Was braucht eine moderne Sozialdemokratie? - #1051
Dec 16, 2023
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Wolfgang Petritsch, Außenpolitikexperte und Vordenker der SPÖ, Nikolaus Kowall, Politikwissenschaftler und Mitbegründer der SPÖ-Sektion 8, sowie Sonja Schneeweiss, Ökonomin und Europasprecherin der sozialdemokratischen Akademiker, diskutieren die Herausforderungen der modernen Sozialdemokratie. Sie beleuchten die Rolle der Gewerkschaften, die Notwendigkeit fairer Lohnpolitik durch Kollektivverträge und das Lieferkettengesetz sowie die gesellschaftlichen und ökologischen Anforderungen, um eine relevante Stimme in der Politik zu bleiben.
Die Sozialdemokratie muss ihre historischen Errungenschaften an moderne Bedingungen anpassen, um als echte Alternative zur politischen Rechten zu fungieren.
Gewerkschaften spielen eine entscheidende Rolle bei der Anpassung an neue Arbeitsverhältnisse und müssen internationale Zusammenarbeit fördern, um soziale Standards zu stärken.
Deep dives
Herausforderungen der Sozialdemokratie
Die Sozialdemokratie sieht sich in Europa mit Rückschlägen konfrontiert, insbesondere in Ländern wie Österreich, wo die SPÖ versucht, sich als echte Alternative zur politischen Rechten zu positionieren. Es wird innerhalb der Diskussion betont, dass die gegenwärtigen Herausforderungen der Sozialdemokratie auf historischen Errungenschaften basieren, aber an moderne Bedingungen angepasst werden müssen. Der Einfluss und die Rolle von Gewerkschaften werden als entscheidend erachtet, insbesondere in Zeiten, in denen soziale Sicherheiten abzubauen drohen. Die Notwendigkeit, den Rückbau des Sozialstaats zu stoppen und die Arbeitsplatzsicherheit zu gewährleisten, wird als vorrangige Aufgabe angesehen.
Rolle der Gewerkschaften und neue Arbeitsformen
Die Gewerkschaften haben die bedeutende Aufgabe, sich an die Veränderungen der Arbeitswelt anzupassen, die durch neue Selbstständigkeit und Plattformarbeit beeinflusst ist. Diese neuen Arbeitsverhältnisse sind oft ungeschützt und erfordern eine stärkere Repräsentation, um prekäre Bedingungen zu überwinden. Die Diskussion hebt hervor, dass Gewerkschaften und Sozialdemokratische Kräfte im internationalen Wettbewerb bestehen müssen, da Kapital mobil ist und von Ländern mit niedrigeren Produktionskosten angezogen wird. Ein vielversprechender Ansatz ist die Internationalisierung der Gewerkschaften, vor allem durch die Ernennung von Führungspersönlichkeiten in europäische Spitzenorganisationen.
Soziale Sicherheit und Mindestlohnrichtlinie der EU
In der Diskussion wird die Mindestlohnrichtlinie der EU als ein potenzielles Mittel zur Stärkung der Gewerkschaften hervorgehoben, da sie darauf abzielt, gesetzliche Mindestlöhne dort einzuführen, wo die Kollektivverträge schwach sind. Obwohl Österreich eine hohe Kollektivvertragsabdeckung hat, bleibt die Skepsis vieler Gewerkschaften gegenüber gesetzlichen Mindestlöhnen bestehen. Dennoch wird betont, dass solche Richtlinien eine wichtige Unterstützung für Arbeitnehmer darstellen und das soziale Gefüge in Europa festigen können. Die Problematik, dass die Gewerkschaftsbewegungen sich gegen einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn sträuben, wird als Hemmnis für Fortschritte wahrgenommen.
Eingreifen des Staates und europäische Regulierung
Die Rolle des Staates wird als entscheidend erachtet, um wirtschaftliche Stabilität und soziale Gerechtigkeit zu fördern, insbesondere angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und anderer globaler Probleme. Gesetze wie das Lieferkettengesetz sollen sicherstellen, dass Unternehmen Verantwortung für die Bedingungen ihrer Lieferketten übernehmen und somit menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Umweltschutz gewährleisten. Die Effizienz staatlicher Intervention wird in der Diskussion als wichtig erachtet, um die sozialen Standards in der EU zu verbessern und einen Fairness-Wettbewerb zu fördern. Die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit neoliberalen Ansätzen vermag es, die Sozialdemokratie als treibende Kraft für soziale Veränderungen innerhalb einer globalisierten Welt zu positionieren.
Peter Michael Lingens diskutiert mit dem Außenpolitikexperten Wolfgang Petritsch, dem Politikwissenschaftler Nikolaus Kowall (SPÖ-Sektion 8) und der Ökonomin Sonja Schneeweiss im Bruno Kreisky Forum.