitze irgendwas in der Atmosphäre anstellen, um dort Steine entstehen zu lassen. Oder vielleicht haben auch die Polarlichter was damit zu tun. Der erste, der sich ernsthaft und wissenschaftlich mit einem kosmischen Ursprung der Meteorite beschäftigt hat, war der deutsche Naturforscher Ernst Florens Friedrich Chladni. In einer Arbeit aus dem Jahr 1794 trug er diverse Aussagen von Leuten zusammen, die den Fall von Meteoriten beobachtet haben. Er hat argumentiert, dass es nichts mit Polarlichtern zu tun haben kann, weil man solche Feuerbälle überall auf der Welt sehen und finden kann. Die Menschen haben beobachtet, dass sich die fallenden Steine auf gerader Linie durch die Luft bewegen, was ganz anders aussieht, als die gezackten Bahnen der Blitze und deswegen können auch die nicht damit in Verbindung stehen. Wenn die Objekte sich auf so geraden Bahnen bewegen, dann muss es sich um kompakte, schwere Brocken handeln, und die müssen dann von außerhalb der Atmosphäre stammen. Und so weiter: Chladni hat probiert, den Nachweis zu erbringen, dass die Objekte aus dem Weltall kommen müssen. Nicht alle seine Argumente sind aus heutiger Sicht korrekt und er konnte nur wenige seiner Behauptungen wissenschaftlich einwandfrei belegen. Und die Leute waren auch nicht gewillt, ihm zu glauben. Erstens kann man dem Gerede von irgendwelchen Bauern nicht trauen, die behaupten, Steine fallen gesehen zu haben. Und zweitens hat Newton schon gesagt, dass der Weltraum leer ist und wo keine Steine sind, können auch keine Steine fallen. Drittens, Viertens usw hat es natürlich auch gegeben und man hat zwar über Chladnis Buch geredet und diskutiert - an der Meinung, dass die Meteoriten aus der Atmosphäre stammen und nicht aus dem All, hat sich allerdings nichts geändert. Bis zum 26. April 1803. Um circa 13 Uhr ist an diesem Tag über der französischen Kleinstadt L'Aigle in der Normandie ein großer Feuerball über den Himmel gerast. Es gab drei laute Explosionen, die wie Kanonendonner geklungen haben. Und danach sind tausenden Steine über die ganze Stadt zu Boden gefallen. Menschen haben gesehen, wie sie in die Felder einschlagen und durch die Dächer von Häusern brechen. Zuerst berichten nur lokale Zeitungen über das Ereignis, aber bald wird auch die offizielle französische Wissenschaft aufmerksam. Im Juni 1803 schickt das Innenministerium den damals 29jährigen Physiker Jean-Baptiste Biot nach L'Aigle, um einen Bericht über das Ereignis zu erstellen. Er sammelte 17 der gefallenen Steine ein und er sprach mit jeder Menge Menschen, die das Ereignis beobachtet hatten. In seinem Bericht hat er die Fundorte der Steine vermerkt und probiert, eine möglichst genaue Karten zu erstellen, die zeigt, wo die unzähligen Brocken zur Erde gefallen ist. Er hat die Meteoriten chemisch und physikalisch analysiert und im Juli 1803 seinen ausführlichen Bericht an die Behörden übergeben. Biot hat sich Mühe gegeben, die Berichte der Menschen möglichst klar darzustellen. Er hat die Gemeinsamkeiten der Sichtungen herausgearbeitet und alles so deutlich gemacht, dass ihm niemand vorwerfen konnte, dass das ja wieder nur irgendwelche dummen Bauern sind, die nicht wissen, was sie erzählen und sich irgendeinen abergläubischen Quatsch einbilden. Der Feuerball am Himmel, die Explosionen, die fallenden Steine, und so weiter: All das wurde von jeder Menge Menschen unabhängig voneinander in übereinstimmender Weise geschildert. Die Karte von Biot, die das sogenannte "Streufeld" zeigt, also den Bereich, in dem die Steine gefallen sind, war ebenfalls überzeugend. Es war ein zusammenhängendes Gebiet in dem mehrere tausend Meteoriten zu Boden fielen. Das kann kein Blitz verursachen und kein Vulkanausbruch. Die Löcher in den Dächer und am Boden haben außerdem gezeigt, dass die Dinger mit enormer Wucht zu Boden gefallen sind. Und die von ihm gesammelten Steine waren ebenfalls alle einheitlich: Jeder hat eine dunkle Schmelzkruste an der Außenseite gezeigt und metallische Einschlüsse im Inneren. Die bestehen, wie eine chemische Analyse gezeigt hat, aus Eisen und Nickel und in Gestein von der Erde findet man Nickel nur extrem selten. Außerdem konnte Biot zeigen, dass die Steine von L'Aigle anderen "himmlischen Steinen", wie zum Beispiel dem aus Ensisheim sehr ähnlich sind. Insgesamt stand für Biot am Ende fest: Die Vorgänge in L'Aigle belegt klar und deutlich, dass Meteoriten aus dem Weltall kommen müssen. Der Fall von L'Aigle war außerdem kein Einzelfall: Meteoriten fallen regelmäßig auf die Erde; sie haben das in der Vergangenheit getan und werden das auch in Zukunft tun. Der Bericht von Biot war so überzeugend und seine Argumente so gut belegt, dass auch der Rest der Wissenschaft seinen Aussagen gefolgt ist. Natürlich gab es auch jetzt immer noch Leute, die anderer Meinung waren. Aber im großen und ganzen gab es seit damals keine Zweifel mehr daran, dass wir es bei den Meteoriten tatsächlich mit außerirdischem Material zu tun haben. In den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten haben wir dieses Wissen genutzt und erweitert um mehr über das Weltall heraus zu finden. Immerhin sind die Meteoriten die einzigen Proben anderer Himmelskörper, für deren Untersuchung wir nicht weit hinaus ins All reisen müssen. Es ist zwar ein dramatischer und gefährlicher Vorgang, wenn sie bei uns auf der Erde eintreffen. Aber sie bieten uns auch eine einzigartige Möglichkeit, das Universum besser zu verstehen.
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Aug 20, 2025 • 3min

Sternengeschichten LIVE in Deutschland und Österreich - UPDATE

LIve in Leverkusen und Österreich Sternengeschichten LIVE in Deutschland und Österreich - UPDATE Hallo liebe Hörerinnen und Hörer, Der Sommer geht in die letzte Runde ich melde mich wieder einmal außertourlich bei euch. Denn es gibt ein paar coole Neuigkeiten. Gleich zu Beginn das Wichtigste: Der Sternengeschichten-Podcast ist immer noch auf Tour! Die Shows im Frühjar in Frankfurt, Bremen, Eschweiler und München waren alle sehr erfolgreich, ihr seid zahlreich gekommen und ich habe mich sehr gefreut, endlich auch mal die Menschen persönlich zu treffen, die meinen Podcast hören. Aber nach der Sommerpause geht es weiter und zwar am 28. September in Leverkusen! Ich habe die Show nochmal überarbeitet, aber es wird weiterhin ein unterhaltsamer Abend, mit Experimenten, Geschichten, der Rettung der Welt, der Wahrheit über Astrologie, mehrdimensionalen Eichhörnchen und wie immer einer absolut exklusiven Sternengeschichte, die ich für jede Show extra auf den Veranstaltungsort abstimme und die es nur einmal und nur dort zu hören geben wird. Und natürlich auch immer mit dabei ist die berühmte kosmische Waffel! Wenn ihr Lust habt, kommt vorbei. Tickets für die Shows findet ihr unter sternengeschichten.live - die Links gibt es natürlich auch noch in den Shownotes. Nach der Show in Leverkusen geht es dann im Dezember weiter. Un Essen, Dortmund, Düsseldorf und Berlin und zwar am 10., 11., 13. und 14. Dezember. Und 2026? Da kommt endlich auch Österreich an die Reihe. Auch hier hat der Vorverkauf schon gestartet. Österreich-Premiere wird am 29. Januar 2026 in Wien sein, dann kommt am 30. Januar Salzburg an die Reihe. Und im Februar 2026 folgen Wörgl, Oberwaltersdorf und Linz. Später im Jahr ist dann wieder Deutschland dran, da komme ich nach Lübeck, nach Hamburg, nach Fürth, Erfurt, Leipzig, Dresden, Bremen und Osnabrück. Schaut einfach auf sternengeschichten.live, da gibt es alle Infos. Ansonsten weise ich auch nochmal auf das "Sternengeschichten" Hörbuch hin, dass ihr überall kriegt, wo es Hörbücher gibt und das auch als mp3-CD mit Booklet, Bildern usw erhältlich ist. Und das war es auch schon für diesmal. Ich freu mich, wenn wir uns irgendwo bei einer meiner Liveshows sehen werden. Ich freu mich vor allem, wenn ihr weiterhin den Podcast hört und ihn so gerne hört, wie ihr ihn bisher gehört habt. Ich wünsche euch viel Spaß mit den kommenden Folgen. Bis bald, im Podcast oder Live! Tickets für die Sternengeschichten-Liveshow: https://sternengeschichten.live/ Hörbuch "Sternengeschichten": https://www.penguin.de/buecher/florian-freistetter-sternengeschichten/hoerbuch-mp3-cd/9783844553062 Wer die Sternengeschichten finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal (https://www.paypal.me/florianfreistetter)), Patreon (https://www.patreon.com/sternengeschichten)) oder Steady (https://steadyhq.com/sternengeschichten))
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Aug 15, 2025 • 11min

Sternengeschichten Folge 664: Ein Blitzar und eine Erklärung für die mysteriöse Radiostrahlung aus dem All

In der aktuellen Diskussion stehen die faszinierenden Fast Radio Bursts, die als intensive und kurzlebige Radiosignale aus dem All auftreten. Ihre Herkunft bleibt ein großes Mysterium und wird von Theorien zu schwarzen Löchern und rotierenden Neutronensternen begleitet. Auch wenn außerirdische Botschaften ausgeschlossen werden, lässt sich dennoch ein Zusammenhang zwischen diesen astronomischen Phänomenen und der Möglichkeiten ihrer Entstehung erkennen.

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