Archivradio – Geschichte im Original

SWR
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Feb 21, 2024 • 7min

Irans Todesurteil gegen Autor Salman Rushdie | 15. bis 17.2.1989

"Die satanischen Verse" werden als Gotteslästerung heftig kritisiert 1988 schrieb der aus Indien stammende und in England lebende Schriftsteller Salman Rushdie seinen Roman "Die satanischen Verse". Der Roman enthält viele Anspielungen auf den islamischen Propheten Mohammed. Fundamentalreligiöse Muslime weltweit empfanden ihn als Beleidigung und Gotteslästerung. Wenige Wochen nach Erscheinen wurde der Roman in Indien verboten. Fatwa: Iranische Geistlichkeit verurteilt Salman Rushdie zum Tod Zur eigentlichen Bedrohung für den Autor wird aber ein Rechtsgutachten ("Fatwa") der iranischen Geistlichkeit, die Rushdie wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt. Das war ziemlich genau 10 Jahre nach der islamischen Revolution und der Machtübernahme Ajatollah Khomeinis. Der ruft über den Rundfunk die Gläubigen auf, das Todesurteil zu vollstrecken und Rushdie zu ermorden. Salman Rushdie ist sehr schnell klar, was das für ihn bedeutet. Er nimmt diese Drohung sehr ernst und taucht unter. Für deutsche Ausgabe des Romans wird neuer Verlag gegründet Aus London berichtet am 15. Februar 1989 Korrespondent Hans-Jürgen Maurus. Noch am selben Abend setzt ein iranischer Geistlicher im Namen einer Stiftung ein Kopfgeld von einer Million Dollar auf Salman Rushdie aus. In Deutschland stellt sich die Frage: Was wird aus der geplanten deutschen Übersetzung? Rushdies Verlag Kiepenheuer & Witsch entscheidet sich, das Buch nicht heraus zu bringen, um Verlagsmitarbeiter nicht zu gefährden. Hier meldet sich Günter Grass zu Wort und fordert Verlag und Bundesregierung zu einer klaren Haltung auf. Im Herbst 1989 erscheinen die Satanischen Verse dann doch auf Deutsch. Nicht im Verlag Kiepenheuer & Witsch, sondern im eigens dafür gegründeten "Artikel 19 Verlag". Der Name bezieht sich auf Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem es um die Meinungsfreiheit geht. Zahlreiche Verlage hatten sich für dieses Projekt zusammengeschlossen. Die deutsche Übersetzung der "Satanischen Verse" erschien im Oktober 1989, einen Tag nach Ende der Frankfurter Buchmesse.
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Feb 6, 2024 • 4min

Albert Einstein: "Meine Relativitätstheorie" | 6.2.1924

Der Physiker Albert Einstein (14.3.1879 - 18.4.1955) entwickelte eine allen bisherigen Erfahrungen widersprechende Vorstellung von Raum und Zeit. 1924 schildert er in einem Vortrag, wie er zur Formulierung der Relativitätstheorie kam. In dem Originalton aus dem Jahr 1924 schildert der Nobelpreisträger Albert Einstein, wie er zur Formulierung der Relativitätstheorie kam. Sieben Jahre lang, von 1898 bis 1905, habe er nachgedacht. Dann kam er darauf, dass die herkömmlichen Gesetze von Raum und Zeit sich von Erlebnissen ableiten. Und dass neue Erfahrungen dazu führen können, diese Gesetze zu ändern. Das Tondokument ist schwer zu verstehen; hier das Transkript: Transkript der Rede von Albert Einstein "Von der Jugend an war mein ganzes wissenschaftliches Streben auf die Vertiefung der Grundlagen der Physik gerichtet. Viele sonstige Gesichtspunkte und Bedürfnisse im engeren Sinne wirkten nur sekundär auf mich. Von diesem Streben und seinem bisherigen Resultat gebe ich hier einen kurzen Bericht, in dem ich alles weglasse, was ich mir gelegentlich oder gewissermaßen zufällig beschäftigt. Mein erstes Problem lag in der scheinbaren Unvereinbarkeit des Gesetzes der Lichtausbreitung bzw. der Lorentzschen Theorie mit der erfahrungsmäßig gültigen Gleichwertigkeit aller Inertialsysteme. Nach siebenjährigem vergeblichen Nachdenken1898 bis 1905 kam mir plötzlich die Lösung mit dem Gedanken, dass unsere Begriffe und Gesetze über Raum und Zeit nur insofern Geltung beanspruchen dürfen, als sie mit den Erlebnissen in klaren Beziehungen stehen und dass die Erfahrungen sehr wohl dazu führen können, dass wir diese Begriffe und Gesetze abändern. Physiker, die Einstein erwähntHendrik Antoon Lorentz (1853 - 1928)Hermann Minkowski (1864 - 1909)Wilhelm Wien (1864 - 1928)Max Planck (1858 - 1947)Niels Bohr (1885 - 1962) Durch eine Revision des Begriffes der Gleichzeitigkeit und der Gestalt starrer Körper gelangte ich so zur speziellen Relativitätstheorie, deren vierdimensionale mathematische Formulierung allerdings erst drei Jahre später von Minkowski gefunden wurde. Bei dem Versuche, das Gesetz der Gravitation dieser speziellen Relativitätstheorie einzugliedern, drängte sich mir Ende 1907 die Überzeugung auf, dass der Raumzustand eines Gravitationsfeldes identisch sei mit dem Zustand eines von einem Gravitationsfelde freien Raumes, wenn dieser nur auf ein beschleunigtes Koordinatensystem wie dem der plastischen Mechanik bezogen wird. Diese Erkenntnis, kurz als Äquivalenzprinzip bezeichnet, in Verbindung mit der natürlichen Tendenz, das Relativitätsprinzip zu verallgemeinern, führte mich zur allgemeinen Relativitätstheorie, deren Fundament mir Ende 1915 widerspruchsfrei belegt werden konnte. Die Hauptschwierigkeit lag in dem Versagen der Euklidischen Geometrie und in der Schwierigkeit, ohne Zugrundelegung dieser durch physikalische Gesetze doch einen klaren Sinn zu geben. Das andere große Problem, mit dem ich mich seit etwa 1900 befasst habe, ist das der Strahlungs- und Quantentheorie. Angeregt durch Wiens und Plancks Forschungen erkannte ich, dass Mechanik und Elektrodynamik in einem unlösbaren Wiederspruch zu den Erfahrungstatsachen stehen und trug dazu bei, jenen Komplex von Ideen zu schaffen, der unter dem Namen Quantentheorie bekannt ist und der, insbesondere durch Bohr, zu großer Fruchtbarkeit sich entwickelt hat. Den Rest meines Lebens werde ich wohl der grundsätzlichen Klärung dieses Problems widmen, wie gering auch die Aussichten auf ein Erreichen dieses Zieles erscheinen möge." Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv
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Jan 30, 2024 • 14min

Gas- und Kohlemangel im Kältewinter – Energieknappheit in Berlin | 30.1.1947

Stadtverordnetenversammlung zur Energieversorungslage in Berlin Es ist eisig kalt im Nachkriegswinter 1946/1947. Es mangelt an Kohle und Gas. In Berlin sterben Dutzende an Erfrierungen. Die Stadt ist damals noch nicht streng in Ost- und Westberlin geteilt, sondern in die vier Sektoren der Siegermächte. Für dieses "Groß-Berlin" gibt es eine gemeinsame Stadtverordnetenversammlung, und dort war die katastrophale Energieversorgungslage eins der zentralen Themen am 30. Januar 1947. Kohle aus der sowjetischen Zone lässt auf sich warten Krankenhäuser, Schulen, Bäckereien – wer hat Priorität bei der Energieversorgung? Es wird über Gaskontingente gesprochen. SPD-Stadtrat Gustav Klingelhöver stellt in drastischen Worten die Situation dar und beklagt in seiner Rede vor allem, dass die Kohletransporte aus der sowjetischen Zone auf sich warten lassen. Die Stadt beziehe deshalb verstärkt Steinkohle aus dem Ruhrgebiet.
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Jan 30, 2024 • 15min

Helmut Kohl über Staatsautorität und Radikalenerlass | 30.1.1972

Helmut Kohl hält den Radikalenerlass für ein gutes Mittel Zwei Tage, nachdem Bund und Länder den Radikalenerlass beschlossen haben, gibt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl (CDU) dem Südwestfunk ein Interview. Darin er klärt er, warum er den Erlass richtig findet und er ein gutes Mittel ist, um eine Unterwanderung des Staats durch Verfassungsfeinde zu verhindern. Zunächst spricht er über die zunehmende Kriminalität und über die aus seiner Sicht fehlende Staatsautorität. Konkret um den Radikalenerlass geht es in der zweiten Hälfte dieses Interviews mit SWF-Redakteur Henning Röhl.
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Jan 28, 2024 • 17min

Hitlers letzter verzweifelter Rundfunkauftritt | 30.1.1945

Als die Wehrmacht auf dem Rückmarsch war, ließ sich Hitler wesentlich seltener im Radio hören als in den ersten Kriegsjahren. Einmal meldete er sich nach dem gescheiterten Attentat am 20. Juli 1944, und noch ein letztes Mal zum 12. Jahrestag der Nationalsozialistischen Regierung am 30. Januar 1945. Militärisch war die Wehrmacht längst in der Defensive: Die Truppen der West-Alliierten standen schon am Rhein, während im Osten die sowjetische Armee bis 80 km vor Berlin vorgerückt war. Dabei resümiert Hitler noch einmal sein verzerrtes Geschichtsbild, ruft die Bevölkerung noch einmal zum Kampf auf und fordert von allen im Land höchste Opferbereitschaft.
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Jan 28, 2024 • 6min

Der neue Radikalenerlass – Kritik von Gewerkschaften und Studierenden | 29.1.1972

Anfang der 1970er-Jahre nahm die politisierte Gewalt in Deutschland zu. Teile der Studentenbewegung haben sich radikalisiert. Andere, vor allem linke Gruppen, folgten offen der von Studentenführer Rudi Dutschke ausgegebenen Parole vom Marsch durch die Institutionen. Verfassungsfeinde dürfen Staat nicht unterwandern In dieser politischen Stimmung beschließen Bund und Länder parteiübergreifend den sogenannten Radikalenerlass. Das Ziel war zu verhindern, dass Verfassungsfeinde den Staat unterwandern. Die Folge war, dass, bevor eine Lehrerin oder auch ein Bahn- oder Postbeamter eingestellt wurde, eine sogenannte Regelanfrage beim Verfassungsschutz gestellt wurde. "Verfassungsfeindlich" – keine konkrete Definition Welches Verhalten genau als verfassungsfeindlich gelten sollte, war allerdings nicht eindeutig definiert. Klar war, dass es nicht nur um Parteizugehörigkeit – etwa zu kommunistischen Parteien – gehen sollte. Sowohl die SPD-geführte Bundesregierung unter Willy Brandt als auch die unionsgeführten Länder fassten den Beschluss gemeinsam. Die SPD auch, um ihre Distanz zum Kommunismus zu unterstreichen. Denn der SPD wurde – gerade auch wegen Brandts Ostpolitik und der Verträge mit Moskau – eine Nähe zum Kommunismus immer wieder vorgeworfen. Hamburg setzt den Erlass als erstes um – und erntet Kritik Es ist der 29. Januar 1972. Hamburg hat als erstes Bundesland den Radikalenerlass umgesetzt – und erntet dafür viel Kritik, nicht nur von Gewerkschaften. Der folgende Beitrag – der in seiner archivierten Fassung vorne und hinten etwas abreißt – zeigt die Reaktionen auf den neuen Erlass. Radikalenerlass führt zu mehr als drei Millionen Überprüfungen Bis 1991 wurden insgesamt 3,5 Millionen im öffentlichen Dienst überprüft. In der Folge wurden mehr als tausend Schul- und Hochschullehrkräfte nicht eingestellt, weil sie als "linksextrem" galten. Für diese Einstufung genügte unter Umständen schon eine kapitalismuskritische Dissertation. Rund 260 Personen wurden entlassen. Im Bild: Gegen den Radikalenerlass und für die Aufhebung des KPD-Verbots demonstrierten am 3. Februar 1972 in Bochum Betroffene, Studenten und Schüler
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Jan 26, 2024 • 3min

"Unternehmen Zukunft!" – Die Privatisierung der Bahn | 10.1.1994

Bundesbahn und Reichsbahn fusionieren Bis 1993 gab es die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn. Zwei staatliche Unternehmen, hochverschuldet, mit 70 Milliarden D-Mark in den roten Zahlen. Für Frust sorgten damals weniger unpünktliche Züge als vielmehr die noch langen Schlangen an den Fahrkartenschaltern. Und gerade im Osten stiegen immer mehr Menschen aufs Auto um. Privatisierung ab 1994 soll finanzielle Probleme lösen So sollte es nicht weiter gehen, und so lautete die Hoffnung: privatisieren! Mit Jahresbeginn 1994 werden beide zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen zusammengeschlossen. Flexibler, wettbewerbsfähiger und billiger sollte die Bahn werden und damit kundenorientierter, nicht mehr abhängig von den Entscheidungen im Verkehrsministerium. Der Bund übernimmt praktischerweise die Schulden, sodass das neue Unternehmen schuldenfrei loslegen kann. Die Berichterstattung ist wohlwollend. Zum Start des neuen Unternehmens kündigt der neue Vorstandschef Heinz Dürr medienwirksam das neue Guten-Abend-Ticket an, das vor allem für gute Stimmung sorgen soll. Reporterin: Birgit Wentzien
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Jan 24, 2024 • 4min

Studenten empören sich über Numerus clausus | 24.1.1968

In Fächern wie Medizin und Pharmazie gab es Zulassungsbeschränkungen schon seit den 1950ern. Doch angesichts des wachsenden Andrangs von Abiturienten zeichnet sich ab, dass die Zulassung mit einem allgemeinen Numerus-Clausus-System weiter beschränkt wird. Studentenvertreter empören sich und halten den Numerus clausus für verfassungswidrig.
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Jan 23, 2024 • 10min

Eugen Bolz spricht im Reichstag | 24.2.1932

Eugen Bolz (15.12.1881 - 23.1.1945), Kaufmannssohn aus Rottenburg am Neckar, macht eine steile politische Karriere in Württemberg: Justizminister, Innenminister, Staatspräsident. Gleichzeitig sitzt er ab 1920 für die Zentrumspartei im Berliner Reichstag. Am 24. Februar 1932 spricht er dort über die aktuelle Krise: "Nicht genug, dass wir den Krieg verloren haben", sagt er, "es ist nicht notwendig, dass wir die Schlacht in unserem Inneren auch noch verlieren und elend zugrunde gehen." Anfangs hält Bolz die Machtübernahme Adolf Hitlers für ein notwendiges Übel in einer Krisensituation. Doch 1940 schließt er sich dem zivilen Widerstand um Carl Friedrich Goerdeler an. Am 23. Januar 1945 wird Eugen Bolz in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet.
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Jan 21, 2024 • 38min

Margarete Mitscherlich über "Die Unfähigkeit zu trauern": "Was hatte man wirklich dagegen getan?" | 21.1.1989

Margarete Mitscherlich war über Jahrzehnte die prominenteste deutsche Psychoanalytikerin. Sie war bekannt durch ihre wegweisenden Bücher wie "Die Unfähigkeit zu trauern", das sie 1967 zusammen mit ihrem Mann Alexander Mitscherlich geschrieben hatte. Drei Jahre nach dessen Tod erschien 1985 "Die friedfertige Frau", das Margarete Mitscherlich zu einer wichtigen Stimme des Feminismus machte. In diesem Gespräch von 1989 blickt Margarete Mitscherlich mit ihrer psychoanalytischen Brille auf die deutsche Nachkriegszeit und ihr eigenes Leben. Unter anderem äußert sie sich zur Rede von Bundestagspräsident Philipp Jenninger im November 1988 anlässlich des 50. Jahrestages der Reichspogromnacht. Die Rede hatte einen Skandal ausgelöst und Jenniger war zurückgetreten. Die Interviewerin ist Susanne Lüdtke.

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