#114 Über Leben. "Von Beton kann niemand abbeißen": Kurt Weinberger, Vorstand der Hagelversicherung, über Wetterextreme, irren Bodenverbrauch und die Gefahr für unser Essen
Oct 17, 2024
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Kurt Weinberger, Vorstand der Österreichischen Hagelversicherung und Experte für Wetterextreme, spricht über die alarmierenden Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft. Er schildert, wie extreme Wetterereignisse Ernteausfälle verursachen und warum jeder Quadratmeter versiegelter Boden ein Verlust für die Nahrungsmittelproduktion ist. Zudem geht er auf die Rolle der Hagelversicherung ein und betont die Notwendigkeit, wirtschaftliches Wachstum mit ökologischen Zielen zu vereinen. Innovative, lokale Projekte könnten der Schlüssel zur Bewältigung der agrarischen Krise sein.
Der drastische Verlust von über 130.000 Hektar Agrarflächen durch Zubetonierung gefährdet ernsthaft die Ernährungssicherheit in Österreich.
Extreme Wetterereignisse, verursacht durch den Klimawandel, führen zu erheblichen landwirtschaftlichen Schäden und psychologischem Stress für Landwirte.
Deep dives
Agrarflächenverlust und Ernährungssicherheit
Die Ernährungssicherheit in Österreich ist durch den Verlust von Agrarflächen stark gefährdet. In den letzten 20 Jahren wurden über 130.000 Hektar durch Zubetonierung zerstört, was eine erhebliche Bedrohung für die Lebensmittelproduktion darstellt. Der Selbstversorgungsgrad bei wichtigen Nahrungsmitteln ist alarmierend gesunken, wobei nur 85 Prozent bei Brotgetreide und sogar nur 30 Prozent bei Soja erreicht werden. Dieser Verlust an Ackerland hat direkte Auswirkungen auf die langfristige Verfügbarkeit von Lebensmitteln und verdeutlicht die Dringlichkeit einer Kehrtwende in der Raum- und Bodennutzung.
Extreme Wetterereignisse und Ernteverluste
Österreich steht aufgrund des Klimawandels vor zunehmend extremen Wetterereignissen, die schwerwiegende Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Schäden durch Dürre und Spätfrost sind häufiger geworden, wodurch die Pflanzenvegetation frühzeitig austreibt und dann frostempfindlich ist. Für das Jahr 2024 sind bereits Gesamtschäden von 260 Millionen Euro gemeldet, wobei Dürre allein 150 Millionen Euro verursacht hat. Diese Wetterextreme führen zu einem massiven psychologischen Stress für Landwirte, die fürchten, dass ihre Ernte durch unvorhersehbare Wetterbedingungen zunichte gemacht wird.
Die Rolle der Versicherungen in der Landwirtschaft
Die Hagelversicherung spielt eine wesentliche Rolle beim Risikomanagement in der Landwirtschaft, insbesondere im Hinblick auf Wetterextreme. Etwa 90 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich sind versichert, dies bietet jedoch keine vollständige Sicherheit, da Landwirte Selbstbehalte tragen müssen. Beispielsweise müssen bei Dürreschäden 50 Prozent des Schadens selbst getragen werden, bevor die Versicherung greift. Diese finanzielle Belastung kann insbesondere für kleinere Betriebe überwältigend sein und die Akzeptanz von Risiken unter den Landwirten langfristig gefährden.
Bodennutzung und soziale Gerechtigkeit
Ein kritisches Thema ist auch die Verschwendung von wertvollem Boden durch unkontrollierte Bautätigkeiten, die die Zukunft der Landwirtschaft gefährden. Initiativen zur Reduzierung des Leerstands von Immobilien könnten helfen, die Grundsicherung von Ackerflächen zu verbessern, anstatt neuen Boden zu versiegeln. Es besteht ein klares Bedürfnis, die Bedeutung von Boden als Lebensgrundlage zu erkennen, was auch mit der psychologischen Belastung von Kindern, die in urbanen Betonlandschaften aufwachsen, zusammenhängt. Um die Lebensmittelversorgungssicherheit und die Biodiversität zu gewährleisten, sind umfassende Maßnahmen erforderlich, die den Erhalt und die Wertschätzung des Bodens priorisieren.
Von Edith Meinhart. 2024, was für ein schreckliches Jahr. Wir haben den wärmsten Sommer in der 258-jährigen Messgeschichte hinter uns. Frostschäden, Dürre, Hochwasser setzen der Landwirtschaft zu. Der Schaden, allein im heurigen Jahr: 260 Millionen Euro. Kurt Weinberger ist Vorstand der Österreichischen Hagelversicherung. Die Jahresberichte seines Unternehmens, das bäuerliche Betriebe gegen das Risiko von Ernteausfällen abfedert, lesen sich wie Chroniken eines galoppierenden, menschengemachten Klimawandels. In dieser Folge der Dunkelkammer schildert Weinberger, an sich ein Mann der Zahlen, warum jeder zubetonierte Quadratmeter Boden für die Nahrungsmittelproduktion für immer verloren ist, wo die Grenzen der Versicherbarkeit liegen und warum wir uns ernsthaft Sorgen um unser Essen machen sollten. Die Dunkelkammer ist ein Stück Pressefreiheit.
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