Arash Azizi, Historiker und Politikwissenschaftler, bringt Einblicke in die iranische Revolution, während Gilda Sahebi, Journalistin und Autorin, die Stimme der Frauenbewegung thematisiert. Marie Oellig, Historikerin, beleuchtet die antike Geschichte Persiens. Sie diskutieren die Proteste von 2022 und deren Verbindung zu historischen Umwälzungen. Auch die repressiven Maßnahmen des Regimes und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft sowie die Unterdrückung ethnischer Minderheiten werden behandelt. Ein faszinierender Blick auf ein komplexes Land!
Die Proteste von 1967 in West-Berlin verdeutlichten die Unzufriedenheit deutscher Studenten mit der autoritären Herrschaft des Schahs und dessen Verstrickungen mit Deutschland.
Die Massendemonstrationen im Iran 2022 zeugen vom anhaltenden Streben nach Freiheit und den Forderungen nach mehr Rechten für Frauen im repressiven Regime.
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Iran, insbesondere im Ölhandel, prägten die geopolitischen Bindungen und Menschenrechtsfragen in der Nachkriegszeit.
Deep dives
Die Studentenproteste 1967 in Berlin
Am 2. Juni 1967 kam es in West-Berlin zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten, Polizei und Schah-Anhängern während des Besuchs des iranischen Schahs Reza Pahlavi. Die Studenten protestierten gegen die repressiven politischen Verhältnisse in Iran und die Verstrickungen Deutschlands mit dem Schah-Regime. Diese Proteste markierten einen Wendepunkt in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte und führten zur Radikalisierung einer unzufriedenen jungen Generation. Der brutale Einsatz von Polizei, der zur tödlichen Schussabgabe auf den Studenten Benno Ohnesorg führte, verstärkte die politischen Unruhen und führte zu weiterem Widerstand gegen die bestehende Ordnung auf den Universitäten und in der Gesellschaft insgesamt.
Die Hintergründe der Anti-Schah-Proteste
Die Proteste gegen den Schah waren nicht nur Ausdruck der Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in Iran, sondern auch eine Reaktion auf die bestehende politische Ordnung in Westdeutschland. Die Protestierenden kritisierten die Verstrickung Deutschlands mit dem autoritären Regime des Schahs und forderten eine Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in der deutschen Gesellschaft. Der Unmut über die autoritären Strukturen der Hochschulen und die Spiegel-Affäre 1962, die den Umgang mit der Presse und den kritischen Journalismus betraf, trugen zur Mobilisierung der Studentenbewegung bei. Diese Proteste waren Teil eines breiteren gesellschaftlichen Wandels in den 1960er Jahren, in dem eine neue Generation politische Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit forderte.
Iranische Massendemonstrationen seit 2022
Der Podcast thematisiert auch die aktuellen iranischen Massendemonstrationen, die 2022 nach dem Tod von Gina Massa Amini ausbrachen. Die Proteste entbrannten infolge der brutal vorgehenden Sittenpolizei und forderten nicht nur mehr Rechte für Frauen, sondern auch einen fundamentalem Wandel im Regime. Der Slogan 'Frau, Leben, Freiheit' wurde international bekannt und führte zu globaler Solidarisierung mit den Demonstranten. Diese Ereignisse verdeutlichen das anhaltende Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit in einem Regime, das die Stimmen des Volkes gewaltsam unterdrückt.
Die historische Beziehung zwischen Deutschland und Iran
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Iran entwickelten sich seit den 1950er Jahren stark, wobei Deutschland als Hauptwirtschaftspartner Irans aufstieg. Der Handel mit iranischem Öl wurde während des wirtschaftlichen Booms in den 1960er Jahren entscheidend, wodurch Deutschland bedeutende wirtschaftliche Geschäfte mit Iran tätigte. Diese Zusammenarbeit erstreckte sich auch auf bisherige militärische und technische Kooperationen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Bau von Atomkraftwerken. Die Rolle Irans als bedeutender Ölexporteur während der Energiekrise der 1970er Jahre verfestigte die wirtschaftlichen Bindungen, was zu einem komplexen Verhältnis führte, geprägt von geopolitischen Interessen und Menschenrechtsfragen.
Die Auswirkungen der politischen Entwicklungen auf den Iran
Die ernsten politischen Entwicklungen im Iran führten nach der Revolution von 1979 zu einem fundamentalen Wandel: Der Schah wurde durch eine islamische Republik ersetzt, die durch strenge religiöse Gesetze und autoritäre Kontrolle gekennzeichnet war. Der höhere Einfluss der religiösen Führer, insbesondere von Ayatollah Khomeini, führte zu einer Unterdrückung der Opposition und einer massiven Einschränkung der Menschenrechte, insbesondere für Frauen. Auch die Rolle des Landes in internationalen Konflikten, wie die Unterstützung islamistischer Terrorgruppen, veränderte das Bild Irans im Westen. Die repressiven Maßnahmen gegen politische Gegner und ethnische Minderheiten blieben auch in den folgenden Jahrzehnten ein zentrales Thema in der Berichterstattung über Iran.
Im September 2022 gingen Bilder von wütenden Menschen in Iran um die Welt. Vor allem Frauen protestierten gegen das repressive Regime der Ayatollahs und skandierten: Frau. Leben. Freiheit. Auch 1967 machte Iran weltweit Schlagzeilen. Der persische Schah Reza Pahlewi und seine Frau Farah waren damals auf Staatsbesuch in Westdeutschland. Vor allem deutsche Studenten protestierten gegen das autokratische Regime in Iran und riefen: „Nieder mit dem Schah!“ und „Freiheit für Persien“. In Iran selbst dauerte es noch bis 1978, bis die Menschen aufstanden, um das Schah-Regime zu stürzen. Das erste Großreich der Geschichte hat seit der Antike immer wieder Revolutionen und Umbrüche erlebt. Heute gehört Iran, wie schon 2002 für US-Präsident George W. Bush, zur „Achse des Bösen“. Denn das Regime unterstützt weltweit islamistischen Terror. Dabei war Iran lange Zeit nicht nur ein Liebling Deutschlands, sondern des gesamten Westens. In dieser Podcast-Folge geht es unter anderem um das sagenhafte Reich Kyros des Zweiten, um iranisches Erdöl, die Proteste von 2022 und die Frage: Stimmt es wirklich, dass sich 1979 die Mehrheit der Iranerinnen und Iraner für die islamische Republik unter Ayatollah Chomeini in einem Referendum ausgesprochen haben?
Gesprächspartner*innen:
Arash Azizi
Frank Bösch
Bruno de Nicola
Lamya Kaddor
Marie Oellig
Gilda Sahebi
Literatur:
Azizi, Arash (2024): What Iranians want: Women, Life, Freedom.
Axworthy, Michael (2011): Iran. Weltreich des Geistes. Von Zoroaster bis heute.
Bösch, Frank (2024): Deals mit Diktaturen. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik.
Bösch, Frank (2015): Zwischen Schah und Khomeini. Die Bundesrepublik Deutschland und die islamische Revolution im Iran, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Jahrgang 63, Heft 3.
Oellig, Marie (2019): Die Sukzession von Weltreichen. Zu den antiken Wurzeln einer geschichtsmächtigen Idee.
Polo, Marco (Edition Erdmann 2021) Beschreibung der Welt: Die Reise von Venedig nach China.
Sahebi, Gilda (2023): „Unser Schwert ist die Liebe“. Die Feministische Revolte im Iran.
Wiesehöfer, Josef (2021): Das frühe Persien. Geschichte eines antiken Weltreiches. 6. Auflage.