#336 deep dive: Hans Rauscher über die liberale Demokratie
Feb 18, 2025
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Hans Rauscher, ein erfahrener Journalist und politischer Kommentator aus Österreich, reflektiert über fünf Jahrzehnte politischer Entwicklungen. Er hebt hervor, dass sich die Rolle der Frau und die Rechte von LGBTQIA+ in Österreich stark modernisiert haben. Der Journalismus hat sich von brav und hörig hin zu kritisch und investigativ gewandelt. Zudem betont Rauscher die Wichtigkeit des Dialogs mit Andersdenkenden, um aggressive Diskurse zu entschärfen. Abschließend skizziert er eine Vision für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Politik, Medien und Zivilgesellschaft.
Österreich hat in den letzten 50 Jahren bedeutende soziale Fortschritte gemacht, insbesondere in der Gleichstellung der Geschlechter und der Rechte von LGBT-Menschen.
Der Journalismus in Österreich hat sich durch die Entwicklung zu mehr investigativer Berichterstattung und weniger Gehorsam gegenüber den Mächtigen stark verbessert.
Der Dialog mit Andersdenkenden ist entscheidend, um aggressive Diskussionen zu entschärfen und Gemeinsamkeiten zu finden für einen konstruktiven Diskurs.
Deep dives
Die Entwicklung der politischen Landschaft in Österreich
In den letzten 50 Jahren hat sich die politische Landschaft in Österreich erheblich gewandelt. Zunächst dominierten die beiden Großparteien, die Sozialdemokratie und die ÖVP, das politische Geschehen und teilten sich die Macht. Mit dem Aufkommen neuer Parteien, insbesondere der FPÖ unter Jörg Haider, hat sich jedoch das Kräfteverhältnis radikal verschoben, was zu einem Anstieg des Rechtspopulismus führte. Diese Entwicklung wird als bedeutender Umbruch in der Geschichte der Zweiten Republik betrachtet, der von einer Stärkung der politischen Extreme begleitet wurde.
Veränderungen im Journalismus
Der Journalismus in Österreich hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark gewandelt, insbesondere in Hinblick auf die Qualität und den investigativen Ansatz. Früher war der Journalismus häufig durch eine gewisse Bravheit geprägt, in der kritische Berichterstattung selten war. Mit dem Aufkommen von Medien wie dem Standard, die investigative Berichterstattung in den Vordergrund gestellt haben, hat sich dies jedoch verändert. Auch wenn einige Medien heute immer noch als brav empfunden werden, besteht insgesamt ein deutlicher Fortschritt in der Berichterstattungskultur.
Die Rolle der Sozialpartnerschaft und ihre Veränderungen
Die Sozialpartnerschaft wurde einst als Erfolgsmodell in Österreich betrachtet, das einen stabilen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bot. Doch mit den Veränderungen in der politischen Landschaft und der Wirtschaft sind auch die Herausforderungen für diese Partnerschaft gewachsen. In den letzten Jahrzehnten gab es eine zunehmende Erosion dieser Strukturen, was zu einer Fragmentierung des Arbeitsmarktes und einer Abnahme des Einflusses der traditionellen Akteure geführt hat. Dies hat unter anderem dazu beigetragen, dass die Wählerschaft nach neuen Lösungen und Alternativen sucht.
Migration und deren Wahrnehmung in der Gesellschaft
Migration ist ein zentrales Thema in der österreichischen Politik und Gesellschaft geworden, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Zuwanderung. Viele Menschen in Österreich sind sich der langen Geschichte der Zuwanderung bewusst und erkennen deren positive Beiträge zur Gesellschaft, haben aber gleichzeitig Angst vor den damit verbundenen Herausforderungen. Die Unfähigkeit der etablierten Parteien, klare, kooperative Konzepte zur Integration von Migranten zu entwickeln, hat den Raum für populistische Alternativen vergrößert. Effektive Integrationsmaßnahmen werden als notwendig erachtet, um das Kapitel der Migration in Österreich erfolgreich zu gestalten.
Zukunftsausblick: Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Die Zukunft der österreichischen Demokratie steht vor mehreren Herausforderungen, insbesondere im Kontext von autoritären Strömungen, die derzeit in Europa zu beobachten sind. Ein zukunftsorientierter Diskurs über Demokratie erfordert die aktive Mitwirkung aller gesellschaftlichen Akteure und das Bekenntnis zu den Werten der Toleranz und der Vielfalt. Die Stärkung der Zivilgesellschaft sowie die Erneuerung und Zusammenarbeit der demokratischen Parteien sind entscheidend, um die Demokratie zu sichern. Darüber hinaus ist eine kritische und gut informierte Öffentlichkeit unerlässlich, um populistischen Narrativen entgegenzuwirken und die Prinzipien der Demokratie aufrechtzuerhalten.
Er beobachtet die österreichische Politik seit 50 Jahren.
Ich habe Hans Rauscher gefragt: Was ist heute besser als früher?
Was ist in all der Zeit immer gleich geblieben?
Und wie schützen wir die Demokratie vor den Autoritären?
Ein deep dive.
Zur Person
🙆 Hans Rauscher (80) ist Journalist und einer der wichtigsten politischen Kommentatoren Österreichs. Er schreibt für den STANDARD und war vorher lange beim KURIER.
1. Österreich hat sich stark modernisiert. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Rolle der Frau, die Rechte von LBGTIQ-Menschen und die Wirtschaft stark modernisiert und geöffnet. Junge Leute sind heute viel weltoffener und besser ausgebildet als frühere Generationen.
2. Der Journalismus ist viel besser. Früher waren Journalist:innen noch sehr hörig, was die Mächtigen betrifft, eher brav, kaum kritisch, es gab kaum investigativen Journalismus. Das hat sich massiv verändert, auch wenn der ORF noch immer recht brav ist.
3. Gespräche mit Andersdenken sind wichtig. Hans unterscheidet zwischen hoffnungslosen Fällen, mit denen eine Diskussion nur Zeit und Energie raubt. Es gibt aber auch die, mit denen man reden kann. Man wird sie nicht umstimmen, aber wenn man Gemeinsamkeiten findet, dann kann man dem Diskurs die Aggressivität nehmen – und viel ist gewonnen.
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