Episode 25: Europas Zukunft – nicht ohne Migration
Jan 26, 2018
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Herfried Münkler, Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität, und Peter Huemer, Journalist und Moderator, diskutieren die zentrale Rolle der Migration für die Zukunft Europas. Münkler argumentiert, dass unser Sozialsystem ohne Migration nicht überlebensfähig ist. Sie analysieren die Herausforderungen der Migrationskrise und die verschiedenen Positionen der EU-Staaten. Außerdem beleuchten sie Deutschlands Verantwortung innerhalb der EU und die geopolitischen Spannungen mit Ländern wie China und den USA.
Migration wird als essenzieller Faktor für die soziale und wirtschaftliche Stabilität Europas betrachtet, insbesondere angesichts des demografischen Wandels.
Die Weigerung der Visegrad-Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, gefährdet die Solidarität innerhalb der EU und zeigt kulturelle und historische Unterschiede auf.
Deep dives
Überschuldung und Geldpolitik der EU
Die Europäische Union steht vor dem Problem der Überschuldung von Südländern, was die Wirtschaft der gesamten Region belastet. Insbesondere die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat dazu geführt, dass die Zinsen nahezu gegen null gesenkt wurden, was zwar die Konjunktur angekurbelt hat, jedoch auch negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt hat. Diese Situation führt dazu, dass Mieten steigen und Anleger in den Immobiliensektor investieren, wodurch soziale Spannungen entstehen. Das ungelöste Problem der Schuldenkrise in Ländern wie Griechenland und Spanien wirkt sich sowohl auf die wirtschaftliche Stabilität in diesen Ländern als auch auf die zwischenstaatlichen Beziehungen innerhalb der EU aus.
Solidaritätsverweigerung der Visegrad-Staaten
Ein weiteres bedeutendes Problem innerhalb der EU ist die Weigerung der Visegrad-Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, was die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten gefährdet. Insbesondere Länder wie Polen und Ungarn lehnen eine gerechte Verteilung von Migranten ab und vertreten eine Vielzahl xeno-phober Ansichten. Diese Weigerung zeigt die tiefen Gräben, die zwischen den verschiedenen Geschichts- und Kulturverständnissen in Europa bestehen. Der Umgang mit Migration wird hier stark durch die jeweilige koloniale Vergangenheit der Länder geprägt, was zu unterschiedlichen Ansichten über Verantwortung und Aufnahmebereitschaft führt.
Brexit und die Zukunft der EU
Der Austritt Großbritanniens aus der EU stellt eine erhebliche Herausforderung dar, insbesondere als Großbritannien einer der größten Nettozahler war. Dieser Verlust an finanzieller Unterstützung könnte zu ernsthaften Konflikten über die Verteilung von Finanzmitteln innerhalb der Union führen. Zudem offenbart der Brexit tiefere Probleme und Zerfallstendenzen innerhalb der EU, da er auf die Schwierigkeiten hinweist, die bestehenden politischen Strukturen zu erhalten. Die Dynamik der Nationalstaaten wird durch Brexit weiter angeheizt, insbesondere in Regionen mit eigenen separatistischen Tendenzen wie Katalonien oder Schottland.
Migration und Integration als Schlüsselthemen
Migration wird zunehmend als zentraler Faktor für die soziale und wirtschaftliche Stabilität in Europa angesehen. Eine effektive Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt ist entscheidend, um die zukünftigen Bedürfnisse der europäischen Gesellschaften zu decken, da der Bevölkerungsrückgang ein bedeutendes Problem darstellt. Investitionen in die Ausbildung und Integration dieser Menschen können sowohl den Migranten selbst als auch den aufnehmenden Gesellschaften zugutekommen, indem ein Win-Win-Szenario geschaffen wird. Es ist entscheidend, dass die Integration nicht nur als humanitäre Maßnahme gesehen wird, sondern auch als Ansatz zur Bewältigung demografischer Herausforderungen.
Warum unser Sozialsystem ohne Migration keine Zukunft hat und was das für Europa bedeutet, sind Fragen, die der Politikwissenschaftler Herfried Münkler von der Humboldt Universität Berlin im Wiener Stadtgespräch mit Peter Huemer diskutiert.
Aufgenommen beim Wiener Stadtgespräch, einer Veranstaltung der AK Wien und der Wochenzeitung „Falter“, am 14. November 2017