Cathrin Kahlweit, langjährige Osteuropa-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, beleuchtet die düstere politische Lage in Osteuropa. Sie warnt vor der Rückkehr autoritärer Regime, insbesondere in Ungarn und der Slowakei, und analysiert die Erosion demokratischer Strukturen. Kahlweit äußert große Sorgen um die Ukraine und den Einfluss von Nationalismus in der Region.Ihr Fazit: Die Gefahren des Rechtspopulismus steigen und bedrohen die europäische Politik. Es ist ein dringender Aufruf zum Handeln.
Die zunehmende Erosion demokratischer Strukturen in Osteuropa zeigt, wie autoritäre Führungskräfte wie Viktor Orbán ihre Macht durch Manipulation etablieren.
Rechtspopulistische und nationalistische Bewegungen gewinnen an Einfluss, was zu einem besorgniserregenden Trend gegen liberale Demokratien in der Region führt.
Die Entwicklungen in Osteuropa stellen nicht nur lokale Risiken dar, sondern haben auch wesentliche Auswirkungen auf die Demokratie in ganz Europa, einschließlich Deutschland.
Deep dives
Die Bedeutung der Maueröffnung
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 gilt als historisches Ereignis, das den Anfang vom Ende des Kalten Krieges markierte. Menschenmengen an beiden Seiten der Mauer drängten auf Freiheit und Reisemöglichkeiten, was zur Öffnung der Grenze führte. Die euphorische Reaktion der Berliner zeigte den Wunsch nach Einheit und Freiheit, während bedeutende Persönlichkeiten wie Willy Brandt die hoffnungsvolle Wiedervereinigung Europas betonten. Dieses Ereignis hatte weitreichende Auswirkungen auf die politische Landschaft in Europa und trug zur Entstehung neuer demokratischer Bewegungen in Osteuropa bei.
Der Aufstieg autoritärer Regierungen
In den Jahren nach dem Mauerfall erlebten viele osteuropäische Länder einen bemerkenswerten Aufschwung der liberalen Demokratien und Reformbewegungen. Doch der Rückblick zeigt, dass viele dieser Demokratien heute unter Druck stehen, und autoritäre Führer mehr Einfluss gewinnen. In Ländern wie Ungarn und Polen sind rechtspopulistische und autoritäre Tendenzen deutlich zu erkennen, die die Fortschritte der letzten Jahrzehnte in Frage stellen. Diese Entwicklungen deuten auf einen besorgniserregenden Trend hin, in dem die demokratischen Strukturen systematisch untergraben werden.
Viktor Orbáns illiberale Demokratie
Viktor Orbán hat Ungarn in den letzten Jahren grundlegend umgebaut und eine illiberale Form der Demokratie etabliert, die durch die Aushöhlung pluralistischer Institutionen gekennzeichnet ist. Durch verfassungsrechtliche Änderungen und Kontrolle über die Medien sowie die Justiz hat er einen autoritären Staat geschaffen, der die Opposition systematisch unterdrückt. Seine Regierung hat auch nationale Ideale gefördert, um eine gefährliche Mischung aus Nationalismus und völkischem Denken zu propagieren. Orbán nutzt die Ängste der Bevölkerung und verstärkt die Abneigung gegenwärtiger Probleme, um seine Macht zu sichern und von anderen Problemen abzulenken.
Der Einfluss von Populismus in Osteuropa
Populistische Führer wie Roberts Fico in der Slowakei und Kallin Georgescu in Rumänien veranschaulichen, wie autoritäre Tendenzen in der Region an Fahrt gewinnen. Ficos Rückkehr zur Macht zeigt, dass in der breiten Bevölkerung eine Nachfrage nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme besteht, während Georgescu eine rechtsextreme Agenda propagiert. Diese Politiker verwenden Nationalismus und eine anti-progressive Rhetorik, um sich an die Wählerbasis anzupassen und die nationale Identität zu stärken. Die ansteigende Popularität solcher Führer kann weitreichende negative Konsequenzen für die demokratischen Strukturen in den betroffenen Ländern haben.
Die Verantwortung der europäischen Demokratien
Die Entwicklungen in Osteuropa sind nicht nur lokale Phänomene, sondern haben auch Auswirkungen auf die gesamte europäische Gemeinschaft, einschließlich Deutschland. Der Aufstieg der AfD in Deutschland und das Erstarken von rechtspopulistischen Bewegungen stellen eine Herausforderung für die bestehenden demokratischen Strukturen dar. Diese Tendenzen erfordern ein starkes und gemeinsames Engagement der demokratischen Kräfte gegen den populistischen Druck, um die liberalen Werte zu verteidigen. Die Gefahr eines Rückschritts in autoritäre Praktiken ist real, und es liegt an den europäischen Demokratien, aktiv gegen diese Tendenzen zu kämpfen.
Nach 35 Jahren als Journalistin blickt unsere langjährige Osteuropa-Korrespondentin mit Sitz in Wien, Cathrin Kahlweit, ernüchtert auf ihr einstiges Berichtsgebiet. Überall in Osteuropa ist die Demokratie unter Druck, überall sind autoritäre Politiker auf dem Vormarsch. Dabei war nach dem Fall der Mauer 1990 noch so viel Aufbruch. "So viel Anfang", wie Kahlweit sagt. "Und heute ist so viel Ende."
Kahlweit spricht über besorgniserregende Entwicklungen von Ungarn über Rumänien bis Österreich. Mit diesem Podcast verabschiedet sie sich von der Süddeutschen Zeitung. Sie beschreibt, wie rechtspopulistische und nationalistische Kräfte demokratische Institutionen aushöhlen und die Medienlandschaft kontrollieren. Und sie zeigt ihre tiefe Sorge um die Ukraine angesichts des anhaltenden Krieges mit Russland. Insgesamt zeichnet sie ein düsteres Bild der aktuellen politischen Landschaft in Europa, warnt vor den Gefahren des erstarkenden Nationalismus und der Erosion der Demokratie.
Hinweis der Redaktion: Die Aufzeichnung der Folge fand statt, bevor die Koalitionsverhandlungen von ÖVP und FPÖ in Österreich am 12.2. geplatzt sind. Aktuelle Entwicklungen zur Regierungskrise in Wien finden Sie auf SZ.de.