Kontrollwahn - Wie ständige Selbstoptimierung auch unsere Beziehungen verändert
Nov 1, 2024
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Hartmut Rosa, Soziologe und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, beleuchtet den Einfluss des Selbstoptimierungswahns auf unsere Beziehungen. Er erklärt, wie gesellschaftliche Druck und Technologie unser Lebensgefühl prägen. Rosa diskutiert auch die Idee der Resonanz, die Beziehungen bereichert, indem sie Toleranz gegenüber Unsicherheiten fördert. Zudem werden die Herausforderungen und die Kommunikation in offenen Beziehungen thematisiert, während traditionelle Erwartungen hinterfragt werden.
Der Selbstoptimierungswahn verstärkt Gefühle der Unzulänglichkeit und führt zu einem erhöhten Druck, gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.
Hartmut Rosa betont die Bedeutung zwischenmenschlicher Resonanz, die auf Verständnis basiert und eine qualitative Beziehungserfahrung fördert.
Deep dives
Der Selbstoptimierungswahn und seine Wurzeln
Die Diskussion über den Selbstoptimierungswahn in der Gesellschaft beschäftigt sich insbesondere mit dem Einfluss von Ratschlägen und Expertenmeinungen auf das individuelle Leben. Dieser Markt für Ratschläge erstreckt sich über zahlreiche Bereiche, wie Elternschaft, Beziehungen und Gesundheit, und suggeriert, dass bessere Lebensqualität durch externe Anleitungen erreicht werden kann. Liv Strömquist betont in ihrem neuen Comic, dass viele dieser Ratgeber bewusst dazu beitragen, das Gefühl von Hilflosigkeit und Unzulänglichkeit zu verstärken. Es wird hinterfragt, ob die Suche nach Optimierungshilfen tatsächlich zu einer besseren Lebensqualität führt oder ob sie vielmehr den Druck erhöht, den idealen Lebensstil erreichen zu müssen.
Einfluss der Beschleunigung auf individuelle Freiheit
Die Beschleunigung in der modernen Gesellschaft sorgt für einen ständigen Wandel, der sich im Lebensstil der Menschen widerspiegelt. Hartmut Rosa erklärt, dass die Erde nicht mehr nur auf Fortschritt hinarbeitet, sondern Menschen unter dem Zwang stehen, sich ständig zu verbessern und anzupassen, um ihren Platz in der sozialen Struktur zu behaupten. Dies führt zu einem Gefühl der Entfremdung und Unsicherheit, da das individuelle Wohlbefinden zunehmend in Frage gestellt wird. Die Wahrnehmung, dass man immer leistungsfähiger und flexibler sein muss, verstärkt den Stress und die Angst, von gesellschaftlichen Normen zurückzufallen.
Resonanz als Antwort auf Selbstoptimierung
Im Gegensatz zu einer ständigen Selbstoptimierung schlägt Rosa vor, dass zwischenmenschliche Resonanz neue Perspektiven in Beziehungen eröffnen kann. Resonanz bezeichnet ein menschliches Miteinander, das auf Verständnis und Austausch basiert und das nicht auf Kontrolle oder Optimierung abzielt. Diese Sichtweise legt den Fokus auf die Qualität von Beziehungen, anstatt diese nach Leistungsparametern zu bewerten. Indem Menschen in Resonanz treten, können sie die Unsicherheiten des Lebens annehmen und ein erfüllteres Dasein führen, das nicht von gesellschaftlichen Erwartungen oder Selbstzweifeln geprägt ist.
Die Selbstoptimierungsmaschinerie aus Influencern, Live-Coaches und Co: Darum geht es im neuen Comic von Liv Strömquist. Soziologe Hartmut Rosa erklärt, wieso es sich lohnt, sich diesem Kontrollwahn zu entziehen.
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Ihr hört in dieser "Eine Stunde Liebe":
00:01:45 - Comic-Autorin Liv Strömquist über ihren Comic "Das Orakel spricht"
00:07:30 - Soziologe Hartmut Rosa darüber, was unsere Gesellschaft vorantreibt
00:18:00 - Hartmut Rosa über "Resonanz - Eine Soziologie des guten Lebens"
00:20:20 - Im Liebestagebuch erzählt Pierre vom ersten Versuch seine Beziehung zu öffnen.