im Gespräch mit Gitta Peyn - Buchautorin & Respektlose Initiatorin für kybernetisches und Komplexitätsdenken im 21. Jahrhundert
Jan 28, 2025
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Gitta Peyn, Buchautorin und Expertin für Komplexität, beleuchtet in diesem Gespräch die Herausforderungen des modernen Lebens. Sie diskutiert, wie komplexe Systeme sich ohne uns rhythmisieren und plädiert für ein Umdenken in der Kommunikation. Der Einfluss von Polarisierung durch 24/7 Vernetzung wird kritisch betrachtet. Peyn erklärt, dass echte Konflikte Vertrauen schaffen können und die Balance zwischen Präzision und Flexibilität entscheidend ist. Zudem betont sie die Rolle von Störern als Innovationsquelle.
Ko-kreative Systeme benötigen flexible Hintergrundvereinbarungen, die eine sichere Umgebung schaffen, um kreatives Potenzial zu entfalten und Konflikte zu nutzen.
Die Pogo-Fähigkeit erlaubt es Systemen, unterschiedliche Formen, einschließlich Konflikte, zuzulassen, ohne destruktiv zu werden und fördert dadurch dynamische Interaktionen.
Eine Kultur der Wertschätzung kann hinderlich sein, wenn sie echten Konflikten entgegengesetzt wird, während offener Streit zur Authentizität und Gemeinschaftlichkeit beiträgt.
Deep dives
Die Merkmale ko-kreativer Systeme
Ko-kreative Systeme zeichnen sich durch spezifische Merkmale aus, die es ihnen ermöglichen, kreativ zu bleiben und im Fluss zu operieren. Ein zentraler Aspekt dieser Systeme ist die Existenz von Hintergrundvereinbarungen, ähnlich wie das Grundgesetz in einer Demokratie, die einen Rahmen schaffen, in dem Kreativität gedeihen kann. Diese Vereinbarungen sind nicht starr, sondern entwickeln dynamisch Paradoxien, Störungen und Konflikte, mit denen die Gesellschaft umgehen muss. Die Fähigkeit, diese Spannungen zu akzeptieren und zu nutzen, ist entscheidend für die Rhythmisierung und Stabilität des gesamten Systems.
Pogo-Fähigkeit als Schlüsselkonzept
Die Pogo-Fähigkeit beschreibt die Fähigkeit eines Systems, verschiedene Formen, einschließlich Konflikte und Verletzungen, zuzulassen, ohne dass diese destruktiv werden. Dabei ist entscheidend, dass alle Beteiligten im System Sicherheit empfinden, damit sie Konflikte ansprechen können, ohne Furcht vor gewalttätigen Reaktionen. Ein Beispiel dafür ist das Pogo-Tanzen, wo alle Beteiligten Raum für persönliche Ausdrucksformen schaffen, anstatt in die Rolle eines 'Violent Dancers' zu verfallen. Solche dynamischen Interaktionen sind essenziell für das Überleben und Wachstum des ko-kreativen Systems.
Der Umgang mit Konflikten
Konflikte sollten nicht imkeiner Weise vermieden werden, sondern als notwendiger Bestandteil eines gesunden Miteinanders anerkannt werden. Indem Gesellschaften lernen, mit Konflikten umzugehen, können sie wachsen und ihre Rhythmisierung stärken. Ein richtiger Umgang mit Störungen führt häufig dazu, dass diese nicht in toxische Verhaltensmuster umschlagen, sondern konstruktiv verarbeitet werden. Hierbei ist es besonders wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der Offenheit und Vertrauen herrschen und unterschiedliche Perspektiven gehört werden.
Wertschätzungskultur als Problem
Die Idee der Wertschätzungskultur wird als potenziell schädlich angesehen, da sie oft eine Maskerade für die Vermeidung von echten Konflikten darstellt. Wenn Menschen gezwungen werden, immer wertschätzend zu kommunizieren, führt dies häufig zu einer Ohnmacht in der Kommunikation und zu einem Verlust an Authentizität. Stattdessen sollten Gesellschaften erkennen, dass es gesund ist, auch mal miteinander zu streiten und Differenzen auszutragen, ohne dass dies zu schädlichen Auswirkungen führt. Eine Bewusstseinsänderung hin zu einem offeneren Umgang mit Meinungsverschiedenheiten könnte das Gemeinschaftsgefühl stärken und konstruktive Lösungen fördern.
Die Rolle der Sprache und Kommunikation
Sprache spielt eine entscheidende Rolle in der Konstruktion sozialer Systeme und deren Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren. Um tatsächliche Veränderungen zu bewirken, muss die Gesellschaft die Grenzen der aktuellen Kommunikationssysteme erkennen und die Entwicklung neuer Sprachformen und Konzepte fördern. Indem eine gemeinsame Sprache für komplexe Themen geschaffen wird, können Herausforderungen besser bewältigt und Missverständnisse vermieden werden. Dies eröffnet Wege für ko-kreative Zusammenarbeit und fördert ein tieferes Verständnis der dynamischen Interaktionen innerhalb von Gemeinschaften.
Wer Bock auf die geballte Ladung von Pogo hat, liest oder besser gesagt, hört bitte hier jetzt weiter. Wer lieber "Standard" tanzt sollte auch unbedingt weiter hören, aber "blaue Flecken" mit einkalkulieren und Verbales "auf die Zehen treten" nicht übel nehmen.
Wer Gitta Peyn schon kennt, der versteht sicher die Metapher sofort. Wer sie noch nicht kennt, den erwartet eine tiefgründige und gleichzeitig humorige Reise durch systemtheoretische Gedankenspiele über Komplexität - das Verständnis sowie den Umgang und das #Pogofähigkeit als ultimative Querschnittskompetenz helfen kann.
Gitta und ich meandern durch die Themen und "challengen" alles, was gerade so durch unsere Welt schwebt. So sprechen wir über die eindimensionale Sicht auf das Integrale, die Welt der überpsychologisierden Coaches und Change-Trainings in Organisationen, die alle Veränderung managen wollen und dabei nicht verstehen, das "man" (wer auch immer man ist) nur Beiträge leisten kann ohne linear ableitbare oder sogar vorab kalkulierte Ergebnisse, die legitimerweise in maximal unsicheren Zeiten vermeintliche Sicherheit suggerieren sollen.
In diesem Zusammenhang ein paar Snippets und food for thought:
...komplexe Systeme "rhythmisieren" sich und das machen sie ohne oder mit uns...wie?, das erfahrt ihr im Gespräch ;-)
...so ist das Phänomen der Polarisierung ein Phänomen der jetzigen Kommunikationssysteme. Der systemrelevante Faktor entsteht durch die 24/7-Vernetzung und den damit verbundenen komplexen Dynamiken, denen wir nicht aus dem inneren Platz begegnen sollten, dass wir jetzt nur mal "allen an den Ohren ziehen müssen und dann läufts wieder"...
...Innovation oder das Neue in der Evolution war schon immer eine Störung, sprich ohne Störung gibts nix Neues und die Antwort auf die Resistenzen die natürlich im "alten System" entstehen, darf nicht Gleichschaltung sein - auch nicht die, die in den ganzen New-Work-Kontexten so propagiert werden...
...die Gefahr von idealistischen Wertschätzungskulturen ist, dass die meisten mittlerweile zu Ohnmachtskulturen werden, weil niemand ja mehr streiten darf oder einfach mal was richtig k.... finden darf...
...Kommunikationskompetenz #1 - den Unterschied kennen zwischen Meinen, Verstehen und Mitteilen
Und zu guter Letzt der "Heizdeckenpart"...
Ihr Buch "Pogofähigkeit" ist ohne Spass wirklich eine Empfehlung von mir...selten gedanklich so geschubst worden und gleichzeitig soviel innerlich genickt und geschmunzelt....
PS: ...und das Gitta gerade trockenfastet und deswegen beizeiten wegen des trockenen Mundes etwas lispelt, ist eher ein Zeichen, wie offen das Gespräch war und wohl nur ihre Wahrnehmung :-))