Wladimir Wertlieb, ein in Leningrad geborener Schriftsteller, und Katja Petrowskaja, die mit ihrem Werk einen Preis gewann, sowie Dmitrij Kapitelman, ein aufmerksamer Journalist, und Marina Davydova, die als Theatermacherin nach Russland floh, diskutieren über Kunst im Angesicht von Krieg. Sie reflektieren die Verantwortung von Künstlern, Traumata kreativ zu verarbeiten und die transformative Kraft von Sprache. Themen wie Identitätskonflikte, Propaganda und die Beziehungen zwischen Müttern und Söhnen unter den politischen Spannungen werden beleuchtet.
Schriftsteller sehen das Schreiben in Kriegszeiten als einen Akt des Widerstands, der Hoffnung und Menschlichkeit verkörpert.
Die Verantwortung der Autoren besteht darin, ihre Sprache an die brutalen Wahrheiten des Krieges anzupassen und realistische Narrative zu schaffen.
Persönliche Erzählungen aus der Ukraine verdeutlichen die traumatischen Auswirkungen von Krieg auf Identität und Lebensverlauf der Menschen.
Deep dives
Die Kraft der Schriftsteller in Kriegszeiten
Schriftstellerinnen und Schriftsteller sehen ihre Rolle in Kriegszeiten als eine Herausforderung, die sowohl Stärken als auch Schwächen aufweist. Angesichts der Brutalität von Konflikten wie dem Krieg in der Ukraine wird das Schreiben zu einem persönlichen Akt des Widerstands und der Menschlichkeit, welcher dem Grauen des Krieges trotzt. Anhand von Ingeborg Bachmanns Einsichten wird verdeutlicht, dass Schreiben in Krisenzeiten ernsthafte Denkarbeit erfordert, um mit der Wucht der Ereignisse Schritt zu halten. Der Austausch von Ideen und Gedanken in literarischen Formaten bietet eine Möglichkeit, den Schrecken des Krieges zu verarbeiten und zu verstehen, indem sie kreative Narrative schaffen, die Hoffnung, Empathie und die Sehnsucht nach Frieden thematisieren.
Die Sprache des Krieges
Der Krieg verändert das Vokabular und reaktiviert alte Wörter in einer Weise, die die uralte Verbindung zwischen Sprache und Realität verdeutlicht. Schriftsteller stehen vor der Aufgabe, ihre Sprache an die schrecklichen Wahrheiten und das Leid anzupassen, die sie erleben. Ein falsches Wort kann fatale Folgen haben, was eine immense Verantwortung für Autoren mit sich bringt, da sie nicht nur den Krieg abbilden, sondern auch dessen Dynamik und Auswirkungen vermitteln müssen. Diese sprachliche Transformation wird als ein wichtiger Teil des künstlerischen Schaffungsprozesses wahrgenommen, der Kunst und Kultur trotz hinweggefegtem Frieden weiterhin beeinflusst.
Kunst als Widerstand
Die Macht der Worte wird als zersetzend beschrieben, indem Schriftsteller den Mut und die Fähigkeit aufbringen, die Realität zu hinterfragen und eine andere Sichtweise zu präsentieren. Max Frischs Auffassung, dass man das Arsenal der Phrasen, die Kriege rechtfertigen, aufbrechen kann, wird hier aufgegriffen. Künstlerisches Schaffen in solch turbulenten Zeiten ist mehr als nur kreative Arbeit; es wird als Akt des persönlichen Widerstands und der Menschlichkeit verstanden. Der Diskurs über die Wirksamkeit der Literatur zeigt, dass durch die Erzählungen von Krieg, Flucht und Verlust eine tiefere Verbindung zu den menschlichen Erfahrungen geschaffen wird, die jenseits von politischen Handlungen liegt.
Die individuellen Geschichten der Flucht
Die persönlichen Erzählungen von Schriftstellern aus der Ukraine bieten einen tiefen Einblick in die Erfahrungen von Migration, Exil und den Kampf um Identität im Angesicht von Krieg. Dmitri Kapitelmann thematisiert die komplexen Familiendynamiken und die Spannungen zwischen persönlichen und nationalen Identitäten, die durch Kriege verstärkt werden. Diese Geschichten verdeutlichen, wie Krieg nicht nur geopolitische Konflikte hervorrufen kann, sondern auch tiefgreifende und oft traumatische Veränderungen im Lebensverlauf der Menschen verursacht. Solche Erzählungen sind entscheidend, um das Verständnis für das, was Flucht und Traumatisierung bedeuten, zu erweitern und die Relevanz individueller Erfahrungen im größeren Kontext des Konflikts zu erkennen.
Kreativität und die Suche nach Wahrheit
Marina Davidova und andere Schriftsteller reflektieren über die essentielle Rolle von Kreativität in Krisenzeiten und deren Bedeutung für die Wahrheitsfindung und die Konstruktion einer empathischen Zukunft. Davidova warnt vor der Gefahr der Anpassung und fordert dazu auf, eine 'Verschwörung der Zukunft' zu bilden, um den kulturellen Diskurs zu gestalten. Der Krieg wird als ein Anlass betrachtet, über Narrative nachzudenken, die die Realität der Gewalt und des Konflikts verständlich machen, ohne zu resignieren. Die Herausforderungen, die moderne Informationsüberflutung und das Vertrauen in mythische Narrative mit sich bringen, fordern Künstler dazu auf, den Mut zu finden, etwas zu verändern und aktiv gegen die Dystopie zu schreiben.
Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine, Russland, Aserbaidschan und Deutschland spüren den Bedingungen des Menschseins, des Künstlerseins im Angesicht von Krieg, Flucht, Emigration, Exil nach: Katja Petrowskaja, Dmitrij Kapitelman , Vladimir Vertlib und Marina Davydova im Symposium der Salzburger Festspiele, moderiert von Michael Kerbler.
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