Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Dr. Sascha Weigel
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Mar 2, 2021 • 31min

#32 Motivation in Organisationen. Im Gespräch mit Rolf Balling

Ich habe immer darauf geachtet, dass ich gerne mache, was ich machen muss. Themen der Sendung: Motivation im Druck / Motivation im Sog Kausalität von Motivation und Leistungsfähigkeit Motivation in der Zeit? Zusammenhang von Druck und Sog Einfluss des Purpose auf die Motivationsbeschaffenheit der Belegschaft Perspektivwechsel auf die eigene Motiviertheit möglich? Ich habe immer darauf geachtet, dass ich gerne mache, was ich machen muss. **Erläuterungen zum Konzept: ** Es hat sich als sinnvoll bewährt, zwei Qualitäten von Motivation zu unterscheiden. • Einmal Motivation damit, dass uns ein Ziel oder eine Tätigkeit selber als sinnvoll und befriedigend erscheint. Bei dieser Art fühlen wir uns direkt hingezogen; das Ziel bzw. die Tätigkeit wird als „uns eigen“ erlebt. Diese Art nennt man intrinsisch (von innen), sie wird hier als Sog dargestellt. • Dann gibt es eine Motivation, die eher davon lebt, dass indirekt ein attraktives Ziel erreicht werden kann bzw. Schaden von uns abgewendet. Das Ziel bzw. die Tätigkeit erscheint uns nicht als unmittelbar motivierend. So erstellen wir vielleicht einen – uns als unsinnig erscheinenden Bericht – um keinen Ärger mit unserem Chef zu bekommen. Diese Motivation wird extrinsisch (von außen) genannt. Wir erleben sie wie Druck, und so wird sie hier auch dargestellt. Diskussion der Kurven im Zusammenhang: Zunächst wird hier dargestellt, wie sich die Leistung entwickelt, wenn sich der Sog oder der Druck erhöht. In beiden Fällen stellt sich ein zunächst s-förmiger Verlauf ein, der dann von einem schnellen Abfall der Leistung abgelöst wird. Bei Motivation unter Druck nenne ich den Punkt, ab dem die Leistung schnell wieder abfällt, den Panikpunkt. Dies entspricht der Erfahrung, dass – je nach Persönlichkeit und Tagesform – ab einem bestimmten Druckniveau, dysfunktionale Verhaltensmuster schnell zunehmen, bis letztlich keinerlei problemlösende Aktionen mehr erfolgen. Bei Motivation unter Sog folgt der Leistungsverlauf dem gleichen Muster. Allerdings erreicht die Kurve ein insgesamt höheres Niveau, da ein gutes Ziel-Bonding zusätzliche psychische Energie freisetzt. Aber auch hier gibt es ein „Zuviel des Guten“. Irgendwann ist der Punkt von Übermotivation – der Punkt von Verbissenheit – erreicht, ab dem die tatsächliche Leistung wieder abnimmt. Man fängt dann an, offene Türen zu übersehen, oder macht sich einsam und verliert den Kontakt zum relevanten Umfeld. In der Praxis erleben wir meistens eine Mischung aus Sog und Druck. Erfahrungsgemäß können wir mit Druck gut umgehen, solange der Sog von uns noch als vorherrschend empfunden wird. Ist diese Bedingung erfüllt, können wir eine Aufgabe als „unser Ding“ erleben und wir fühlen uns mehr als Spielmacher und weniger als Spielball. Schwierig wird es allerdings, wenn bei Sog und Druck auf hohem Niveau der Sog plötzlich abhanden kommt (z.B.: In einem Projekt wird dem übermotivierten Projektleiter bedeutet, dass das Projekt seine strategische Relevanz verloren hat, aber gleichwohl früher fertig werden muss). Dann findet sich die Motivationslage eventuell hinter dem Panik-Punkt der Druckmotivation - ohne vorherrschenden Sog - wieder; die Leistung bricht zusammen. Zur Motivation im Sog: Diese Motivations-Form ähnelt dem Verlieben. Sie ist letztlich weder durch andere, noch durch uns selber, willentlich erzwingbar. Gelingt sie allerdings, zeigt sie sich als großes Geschenk, da sie große psychische Energie freisetzt. Zerbricht allerdings ein Sog-Projekt vorzeitig, ist wiederum Trauerarbeit erforderlich, um sich psychisch von diesem zu lösen. Und erst wenn wir innerlich wieder frei sind, können wir uns wieder an ein neues Projekt binden. Was kann man nun daraus für die Führungspraxis ableiten? • Eine Abteilung wird gut funktionieren, wenn die Mitarbeiter eher im Sog als mit Druck motiviert sind. Druck kann gleichzeitig oder allein erforderlich sein, sollte allerdings dem Panikpunkt jedes einzelnen Mitarbeiters nicht zu nahe kommen. • Um eine Motivation mit Sog zu fördern, braucht ein Chef die Kompetenz eines „Heiratsvermittlers“ der ein gutes Gespür dafür hat, in welche seiner „Bräute“ sich ein Mitarbeiter „verlieben“ könnte. Natürlich muss die Arbeit erledigt werden, schlimmstenfalls ohne großen Sog und – als zweitbeste Lösung - eher mit Druck. • Der Chef braucht ein Gespür für die individuelle – schwankende – Motivationslage seiner Mitarbeiter. Mancher „Abgestellte“, der innerlich gar nicht mehr bereit ist, sich zu verlieben, braucht vermutlich ein gut dosiertes Maß von Druck. Ein anderer braucht Unterstützung, weil er kurz vor der Panik steht. Und noch ein anderer, der eher im Sog übermotiviert ist, muss mit einer Eingrenzung eher vor sich selber geschützt werden, um ein gutes Ergebnis für die Abteilung zu sichern. • Insgesamt wird die Wichtigkeit einer guten Team-Atmosphäre deutlich. Denn hier können Sog-Motivierte momentanen Frust abladen, um damit ihr Gefühl, Spielmacher zu sein, zu stabilisieren. Und auch eher im Druck Motivierte können in einer Sog-Stimmung selber Sog-Motivation aufbauen, selbst wenn diese „nur“ darin besteht, im Team gebraucht zu werden.
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Feb 21, 2021 • 46min

#31 StaRUG - Sanierungs- und Konfliktkultur. Im Gespräch mit Lucas Flöther.

Mediationskompetenzen für eine wirtschaftliche Sanierung und Stabilisierung von Unternehmen in Schieflage. Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. A. Inhalte: 1. StaRUG 2021: Vorläufiger Höhepunkt eines modernisierten Sanierungsrechts für Unternehmen in (finanz-)wirtschaftlicher Schieflage. Schuldneraktiviertes Sanierungsrecht bei wirtschaftlicher Schieflage Anwendbar bei absehbaren Finanzierungsnöten in 12-24 Monaten. 2. Historische Entwicklungslinien vom gläubigergetriebenen Konkursrecht zum schuldneraktivierten Sanierungsrecht …Bis 1999: Konkursordnung Klassisches Konkursrecht => gläubigergetriebene Zerschlagungsorientierung Insolvenzverwalter = Abwickler, Liquidator Management (Geschäftsführer) = Geschäftsführer etwa wurde einfach abgesetzt werden musste. …. Ab 1999: Insolvenzordnung Modernisiertes Insolvenzrecht => Prüfung von Sanierungsmöglichkeiten -Insolvenzverwalter = Neue Rolle als Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren wurde möglich. -Management = Ausnahmsweise war eine Eigenverwaltung möglich (z.B. durch den bisherigen Geschäftsführer). -Erkenntnisse: wirtschaftliche Zerschlagung bringt für die Gläubiger regelmäßig weniger als Fortführungsaktivitäten. Zudem Arbeitsplatzsicherungen möglich. Ansätze einer Lernkultur für das Unternehmen als Folge einer gesetzgeberischen Lernkurve aus britischen und US-amerikanischen Rechtskulturen (Chapter11-Verfahren) Der offizielle Krisenstatus kann – mit dem StaRUG – für das Management zukünftig die Schrecklichkeit verlieren, ganz ähnlich wie der Konfliktbegriff dank des mediativen Gedankens für die Führungskräfte. …Ab 2012: ESUG – Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Eigenverwaltung => Der Ausnahmefall Eigenverwaltung wird zum Regelfall erklärt. … Ab 2021: StaRUG – Gesetz zur Stabilisierung- und Restrukturierung von Unternehmen Vorinsolvenzliche Phase => schuldneraktiviertes Sanierungsrecht anwendbar bei absehbarer „finanzwirtschaftlicher Schieflage in 12-24 Monaten“ Sanierungsmoderatoren und Restrukturierungsbeauftragte können als "SanierungsMediatoren" (Kassing) agieren. Management => krisenorientierter Arbeiten, keine Entmündigung in der (offiziellen) Krisenbearbeitung Lern- und Fehlerkultur wird etabliert Verfahren ist unternehmerischer, dient aber nur er finanzwirtschaftlichen Sanierung von Unternehmen. Links: Kanzlei Flöther&Wissing Webseite: www.sanierungskultur.de
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Feb 15, 2021 • 39min

#30 - Wenn Berater ratlos sind oder was heute noch Beratung ist. Balling-Mohr-Weigel-Gespräche

Beratung als Kurationsaufgabe oder brauchen Klienten volle Wahlfreiheit? Was ist Beratung - heute noch? Wie weit trägt die tradierte Differenzierung von Fach-, Prozess- und Persönlichkeitsberatung heute noch beraterische Berufe? Sind die alten Schulen, Methoden und Moden passe - und alle wollen holistisch, integrativ und ganzheitlich beraten? These: Der alte Befreiungsimpetus, der seit Mitte des 20. Jahrhunderts wirksam die Autonomie- und Befreiungsbewegung (vor allem der Humanistischen Psychologie) getragen hat,** ist an sein Ende gekommen.** Beratung bedeutet heute vor allem Orientierungs-, Kuratierungs- und Empfehlungsarbeit. Zehn Marmeladen lassen sich besser verkaufen als fünfzig. Es ist ein Zeichen von Autonomie, andere eine Vorauswahl treffen zu lassen. Das nennt sich Vertrauen in einer komplexen Welt. Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen.
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Feb 11, 2021 • 42min

#29 - Mediation und Künstliche Intelligenzen. Im Gespräch mit Michael Bartl

Wann und wie können Künstliche Intelligenzen Mediatior*innen bei der Arbeit konkret unterstützen? Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. Inhalte: Wege und Anwendungen von Künstlichen Intelligenzen und Emotionserkennungen Erfassung biologischer Grundlagendaten via Technologie - Biometrie: Bild (Videokamera), Ton und Sprache (Mikrofone) Herausforderungen für die Anwendung: beängstigende Assoziationen hinsichtlich Künstlicher Intelligenzen (Dark Pattern, Missbrauchsgefahren etc.) gelingender Datenschutz der hochpersönlichen Daten Ethische Technologie (human centered algoritm) 3.Unterstützungsmöglichkeiten Biometrische Mustererkennung zur Hypothesenbildung und -absicherung. Zweitmeinung in Echtzeit, statt in nachgelagerten Supervisionen und Reflexionen (bei Co-Mediationen). Kommunikative Mustererkennung von Mediationsgesprächen. These: Übersehene Muster werden sichtbar. Verbesserte Aus- und Fortbildung von Mediator*innen durch KI-unterstützte Ausbildungsformate. Verbesserte Vorbereitungsarbeit durch smart research, z.B. bei Friedensmediationen (Dazu Höne, K.: Mediation and artificial intelligence: Notes on the future of international conflict resolution. Diplo Foundation 2019.) Die beste Emotionserekennungsmaschine, ist nach wie vor der Mensch. Populäre Literatur zu Künstliche Intelligenzen: O'Neil, Cathy: Angriff der Algorithmen. Wie sie Wahlen manipulieren, Berufschancen zerstören und unsere Gesundheit gefährden, Frankfurt am Main 2018. Fry, Hannah: Hello World. Was Algorithmen können und wie sie unser Leben verändern, München 2019. Links: Dr. Michael Bartls Webseite: www.michaelbartl.com Webseite des Münchner Startups zur Emotionserkennung: www.tawny.ai HYVE Unternehmensgruppe für Innovationen: www.hyve.net weitere Web-Applikationen zu Künstlichen Intelligenzen und Emotionserkennungen: Mental Health Chatbot: www.2xai.com Affektive Emotionserkennung: www.affectiva.com
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Feb 5, 2021 • 44min

#28 - Die Antreiberdynamiken der Transaktionsanalyse. Im Gespräch mit Natalia Berrio Andrade

Die ambivalenten Wirkungen der fünf Antreiberdynamiken beim Umgang mit Stresserleben. Feedback und Bewertung bitte hier auf Apple Podcasts hinterlassen. Inhaltliche Abfolge: Die fünf - in sich schlüssigen - Antreiberdynamiken Ursachen und Wirkungen der Antreiberdynamiken Erkennbarkeit von Antreiberdynamiken für Coaches und Mediatorinnen Methodischer Umgang mit Antreiberdynamiken Verwendungsmöglichkeiten des Konzepts in Coachings oder sonstigen Beratungen _ Das Konzept der Antreiber stammt von Taibi Kahler, einem amerikanischen Psychologen und Transaktionsanalytiker. Es dient dazu, problembehaftetes Verhalten zu erkennen und zu diagnostizieren. Seine Kernidee ist, dass Antreiberverhalten nur immer tiefer in den Schlamassel führt, obschon es subjektiv lösungsmotiviert daherkommt. Das Antreiberkonzept ist für die Konflikt- und Kommunikationsdiagnose ein hilfreiches und - für das geübte Auge - wichtiges Beobachtungskonzept. Zwar ist der Aufmerksamkeits- und damit Übungsbedarf hoch, aber er lohnt sich für Mediatorinnen und professionelle Konfliktmanagerinnen.
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Feb 1, 2021 • 43min

#27 - Das StaRUG - Paradigmenwechsel bei der Unternehmenssanierung? Im Gespräch mit Stephan Madaus

Konstruktive Fehler- und Konfliktkultur zur Sanierung von wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen Inhalte: Das StaRUG wird die Restrukturierung von Unternehmen in Deutschland maßgeblich verändern. Es bietet erstmals einen gesetzlichen Rahmen, sich außerhalb einer Insolvenz grundlegend sanieren zu können. Und eine solche privat- bzw. schuldnergetriebene Sanierung geht mit besonderen Instrumenten und Möglichkeiten einher. Manche sprechen hier bereits von einem Paradigmenwechsel in Sanierungsfragen, der weit über die Anforderungen der EU-RL hinausginge. Diese europäischen Vorgaben haben durch die ausgebrochene Coronavirus-Krise samt ihrer wirtschaftlichen Folgemaßnahmen zusätzliche Brisanz erhalten. Und nun liegt die Umsetzung vor. In über 100 neuen Paragrafen wird im StaRUG in vier Teilen ein modernes, außergerichtliches Sanierungs- und Restrukturierungsrecht gezeichnet. 1. Teil: Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement (§ 1) 2. Teil: Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (§§ 2- 92) Kap. 1: Restrukturierungsplan Kap. 2: Stabilisierungs.- und Restrukturierungsinstrumente Kap. 3: Restrukturierungsbeauftragter Kap. 4: zukünftig in Kraft Kap. 5: Anfechtungs- und Haftungsrecht Kap. 6: Arbeitnehmerbeteiligung und Gläubigerbeirat 3. Teil: Sanierungsmoderation (§§ 94 - 100) 4. Teil: Frühwarnsysteme (§§ 101 - 102) Kernidee und Fokusmaterie des StaRUG ist die finanzwirtschaftliche Stabilisierung bzw. Restrukturierung von Unternehmen, die in absehbare Zeit in Schieflage geraten. Absehbar ist - nach der Einschätzung des Gesetzgebers - der Zeitraum zwischen 12 und 24 Monaten, nicht davor und nicht danach. Doch das ist nicht die einzige Problematik im neuen Gesetz. Für professionelle *Mediatorinnen und Business-Moderator*innen **könnte sich in den kommenden Jahren der 3. Teil des StaRUG als interessant erweisen, wenn sich die Sanierungspraxis in der Tat zu einer zukunftsorientierten Sanierungskultur (Flöther) entwickeln wird. Links: Lehrstuhl Prof. Madaus MLU-Halle-Wittenberg Stephan Madaus Webauftritt - mit informativem und gepflegtem Blog
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Jan 30, 2021 • 29min

#26 - Wenn sich Mediator*innen und Rechtswält*innen bei der Arbeit treffen. Im Gespräch mit Melanie Berger und Alfred N

Zur Zusammenarbeit in Mediationen Feedback und Bewertung bitte hier hinterlassen. Zusammenarbeit von Mediatiorinnen und Rechtsanwältinnen - in Wirtschaftsangelegenheiten Grenzen und Möglichkeiten: Rechtliche Begrenzungen der Zusammenarbeit Der geschützte Raum der Mediation ist ein Vorteil für die Konfliktbearbeitung. Erweiterungen des Personenkreises - ohne in die Öffentlichkeit gehen zu müssen. Lernerfahrunges Rechsanwalts: Die Qualität ist maßgeblich von der Mediationsperson abhängig. Kontraproduktiv ist es, wenn der Rechtsbeistand gar nicht oder zu spät gefragt und hinzugezogen wird. Lernerfahrung Mediatorin: Hilfreich ist die frühzeitige und ständige Einbindung der Rechtsbeistände Auch zwei Anwälte von Beginn an bereichern die Mediation In vertrauensvollen Mediationsgesprächen gelingt es auch Rechtsbeiständen, gut und konstruktiv über das Recht hinausgehend für eine Konfliktlösung zu agieren.
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Jan 26, 2021 • 52min

#25 - Transgressive Mediation - Im Gespräch mit Ed Watzke

Mit Metaphern irritierend den Pfad des Friedens ermöglichen. Grenzüberschreitende Mediation für hocheskalierte Konflikte. Feedback und Bewertung bitte hier hinterlassen. Inhalte: Die Transgressive Mediation wurde maßgeblich von dem österreichischen Mediator Ed Watzke formuliert und späterhin zur „Metaphernbrücke“ erweitert. Dabei handelt es sich um einen ganzheitlichen, situativ arbeitenden Ansatz. Watzke sieht die Rolle und Aufgabe des Mediators ebenfalls in der Ermöglichung einer dialogtauglichen Kommunikationsbasis, wobei er den „Weg des Hofnarren“ geht. Mit Hilfe von Metaphern, Übertreibungen und Zuspitzungen, ohne zu verletzen, lädt er die Beteiligten zu einem „äquilibristischen Tanz“ ein, zu dessen Beginn das unzweideutige Bekenntnis steht, den „Pfad des Friedens“ zu beschreiten. Dieser Stil ist vor allem anhand hocheskalierter (Dauer-)Konflikte entwickelt worden. Normopathie in der Gesellschaft:  Für Watzke ergibt sich die Notwendigkeit einer transgressiven Vorgehensweise aus der sozialen Tendenz zur Normopathie, der „Krankheit/Störung“, sich zwanghaft an vorgegebene Regeln zu halten, ohne sie zu hinterfragen und nicht zu wissen, was zu tun ist, wenn brauchbare Regeln und Vorgaben überhaupt nicht existieren. Und gerade in Zeiten, in denen die Zukunft in Frage steht, wie in Konflikten, sind brauchbare Regeln und Routinen rar gesät. Irritationsarbeit durch Mediator*innen Mediation ist pay-pay, nicht win-win. Vorgehensweise in der Transgressiven Mediation: Im Hier und Jetzt einer Mediation geht es zuvorderst um einen ersten kleinen Schritt in Richtung Frieden. Mediation sei gar nicht win-win, sondern pay-pay! Die Parteien müssen in die Friedensbeziehung investieren, vorher brauche ein Mediator gar nicht anfangen.  Wichtig sei dabei lediglich die Richtung des ersten Schrittes, nicht dessen Größe. Ein erster kleiner Schritt reiche aus, müsse aber von der Gegenseite als solcher wahrgenommen und anerkannt werden. Literatur: Watzke, E.: Äquilibristischer Tanz zwischen Welten. Auf dem Weg zu einer transgressiven Mediation, 3. Auflage, Mönchengladbach 2004. Watzke, E.: „Wahrscheinlich hat diese Geschichte gar nichts mit Ihnen zu tun …“, Geschichten, Metaphern, Sprüche und Aphorismen in der Mediation, 2. Auflage, Mönchengladbach 2008. Gigerenzer, G.: Risiko. Wie man richtige Entscheidungen trifft. New York, 2020.
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Jan 16, 2021 • 36min

#24 - Dreiecksverträge bei Mediationen und Coachings in Organisationen. Im Gespräch mit Rolf Balling.

Problematische Vertrauenskonstellationen der Vertragsparteien bei Mediationen und Coachings in Organisationen. Hier entlang zu den monatlichen News zu Mediation und Konfliktmanagement - kuratiert von Dr. Sascha Weigel Arbeitet eine Beraterin (Mediatorin, Coachin, Trainer*in etc.) in und mit Organisationen, so ist der Organisationsvertreter als Auftraggeber oft nicht die Person, die „die Maßnahme“ unmittelbar erleben wird. Die auftraggebende Person ist oftmals in Mediationen, Coachings, Trainings etc. nicht anwesend. Als finanzierende Person ist es geradezu der Sinn der Beauftragung, sich nicht persönlich drum zu kümmern. Das ist legitim und nicht ungewöhnlich. Dennoch wird dadurch besonders wichtig, die Vertragskonstellationen explizit anzusprechen und gegenseitigen Fantasien übereinander möglich wenig Raum zur Entfaltung zu geben. Den möglichen Fantasien der einzelnen Vertragspartnern sollte wenig Raum zur Entfaltung gewährt werden. Alle sollten das Wesentlich voneinander wissen, was unter den jeweils anderen vereinbart wurde. So sollten Coachees ebenso wie Mediant*innen von den Auftraggebern/Vorgesetzten/HR-Personen in Anwesenheit der Mediationsperson hören, was die Erwartungen sind, wenn diese Mediation gewährt und bezahlt wird. Aber es gibt auch problematische Situationen im Dreieck. Die drei oben skizzierten spitzen Dreiecke symbolisieren drei unterschiedliche, aber gleich problematische Situationen_ bei Mediationen, Coachings, Trainings und Workshops in Organisationen: Ist der Berater/die Mediatorin mit den Teilnehmenden in Relation zum Auftraggeber zu nah, bekommt die Situation leicht etwas Subversives . Die Teilnehmenden verbünden sich mit der Beratungsperson gegen die Mächtigen. Die werden dann irgend­ wann misstrauisch, und feuern die Beratungsperson. Statt Veränderung kommt letztendlich mehr Rigidität heraus. Hier wird die Beratungsperson als Vertreter der Macht gesehen, die die Teilnehmenden auf Vordermann trimmen soll. Ein vertrauensvolles Arbeiten mit den Teilnehmenden wird schwierig sein, da diese zu Trotz und geheimer Sabotage tendieren. Aber auch die Auftraggeberin wird auf Dauer mit den Resultaten unzufrieden sein. Hier stellt sich das Problem für die Beratungsperson, überhaupt im System in seiner Rolle wichtig zu werden. Nur zu leicht wird die Aktion sonst enttäuschend und zum Vorwand dazu, dass halt auch die Externen nichts in dieser Firma wirklich verbessern können. Die verzerrten Dreiecke sind innere Bilder, die Beziehungskonstellationen und -dynamiken erfassen und auch prägen, die jedoch für die jeweiligen Vertragsparteien unterschiedlich sein können. Eine wichtige Aufgabe jedweder Beratungsperson, ob nun als Coach, Mediatorin, Trainerin oder Fachberater ist es zumeist, diese inneren Bilder den Weg in die (Meta-)Kommunikation der Beteiligten zu bringen. besprochene Literatur: English, F. (ZTA 1985): Der Dreiecksvertrag (The Three-Cornered Contract), in: Zeitschrift für Transaktionsanalyse in Theorie und Praxis, 1985, S. 106 – 108. Micholt, Nelly (1992): Psychological Distance and Group Intervention, in: Transactional Analysis Journal 22:4, 1992, 228-233.
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Jan 13, 2021 • 1h 1min

#23 - Organisationale Ambidextrie. Im Gespräch mit Dr. Gudrun Töpfer und Christoph Frey

Safety first und dann ein wenig Abenteuer wagen? Oder weshalb müssen Organisationen widersprüchliche Aufgaben intelligent(er) synchronisieren? Monatliche News zu Mediation und Organisationsentwicklung kuratiert von Dr. Sascha Weigel? - hier entlang Wissenswertes zur Ambidextrie: Ambidextrie bedeutet in seiner einfachsten Definition das Nebeneinander von Exploit-Modus (Bewährtes erhalten und optimieren) und** Explore-Modus **(Innovationen verfolgen). Die beiden Modi sind wie zwei „Betriebssysteme“ für Unternehmen, die sich gleichzeitig widersprechen und ergänzen und die beide absolut kritisch für langfristigen Erfolg sind. Aus der Balance zwischen den beiden Modi ergeben sich verschieden Formen und Arten von Ambidextrie, die unterschiedliche Konsequenzen für die Umsetzung in die Praxis beinhalten. 1. Was ist Ambidextrie? Wörtlich übersetzt bedeutet Ambidextrie „Beidhändigkeit“, also eigentlich die Fähigkeit, mit der linken und der rechten Hand zu schreiben. In Bezug auf Unternehmen ist der Begriff schon in den 1970er Jahren aufgetaucht. Als von Agilität und Digitalisierung noch lange nicht die Rede war, wurde schon beobachtet, dass Unternehmen in zwei möglichen „Betriebssystemen“ laufen können und die Wirkung jeweils unterschiedlich ist: Im einen (man nennt ihn Exploit-Modus) läuft das Unternehmen wie eine gut geölte Maschine. Jedes Rädchen sitzt am richtigen Platz, erfüllt seine Aufgabe, Prozesse laufen gut geplant und organisiert ab, es wird optimiert und verbessert und am Ende steht ein gutes Produkt, das zu den Bedürfnissen des Markts passt. Im Exploit-Modus geht das Unternehmen sparsam und effizient mit seinen Ressourcen um, es versucht, Qualität durch Kontrolle und verbindliche Regeln abzusichern. Da das Ergebnis oft vorhersehbar, der Ablauf kontrollierbar und die Ressourcen gut kalkulierbar sind, stellt der Exploit-Modus jenes Betriebssystem dar, zu dem die meisten Unternehmen im Laufe der Zeit tendieren – mit der Gefahr, sich im eigenen Regelwerk zu verstricken und nicht mehr aufnahmefähig für Entwicklungen in der Umgebung (Marktgeschehen, Trends) zu sein. Der andere Modus (Explore-Modus) passiert das, was passieren muss, wenn ein Produkt nicht mehr so recht ankommt: Das Unternehmen orientiert sich in Richtung Innovation, es reagiert auf Entwicklungen und Trends von außen, prüft, testet, entwickelt, scheitert, setzt neu an und schafft es so, eine Neuigkeit auf dem Markt zu platzieren. Das Unternehmen ist in dieser Phase eher langsam, nicht so zielgerichtet und irrt sich auch gelegentlich. Beide Modi sind für Unternehmen wichtig und man kann keinen der beiden Modi guten Gewissens einfach vernachlässigen - das Problem ist, dass sie widersprüchlich funktionieren und ihre Grundannahmen, Werkzeuge und Zielsetzungen verschieden sind. Dies macht das individuelle Ausbalancieren zu einem Handlungsfeld für Unternehmen und begründet den Forschungsbereich der organisationalen Ambidextrie. 2. Welche Formen von Ambidextrie gibt es? Die beiden „Betriebssysteme“ der Ambidextrie (Exploit-Modus und Explore-Modus) sind in sich widersprüchlich: Sie bauen auf unterschiedlichen Grundannahmen auf, bedienen sich verschiedener Instrumente und Methoden und dienen unterschiedlichen Zielen. Wie sie sich zueinander verhalten, kann verschieden aussehen: Sequenzelle Ambidextrie: Ein Unternehmen durchläuft die Modi nacheinander. So folgen auf Phasen des Explorierens jeweils Exploit-Phasen. Kontextuelle Ambidextrie: Davon sprechen wir, wenn man den Widerspruch aus Exploit- und Explore-Modus als so gravierend einschätzt, dass ein Nebeneinander nicht möglich ist. Die beiden Modi „leben“ dann im Unternehmen z. B. in getrennten Abteilungen. Strukturelle Ambidextrie: Davon kann man sprechen, wenn man davon ausgeht, dass beide Modi sich eher ergänzen und im Arbeitskontext ineinander integriert werden können und z. B. Aufgaben je nach Anforderungsprofil mit dem einen oder anderen „Modus“ bearbeitet werden. Literatur zum Thema: Tushman, M.L. / O'Reilly III, C.: Ambidextrous Organizations. Managing Evolutionary and Revolutionary Change, in: California Management Review, Vol. 38, No. 4 , p. 8-29, 1996. Tushman, M.L. / O'Reilly III, C.: Ambidextrous Organizations, Harvard Business Review, p. 74-82, 2004. Schumacher, Th. / Wimmer, R.: Widersprüchlichkeit gestalten. Zum Management von Kern- und Innovationsgeschäft in der ambidextren Organisation, in: ZOE 4/2020, 10-15.

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