
Jung & Naiv
#717 - Verwaltungswissenschaftlerin Sabine Kuhlmann über deutsche Bürokratie
Episode guests
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Quick takeaways
- Die Bedeutung von Demokratie in der Verwaltung
- Effiziente Digitalisierung in Estland im Vergleich zu Deutschland
- Herausforderungen und Koordinationsbedarf in der öffentlichen Verwaltung
- Entwicklung der Verwaltungswissenschaft und historische Verwaltungsstrukturen
- Unterschiede zwischen Verwaltungen in Demokratien und Diktaturen
- Kritische Reflexion über Bürokratieabbau und die Rolle des Normenkontrollrats
Deep dives
Der berufliche Werdegang von Sabine Kuhlmann und die Rolle des Glücks in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn
Sabine Kuhlmann, Professorin für Politik, Verwaltung und Organisation, sowie stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates, erläutert, wie sie durch glückliche Umstände und eigene Entscheidungen in ihre wissenschaftliche Karriere gelangte. Sie reflektiert über die Bedeutung von Glücksmomenten, eigenen Entscheidungen und intrinsischer Motivation auf dem Weg zu einer erfolgreichen Laufbahn.
Die Untersuchung von Estlands Digitalisierung im Vergleich zu Deutschland
Sabine Kuhlmann analysiert die Gründe für Estlands Fortschritte in der Digitalisierung im Vergleich zu Deutschland. Sie erklärt, dass Estland aufgrund seiner Zweckmäßigkeit, historischen Hintergründe und liberaleren Datenschutzgesetze in der Lage war, seine Verwaltung effizient digital zu transformieren.
Herausforderungen in der öffentlichen Verwaltung und die Wichtigkeit von Verwaltungsreformen
Sabine Kuhlmann diskutiert die Herausforderungen in der öffentlichen Verwaltung, wie die Flüchtlingskrise und Integrationsprobleme. Sie betont die institutionellen und organisatorischen Schwierigkeiten und plädiert für eine bessere Koordination zwischen Behörden sowie eine stärkere Zusammenarbeit zur Bewältigung von Verwaltungsproblemen.
Verwaltungskultur und Geschichte der Verwaltung
Die Diskussion über die Geschichte und Kultur der Verwaltung beleuchtet die Entwicklung der Verwaltungswissenschaft. Angefangen von Max Weber und der Bürokratietheorie bis zur Analyse der Verwaltungsstrukturen in verschiedenen Epochen. Es wird betont, dass die Verwaltung einen demokratisch legitimierten Schutz vor Willkür bietet und historische Entwicklungen verdeutlichen, wie sich Verwaltungskulturen in verschiedenen Systemen unterscheiden.
Demokratische Verwaltung vs. Diktaturen
Der Unterschied zwischen Verwaltungen in Demokratien und Diktaturen wird unter die Lupe genommen. Während in Demokratien die politische Steuerung auf demokratischer Legitimation beruht und Bürger Kontrollmöglichkeiten haben, agieren Diktaturen effizienter ohne demokratische Legitimation. Die Kontrolle und Transparenz in demokratischen Verwaltungen wird als wesentlich hervorgehoben, während in Diktaturen politische Linientreue und fehlende Transparenz vorherrschen.
Bürokratie, Verwaltung und Regulierung
Die Begriffe Bürokratie, Verwaltung und Regulierung werden differenziert betrachtet. Bürokratie wird als neutrales Konzept angesehen, während Verwaltung den arbeitenden Staat repräsentiert. Regulierung kann zur Bürokratisierung führen, wenn sie schlecht gemacht ist. Es wird diskutiert, wie politische Akteure den Begriff des Bürokratieabbaus auch für Deregulierungszwecke nutzen und wie komplexe Verwaltungsstrukturen zu administrativen Herausforderungen führen.
Komplexität der Behördenzuständigkeiten und Regulierungen
Die entstandene Überkomplexität der Behördenzuständigkeiten und Regulierungen hat zu einer Herausforderung geführt. Die Diskussion um Flöckeinschläge und Vereinfachungen in der Sozialverwaltung soll den Prozess erleichtern. Probleme wie fehlender Datenaustausch zwischen Behörden werden thematisiert, insbesondere in Bezug auf die Kindergrundsicherung. Die aktuelle Lage bezüglich der Kindergrundsicherung und Antragspflichten wird kritisch betrachtet.
Demokratiegefährdende Aspekte bei der Bürokratieabbau und Kontrolle
Die Diskussion um den ‚Low Effort‘-Staat und die Notwendigkeit einer effizienteren Verwaltung wird als potenziell demokratiegefährdend betrachtet. Es wird darauf hingewiesen, dass Bürger mit geringem Einfluss eher schikaniert werden und Großunternehmen möglicherweise weniger kontrolliert werden. Die Diskrepanz in den Kontrollmechanismen und die Auswirkungen auf die Demokratie werden kritisch betrachtet.
Herausforderungen und Kritik am nationalen Normenkontrollrat
Die Arbeit des nationalen Normenkontrollrats wird bezüglich der Fokussierung auf den Erfüllungsaufwand und fehlender Bewertung des Nutzens kritisch betrachtet. Die Bedenken bezüglich der Regulierung im Kontext der Klimakrise und die Notwendigkeit einer stärkeren Regulierung werden thematisiert. Die Diskrepanz zwischen Aufwand und Nutzen sowie die Einflussmöglichkeiten des Rates werden reflektiert.
Bürokratie in der Verwaltung und KFKS-Züge: Eine literarische und reale Betrachtung
Bürokratie und kafkaeske Züge werden diskutiert, wobei festgestellt wird, dass viele öffentliche Verwaltungsbereiche ähnliche Merkmale aufweisen. Die Diskussion bezieht sich auf die überbordende Bürokratie und deren Auswirkungen, wobei betont wird, dass gezielte Kontrolle und Steuerung der Verwaltung zur Vermeidung von übermäßiger Bürokratie notwendig sind.
Effizienz der Verwaltung und Kontrolle staatlicher Institutionen
Die Effizienz staatlicher Institutionen bei der Einziehung von Geldern im Vergleich zur Erbringung von Leistungen für Bürger wird thematisiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die Steuerverwaltung effizienter durch digitale Maßnahmen arbeitet, während eine höhere Komplexität und Dezentralisierung in der Sozialverwaltung zu behäbigerem Handeln führt. Kontrollierbarkeit staatlichen Handelns und die Bedeutung von Transparenz für das Vertrauen der Bürger werden als Schlüsselfaktoren für die Effizienz staatlicher Institutionen herausgestellt.
Zu Gast im Studio: Sabine Kuhlmann, Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin sowie stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrats.
Ein Gespräch über Verwaltungswissenschaft, Sabines Interesse daran und ihre Berufswahl, Verwaltungskultur in Demokratien vs Diktaturen, Digitalisierung der Verwaltung, Sabines Kindheit in der DDR und ihr Werdegang, die Geschichte der Verwaltung und Denkschulen in der Verwaltungswissenschaft, die Definition von Bürokratie, der Unterschied zwischen Verwaltung, Bürokratie und Regulierung, Neoliberalismus, Bürokratieabbau als Deckmantel für Deregulierung, Bürokratieaufbau im Sozialstaat vs. Bürokratieabbau für die Wirtschaft, die Rolle der Ungleichheit, der Nationale Normenkontrollrat und Sabines Rolle darin, Bewertungsmethodik, Kritik am Normenkontrollrat, Bewertung von Kosten vs. Nichtbewertung von Nutzen von Regeln, das "One in, one out"-Prinzip, Vermögenssteuer und Klimakrise uvm. + eure Fragen via Hans
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