Archivradio – Geschichte im Original

SWR
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Apr 17, 2025 • 7min

Erich Kästner: "Europa wird ein Atom-Korea" | 19.4.1958

Wie nur wenige berühmte Schriftsteller seiner Zeit ist Erich Kästner in der Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre politisch aktiv. Er demonstriert gegen den Vietnamkrieg, unterstützt Journalisten-Kollegen während der Spiegel-Affäre und kritisiert in öffentlichen Reden die Politik der Adenauer-Regierung. Erich Kästner ist empört über atomare Aufrüstung Besonders Pläne zur atomaren Aufrüstung im Kalten Krieg empören ihn. Auf einer Großkundgebung in München am 19. April 1958 erinnert Erich Kästner an Hiroshima und berichtet vom Schicksal der US-Piloten, die damals die Bombe über der Stadt abgeworfen hatten. Funkbericht von Großkundgebungen in Nürnberg und München gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr.
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Apr 13, 2025 • 5min

Radioansprache von Anita Lasker nach ihrer Befreiung aus Bergen-Belsen | 16.4.1945

Transkription der Ansprache von Anita Lasker "Hier spricht Anita Lasker, eine deutsche Jüdin. Ich befinde mich mit meiner Schwester seit drei Jahren in Haft. Ich bin politischer Häftling. Ich habe französischen Kriegsgefangenen über die Grenze verholfen. Zuerst wurden wir ins Gefängnis eingesperrt. Meine Schwester wurde zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus, ich zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach anderthalb Jahren brachte man uns beide in das furchtbarste Konzentrationslager: Auschwitz. Ich möchte zuerst ein paar Worte über Auschwitz sagen: Die Auschwitzer Häftlinge, die wenigen, die geblieben sind, fürchten alle, dass die Welt nicht glauben wird, was dort geschehen ist. Dort hat man lebendige gesunde Menschen lebend ins Feuer geworfen. Meine Baracke war ungefähr 20 Meter von dem Kamin, von einem der fünf Kamine, die sich dort befanden, entfernt. Ich habe alles mit eigenen Augen mit angesehen. Es stand ein Arzt und ein Kommandant bei Ankunft der Transporte an der Rampe, und vor unseren Augen wurde sortiert. Das heißt, man fragt das Alter und den Gesundheitszustand. Die unwissenden Ankömmlinge pflegen irgendwelche Leiden anzugeben und unterschreiben damit ihr Todesurteil. Besonders hat man es auf Kinder und Alte abgesehen. Rechts – links – rechts – links. Rechts ist zum Leben, links ist zum Kamin. In der Nacht brannte das Feuer bis zum Himmel. Kinder hat man lebendig hineingeworfen, und aus Menschlichkeit pflegte man die anderen zu Vergasen, das heißt zu betäuben. Wenn aber zu viel Arbeit war, pflegte man alle lebendig zu verbrennen. Die Schreie hörten wir bis in unsere Baracke. Dazu wurde immer Musik gemacht. Ich selbst befand mich in der Musikkapelle. Zu den furchtbarsten Dingen wurde Musik gemacht. Besondere Verdienste in Auschwitz um die Juden haben sich Maria Mandel, Margot Drexel/Drechsel und der Kommandant Kramer, der auch in Bergen-Belsen Lagerkommandant war, erworben. Nach einem Jahr Aufenthalt in Auschwitz – meine Schwester und ich waren sehr krank und sind nur mit Mühe dem Tode entronnen – wurden wir nach Bergen-Belsen geschickt. Bergen-Belsen, was jetzt als das furchtbarste Konzentrationslager bezeichnet wird. Und es reicht bei Weitem nicht an Auschwitz heran. In Bergen-Belsen gibt es kein Kamin. Das heißt, das Elend wird nicht verbrannt, so wie es in Auschwitz war. Hier haben die Leute gehungert. Hier war Typhus, hier war Schmutz, Läuse, keine Hygiene, keine Ambulanz, keine Medikamente. 14 Tage blieben wir ohne Brot. Verpflegung war Rüben mit Wasser, ohne Salz. Endlich am 15. kam die Befreiung. Die Befreiung, auf die wir drei Jahre lang gehofft haben. Noch können wir es nicht begreifen. Noch glauben wir zu träumen. Wir sehen die Engländer durch das Lager fahren: Menschen, die uns nichts Böses wollen. Menschen, die uns helfen wollen. Wir können es nicht begreifen. Man hat Wasser gebracht, Wasser! Drei Wochen waren wir ohne Wasser. Die Menschen sind verdurstet. Heute früh ist noch eine Kameradin von mir gestorben, angesichts der Befreiung. Meine Eltern sind auch dabei kaputtgegangen. Aber wir blicken jetzt vorwärts, wir sind voller Hoffnung, voll neuen Mutes. Wir sind befreit. Hoffentlich werden wir doch noch irgendwelche Verwandte wiedersehen." Im Bild: Ein an Typhus erkrankter Überlebender des KZ Bergen-Belsen nach der Befreiung des Konzentrationslagers am 15. April 1945 durch britische Truppen
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Apr 13, 2025 • 4min

Zwei Mädchen nach ihrer Befreiung aus Bergen-Belsen im BBC-Interview | 15.4.1945

BBC-Kriegsreporter interviewt Olga Schlossberg und Hetty Esther Werkendam Am 15. April 1945 befreiten britische Truppen das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Unmittelbar danach führt BBC-Kriegsreporter Patrick Gordon Walker Interviews mit Überlebenden. Die erste ist die 14-jährige Olga Schlossberg. Sie hatte mehrere Konzentrationslager überlebt. Die Aufnahme mit ihr dauert nur 40 Sekunden. Der Interviewer Patrick Gordon Walker arbeitete damals für das deutschsprachige Programm der BBC. In einem zweiten Interview befragt Patrick Gordon Walker ein belgisches Mädchen, die 15-jährige Hetty Esther Werkendam, ebenfalls kurz nach der Befreiung aus Bergen-Belsen. Sie schildert die Trennung von ihrer Mutter und die Misshandlung ihres Vaters im Lager. Hetty Werkendam, ihre Eltern und ihre zwei Brüder überlebten das Konzentrationslager. Viele andere Verwandte wurden jedoch ermordet. Nach dem Krieg zog die Familie zunächst in die Niederlande. Hetty heiratete und nahm den Namen ihres Mannes, Verolme, an. Als dieser starb, zog Hetty Verolme 1954 nach Australien, wohin ihre Eltern schon vorher ausgewandert waren. Reporter Patrick Gordon Walker wurde später Minister in Großbritannien Der Interviewer, Patrick Gordon Walker wiederum, wurde später britischer Außen- und Bildungsminister. Im Archivradio gibt es eine weitere Aufnahme mit ihm, in der er ebenfalls im April 1945 einen SS-Unterscharführer über seine Erlebnisse in Auschwitz, Dachau und Bergen-Belsen befragt.
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Apr 11, 2025 • 11min

Beginn der Polio-Massenschutzimpfung | 22.5.1957

Zum Einsatz kommt ein aus den USA importierter Impfstoff. Nach einem Monat zieht der Süddeutsche Rundfunk mit Experten eine erste Bilanz. Hintergrund Die Isolation des Polio-Erregers und die Entwicklung eines geeigneten Impfstoffs hatte zuvor schon Jahre in Anspruch genommen. Zwar war auch in Deutschland ein Impfstoff entwickelt worden, mit dem bereits zwei Jahre zuvor 50.000 Kinder geimpft wurden. Aber dieser Impfstoff war wieder aus dem Verkehr gezogen worden, denn es gab Zweifel, ob er wirklich sicher war. Deshalb also die Einfuhr des amerikanischen Impfstoffs. "Schluckimpfung ist süß" Erst die Einführung des Lebendimpfstoffs 1961 drängte den Erreger wirklich zurück. Das war die Schluckimpfung, die Kindern mit einem Stück Würfelzucker verabreicht wurde. Und um den Erfolg zu garantieren, wurde mehr als zwanzig Jahre lang den Deutschen ein Satz immer wieder eingehämmert: "Kinderlähmung ist grausam, Schluckimpfung ist süß". 1998 wurde die Schluckimpfung hierzulande wieder abgeschafft. Seitdem wird Kindern ein weiterentwickelter Totimpfstoff injiziert, bei dem die verabreichten Viren nicht vermehrungsfähig sind. Seit 2002 gilt Europa als Polio-frei. Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
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Apr 11, 2025 • 6min

Isolation des Polio-Erregers | 14.1.1953

Erster Impfstoff mangelhaft In den Jahren darauf wurden die ersten Impfstoffe entwickelt, in Deutschland produziert von den Marburger Behringwerken. Die hessischen Behörden erteilten dafür bereits Ende 1954 die Genehmigung. 1955 wurden auch schon 50.000 Kinder damit geimpft. Doch nach wenigen Wochen wurde der Impfstoff wieder gesperrt. Ein Zwischenfall in den USA hatte zu weiteren Auflagen geführt. Eigentlich handelte es sich damals um einen inaktiven Impfstoff. Durch Mängel in der Produktion waren aber nicht abgetötete Viren in den Impfstoff hineingelangt. Die Auflagen für die Impfstoffherstellung wurden ausgeweitet, auch der deutsche Impfstoff immer noch nicht freigegeben. Impfstoff aus den USA Es war klar, dass um schnell mit einem Impfprogramm zu starten, Impfstoff aus den USA importiert werden musste. Unklar war, ob die USA selbst genügend Impfstoff würden liefern können – denn für die US-Gesundheitsbehörden galt nachvollziehbarerweise: America First. Beginn der Massenschutzimpfung 1957 Im April 1957 beginnt schließlich in Deutschland die Massenschutzimpfung. Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
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Apr 7, 2025 • 38min

Helmut Schmidt: Rede zum 40. Jahrestag der Reichspogromnacht | 9.11.1978

Bis 1978 war der 9. November ein Tag wie jeder andere. Es gab kein Gedenken, keine öffentliche Erinnerung. Erst vierzig Jahre nach der Reichspogromnacht 1938 – die damals noch nicht so genannt wurde – ändert sich das. Helmut Schmidt besucht an jenem Tag die Kölner Synagoge und hält eine Rede. Die erste Gedenkrede eines Bundeskanzlers zu den Ereignissen von 1938. Das damals noch gängige Wort "Kristallnacht" nimmt Schmidt bewusst nicht in den Mund.
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Apr 5, 2025 • 8min

Erste Koalitionsverhandlungen der Bundesrepublik – Handschlag reicht | 23.8.1949

Nach der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 muss der CDU-Vorsitzende Konrad Adenauer Koalitionspartner suchen. Adenauer bevorzugt eine Koalition mit der FDP. Die Koalitionsgespräche laufen allerdings etwas anders ab als heute. Man trifft sich in Adenauers Haus in Rhöndorf. Die ersten Koalitionsgespräche: sehr informell Es geht relativ schnell, drei Wochen nach den ersten offiziellen Gesprächen wird Adenauer schon mit Unterstützung der FDP und der rechtsgerichteten DP, der Deutschen Partei zum Kanzler gewählt. Ein schriftlicher Koalitionsvertrag entsteht dabei nicht, nur ein informeller, nie veröffentlichter Schriftwechsel. Ansonsten reicht den Beteiligten ein Handschlag. Und anders als heute, dringt von Koalitionsgesprächen kaum etwas nach außen. Nur ein Beitrag in den Rundfunkarchiven der ARD Das folgende Interview vom 23. August hat WDR-Reporter Walter Steigner mit Adenauer geführt. Es ist der einzige Beitrag zu den Koalitionsgesprächen, der sich heute in den Archiven der ARD findet.
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Mar 30, 2025 • 8min

Chefredakteur von Radio Stuttgart warnt vor politischem Einfluss wie in Bayern | 21.7.1949

Bis 1949 war Radio Stuttgart der US-amerikanischen Besatzung unterstellt. Am 22. Juli 1949 geht der Sender in deutsche Verwaltung über und wird eine öffentlich-rechtliche Anstalt: der Süddeutsche Rundfunk. Hanns Küffer: Bayern-Landesregierung fordert Intendanten-Absetzung Am Tag vor der Übergabe äußert sich Chefredakteur Hanns Küffner mit deutlichen Worten: Er warnt vor Vorgängen wie im Nachbarland Bayern, wo die Landesregierung aus Unzufriedenheit über die Berichterstattung schon die Absetzung des Intendanten fordert und es offenbar keine Gesprächsgrundlage mehr zwischen ihr und dem Sender gibt. Gleichzeitig widerspricht Küffner Forderungen, der künftige Intendant müsse ein dynamischer Freigeist sein. Wichtiger sei, dass er in der Lage ist, ordentlich Geschäfte zu führen und den Betrieb zusammenzuhalten.
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Mar 30, 2025 • 13min

Der Rundfunk wird öffentlich-rechtlich: Ansprache von Hans Bredow | 27.12.1947 / 1.1.1948

Rundfunk soll unabhängig vom Staat sein Hans Bredow betont, dass der Rundfunk unabhängig vom Staat sein soll, warnt aber auch vor Einflussmöglichkeiten über die Gremien. Die Süddeutschen Rundfunkanstalten sollten hier für noch mehr Unabhängigkeit sorgen. Angesichts der großen Unterschiede zwischen West- und Norddeutschland macht Bredow deutlich, dass er die Vereinigung in einer großen Anstalt wie dem NWDR für ungünstig hält und plädiert für eine Sendeanstalt im Westen. "Sender sollen sich zusammenschließen": Zwei Jahre später gibt es die ARD Grundsätzlich sei es notwendig, dass die Sendeanstalten zwar unabhängig sind, aber sich zusammenschließen, um eine einheitliche Rundfunkstruktur zu gewährleisten. Damit nahm Bredow den Gedanken der ARD vorweg. Sie wurde dann am 9.6.1950 gegründet. Der Nordwestdeutsche Rundfunk macht den Anfang Den Anfang macht der in der britischen Besatzungszone sendende Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR). Seit Kriegsende war er die gemeinsame Rundfunkanstalt für die gesamte britische Besatzungszone mit Hauptsitz in Hamburg und einem Funkhaus in Köln. Er ging aus der Nordischen Rundfunk AG (NORAG) hervor und war 1950 Gründungsmitglied der ARD. Nach dem Vorbild der BBC soll ein gebührenfinanzierter Rundfunk entstehen Geprägt wurde der NWDR durch den Briten Hugh Carlton Greene: Er plante, eine Rundfunkanstalt nach dem Vorbild der britischen BBC aufzubauen, unabhängig von politischem Druck, kommerziellen Interessen und durch Gebühren finanziert. In seiner Rundfunkansprache anlässlich der Übergabe des NWDR von der britischen Militärregierung in deutsche Hände zum 1. Januar 1948, berichtet Hans Bredow am 27.12.1947 vom Wiederaufbau des deutschen Rundfunks nach dem Krieg und der Konzeption einer unabhängigen Rundfunkanstalt. "Freiheit und Selbstverwaltung" für den deutschen Rundfunk Bredow würdigt das Engagement von Hugh Carlton Greene, den zusammengebrochenen Rundfunk in der britischen Zone wieder aufzubauen und ihn wieder zu seiner einstigen Größe zu bringen, vor allem aber "die Schaffung eines Organisationsstatuts für den Nordwestdeutschen Rundfunk", das die Übertragung an eine deutsche Verwaltung regelt und dem Rundfunk "Freiheit und Selbstverwaltung" bringt. Bredow will eine demokratische, kollegiale Verwaltungsstruktur Hans Bredow fordert in seiner Ansprache ein besonderes Fingerspitzengefühl für die Ansprüche von Nord- und Westdeutschland. Zudem schlägt er vor, einen Verwaltungsrat nur mit Vertretern nichtamtlicher Organisationen zu besetzen und statt eines Generaldirektors ein kollegiales, demokratisches Direktorium zur Verwaltung der Rundfunkanstalt einzusetzen.
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Mar 30, 2025 • 58min

Diskussion: Soll der Rundfunk staatlich oder unabhängig werden? | 30.1.1947

Nach dem Krieg gab es im Südwesten Radio Stuttgart – den Vorläufer des Süddeutschen Rundfunks – und den Südwestfunk. Beide wurden aber noch von den Militärverwaltungen kontrolliert. Auch die Nachrichten wurden zensiert. Doch zeichnete sich schon bald ab, dass das nur eine Übergangslösung ist, und dass die Rundfunksender eigenständig werden sollten. Doch was ist damit gemeint? Soll der Rundfunk unter Aufsicht des Landtags gestellt werden? Soll die Post die technische Verbreitung übernehmen? Das Konzept eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks war den Deutschen damals noch nicht so recht vertraut. Und so kam es am 30. Januar 1947 im Programm Radio Stuttgart zu einer Grundsatzdiskussion unter dem Titel: Wollen wir ein staatliches oder ein unabhängiges Radio? Vor dem Hintergrund der heutigen Diskussionen ein aufschlussreicher Schlagabtausch. Es diskutieren: Joseph Ersing, MdL, CDUErwin Schöttle, MdL, SPDAlbrecht W. MainholtWalter Brucker Moderator war Dr. Waldemar Reichelt

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