WDR Zeitzeichen

WDR
undefined
Apr 23, 2024 • 16min

Spion im Kanzleramt: Verhaftung von Günter Guillaume

Am 24.4.1974 erschüttert die Verhaftung des DDR-Spions die BRD. Zwei Wochen später tritt Willy Brandt zurück. War Günter Guillaume aus Sicht der Stasi eine Top-Quelle?Es ist einer der bedeutendsten Spionagefälle der deutschen Geschichte und liest sich fast wie Fiktion: Am 24. April 1974 wird Günter Guillaume verhaftet. Als Maulwurf hat der ostdeutsche Agent sich bis in die höchsten politischen Kreise der Bundesrepublik Deutschland eingeschleust und schließlich als persönlicher Referent Willy Brandts gedient. Die Enthüllung von Guillaumes Doppelleben löst einen politischen Skandal aus. Obwohl Brandt betont, nichts von Guillaumes Tätigkeiten gewusst zu haben, übernimmt er die politische Verantwortung für den Skandal und tritt im Mai 1974 von seinem Amt als Bundeskanzler zurück. Die Verhaftung hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Ost und West. Sie führt zu einem erheblichen Vertrauensverlust zwischen den beiden deutschen Staaten und erschwert die Bemühungen um eine Annäherung und Entspannungspolitik. In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:von der Hauptstadt der Spione,wie der Fall Guillaume trotz Verdachtsmomenten und wegen weiterer Formfehler zunächst nicht weiterverfolgt wird, dass Spione im tatsächlichen Leben eher unauffällig und nicht wie James Bond sind, wie Geburtstagsglückwünsche dann doch zur Enttarnung führen, warum der Bundeskanzler zum Lockvogel werden soll,und warum es in dem Fall nur Verlierer gibt. Das sind unsere wichtigsten Quellen:Arnulf Baring: Machtwechsel, Stuttgart 1982. Willy Brandt: Erinnerungen. Mit den „Notizen zum Fall G“, Berlin und Frankfurt a. M. 1994.Günter Guillaume: Die Aussage – Wie es wirklich war, Tübingen 1990. Und das ist unser Interviewpartner:Florian Schimikowski (Historiker, Deutsches Spionagemuseum)Streaming-Tipp: Die ARD-Doku-Serie „WILLY- Verrat am Kanzler“ rekonstruiert die folgenreichste Agentenaffäre der Bundesrepublik – ein Polit- und Spionagethriller voller Geheimnisse, Lügen und Verrat. Erzählt von Expertinnen wie der Vertrauten Brandts und Journalistin Heli Ihlefeld und der DDR-Spionin Lilli Pöttrich. Hier geht es zur Doku-Serie.Weiterführende Links:Planet Wissen: Willy Brandt Planet Wissen: Willy Brandt – Ein Leben für die DemokratieWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Martina Meißner Redaktion: Gesa Rünker Technik: Moritz Raestrup
undefined
Apr 22, 2024 • 15min

Ein Stück Deutschlands wird belgisch: "Bollenien" 1949-1958

Ein kurioser Mini-Staat entsteht am 23.4.1949 in der Eifel: "Bollenien" nennt man bald die belgische Verwaltungszone. "Hauptstadt" ist ein Dörfchen bei Aachen...Vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, am 23. April 1949, annektiert Belgien einen schmalen Streifen entlang der deutsch-belgischen Grenze. Dazu zählen unter anderem der Aachener Stadtteil Bildchen, die Gemeinde Losheim, Hemmeres und einige Höfe im Monschauer Stadtteil Kalterherberg. Das neue Gebiet ist ein 20 Quadratkilometer großer Flickenteppich, den die 1.000 Einwohner Bollenien nennen – nach dem Militärverwalter der neuen Zone, General Paul Bolle.Unglücklich sind die Bollenier nicht über ihre neue Staatszugehörigkeit. Die belgische Regierung lässt Telefon- und Stromanschlüsse verlegen, Häuser anstreichen und eine Brücke über die Our bauen. Und im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der neuen Zone noch keine Fahrprüfungen. Wer 18 Jahre alt ist, darf Auto fahren. Als Bollenien neun Jahre später wieder zurück an die Bundesrepublik fallen soll, weigern sich einige vehement gegen den neuerlichen Wechsel der Staatszugehörigkeit – unter anderem mit einem Protest-Telegramm an Kanzler Konrad Adenauer.In diesem Zeitzeichen erzählen Markus Harmann und Joachim Heinz:warum Belgien 1949 "großzügig" auf deutsche Gebiete verzichtet,wie Mützenich belgisch werden möchte,vom Freibier für die neuen Staatsbürger,was für straffällige Bollenier vorgesehen ist.Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:Christoph Brüll, Historiker, Universität LuxemburgMichael Heinzel, Bonner HeimatforscherWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autoren: Markus Harmann und Joachim HeinzRedaktion: David RotherTechnik: Annett Bastian
undefined
Apr 21, 2024 • 15min

Rita Levi-Montalcini - ihr Gehirn ging nie in Rente

103 Jahre alt wurde Rita "la professoressa" Levi-Montalcini, Entdeckerin des Nervenwachstumfaktors. Zur Welt kam die Medizin-Nobelpreisträgerin am 22.4.1909 in Turin.Rita Levi-Montalcinis Entdeckungen auf dem Gebiet der Neurobiologie gelten als bahnbrechend. Die herausragende italienische Neurologin und Zellbiologin wird am 22. April 1909 in Turin geboren und wächst in einer wohlhabenden jüdischen Familie auf. Gemeinsam mit Stanley Cohen erhält Levi-Montalcini 1986 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie für die Entdeckung des Nervenwachstumsfaktors (NGF), einem Botenstoff, der das Wachstum von Nervenzellen stimuliert. Dies revolutioniert das Verständnis für Entwicklung und Funktion des Nervensystems und hat weitreichende Auswirkungen auf die Neurobiologie und die Medizin im Allgemeinen."La professoressa", wie sie in Italien bewundernd genannt wird, ist eine unerschrockene Pionierin, die trotz der Hindernisse, mit denen sie als Frau und Jüdin während des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs in Italien konfrontiert ist, unermüdlich für wissenschaftliche Erkenntnisse kämpft. Sie sagt: "Im Leben sollte man niemals nachgeben, sich dem Mittelmaß hingeben, sondern sich aus jener Grauzone herausbewegen, in der alles Gewohnheit und passive Resignation ist. Man muss den Mut haben, zu rebellieren." Und dies tut sie, bis zu ihrem Tod mit 103 Jahren. In diesem Zeitzeichen erzählt Steffi Tenhaven:wie Rita Levi-Montalcinis besonderer Einfallsreichtum ihre Forschung beflügelt,wie die Grande Dame der Wissenschaft scheinbar alles mit Leichtigkeit nimmt,wieso es nie zu spät ist, Neues zu lernen,welche wichtige Rolle Emotionen beim Lernen spielen,und inwiefern die Wissenschaftlerin selbst der beste Beweis dafür ist, dass ihre Theorien zutreffen. Das sind unsere wichtigsten Quellen:Rita Levi-Montalcini: Die Vorzüge des Alters. Leistungsfähigkeit und geistige Aktivität ein Leben lang, München/Zürich 2005. Charlotte Kerner: Ein Lob der Vollkommenheit. In: Charlotte Kerner: Nicht nur Madame Curie – Frauen, die den Nobelpreis bekamen, Weinheim und Basel 1999. Ralph A. Bradshaw: Rita Levi-Montalcini (1909–2012). In: Nature. Band 493, Nr. 7432, 2013, S. 306. Gisela Baumgart: Levi-Montalcini, Rita. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte, Berlin und New York 2005, S. 847. Und das ist unser InterviewpartnerDr. Gerald Hüther, Neurobiologe und Autor Weiterführende Links:Chao M et al.: Rita Levi-Montalcini: The story of an uncommon intellect and spirit. Neuroscience, 2013.Welches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Steffi Tenhaven Redaktion: Christoph Tiegel und David RotherTechnik: Nicolas Dohle
undefined
Apr 21, 2024 • 15min

Der "Game Boy": Wie ein kleiner grauer Kasten die Welt erobert

Am 21.4.1989 startet der "Game Boy" mit bereits veralteter Technik - und trotzdem verändert er die (Videospiel-)Welt: Spielen wird überall und jederzeit möglich.Der "Game Boy" ist lange Zeit weltweit die meistverkaufte Spielkonsole. Und das, obwohl seine technische Ausstattung schon bei der Markteinführung 1989 sehr zu wünschen übrig lässt. Während die Konkurrenz fast zeitgleich mit großzügigen Farbbildschirmen und deutlich komplexerer Grafik aufwarten kann, besitzt der "Game Boy" nur einen grün-schwarzen Mini-Monitor.Auch der Hauptprozessor ist bei seinem Einbau in das Gerät bereits 15 Jahre alt. Er wird Ende der 1980er-Jahre eigentlich nur noch für die Steuerung von Wasch- und Nähmaschinen verwendet.Aber diese reduzierte technische Ausstattung ist für den "Game Boy" kein Nachteil. Im Gegenteil: Handhelds – Spielkonsolen, die nicht an den Fernseher gekoppelt werden müssen, sondern überall hin mitgenommen werden können – sind damals eine Innovation. Der Game Boy punktet gegenüber Konkurrenzprodukten mit der viel längeren Batterielaufzeit und dem verhältnismäßig günstigen Preis - so wird er zum Massenprodukt.In diesem Zeitzeichen erzählt Fritz Schaefer:welches dem "Game Boy" beliegende Spiel ganz entscheidenden Anteil am Erfolg hat,warum es in Japan so viele Anbieter von Computerspielen gibt,was die drei Schriftzeichen Nin-ten-do auf Deutsch bedeuten,welche Einwände Pädagoginnen und Pädagogen gegen den "Game Boy" haben,dass es trotz Smartphones auch heute noch Fans des "Game Boy" gibt.Das ist unser wichtigster Interviewpartner:Christian Schiffer (Journalist BR, Digital- und Gamingexperte für die ARD)Weiterführende Links:BR-Retro: Super-Mario & Co auf dem "Game Boy"SWR: Alles über Retro-SpielekonsolenStichtag: Gameboy-Erfinder Gumpei Yokoi gestorbenStichtag: Das erste Pokémon-Spiel kommt auf den MarktStichtag: Die Playstation kommt auf den MarktStichtag: Spielwarenfirma Nintendo wird in Japan gegründetWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autor: Fritz SchaeferRedaktion: Matti Hesse
undefined
Apr 19, 2024 • 15min

Der Amoklauf an der Columbine High School (am 20.4.1999)

Die Tat von zwei Schülern in Littleton im US-Bundestaat Colorado erschütterte die USA. Eine Tragödie, die als Wendepunkt in der Geschichte der Vereinigten Staaten gilt.Eric Harris und Dylan Klebold müssen sich monatelang vorbereitet haben: Laut Polizeibericht betreten sie um 11.14 Uhr ihre Schule und schießen um sich. Zunächst in der Cafeteria, dann gehen der 17- und 18-Jährige in die Bibliothek. In weniger als einer Stunde töten sie zwölf Schülerinnen und Schüler und einen Lehrer. Danach erschießen sie sich selbst. Die Menschen in den USA und der ganzen Welt sind geschockt. Der damalige Präsident Bill Clinton ahnt schon kurz nach der Tat: "Wir kennen noch nicht alle Gründe für diese Tragödie, und vielleicht werden wir sie auch nie ganz verstehen." Er soll Recht behalten. In der Folge wird jedes Detail im Leben der Täter analysiert. Gewaltverherrlichende Musik und so genannte Ego-Shooter-Computerspiele geraten ebenso wie die laxen Waffengesetze der USA als mögliche Treiber für den Amoklauf in Verdacht. Viele der ersten Spekulationen werden später widerlegt, aber bis heute beschäftigen sich Forschende mit den Vorfällen an der Columbine High School, um die Täter besser zu verstehen und so zu verhindern, dass es Nachahmer gibt. Auch der 19-Jährige, der 16 Menschen und sich selbst 2002 am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt tötet, hat zuvor zu Columbine recherchiert – genauso wie der 17-jährige Amokläufer von Winnenden. In diesem Zeitzeichen erzählen Ulrich Biermann und Veronika Bock:wie das Massaker an der Columbine High School zu einem Medienhype wird,warum dieser Amoklauf als Zäsur für Gewalt an Schulen gilt,über die schwierige Suche nach möglichen Motiven der Täter, wie jeder in einem Videospiel zum virtuellen Amokläufer der Columbine High School werden konnte. Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Mareike Wilke, Institut für Konflikt- und Gewaltforschung, BielefeldBerichte in der Tagesschau und in US-Medien über den AmoklaufUS Kids - Amerikas Jugend gegen die Waffenlobby (ZDF-Doku)Weiterführende Links:Dunkle Seelen – Hörspiel-Podcast von Lydia Benecke11. März 2009 – Amoklauf von WinnendenWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autor: Ulrich Biermann Autorin: Veronika Bock Redaktion: Matti Hesse
undefined
Apr 18, 2024 • 15min

Er machte Hits und Stars wie kein zweiter: Hans R. Beierlein

Er entdeckte Udo Jürgens. Er zog die Fäden im Hintergrund des Mediengeschäfts und der Schlagerbranche: Hans Rudolf Beierlein, geboren am 19.4.1929.Der Gourmet und Frankreichliebhaber Hans R. Beierlein pflegt mit allergrößter Sorgfalt seine Kontakte zur französischen Musikelite, schafft es auch, Deutschland-Tourneen für die französischen Top-Stars zu organisieren. Der Kritik, dass er keine Ahnung von Musik habe, begegnet Beierlein mit der pragmatischen Antwort, es sei seine Aufgabe, aus Musiknoten Banknoten zu machen.Udo Jürgens und Hans R. Beierlein begegnen sich 1963 das erste Mal. Da ist Udo Jürgens ziemlich mutlos. Seine Platten verkaufen sich nicht, er möchte nicht mehr singen, nur noch komponieren. Beierlein erkennt sofort das große Potenzial des Klagenfurters und nimmt ihn unter seine Fittiche. Udo Jürgens gewinnt 1966 den Grand Prix Eurovision de la Chanson. Es ist der Start seiner Weltkarriere.2014 verkauft Hans R. Beierlein die Rechte an allen 6.000 Musiktiteln seines Musikverlags Montana und zieht sich ins Private zurück. Im August 2022 stirbt er mit 93 Jahren. In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen:wie Beierlein als angehender Journalist in einem Waschraum seine erste Story aufschnappt,welchen Coup Beierlein mit dem Kampflied "Die Internationale" landet,warum Beierlein seine Mitarbeiter vor dem Grand Prix Eurovision de la Chanson 1966 Zeitungen in Kiosken aufkaufen lässt,welche Sonderstellung die Sängerin Alexandra in Beierleins Lebenswerk einnimmt.Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Die Textdichter Tobias Reitz und Thomas WoitkewitschHubert Bücken: Anders als andere - die montana-Story 1959-2009, München 2009.Weiterführende Links:Zeitzeichen: 24. Mai 1956 - Erster Grand Prix Eurovision de la ChansonWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Andrea Klasen Redaktion: David Rother Technik: Nicolas Dohle
undefined
Apr 17, 2024 • 15min

Radioprogramm der Nazis für den arabischen Raum

Täglich judenfeindliche Parolen: Das ist Aufgabe der "Orient-Redaktion", die im April 1939 im Auftrag der Nationalsozialisten ihre Arbeit aufnimmt. Die Propaganda wirkt.Die fremden Klänge, die der deutsche Radiosender bringt, sind nicht für das heimische Publikum gedacht. Sie beschallen den arabischen Raum von Nordafrika bis in den Nahen Osten. Sie zielen besonders auf Palästina, wo Muslime damals fürchten, Juden könnten einen eigenen Staat errichten, wenn die Mandatsmacht Großbritannien abgezogen wird. Ein Regionalkonflikt, den die nationalsozialistischen Machthaber mithilfe judenfeindlicher Hetze im Kurzwellenradio anheizen. In Königs Wusterhausen, knapp 40 Kilometer südlich von Berlin, besitzen die Nationalsozialisten den leistungsstärksten Kurzwellensender der Welt. Sie sind in der Lage, Radioprogramme um den halben Globus zu funken. Mit enormem Aufwand lassen Hitlers oberster Propagandist Joseph Goebbels und Reichspressechef Otto Dietrich die sogenannte "Orient-Redaktion" einrichten. 80 Mitarbeiter werden verpflichtet, Texter, Übersetzer, Sprecher – türkische, persische und vor allem Arabisch-Muttersprachler.Die antisemitische Hasspropaganda verschwindet mit Kriegsende aus dem Äther. Einen Nachhall hat sie bis heute. In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck:dass Radiohören im arabischen Raum ein kollektives Ereignis ist,welches Hindernis die nationalsozialistische Rassenlehre für den Propagandasender darstellt,weshalb der Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, zum Glücksfall für den Nazisender wird.Das sind unser Interviewpartner und unsere wichtigsten Quellen:Matthias Küntzel (Historiker und Experte für islamischen Antisemitismus)Matthias Küntzel: Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand. Berlin/Leipzig 2019. Jeffrey Herf: Nazi Propaganda for the Arab World. New Haven & London 2009Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers: Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina. Darmstadt 2006 Barry Rubin und Wolfgang G. Schwanitz: Nazis, Islamists, and the Making of the Modern Middle East. New Haven & London 2014.Weiterführende Links:Planet Wissen: Medien - Die Anfänge des RadiosPlanet Wissen: Nationalsozialistische RassenlehrePlanet Wissen: Judenhass - Eine mörderische IdeologieWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Almut Finck Redaktion: Gesa RünkerTechnik: Annette Skrzydlo
undefined
Apr 16, 2024 • 15min

Nikita Chruschtschow: Vom Stalinisten zum polternden Reformer

Ausgerechnet Stalins Erbe, der selbst Teil von Stalins Terrorapparat war, räumte mit den Verbrechen seiner Genossen auf. Geboren wurde er 1894 als Sohn eines armen Bauern.Ausgerechnet der politische Erbe Stalins, Nikita Chruschtschow, der selbst Teil des stalinistischen Terrorapparates war, räumt mit den Verbrechen seiner Genossen auf und betreibt die Entstalinisierung.Mit 15 Jahren wird der ungebildete Bauernsohn Chruschtschow Bergmann, später Gewerkschaftsfunktionär. An der Moskauer Arbeiter-Akademie gelangt er in Stalins Dunstkreis. Im Zweiten Weltkrieg ist Chruschtschow Parteichef der Ukraine. Bei Kriegsende wird er einmal mehr zum Schlächter im Auftrag Stalins. Er ist verantwortlich für die Rache an wirklichen oder vermeintlichen Kollaborateuren. Gegen den Rivalen USA schaffen die Sowjets 1957 im Weltraum mit dem Satelliten Sputnik einen Etappensieg. Real und verbal rüstet Chruschtschow mächtig auf. Doch wirtschaftlich können die Sowjets nicht mithalten. Und in der Kuba-Krise beweist Chruschtschow, dass er keinen Krieg will und in letzter Minute die Einigung mit US-Präsident Kennedy sucht.In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:wie Josef Stalin Nikita Chruschtschow in seinen Bann zieht,wie Stalin seine Gefolgschaft aufbaut und in sein Terrorregime zieht,wie Chruschtschow durch die eigenen Gräueltaten zum Kriegsgegner wird,wie Chruschtschow den Freiheitskampf der Ungarn und die Republikflucht aus der DDR bekämpft.Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Jörg Baberowski (Professor für Osteuropäische Geschichte, Humboldt-Universität Berlin)Jörg Baberowski (Hrsg.): Das russische Imperium: Von den Romanows bis zum Ende der Sowjetunion, 2022Weiterführende Links:Planet Wissen: Diktatoren - Josef StalinPlanet Wissen: Chruschtschows Geheimrede von 1956Planet Wissen: Kalter Krieg - Kuba-KriseWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autor: Heiner Wember Redakteurin: Gesa Rünker Technik: Moritz Raestrup
undefined
Apr 15, 2024 • 15min

Medizinvermarktung als Heldengeschichte: die Behringwerke

Für seine Serumtherapie gegen Diphterie erhält der Mediziner Emil von Behring 1901 den Nobelpreis. Am 16. April 1914 eröffnet er die Behringwerke Marburg und Bremen.Mit dem japanischen Arzt und Bakteriologen Kitasato Shibasaburō und dem deutschen Mediziner und Forscher Paul Ehrlich entwickelt der deutsche Mediziner, Immunologe, Serologe und Unternehmer Emil Behring Arzneimittel gegen die Diphtherie. Nach dem Erhalt des ersten Nobelpreises für Physiologie oder Medizin wird er von Kaiser Wilhelm II. geadelt und heißt von da an Emil von Behring. 1914 kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs werden Kaufleute in Bremen auf Behring aufmerksam. Behring hat gerade auf einem Kongress seine Arbeiten zu einem vorbeugenden Diphtherieimpfstoff vorgestellt. Am 16. April 1914 werden in Bremen und Marburg die Behringwerke eröffnet. Für die Entwicklung eines Gegengiftes gegen den Wundstarrkrampf (Tetanus) wird Behring in der Presse als "Retter der Kinder" und als "Retter der Soldaten" gerühmt. Tetanus ist bis dahin eher als Tierkrankheit bekannt, aber verunreinigte Erde in den Schützengräben sorgt dafür, dass allein in den ersten Kriegsmonaten über 1.600 Soldaten an Wundstarrkrampf sterben. In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Geuer:von den Schattenseiten der Lichtgestalt Emil von Behring, wie Kaninchen unter dem Bett Behrings Forschungen einleiten,wie schon Anfang des 20. Jahrhunderts eine Diskussion darüber beginnt, ob man mit Gesundheit Geld verdienen darf,wie Behring die Fortsetzung seiner Forschungen selber torpediert.Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:Ulrike Enke (Medizinhistorikerin und Biographin, Uni Marburg)Malte Thießen (Medizinhistoriker, LWL Münster)Ulrike Enke: Emil von Behring 1854-1917, Göttingen 2023Weiterführende Links:Planet Wissen: Deutsche Geschichte - Der Erste WeltkriegStichtag - 8. April 1874: Das Reichsimpfgesetz wird erlassenPlanet Wissen: Alfred Nobel - Der NobelpreisWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Irene GeuerRedaktion: Gesa Rünker/Christoph Tiegel
undefined
Apr 14, 2024 • 15min

Er gründet das Museum Folkwang: Der Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus

Kontakt zu Kunst steigert die Lebensqualität - davon ist Karl Ernst Osthaus überzeugt. Viele Ideen setzt der 15.4.1874 geborene Kunstmäzen in seiner Heimatstadt Hagen um.Zu Beginn des 20. Jahrhunderts will Karl Ernst Osthaus mit seinem Erbe von drei Millionen Mark – heute wären das ungefähr 30 Millionen Euro - die Welt verändern. Sein Ziel ist "die kulturelle Hebung des industriellen Westens".Diese Aufgabe soll durch mehrere Institute erfüllt werden. Eine dieser Institutionen ist das Folkwang-Museum, das der Bankierssohn 1902 in Hagen gründet und das sich heute in Essen befindet.In Hagen gründet Osthaus außerdem eine Malschule, das "Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe", eine Zentrale für Design-Wanderausstellungen, den Folkwang-Verlag. Und er hat noch weitere Pläne.Ein Heilsbringer ist Osthaus allerdings nicht. Er ist antisemitisch eingestellt und gehört entsprechenden Gruppierungen an. 1916 wird er zum Militär eingezogen, erkrankt an Tuberkulose und wird beurlaubt. Schließlich stirbt Osthaus 1921 in einem Lungensanatorium in Meran mit nur 46 Jahren. In diesem Zeitzeichen erzählt Berit Hempel:wo Karl Ernst Osthaus seine Ideen entwickelt,wie er seine Gäste zu empfangen und zu verabschieden pflegt,aus welchen Ländern und Gegenden der Sammler Kunstwerke mitbringt,was der Mäzen alles sammelt,woher der Name Folkwang stammt.Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner- und partnerinnen:Ralf Blank (Historiker)Birgit Schulte (Kunsthistorikerin, Osthaus Museum Hagen)Elisabeth May (Leitung Bildung & Vermittlung, Osthaus Museum Hagen)Weiterführende Links:Osthaus Museum HagenMuseum FolkwangAusstellung über Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur im Kunstmuseum KrefeldWelches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?Gerne her damit: Einfach schreiben an zeitzeichen@wdr.de Wir freuen uns auch über Bewertungen auf der Podcast-Plattform des Vertrauens! Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen: Autorin: Berit HempelRedaktion: Gesa Rünker

The AI-powered Podcast Player

Save insights by tapping your headphones, chat with episodes, discover the best highlights - and more!
App store bannerPlay store banner
Get the app