War da was? Mit Georg Renner: Was kommt nach dem blauen Superwahljahr?
Jan 1, 2025
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Georg Renner, ein erfahrener Journalist und Podcaster, blickt auf das Superwahljahr 2024 und die kommenden Herausforderungen für 2025. Er diskutiert den Wandel in der österreichischen Politik, insbesondere den Einfluss der FPÖ und das Ende des Machtkartells von ÖVP und SPÖ. Renner betont die Bedeutung von Regierungsbeteiligungen und die Risiken des Populismus. Außerdem reflektiert er über die Art und Weise, wie Podcasts als neue Medien Plattformen fungieren, um komplexe Themen verständlich zu machen.
Georg Renner betont, dass 2024 ein Jahr des Machtwechsels in der österreichischen Politik war, das die Dominanz von SPÖ und ÖVP in Frage stellt.
Die Veränderungen in der Medienlandschaft führen dazu, dass immer mehr Journalisten selbstständig arbeiten, um flexibler und vielfältiger berichten zu können.
Die bevorstehenden Landtagswahlen in Niederösterreich und im Burgenland stellen große Herausforderungen für die ÖVP und das Vertrauen der Wählerschaft dar.
Deep dives
Der Wendepunkt der Migrationskrise
Ein entscheidender Moment für die österreichische Politik war der 27. August 2015, als Dutzende von Flüchtlingen in einem Lastwagen im Burgenland gefunden wurden. Dieser Vorfall stellte den Höhepunkt der Migrationskrise dar und führte dazu, dass Österreich seine Grenzpolitik überdenken musste. In der Folge entschieden sich der damalige Bundeskanzler Werner Faymann und Angela Merkel, die Grenzen zu öffnen und Flüchtlinge nach Deutschland weiterreisen zu lassen. Dies veränderte die politische Landschaft nachhaltig und legte den Grundstein für die darauf folgenden Diskussionen über Asyl und Migration in Österreich.
Politik im Krisenmodus
Die letzten zehn Jahre der österreichischen Politik waren durch eine Reihe von Krisen gekennzeichnet, die sich rasch abwechselten. Diese begannen mit der Migrationskrise und führten zu Ereignissen wie der Ibiza-Affäre, der Pandemie und der Inflation. Im Gegensatz zu früheren Krisen, die oft effektiver abgefangen wurden, hatten diese eine unmittelbar spürbare Wirkung auf das Leben der Menschen, was die Wahrnehmung der Politik und ihrer Reaktionen veränderte. Die Schockwellen dieser Krisen hatten weitreichende Folgen für die politische Stabilität und das Vertrauen in die etablierten Parteien.
Das Ende des Machtkartells
Das vergangene Jahr 2024 kann als Wendepunkt in der österreichischen Parteipolitik betrachtet werden, da das traditionelle Machtkartell von SPÖ und ÖVP signifikant an Einfluss verloren hat. Bei der Europawahl und der Nationalratswahl konnten die beiden Großparteien keine gemeinsame Mehrheit mehr erreichen, was auf ein tiefgreifendes Umdenken in der Wählerschaft hinweist. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den Landtagswahlen, wo die FPÖ an Boden gewonnen hat und erstmals in vielen Teilen von Österreich die führende Rolle übernimmt. Dieses Machtvakuum könnte neue politische Dynamiken schaffen und das Potenzial für wechselnde Koalitionen erhöhen.
Herausforderungen und Chancen der nächsten Regierung
Die anstehenden Wahlen in Niederösterreich und dem Burgenland sind von entscheidender Bedeutung für die künftige Regierungsarbeit, insbesondere für die ÖVP. Angesichts der Wahlergebnisse besteht die Frage, wie die etablierten Parteien im Kontext der aufkommenden FPÖ reagieren werden. Es liegt eine Reihe von Herausforderungen vor der neuen Regierung, inklusive der Notwendigkeit von Einsparungen im Haushalt und der Umsetzung effektiver wirtschaftlicher Maßnahmen. Der Schlüssel wird darin liegen, eine klare Strategie zu entwickeln, um die aktuellen Krisen zu bewältigen und das Vertrauen der Wählerschaft zurückzugewinnen.
Die Rolle der Medien und der freien Journalisten
Die Medienlandschaft verändert sich rasant und immer mehr Journalisten entscheiden sich für die Selbstständigkeit, um flexibler berichten zu können. Dies ist sowohl eine Reaktion auf den Rückgang der Ressourcen in traditionellen Redaktionen als auch eine Chance, neue und verschiedene Perspektiven auf aktuelle Themen zu bieten. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen kritischer Berichterstattung und dem Bedürfnis nach zugänglicher Information zu finden. Freie Journalistinnen und Journalisten müssen sich den Anforderungen und Interessen ihrer Zielgruppen anpassen, um relevant zu bleiben.
Er war Redakteur in der „Presse“, Innenpolitikchef der „Kleinen Zeitung“ und kommentiert seit eineinhalb Jahren das innenpolitische Geschehen als freier Journalist, u. a. für „Datum“, „Selektiv“ und die „WZ“, seit Kurzem auch in seinem eigenen Podcast „Ist das wichtig?“. Wir ziehen die Bilanz des Superwahljahres 2024 und blicken auf 2025, das gerade im Osten Österreichs mit einem ähnlichen Tempo weitergeht, allein im Jänner stehen an: eine Regierungsbildung, Landtagswahlen im Burgenland und Gemeinderatswahlen in Niederösterreich. Georg Renner sagt, wieso er nicht aus Prinzip gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ist, es aber nicht für klug hält, mit Populisten zusammenzugehen, und wieso er niemals „Zuckerlkoalition“ zu einer möglichen Regierung von ÖVP, SPÖ und Neos sagen würde.
Drei Dinge, die man aus dem Gespräch mit Georg Renner mitnehmen kann:
Was uns 2024 gezeigt hat. 2024 war für Georg Renner das Jahr, das international für Amtsinhaber ein schlechtes Jahr war. Das zeigte sich in den USA, in Indien, in Frankreich und Großbritannien, und auch in Österreich. Renner: „Machthaberinnen und Machthaber sind abgestraft worden. Das ist in einer Demokratie ja etwas Begrüßenswertes, jede Republik lebt davon, dass es an ihrer Spitze Machtwechsel gibt.“ Er glaubt, dass wir „in eine neue Phase unserer schönen lieben kleinen Republik eingetreten sind“, in der es das Machtkartell von ÖVP und SPÖ, die zusammen immer eine Mehrheit bilden konnten, nicht mehr gibt.
Vorschlag zur Budgetsanierung. Georg Renner schlägt vor, die zahlreichen Vergünstigungen, die uns die Politik in den vergangenen Jahren umgehängt hat, rückgängig zu machen: Steuersenkungen, Pensionserhöhungen deutlich über der Inflationsrate, Familienbonus. „Alles Dinge, von denen ich auch profitiere. Aber Österreich hat kein Geld für große neue Projekte. Das muss man allen Parteien vorwerfen: Sie haben das Blaue vom Himmel versprochen und können nichts davon bezahlen.“ Die letzte Regierung hat Dinge finanziert, für die sie das Geld nicht hatte. Zumindest für ein Jahr diese Erhöhungen auszusetzen würde einiges bringen.
Mit der FPÖ regieren oder nicht? Georg Renner glaubt, das Jahr 2024 habe eines gezeigt: dass das „Tabu FPÖ“ zu Ende ist, auch wenn es noch ein „Tabu Kickl“ gebe. Er selbst ist nicht kategorisch gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ: „Es ist völlig egal, welche Parteien regieren, solange sie ein gutes, solides Programm zusammenbringen, das Österreich aus dem Budgetloch herausbringt.“ Sein Verdacht ist nur, dass das Programm der FPÖ kein großes Wachstumsprogramm ist. „Wir brauchen ein solides Programm, und ob das die FPÖ mit der ÖVP macht, die ÖVP mit der SPÖ und den Neos macht, etc. ist eine Sekundärfrage. Das ist ein Luxus, sich diese Frage zu stellen.“
Hinweis: Das Gespräch wurde am 18. Dezember aufgezeichnet. Die (ohnehin minimalen) aktuellen Entwicklungen bei den Koalitionsverhandlungen seither konnten also keine Berücksichtigung finden.
Was ist die Reihe "War da was - Gespräche zum Jahresende"?
Am Jahresende trifft das Podcast-Team der „Presse“ sieben spannende Gäste und spricht mit ihnen über das zu Ende gehende Jahr 2024 und schaut nach vorn, was 2025 bringt.
Von 27. Dezember 2024 bis 1. Jänner 2025 in sechs Teilen, täglich ab 5 Uhr Früh. Alle Folgen unter diepresse.com/podcast
Was ist die Reihe "War da was - Gespräche zum Jahresende"?
Am Jahresende trifft das Podcast-Team der „Presse“ sieben spannende Gäste und spricht mit ihnen über das zu Ende gehende Jahr 2024 und schaut nach vorn, was 2025 bringt.
Von 27. Dezember 2024 bis 1. Jänner 2025 in sechs Teilen, täglich ab 5 Uhr Früh. Alle Folgen unter diepresse.com/podcast