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carls zukunft der woche

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Aug 22, 2024 • 37min

#221 Laura Gebhardt - Ortskontrollfahrt Mobilität

Auf zur Ortskontrollfahrt – welches Verkehrsmittel darf es denn sein? Für Laura darf es gerne das Fahrrad sein. Schnell, unabhängig, sportlich - und am Zielort muss niemand einen Parkplatz suchen. Laura Gebhardt ist Mobilitätsforscherin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ihr wichtigstes Learning aus zahlreichen Projekten: Mobilität ist kein technologisches Problem. Es geht nicht um Batteriekapazität und Reichweite. Es ist auch kein moralisches oder vorrangig regulatives Problem. Zentral sind die Bedürfnisse der Nutzer:innen - und die sind komplex.Wer eine zukunftsfähige Mobilität realisieren will, muss zunächst genau zuhören. Da tauchen Themen wie Gewohnheit auf: Selbst wenn der Mensch täglich im gleichen Stau steht – sind die eigenen Abläufe erst einmal auf das Auto ausgerichtet und hat der Kaffeebecher seinen festen Platz, wird es auch morgen wieder das Auto sein. Die Mobilitätsexpertin Katja Diehl hat herausgearbeitet, wie viele Menschen täglich das Auto nutzen, obwohl sie gar nicht gerne fahren. Und dennoch …Angst ist ein weiteres Thema. Laura hat erlebt, wie in einem Projekt der traditionelle Bus durch einen On-Demand-Bus ersetzt wurde. Der fährt immer dann, wenn er gebraucht wird, aber eben nicht mehr um 19 nach, so wie früher immer. Das löst Ängste aus, ausreichend noch so intelligente neue Lösungen scheitern zu lassen.Wo würde Laura anfangen, auf einer grünen Wiese? Bei der Mobilität selbst. Denken und planen wir Mobilität, bevor wir Wohnhäusern, Gewerbeimmobilien und Büroräumen ihren Platz zuweisen. So entstehen die Räume, die wir oft vermissen, wenn es daran geht, zukunftsfähige Mobilität zu realisieren. Und wenn denn noch ein Wunsch frei wäre? Kilometerlange, echte Fahrradstraßen, so wie in Holland, Frankreich und Dänemark. Das muss der Mensch nicht einmal mehr erfinden.Zu Gast: Dr. Laura Gebhardt, Wissenschaftlerin in der Abteilung Mobilität und Urbane Entwicklung des DLR-Instituts für Verkehrsforschung in Berlin
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Aug 15, 2024 • 48min

#220 Klaus Gestwa - Am Abgrund: Der russische Krieg in der Ukraine

Wir müssen über den Krieg reden. Immer noch. Ein Gegenwartsthema, wie aus einer vergangenen Zeit - und doch werden gerade die Grundlagen für die Zukunft gelegt, in großem Maßstab. Klaus Gestwa sagt: Seit Anfang 2023 erleben wir einen Zermürbungskrieg, wie wir ihn eigentlich nur aus den beiden Weltkriegen kannten, ergänzt um moderne Kriegstechnik und Live-Bilder via Social Media. Eine Situation, mit der wir noch gar nicht wirklich umgehen können. Klaus ist Professor an der Universität Tübingen und leitet dort das Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde.Erste Frage: Wann wird das Kämpfen aufhören? Klaus betont: Aktuell glauben beide Seiten, militärisch etwas erreichen zu können. Die Einsicht „jetzt geht nichts mehr“ steht noch aus. Insofern wird es 2024 nichts mit einer Waffenruhe. Er betont aber auch, wer der Aggressor ist: Wenn Putin seine Soldaten zurückzieht, wird der Krieg morgen vorbei sein. Der Putinismus sieht das allerdings nicht. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer politischen Umkehr ist fern; der Herrscher im Kreml wähnt sich auf einer historischen Mission. Insofern bleibt als einzig plausibler Weg zu Waffenstillstand und Verhandlungen, Russland militärisch mindestens auf Augenhöhe zu begegnen. Und dann folgt ein sehr bitterer Verhandlungsprozess.Die politischen Eliten Russlands haben sich hinter Putin versammelt, so Klaus. Es ist Russlands Krieg, nicht allein Putins. Entsprechend können wir von außen auch nur bedingt einwirken, nur die Rahmenbedingungen setzen. Wer zwischenzeitlich auf die russische Zivilgesellschaft gehofft hatte, muss erkennen, dass sie sich im Würgegriff des Putin-Regimes befindet. Propaganda wirkt eben und die Hoffnung auf gesellschaftliche Gegenkräfte ist eine Illusion. Die Kreml-Eliten müssen einsehen, dass Putin das Problem ist. Und das in so großer Zahl, dass sie nicht direkt aus dem Fenster fallen.Michael und Klaus diskutieren die absehbaren Konsequenzen des Kriegs für die Opfer. Noch nie war eine so große Fläche vermint wie heute in der Ukraine. Die Minen zu entfernen, wird Jahre brauchen. Infrastruktur, Industrie, allein die Umweltschäden sprengen unsere Vorstellungskraft. In der Ukraine sind bereits heute größte Mengen unterschiedlichster Giftstoffe aus Deponien und Industriebetrieben in die Umwelt geraten. Und „in die Umwelt“ bedeutet am Ende „in die Menschen“. Hinzu kommen die psychischen Folgen. Klaus zeichnet ein düsteres Bild von dem Ausmaß an PTBS, der posttraumatischen Belastungsstörung. An ihr leiden in und nach anderen Krieg ein Drittel der Soldaten und Soldatinnen - und zahllose Zivilist:innen. Es wird eines Kraftakts der Ukraine bedürfen, nach einem Waffenstillstand wieder zu gesunden und als Gesellschaft auf Dauer lebensfähig zu sein. Zu Gast: Professor Dr. Klaus Gestwa, Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde an der Universität TübingenDie Universität Tübingen hat Prof. Dr. Klaus Gestwa mit dem Preis für Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet (2/2024).Mehr Podcasts zum Thema: #147 Niklas Schörnig: Frieden ist kompliziert#140 Frank Sauer: Neue Waffen, neue Kriege?#123 Carlo Masala – Warum der Krieg eine Zukunft hat#100 Thomas Klindt - Ist das Recht als internationale Ordnung abgeräumt?
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Aug 8, 2024 • 46min

#219 Natalie Knapp - Das unterschätzte Prinzip Hoffnung

Hoffnung ist unsere zentrale menschliche Fähigkeit, sagt die Philosophin Natalie Knapp. Wir brauchen Hoffnung, um uns zu motivieren. Denn letztlich ist es nur die Aussicht auf eine positive Zukunft, die uns in Bewegung setzt. Zum Ankommen braucht es keine Energie, aber zum Loslaufen. Dabei ist es weniger wichtig, ob sich jede Hoffnung genau so erfüllt, wie sie anfangs einmal bestand. Eine bemerkenswerte Parallele zur Zukunftsforschung: Es geht viel weniger ums nachträgliche Rechthaben, stattdessen viel mehr ums Anfangen.Fragen wir nicht: Was ist realistisch? Was realistisch gewesen sein wird, sehen wir dann schon noch in der Zukunft. Das klärt sich. Natalie betont: Viel wichtiger und hilfreicher ist es zu verstehen, dass wir Realität schaffen können, indem wir anfangen und gestalten. Die berühmte Politologin und Philosophin Hannah Arendt hat gesagt: Wir bräuchten die Hoffnung nur dann nicht, wenn die Zukunft schon feststünde. Das wäre sicher. Aber dann könnten wir nichts mehr tun, könnten nichts mehr verändern oder bewirken, keine Entscheidung treffen. Insofern ist es absurd zu glauben, dass das Leben besser wäre, wenn es weniger unsicher wäre.Natalie singt ein Loblied auf die Unsicherheit. Wir können lernen, gut in Unsicherheit zu leben, können lernen, Lust daran zu entwickeln. Dafür müssen zunächst einmal sortieren, was es bedeutet, unsicher zu sein. Natalie deutet dies so: Spüren wir Unsicherheit, verfügen wir gerade nicht über eine passende Routine. Wer Unsicherheit spürt, weiß gerade nicht automatisiert, wie es geht. Anders gesagt: Es ist hoch professionell, sich ab und zu unsicher zu fühlen. Dann müssen wir anders arbeiten, anders kommunizieren, mehr in den Austausch gehen, Ideen entwickeln und den Kopf einschalten. Gar nicht schlecht, diese Unsicherheit. Wir brauchen eine Neubewertung des unangenehmen Gefühls, das eben keine Angst ist, sondern Unsicherheit.Natalie spricht darüber, wie wir in unsicheren Zeiten entscheiden können. Gelernt haben wir, Entscheidungen als Sortieraufgabe zu verstehen. Alle vorhandenen Informationen sichten und ordnen, dann wissen wir was zu tun ist. In der Unsicherheit führt das in die Irre, denn die wichtigen Informationen sind vielfach genau die, über die wir eben nicht verfügen. Im Chaos greift das mechanistische Weltbild nicht mehr. Diese fünf Dinge musst du beachten, dann hält deine Ehe 50 Jahre … funktioniert nicht. Wir müssen stattdessen lernen über Möglichkeiten zu sprechen, über Wahrscheinlichkeiten - und anfangen. Im Rückblick wird ein Leben draus geworden sein.Zu Gast: Dr. Natalie Knapp, Philosophin, Keynote Speakerin und Autorin populärer Sachbücher. Sie ist Gründungsmitglied des Berufsverbandes für philosophische Praxis, Dozentin der ZEIT Akademie, der Liechtenstein Academy, der Leuphana Universität Lüneburg und des Netzwerks Ethik. Erwähnungen: Nachhaltigkeit, Innovation und organisatorischer Wandel: Rasmus NutzhornFilm: 972 BEAKDOWNS Auf dem Landweg nach New YorkPodcast mit Ralf B. Wehrspohn – Innovation im Plattenbau
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Aug 1, 2024 • 43min

#218 Arne Semsrott – Die Freiheit, das Strafrecht und die AfD

Unser Diskurs über Freiheit ist ein Armutszeugnis; wir machen die Freiheit kleiner als sie eigentlich ist. In unseren Debatten, in denen wir ständig Verbote wittern und darüber vergessen, dass genau dies eine ganz zentrale Aufgabe von Politik ist: Auszuloten und zu bestimmen, bis wohin wir ein gutes Leben haben wollen - und wo die Grenze dessen erreicht ist. Unspektakulärer geht es kaum. Stattdessen schreien wir vor Aufregung über Bagatellen wie ein Tempolimit und nehmen gleichzeitig Menschen für noch kleinere Kleinigkeiten die Freiheit. Wenige Male Schwarzfahren reicht.Arne Semsrott ist - neben vielen anderen Projekten - Gründer des Freiheitsfonds. Der Fonds kauft Menschen aus dem Gefängnis frei, teils einen Monat schon für 50€. Seit der Nazizeit ist Schwarzfahren in Deutschland strafbar. Wer mehrfach erwischt wird und den folgenden Strafbefehl nicht zahlen kann, erlebt die deutsche Besonderheit „Ersatzfreiheitsstrafe“. Damit gehen genau die ins Gefängnis, die es gar nicht sollen. Pro Jahr 10.000 Menschen in Deutschland. Inzwischen sind es die Gefängnisse, die beim Freiheitsfonds anrufen und darum bitten, Menschen freizukaufen. Damit ist die Absurdität auf die Spitze getrieben: Der Staat sorgt dafür, dass die falschen Menschen in Haft kommen - und anschließend bittet der Staat private Organisationen, sie dort wieder herauszuholen.Das Thema ist ein Türöffner, sagt Arne, denn wir haben ein Thema mit der Elendskriminalität. Arme Menschen werden systemisch benachteiligt. Schwarzfahren, Ladendiebstahl, die Liste ist lang. Das Bundesjustizministerium hat ein Gesetz zur Entkriminalisierung angekündigt, so weit hat der öffentliche Druck schon geholfen. Allein: Der Entwurf für das Gesetz kommt nicht. Und er muss bald kommen, sonst vergeht diese Legislatur. Wer also ein paar Minuten hat und das Projekt unterstützen will: Ein Brief an Minister Marco Buschmann oder seien Staatssekretär Benjamin Strasser hilft.Die Freiheit ist auch aktuell politisch bedroht. Arne hat gerade ein Buch veröffentlicht, das eine Anleitung zum Widerstand bieten soll. Kurz gesagt: Was tun, wenn die AfD und andere antidemokratische Parteien bei den ersten Wahlen tatsächliche Mehrheiten erringen? Die Demokratie wird nicht in einem Knall enden. Die AfD will sie beenden, keine Frage, aber eher in vielen kleinen Schritten. Mehr Menschen in Präventivhaft, Strafanzeigen gegen Journalisten, etc. Die Anknüpfungspunkte sind alle da. Arne sagt: Wir müssen laut sein, es verhindern, aber wirkungsvoll. Und das heißt nicht, den heutigen AfD-Wählern nach dem Mund zu reden und in vorauseilendem Gehorsam erst ihre Talking Points und dann die Positionen zu übernehmen, sondern sich vorzubereiten.Arne nennt drei konkrete Schritte:Stellen wir uns auf den Wahlabend ein. Wie wird er aussehen, wie sich möglicherweise anfühlen? Wen rufen wir an, um zu sagen: ich bin da?Wie sichern wir die Zivilgesellschaft? Die AfD wird schnellstmöglich den Geldhahn zudrehen wollen, wie können wir Institutionen davon stärker unabhängig machen?Und ein Schritt für alle, die in Behörden arbeiten: Was geschieht, wenn die AfD für mein Amt zuständig wird? Was muss ich umsetzen, welche Informationen kann ich leaken, wie die Prozesse verlangsamen? Arne hat ein ganzes Kapitel seines Buches den Beamten gewidmet, denn ihnen kommt am Ende die Rolle zu, aus AfD-Positionen praktisches Handeln zu machen.Nicht gesprochen haben Michael und Arne über Fragdenstaat.de. Auch das macht Arne. Nächstes Mal.Zu Gast: Arne Semsrott, Politikwissenschaftler und Aktivist, leitet das Recherche- und Transparenzportal FragDenStaatNeuestes Buch: Machtübernahme – Was passiert, wenn Rechtsextremisten regieren | Eine Anleitung zum Widerstand | SPIEGEL Bestseller
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Jul 25, 2024 • 47min

#217 Micha Pallesche – Was bedeutet Zukunft für Schule?

Vielleicht ist der Fehler im System schon daran zu erkennen, dass wir uns auf die großen Ferien freuen - und eher nicht so sehr auf das nächste Schuljahr. Warum eigentlich? Möglicherweise ist das System Schule dabei, von der Welt abgehängt zu werden. Eine gefährliche Spannung: Lernen wird immer wichtiger, aber findet es in der Schule statt? Micha Pallesche ist Schulleiter der vielfach ausgezeichneten Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe. Er zeigt: Schule geht anders. Ja, auch eine ganz normale staatliche Regelschule geht anders.Im Podcast berichtet Micha, wie er bewusst gegensteuert. Impulse im Klassenzimmer? Maximal ein Drittel der Zeit. Hinzu kommen ein Drittel Kollaboration und ein Drittel Selbstlernphasen. Aus Lehrern werden Lernbegleiter, die darauf vertrauen, dass die Kinder etwas wollen, und ihnen den Raum dafür geben. Micha setzt darauf, den Schülerinnen und Schüler Aufgaben zu geben, die sie allein nicht lösen können - und für die es oftmals gar keine vorgefertigten Lösungsmuster gibt. Dann passiert etwas. Was wir brauchen, sagt Micha, sind unbestimmte Räume. Denn das zählt zu den Absurditäten des üblichen Schulablaufs: Ein maximal bestimmter Raum soll Menschen auf maximal unbestimmte Räume vorbereiten.„Carls Zukunft“ hat vor kurzem ein Whitepaper veröffentlicht, das sich einer ganz einfachen Frage widmet: Was bedeutet Zukunft für Schule? Wenn wir uns allein die Felder anschauen, bei denen sich die Zukunftsforschung stabile Aussagen zutraut: Wer in den 30er Jahren die Schule verlassen wird, tritt in eine Welt, in der Arbeit etwas völlig neues bedeutet. In der neben den Klimaschutz längst die alltägliche Klimafolgenanpassung getreten ist. In der Fakt und Fake medial längst kaum noch zu unterscheiden sind. In der der Krieg seine Wunden und Narben hinterlassen hat. Was folgt daraus? Zumal: Was Unternehmen und Organisationen Zukunft nennen, ist in Schulen Gegenwart: Wer in zehn Jahren die Schule abschließt, ist längst täglich dabei. Zukunft ist hier Gegenwart. Kann Schule das?Micha und Michael diskutieren intensiv die zentrale Erkenntnis des Whitepapers: Die wichtigste Aufgabe von Schule ist es, junge Menschen dazu zu befähigen, das Curriculum des eigenen Lebens immer wieder neu zu entwerfen. Das ist mehr als nur lebenslanges Lernen. Wir brauchen die Fähigkeit, immer wieder für uns selbst herauszufinden, was wir lernen wollen und können.Zu Gast: Micha Pallesche, Schulleiter der Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe
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Jul 18, 2024 • 45min

#216 Jutta Rump – Zwischen Freizeithunger und Arbeitsunlust

Kurzfassung: Das mit der Arbeit wird gerade wirklich komplex. Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen den Umgang mit den Menschen erheblich professionalisieren. Sonst ziehen sie auf dem Jobmarkt bald nicht mal mehr den Kürzeren und gefährden ihre Existenz. So einfach. Das sagt Jutta Rump. Sie ist Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und leitet das Institut für Beschäftigung und Employability.Etwas längere Fassung: Wir sehen einen Trend zu mehr Selbstbestimmung im Beruf. Und gleichzeitig den Gegentrend zu mehr Fremdbestimmung. Einerseits partizipative Führung, mobiles Arbeiten, Führen über Aufgaben, etc. Der Gegentrend ist besonders dort sichtbar, wo Automatisierung im Spiel ist. Exakt definierte Prozesse, ohne die Möglichkeit, heute mal abzuweichen. KI verstärkt das noch und ist da im Moment gerade wenig kooperativ. Welcher Trend wird sich durchsetzen? Jutta sagt: Beide. Wir haben es mit einer Polarisierung zu tun und die Extreme verstärken sich.Worüber wir nachzudenken haben, ist der Begriff der Zeit. Warum heißt es Frei-Zeit? Ist diese Zeit frei, also verfügbar, nur weil sie nicht bezahlt wird? Man frage kurz alle Alleinerziehenden. Oder die Menschen, die Angehörige pflegen. Oder oder oder. Freizeit ist meist pure Fiktion. Insofern hilft es auch nicht, wenn Unternehmen über den angeblichen „Freizeithunger“ der Menschen lamentieren. Denn zugleich: Was ist mit der Arbeitszeit? Wem kommt es eigentlich zu Gute, wenn eine Aufgabe dank KI in der halben Zeit zu erledigen ist? Hier entsteht Zeitwohlstand. Gehört der dem Unternehmen, das weitere Aufgaben verteilen kann? Oder den Mitarbeiter:innen, die früher Schluss haben? Oder müssen wir über diese Fragen verhandeln? Ja absolut, sagt Jutta. Und da, wo wir dazu noch nicht die Fähigkeiten und die Kultur in Unternehmen haben, da brauchen wir eben: mehr Professionalität.Jutta nennt es den Klebe-Effekt. Menschen sollen im Bewerbungsprozess am Unternehmen kleben bleiben. Und später auch. Und dafür braucht es nicht das Jobrad, sondern: Professionelles Lernen, Führung, Teamkultur, Gesundheit, Balance. Natürlich ist das kein Wunschkonzert; es geht darum, gemeinsam zu erarbeiten, was passt und was nicht geht.Für Jutta läuft es letztlich auf eine Frage hinaus: Wie gibst du Menschen Sicherheit, in einer Welt, in der es keine Sicherheit mehr gibt? Transparente Kommunikation und professioneller Umgang miteinander sind nötig. Diese Notwendigkeit besteht heute schon - und sie wird noch wachsen, dank der Demografie. Wer hier nicht mithalten kann, wird seine Stellen nicht besetzen können. Dann landet die Arbeit auf den Schultern derer, die noch da sind - bis die dann auch gehen. Ende.Der Artikel aus der FAZ, über den Jutta und Michael sprechen, ist hier abrufbar: https://archive.is/CfVKDZu Gast: Prof. Dr. Jutta Rump, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE) 
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Jul 11, 2024 • 44min

#215 Amanda Maiwald @ Complori - Die Lizenz zum Lernen

Wer hat eigentlich die Idee aufgebracht, wir könnten je ausgelernt haben? Auch wenn unser ganzes Schul- und Ausbildungssystem auf dieser Fiktion beruht, es bleibt: Eine Fiktion. Die im Grunde banale Aussage, dass wir immer weiter lernen müssen und werden, wirkt da schon fast revolutionär. Aber wenn dies eine Revolution ist, wird sie von Amanda Maiwald mit angetrieben. Amanda hat das Startup Complori gegründet, das Kindern Programmieren beibringt. Genauer: Mit Grundlagen und immer weiter wachsendem Wissen versorgt, denn fertig wird hier keiner. Kann ja gar nicht sein, angesichts der technologischen Entwicklung.Wir hören die besorgten Eltern direkt aufstöhnen: Noch mehr Zeit am Bildschirm? Und das schon für siebenjährige Kinder? Amanda kontert: Soll meine Tochter eine Stunde am Handy hängen und TikTok-Videos durchschollen - oder eine Stunde selber programmieren? Die Betonung liegt in diesem Fall auf „Tochter“. Complori arbeitet gezielt daran, den Anteil der Mädchen in Programmierkursen zu erhöhen. Parität hat auch Complori noch nicht erreicht, aber der Anteil wächst. Für Amanda ein zentrales Thema, gerade mit Blick auf die Konsequenzen. Etliche Algorithmen, die wir heute ständig nutzen haben einen Gender-Bias. Gesundheitsdaten beschreiben männliche Körper, der weibliche Körper hingegen ist in guten Teilen terra incognita. Sexualisierte Gewalt, d*ckpics und co könnten längst zurückgedrängt sein, wenn die Opferperspektive mit in den Algorithmus einfließen würde. Viele Startups und Technologien wurden und werden von weißen Männern entwickelt, um Probleme einer sehr überschaubaren Gruppe von privilegierten Menschen zu lösen, meist eben: weiße Männer. Wer das ändern will, muss an das Fundament, sagt Amanda, und so früh wie möglich ansetzen, um schon Kinder kompetent zu machen.Amanda sagt direkt, sie würde sich wünschen, dass es Complori nicht geben müsste. Aber solange die Schulen diese Kompetenzen nicht vermitteln können, sollten wir nicht jammern, sondern loslegen. Und wenn eine Kultusministerin anriefe, um Complori zu schlucken und in die Schulen zu integrieren? Dann sollten wir reden, sagt Amanda. Das Ziel steht: Complori und alle weiteren Akteure auf diesem Feld so groß zu machen, dass wir in zehn Jahren sagen können: Alle Kinder verstehen Programmieren.Zu Gast: Amanda Maiwald, Gründerin und CEO Complori
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Jul 4, 2024 • 50min

#214 Verena Kantrowitsch - Soziale Kipppunkte und die Klimakrise

Das Klimadilemma hat uns im Griff. Sollen wir in den Abgrund schauen, deprimiert, erstarrt, nicht mehr handlungsfähig? Oder sollen wir positiv sprechen, uns ermutigen, zwar handlungsfähig, aber vielleicht schon wieder so beruhigt, dass wir auch nichts ändern? Verena Kantrowitsch, Psychologin im Team von Psychologists4future, erlebt das Dilemma am eigenen Leib. Im Podcast sagt sie: „Ich habe Phasen, da kann man einfach nur noch einen Fuß aufstampfen.“ Und dann ist sie doch immer wieder auf der Suche, Teil der Lösung zu werden. Der Schlüssel dafür: Verbündete. Niemand verändert etwas allein. Michael und Verena sprechen intensiv über das Modell sozialer Kipppunkte. Was braucht es, um die Normal-Linie unseres Verhaltens zu verschieben? Keine Mehrheiten, das ist durch zahllose Studien belegt. Eher relevante Minderheiten, die sich trauen, in den Dialog zu gehen. Auf zweiten Blick, so Verena, ist es oft überraschend, welche Gedanken die schweigende Mehrheit umtreiben. Die laute Traditionsmehrheit würde Schweigen immer als Zustimmung für sich werten. Häufig genug steckt hinter dem Schweigen etwas ganz anderes. Nicht jeder hat zu jedem Zeitpunkt Lust, in Konflikte zu gehen. Verena leitet die Faustformel ab: Wer sich traut und aufrafft, sich zum Beispiel für mehr Klimaschutz auszusprechen, wird meist dankbare Schweiger finden, die heute gerade nicht sprechen wollen. So können auch kleine Veränderungen große Wirkung entfalten. Wie kommen wir nun aber zu einem veränderten Verhalten in der Gesellschaft? Verena verweist auf die Arbeit von Per Espen Stokness, ein norwegischer Umweltpsychologe. Der hat gezeigt, dass wir nicht nur beschäftigt sind als Vater, Mutter, Partner:in und nicht nur unsere Belastungsgrenzen haben (wie vielen Krisen will ich mich gleichzeitig aussetzen?). Der Kern, der uns den Wandel so schwer macht, liegt auf der Ebene der Identität. Wir sind wer, wir haben es geschafft, was auch immer „es“ ist. Da geht es dann schnell nicht mehr nur darum, ein anderes Verkehrsmittel zu wählen, sondern seinen Status zu ändern, seine Symbole abzulegen,. Was eben noch eine Frage von Klimaschutz war, wird zu einer Neuerfindung des Ich. Schwierig. Umso mehr müssen wir sprechen, Normalität etablieren - und optimistisch bleiben. Zu Gast: Verena Kantrowitsch, Psychologin, Psychologists4future. Das erste Mal war Verena in Folge 109 zu Gast. 
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Jun 27, 2024 • 44min

#213 Karsten Brensing – Die Magie der Gemeinschaft

Warum ausgerechnet Homo Sapiens? Was war der Schlüssel unseres Erfolgs? Der Meeresbiologe und Verhaltensforscher Karsten Brensing - und nicht nur er - sagt: Unsere Fähigkeit zur Kooperation. Kooperation ist nicht nur ein Überlebensmechanismus, sondern auch ein Erfolgsfaktor für das menschliche Zusammenleben. Unser Problem: Wir sind zu erfolgreich. Unsere Hoffnung, so Karsten, sollten wir darauf setzen, erfolgreich mit künstlichen Intelligenzen zusammenzuarbeiten. Was das heißt, diskutieren Karsten und Michael in dieser Folge.Wir kennen es aus Bio, 8. Klasse: Eine Art, die sich so stark ausbreitet, dass sie ihre eigenen Lebensgrundlagen verbraucht, bricht extrem schnell zusammen und verschwindet. Das beschreibt unsere Lage ganz gut. Spannend ist die Frage, wie wir da rauskommen. Eines unserer Probleme dabei ist unser so ganz und gar nicht rationales Verhalten. Karsten zeigt zahllose Beispiele aus der Tierwelt wie der Wirtschaft, die alle eines gemeinsam haben: Sie zeigen, wie vertrackt unsere Lage wirklich ist.Geteilte Verantwortung zum Beispiel führt zu gesteigerter Irrationalität. Wenn alle dieses 2€-Shirt kaufen, kommt es auf mich doch auch nicht an. Das steigert sich bis hin zur Grausamkeit. In Gruppen kommen wir kaum dagegen an. Das führt Karsten zu seiner These: Wenn wir aus uns heraus schon nicht zu besseren Entscheidungen kommen, könnte uns KI helfen? Unterstützend ist das längst Realität, in der Politik, in Unternehmen, in Technologie.Wenn wir das aber wollen, warum sollte die KI es tun? Also zu einem Zeitpunkt, wo sie mehr geworden sein wird als ein Werkzeug, das wir nach Belieben an- und wieder ausschalten. Wie wird KI uns einschätzen, wenn sie jederzeit einsehen kann, wie wir sie lange behandelt haben? Letztlich, so Karstens zugespitzte These: Wir sind erdgeschichtlich wahnsinnig erfolgreich - und daher so viele. Damit haben wir die Klimakrise ausgelöst, die unsere Grundlagen und damit uns bedroht. Alle unsere Mechanismen verstärken diesen Effekt immer weiter. Im Grunde bleibt uns nur die Kooperation mit echter KI, um einen Weg zu einem anderen Verhalten als Menschheit zu finden - und damit zu überleben.Zu Gast: Karsten Brensing, Meeresbiologe, Verhaltensforscher und AutorBuch: Die Magie der Gemeinschaft: Was uns mit Tieren und künstlichen Intelligenzen verbindet (Erscheint am 27.06.2024)
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Jun 20, 2024 • 45min

#212 Ralf B. Wehrspohn – Innovation im Plattenbau

Im Grunde wollen ja alle Innovation. Innovation ist wahnsinnig attraktiv. Wenn es aber ans Risiko geht, dass es dabei zu tragen gilt, werden viele wieder zurückhaltend. Für die Wirtschaft, für die Gesellschaft insgesamt, wird das schnell zum Problem. Dieses Phänomen sehen wir vor allem bei den echten Ungewissheiten, wo nicht nur die Lösung unklar ist, sondern auch die Rahmenbedingungen, sagt Ralf Wehrspohn. Ralf ist Physiker und treibt das Thema Innovation, bei Fraunhofer und darüber hinaus.Zehn neue Wege stehen zur Wahl, mindestens neun werden scheitern - wer trägt das Risiko für Innovationen? Der Staat? Einzelne Unternehmen? Investoren? Anstatt uns gegenseitig mit solchen Fragen lahmzulegen, sollten wir lieber auf Kooperationen setzen. Ralf macht sich für symbiotische Innovationen stark. Am Beispiel des Lithiums: Wer das begehrte Metall aus dem Erz gewinnen will, erzeugt gewaltige Mengen Abraum. In klassischer Sicht: Ein teures Problem. In Symbiose: Wertvoller Ausgangsstoff für die Bauindustrie. Schon wird Entwicklung günstig und sicher. Wer dann auch noch Recycling-Ströme mitdenkt, ist schon fast bei er Kreislaufwirtschaft angekommen.Das Prinzip ist nicht neu. Jeder Chemiepark beruht auf genau diesem Prinzip, hier Stoffverbund genannt. Diese Netzwerk halten die Chemieindustrie am Leben und am Standort. Dennoch, so Ralf, müssen wir gezielt stärker in solchen Verbünden denken. Niemand gewinnt die Innovation allein.Das Prinzip trägt auch im gesellschaftlichen Kontext. Ralf berichtet von Projekten im Kontext Demografie, die er begleitet. Die Zahl älterer Menschen, die im Alltag Hilfe benötigen, wird absehbar in den kommenden Jahren stark steigen. Private Pflege für alle scheidet schon aus Kostengründen als Modell für alle aus. Wie aber dann? Man nehme eine traditionelle Großwohnsiedlung - auch Plattenbau genannt - und verwandele sie in eine stabile Lebenswelt, mit MVZ, Pflegedienst, entsprechenden Technologien im Haus und Integration der Krankenkasse. Schon ist die Symbiose entstanden, in der der Erfolg des einen zur Voraussetzung des Erfolgs des anderen wird.Das Beispiel zeigt: Was uns fehlt, ist vielfach das Zutrauen in Kooperationen. Geld jedenfalls ist genug im System, sagt Ralf (und erwartet Widerspruch…). Wenn überhaupt, müssen wir lernen, Geld anders zu verteilen. Weg von starren Meilenstein-basierten Projektplänen, die nur bei inkrementellen Innovationen hilfreich sind. Da, wo es um das wirklich Neue geht, brauchen wir die systematischen Tugenden, die wir von Universitäten schon lange kennen: Kluge Menschen, stabile Grundfinanzierung, attraktive Ziele. Und auf geht es.Zu Gast: Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn, Innovator, Gründer, Wissenschaftsmanager, Universitätsprofessor, Dochsager.

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