#650 - Wirtschaftshistoriker Adam Tooze über US-Hegemonie, Kapitalismus & Klima
Jul 13, 2023
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Adam Tooze, britischer Wirtschaftshistoriker an der Columbia University, spricht über die Herausforderungen der US-Hegemonie und deren Einfluss auf Demokratie und Kapitalismus. Er analysiert die Beziehung zwischen ökonomischen Interessen und Klimafragen und betont die strukturellen Ungleichheiten im Bildungssystem. Adam beleuchtet die Gefahren rechtspopulistischer Bewegungen für die amerikanische Demokratie und diskutiert die Absurdität der bestehenden Milliardärskultur. Zudem teilt er persönliche Einblicke in seine Familiengeschichte, die von politischen Umwälzungen geprägt ist.
Adam Tooze erläutert die Vorzüge des Lehrens an amerikanischen Universitäten, besonders in Bezug auf finanzielle Unterstützung und Forschungsgelder.
Die Finanzkrise von 2008 hat das Interesse an der Wirtschaftsgeschichte und dem Kapitalismus neu entfacht und Adams Karriere beeinflusst.
Die unterschiedlichen kulturellen Ansätze an Yale und Columbia prägen den akademischen Diskurs und reflektieren breite gesellschaftliche Fragen.
Die Finanzierung durch wohlhabende Alumni schafft exklusive Bildungsumgebungen und verstärkt die soziale Ungleichheit im Zugang zu renommierten Universitäten.
Adam betont, dass die Transformation des Ernährungsverhaltens und ökonomische Anreize entscheidend sind, um den Klimaschutz voranzutreiben.
Die Bewältigung der Klimakrise erfordert neben technischen Lösungen tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen, um bestehende Machtstrukturen zu hinterfragen.
Deep dives
Akademische Karriere in den USA
Adam Tuz, ein Professor an der Columbia University, erklärt die Vorteile des Lehrens an amerikanischen Universitäten im Vergleich zu britischen und deutschen Institutionen. Er hebt hervor, dass die Bedingungen für Lehrkräfte in den USA besser sind, insbesondere in Bezug auf Bezahlung und Forschungsgeldern. An amerikanischen Unis gibt es mehr Unterstützung für Lehrkräfte, was zu einer produktiveren intellektuellen Gemeinschaft führen kann. Dies motivierte ihn, von Großbritannien nach Yale und dann nach Columbia zu wechseln, wo er eine feste Professur erhielt.
Wandel der Forschung über Kapitalismus
Der Übergang von traditioneller Wirtschaftsgeschichte zu der sogenannten New History of Capitalism ist entscheidend in Adams Karriere. Er beschreibt, wie die Finanzkrise von 2008 das Interesse an wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellungen, insbesondere der Geschichte des Kapitalismus, neu entfacht hat. Universitäten suchten nach Experten, die diese Themen lehren können, und das eröffnete Adams neue Möglichkeiten. Seine Forschung spiegelt daher die veränderten Bedürfnisse im akademischen Bereich wider und beeinflusst, welche Perspektiven zu Kapitalismus und Wirtschaftsgeschichte in den Vordergrund treten.
Kulturkriege an amerikanischen Universitäten
Adam diskutiert die tiefen kulturellen Differenzen an US-Universitäten, insbesondere im Kontext von Yale und Columbia. Während Yale eine stark ausgeprägte interne Kultur hat, unterscheiden sich die Ansätze an Columbia, wo der Fokus auf einer breiteren intellektuellen Community liegt. Diese Unterschiede sind Teil der größeren Kulturkriege, die den Diskurs an amerikanischen Hochschulen prägen, da die Gesellschaft mit Fragen von Rasse, Gender und Klassenidentität konfrontiert ist. Diese Atmosphären haben auch dazu beigetragen, dass sich bestimmte Forschungsrichtungen an Universitäten neu definieren.
Finanzierung amerikanischer Universitäten
Im Gespräch über die Finanzierung an amerikanischen Universitäten wird deutlich, dass Spenden von wohlhabenden Alumni eine entscheidende Rolle spielen. Adam beschreibt, wie Institutionen wie Yale gezielt Milliardenbeträge an Spenden mobilisieren können, um ihre Programme und Infrastruktur zu unterstützen. Diese Spenden sind nicht nur für die Universitäten lebenswichtig, sie schaffen auch eine exklusive, elitärere Atmosphäre für die Studierenden. Der Zugang zu solchen Institutionen wird durch Finanzmittel stark beeinflusst und stellt damit klare Barrieren für sozial benachteiligte Gruppen dar.
Elitenbildung und soziale Mobilität
Adam schildert die Dynamik der Elitenbildung an amerikanischen Universitäten, die oft Kinder aus wohlhabenden Familien ausbilden. Er hebt hervor, dass die Zulassung zu diesen Institutionen so wettbewerbsfähig ist, dass meist nur die obere Schicht der Gesellschaft Zugang hat. Gleichzeitig betont er, dass während einige öffentliche Schulen soziale Mobilität fördern, die meisten renommierten Universitäten diese Mobilität tendenziell nicht begünstigen. Die vorherrschende Ungleichheit wird durch die Selektivität der Hochschulen nur verstärkt.
Herausforderungen für die Gerechtigkeit im Bildungssystem
Im Gespräch über die Herausforderungen im Bildungssystem wird klar, dass Ungleichheit nicht nur besteht, sondern sich tief in der Gesellschaft verwurzelt hat. Adam betont, dass trotz dieser Herausforderungen, Bildung oft als der einzige Weg angesehen wird, um aus Armut zu entkommen. Dennoch wird erkennbar, dass die Struktur, die diese Ungleichheit aufrechterhält, schwer zu durchbrechen ist. Die Analyse von Raj Chetty zeigt, dass die besten Chancen auf soziale Mobilität in den großen urbanen Schulen liegen.
Ein Blick auf den Einfluss von Eliten
Adam thematisiert, wie der Einfluss von elitären Institutionen zu einem Verzerrungseffekt im Bildungssystem führt. Er weist darauf hin, dass die Verknüpfung der Universitäten mit der Wall Street zu einer engen Beziehung zwischen Bildung und finanzieller Macht führt. Diese Beziehungen diktieren, wer Erfolg hat und welche Gruppen marginalisiert werden. Gleichzeitig reflektiert er über die potenziellen negativen Folgen dieser engen Verknüpfung zwischen elitären Universitäten und der Wirtschaft.
Karriereverläufe und soziale Mobilität
Adam beschreibt die Karriereentwicklungen von Studierenden und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Mobilitäten, die stark mit dem Bildungshintergrund verbunden sind. Er betont, dass der Zugang zu prestigeträchtigen Bildungseinrichtungen nicht gerechter verteilt ist und oft die Tochter- und Söhne wohlhabender Eltern bevorzugt werden. Während es einige Ausnahmen mit sozial benachteiligten Hintergründen gibt, stellt Adam klar, dass diese viel seltener sind. Der gesamtgesellschaftliche Aufstieg wird durch bestehende Strukturen stark behindert.
Veganismus und Gesellschaftswandel
Adam spricht über die notwendige Transformation des Ernährungsverhaltens in der Gesellschaft, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern. Er hebt hervor, dass ökonomische Anreize entscheidend sind, um den Fleischkonsum zu reduzieren und die Umstellung auf pflanzliche Ernährung zu fördern. Technologische Lösungen sind von großer Bedeutung, um schmackhafte Alternativen zu entwickeln, die es den Menschen ermöglichen, ohne Verzicht zu essen. Dies könnte auch eine stärkere Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft erzeugen und somit zu einem kulturellen Wandel hin zu nachhaltigeren Ernährungsgewohnheiten führen.
Politische Strukturen und Klimaschutz
Die politischen Strukturen, die notwendig sind, um den Klimaschutz voranzutreiben, werden von Adam als komplex beschrieben. Er betont, dass der Umgang mit der Klimakrise nicht nur technische Lösungen erfordert, sondern auch tiefere gesellschaftliche und politische Veränderungen notwendig sind. In diesem Zusammenhang verweist er auf das Spannungsfeld zwischen den bestehenden Machtstrukturen und den Anforderungen an nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen. Ein gewichtiger Punkt ist, dass ohne klare politische Vorgaben und Widerstand gegen etablierte Interessen kein Fortschritt erzielt werden kann.
Globale Zusammenhänge und Klimawandel
Im Gespräch über den Klimawandel zeigt Adam auf, wie dieser eine globale Herausforderung darstellt, die nicht isoliert betrachtet werden kann. Die Verantwortung und die Auswirkungen sind ungleich verteilt, wobei entwickelte Länder wie die USA und Europa historisch am meisten zur Globalen Erwärmung beigetragen haben. Gleichzeitig bestehen in Schwellenländern andere Herausforderungen, die nicht übersehen werden dürfen. Adam plädiert dafür, dass ein globales Umdenken notwendig ist, das Reichtum und Ressourcen gerechter verteilt.
Der Einfluss von Wissenschaft auf Politik
Adam reflektiert die Rolle der Wissenschaft bei der Gestaltung von Politik und deren Einfluss auf öffentliche Entscheidungen hinsichtlich des Klimawandels. Die Herausforderungen in der Politik, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Bedürfnisse in Einklang zu bringen, seien bedeutend. Adam plädiert für eine stärkere Verankerung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der politischen Entscheidungsfindung und fordert, dass dies ernst genommen wird. Nur durch diese Verbindung können sinnvolle Lösungen für die Herausforderungen des Klimawandels gefunden werden.
Politik für Desinteressierte
Zu Gast im Studio: Adam Tooze, britischer Wirtschaftshistoriker und Professor an der Columbia University in New York.
Ein Gespräch über seine Arbeit an amerikanischen Universitäten, die Ausbildung und Reproduktion von Eliten, Demokratie und der heutige Adel, Umverteilung, Kapitalismus und Faschismus, die US-Hegemonie auf militärischer, politischer und ökonomischer Ebene, die Reichen, der (Un-)Wille auf den Klimawandel die notwendigen Lösungen zu finden sowie Adams Kindheit und sein Opa als KGB-Agent.
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