Julia Ebner, Extremismusforscherin und Autorin, deckt auf, wie QAnon und ähnliche Gruppen in Zeiten von Krisen wie Corona Radikalisierung fördern. Florian Klenk, Chefredakteur des Falter, bietet Einblicke in die Herausforderungen des Journalismus in Zeiten von Hassreden und Verschwörungstheorien. Günther Kaindelsdorfer moderiert die Diskussion über die Verbindung von historischen antisemitischen Legenden zu modernen Ideologien. Die Rolle sozialer Medien in der Rekrutierung extremistischer Bewegungen wird ebenfalls unter die Lupe genommen.
Rechter Extremismus hat im Internet erheblich zugenommen, besonders über Gruppen wie QAnon, die absurde Verschwörungstheorien verbreiten.
Die Radikalisierung in extremistischen Gruppen zeigt klare Muster, die durch soziale Medien und Informationsvakuum verstärkt werden.
Verschwörungstheorien bieten einfache Erklärungen und ein Zugehörigkeitsgefühl, was die Wahrscheinlichkeit der Radikalisierung unter Menschen erhöht.
Deep dives
Rechter Extremismus im Internet
Rechter Extremismus hat in den letzten Jahren im Internet erheblich zugenommen, mit Gruppen wie QAnon, die Millionen Menschen mit absurd klingenden Verschwörungstheorien ansprechen. QAnon propagiert die Vorstellung, dass globale Eliten Kinder entführen und töten, um aus deren Blut Verjüngungsmittel zu gewinnen. Die Ideologie dieser Bewegung weist auffällige Parallelen zu historischen antisemitischen Ritualmordlegenden auf, was zeigt, wie alte Vorurteile neu interpretiert und in moderne Narrative eingebaut werden. Dies verdeutlicht, dass moderne Verschwörungstheorien nicht nur unerklärliche Ereignisse erklären wollen, sondern auch bereits bestehende gesellschaftliche Ängste und Ressentiments bedienen.
Methoden der Radikalisierung
Die Radikalisierung in extremistischen Gruppen folgt klaren Mustern, die sich über Schulstufen hinweg erstrecken. Julia Ebner, eine Expertin für Extremismusforschung, beschreibt verschiedene Identitäten, die sie sich anlegte, um in diverse extremistische Bewegungen einzutauchen, darunter auch dschihadistische Gruppen. Die Recherchen zeigten, dass extremistische Gruppen nicht nur anwachsen, sondern auch die Fähigkeiten zur Rekrutierung und zur Ausbreitung von Ideologien durch soziale Medien weiter ausgebaut haben. Diese Dynamik wird verstärkt durch das Informationsvakuum, das oftmals in Krisenzeiten entsteht, und es ermöglicht diesen Gruppen, leicht neue Anhänger zu gewinnen.
Die Rolle der sozialen Medien
Soziale Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung extremistischer Ideologien und Verschwörungstheorien. Viele rechtsextreme Gruppen nutzen alternative Plattformen wie Telegram, um ihre Botschaften zu koordinieren, bevor sie diese auf größeren sozialen Netzwerken verbreiten. Diese ausgeklügelten Kommunikationsstrategien erlauben es Extremisten, das Informationsökosystem zu navigieren und Aufmerksamkeit zu erregen, während sie sich hinter offiziell legitimierten Bewegungen wie der Meinungsfreiheit verstecken. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Identitäre Bewegung, die zum Beispiel den Hashtag MeToo genutzt hat, um ihre antimuslimische Agenda voranzutreiben.
Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie
Die Coronavirus-Pandemie hat neue Verschwörungstheorien hervorgebracht, bei denen verschiedene Akteure wie staatliche Institutionen oder Pharmakonzerne als Täter dargestellt werden. Diese Theorien bedienen sich teilweise antisemitischer Stereotypen und schaffen eine gefährliche Koalition aus unterschiedlichsten politischen Richtungen, von Rechtsextremen bis hin zu Impfgegnern. Die Dynamik führt dazu, dass sich diese Gruppen gegenseitig in ihren Narrativen verstärken und neuartige, hybride Allianzen bilden. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, da sie die bestehenden sozialen Spannungen und das Misstrauen in demokratische Institutionen weiter anheizen.
Psychologische Mechanismen hinter Verschwörungstheorien
Viele Menschen greifen auf Verschwörungstheorien zurück, um mit ihrer eigenen Machtlosigkeit und Unsicherheit in Krisenzeiten umzugehen. Diese Theorien bieten einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte und schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die sich als 'Eingeweihte' versteht. Der Dunning-Kruger-Effekt spielt dabei eine Rolle, da Menschen mit geringem Wissen oft anfälliger für solche Theorien sind. Dies führt zu einer Spirale der Radikalisierung, bei der der Glaube an eine Verschwörungstheorie die Wahrscheinlichkeit erhöht, an weitere zu glauben.
Zukünftige Herausforderungen für die Gesellschaft
Die gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Krisen haben das Potenzial, radikale Bewegungen zu stärken, indem sie Ängste und Frustrationen unter den Menschen ausnutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Verschwörungstheorien weiterhin an Boden gewinnen, ist hoch, insbesondere unter den Bedingungen einer nachfolgenden Wirtschaftskrise. Es besteht die Gefahr, dass radikale Narrative nicht nur im politischen Extremismus Fuß fassen, sondern auch in gemäßigten Gruppen, was die gesellschaftliche Kluft vertiefen könnte. Bildung und kritisches Denken sind entscheidend, um den Aufstieg extremistischer Ideologien zu verhindern und den sozialen Zusammenhalt zu fördern.
Von der radikalen Randgruppe zur Massenbewegung? Die rechtsradikalen Erfolge im Internet und Gruppen wie QAnon, die Millionen Menschen mit absurden Verschwörungstheorien versorgen, verängstigen viele, die Parallelen der Ideologie von QAnon im 21 .Jahrhundert zu den antisemitischen Ritualmordlegenden des Mittelalters sind offensichtlich.
In der Wiener Vorlesung vom 29. April 2021 erklärt Extremismusforscherin Julia Ebner diese Phänomene. FALTER-Chefredakteur Florian Klenk steuerte mediales Know How bei, Publizist Günter Kaindelsdorfer moderierte.
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