Oliver Rathkolb, Zeithistoriker und Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte, und Kathrin Rhomberg, Kuratorin für zeitgenössische Kunst, beleuchten die Verstrickungen von Künstler:innen mit der NS-Zeit. Ruth Beckermann, Dokumentarfilmerin, und Peter Raue, Kunstliebhaber und Rechtsanwalt, diskutieren die Herausforderungen der Kunstfreiheit in der heutigen Gesellschaft. Wichtige Themen sind die Auswirkungen von Cancel Culture, die Verantwortung von Künstlern und die Auseinandersetzung mit dem Erbe historischer Figuren in der Kunst. Kunst als Spiegel der Gesellschaft wird intensiv erörtert.
Die Diskussion beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen der Kunstfreiheit und den politischen Überzeugungen von Künstlern aus der Vergangenheit, insbesondere im Kontext des Nationalsozialismus.
Die Auswirkungen von Cancel Culture auf Künstler und Kunstwerke werden kritisch hinterfragt, wobei die Gefahr der Selbstzensur in kreativen Berufen im Vordergrund steht.
Die Verantwortung, die künstlerische Reflexion über historische und gesellschaftliche Themen zu fördern, wird betont, um Kunst als Raum für Vielfalt und Dialog zu erhalten.
Deep dives
Kunst und politische Vergangenheit
Die Diskussion über die Verbindung zwischen Kunst und ethnischen sowie politischen Kontroversen wird zunehmend drängender. Eine zentrale Frage ist, wie das Werk eines Künstlers, dessen Vergangenheit mit dem Nationalsozialismus verknüpft ist, bewertet werden sollte. Beispielhaft wird die Malerin Pauli Woitek erwähnt, deren Logo für die Salzburger Festspiele vor ihrer ideologischen Verstrickung entstand. Diese Thematik wirft grundlegende Fragen darüber auf, ob man das künstlerische Werk von den persönlichen Überzeugungen des Künstlers trennen kann oder ob beides untrennbar zusammengehört.
Freiheit der Kunst diskutieren
Heinrich Bölls berühmte Wuppertaler Rede verdeutlicht die Notwendigkeit, die Grenzen der Kunstfreiheit immer wieder neu auszuhandeln. Es wird erörtert, ob die aktuelle Cancel Culture diese Freiheit bedroht, da Künstler und Kunstwerke aufgrund ihrer Biografien oder gesellschaftlicher Empfindlichkeiten zurückgewiesen werden. Der Kunsthistoriker Hanno Rauterberg betont, dass die Reflexion über gesellschaftliche Teilung eine entscheidende Rolle in der Kunst spielt und dass die wahrgenommene Bedrohung der Kunstfreiheit eine erdrückende Wirkung auf die Kreativität haben kann. Kunst sollte ein Raum für alle Perspektiven sein, sodass auch mit kritischen Themen experimentiert werden kann.
Reflexion der Geschichte
Die Aufarbeitung der Geschichte und der Umgang mit ihrer eigenen Nazivergangenheit sind Herausforderungen für die österreichische Gesellschaft. Die Diskussionsteilnehmer thematisieren, wie mit Künstlern umgegangen werden sollte, die während des Nationalsozialismus aktiv waren, und worin der Unterschied zwischen ihrem künstlerischen Werk und ihren politischen Ansichten besteht. Neben Pauli Woitek werden auch andere Beispiele wie Herbert von Karajan und deren umstrittene Erfolge in der Kunst hervorgehoben. Dies führt zu der Frage, wie die Gesellschaft nachfolgende Generationen erziehen sollte, um künstlerisches Schaffen in einem kritischen und reflektierenden Kontext zu betrachten.
Einfluss der sozialen Medien
Der Druck der sozialen Medien hat gravierende Auswirkungen auf die Kunst- und Kulturlandschaft, insbesondere in Bezug auf Cancel Culture. Diese Entwicklung führt zu einer Selbstzensur in kreativen Berufen, da Institutionen und Künstlerschaften oft befürchten, die öffentliche Meinung oder Sponsoren zu verlieren. Anonymität und die Macht der digitalen Plattformen erschweren zudem das öffentliche Engagement in künstlerischen und kulturellen Debatten. Die Podiumsteilnehmer bekräftigen die Notwendigkeit, diese Herausforderungen zu erkennen und Wege zu finden, um die Unabhängigkeit und Integrität der Kunst zu schützen.
Gesellschaftliche Verantwortung und Kunst
Die Rolle der Kunst wird auch als Spiegelbild der Gesellschaft betrachtet, die Verantwortung der Flüchtigkeit der Diskussionen um Diversity und Identität wird hervorgehoben. Der Austausch zwischen verschiedenen kulturellen Identitäten ist entscheidend, um ein breiteres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge der Vergangenheit zu entwickeln. Es wird festgestellt, dass die Auseinandersetzung mit belasteten Figuren in der Kulturlandschaft nicht nur ums Abwischen von Negativem geht, sondern um die aktive Reflexion und das Lernen aus der Geschichte. Damit muss auch der Raum geschaffen werden, um Kunst weiterhin als Anreiz für Diskussionen zu verwenden.
Neue Perspektiven auf alte Themen
Abschließend fordert die Diskussion mehr Raum für die Betrachtung von Kunsthistorie im Kontext moderner gesellschaftlicher Herausforderungen. Die Notwendigkeit, alte Narrative zu hinterfragen und neue Erzählungen zu entwickeln, wird stark betont, um Kunst als dynamische Kraft zu erhalten. Künstlerische Ausdrucksformen sind immer wieder gefordert, sich mit der Vergangenheit und deren Nutzung im heutigen Diskurs auseinanderzusetzen. Die Podiumsteilnehmer sind sich einig, dass der kritische Dialog über Kunst und deren Ethos nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist, um eine reflektierte und inklusive Kultur zu fördern.
Ausgehend von den Nazisympathien der Malerin Poldi Wojtek diskutieren die Filmemacherin und Autorin Ruth Beckermann, die Kuratorin Kathrin Rhomberg, der Rechtsanwalt Peter Raue und der Zeithistoriker Oliver Rathkolb über Vergangenheitsbewältigung jeder Art und Freiheit der Kunst. Michael Kerbler moderiert das Podiumsgespräch beim Symposium der Salzburger Festspiele
Lesen Sie den FALTER vier Wochen lang kostenlos: https://abo.falter.at/gratis