

Was denkst du denn?
Nora Hespers und Rita Molzberger
Wo ist die Schamgrenze - zum Beispiel in der Sauna? Wie läuft das mit Schuld und Entschuldigung? Und darf ich eigentlich die politische und moralische Haltung von jemandem in Frage stellen? Rita Molzberger und Nora Hespers stellen sich all diese Fragen und diskutieren. Mal mehr mal weniger fachlich, aber immer auf der Suche nach Erkenntnisgewinn. Klingt bierernst, ist aber mitunter ganz schön witzig. Denn erst mal gibt es keine Denkverbote. Wir umkreisen Themen, decken auf, fragen nach, stellen Vermutungen an, sind uns oft einig - aber lernen immer wieder auch was Neues dazu. Wir haben einfach Spaß daran, laut zu denken. Denkt doch einfach 'n bisschen mit!
Episodes
Mentioned books

Jan 31, 2020 • 1h 6min
Erinnern und ... was nochmal?
...oder: Die unmögliche Kunst des Vergessens
Woran erinnern wir uns eigentlich? Und wie entscheiden wir, woran und an wen oder auch an was wir erinnern. Denn es ist schlicht unmöglich an alles zu erinnern, was passiert ist. Oder an jede einzelne Person. Auf der anderen Seite ist es auch unglaublich schwierig, etwas absichtlich zu vergessen. Und trotzdem geraten Dinge, Geschichten, Erlebnisse und historische Ereignisse in Vergessenheit. Euch schwirrt jetzt schon der Kopf? Gut, dann seid ihr bei uns genau richtig.
Ritas Literaturliste:
Assmann, Aleida: Formen des Vergessens. Reihe Historische Geisteswissenschaften. Frankfurter Vorträge. Hrsg. von Bernhard Jussen und Susanne Scholz. Bd. 9. Göttingen. 2016.
Augé, Marc: Formen des Vergessens. Berlin: Matthes und Seitz. 2013.
Blum, André / Georgen, Theresa / Knapp, Wolfgang / Sellier, Veronika (Hrsg.): Potentiale des Vergessens. Würzburg. 2012.
Eco, Umberto: An Ars Oblivionalis? Forget it! In: Publications oft he Modern Language Association, Vol. 103, 05/1988, pp. 154-261. Online verfügbar unter: https://www.jstor.org/stable/462374?origin=JSTOR-pdf&seq=1#metadata_info_tab_contents (Datum des letzten Abrufs: 21.01.2020)
Mersch, Dieter: Paradoxien, Ethik und Poetik von Erinnern und Vergessen. Als PDF verfügbar unter http://www.dieter-mersch.de/Texte/PDF-s/ (Datum des letzten Abrufs: 23.01.2020)
Nietzsche, Friedrich: Unzeitgemäße Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. In: Ders.: Sämtliche Werke. KSA, Band 1. Hrsg. Von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München et al. 1980.

Jan 17, 2020 • 59min
Homo Empoericus
Von blindem Aktionismus und engagierter Leidenschaft
Zwischen den Jahren ist er wieder zur Hochform aufgelaufen: Der Homo Empoericus war unterwegs. Zum Anlass genommen wurde ein Kinderlied: "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" - umgedichtet zu einer "Umweltsau"-Version. Rita und Nora wollen aber gar nicht so sehr auf das Geschehen und dessen Ursachen eingehen. Das könnt ihr ausgiebig in verschiednen Online-Medien nachlesen (siehe Linkliste in den Shownotes). Wir fragen uns: Warum sind wir so leicht zu empören? Ein Funke und schon schreien alle wild durcheinander. Stacheln andere mit an, die ihrerseits auch wieder Gehör finden wollen. Dabei sind wir doch eh schon alle gestresst. Müssten wir da nicht eher nach Ruhe suchen?
Rita und Nora betrachten in dieser Folge den Aktivierungszustand des Menschen, fragen, warum das Kontemplative so wenig Akzeptanz findet, sprechen über blinden Aktionismus, Engagement, Leidenschaft, Affekt - und den Tugenden, die diesen Emotionen gegenüberstehen, um sie ein wenig einzuhegen.
Ritas Literaturliste:
Ehrenberg, Alain: Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. Frankfurt/Main 2004.
Hessel, Stéphane: Empört Euch! Berlin 2011.
Hessel, Stéphane: Engagiert Euch! Im Gespräch mit Gilles Vanderpooten. Berlin 2011.
Kocyba, Hermann: "Aktivierung". In: Bröckling, Ulrich (Hrsg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt/Main 2004.
Legnaro, Aldo: "Erlebnis". In: Bröckling. A.a.O.
Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt/Main, New York 1992.
Thomä, Dieter: Ästhetische Freiheit zwischen Kreativität und Ekstase. Überlegungen zum Spannungsverhältnis zwischen Ästhetik und Ökonomik. In: Menke, Christoph/ Rebentisch, Juliane (Hrsg.): Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus. Berlin 2012.
Nora Linkliste:
"Die Empörungsmaschine läuft heiß" - Spiegel Netzwelt vom 30.12.2019
"Eklatante Verletzung der Rundfunkfreiheit" - Übermedien vom 3.1.2020
"Der kleine Einknigge" - Übermedien vom 6.1.2020
"Wie Rechte im Netz Themen setzen" - Cosmo Tech Podcast vom 7.1.2020

Jan 3, 2020 • 1h 5min
Perfektionisms* II
... und warum wir daran scheitern müssen - Teil 2
Während wir in der ersten Folge zum Perfektionismus über den psychologischen und vor allem den politischen Perfektionismus gesprochen haben, wollen wir uns in der zweiten Folge zum Thema mit dem moralischen Perfektionismus beschäftigen - und hier vor allem mit Nietzsche und Kant, die hatten wir nämlich versehentlich unter den Tisch fallen lassen, weil wir uns so in den Tiefen des politischen Perfektionismus verloren hatten. Aber auch das war sehr spannend und unterhaltsam. Zumal der Weltgeist uns mit viel Metahumor beglückt hat.
Die voranstehende Frage in dieser Folge ist: War Nietzsche armoralisch oder hat er eine neue Form von moralischem Perfektionismus zu denken versucht? Und was hat eigentlich Kant damit zu tun? Außerdem sprechen wir darüber, warum im moralischen Perfektionismus das Scheitern mitgedacht werden sollte, und was das mit Ökonomie und Fridays for future zu tun hat.
Ritas Literaturliste
Conant, James: Friedrich Nietzsche. Perfektionismus & Perspektivismus. Konstanz: Konstanz University Press. 2018.
Geismann Georg / Oberer, Hariolf (Hrsg.): Kant und das Recht der Lüge. Würzburg: Königshausen & Neumann. 1986.
Gurwitsch, Georg: Kant und Fichte als Rousseau-Interpreten. 1922. In: v. Baum, Manfred / Dörflinger, Bernd / Klemme, Heiner F. (Hrsg.): Kant-Studien. Band 27, Heft 1-2, Seiten 138–164. de Gruyter. 2009 Online abrufbar unter: https://www.degruyter.com/downloadpdf/j/kant.1922.27.issue-1-2/kant.1922.27.1-2.138/kant.1922.27.1-2.138.pdf
Kast, Christina: Friedrich Nietzsches Ja zum Leben. Würzburg: Königshausen & Neumann. 2019.
Krüger, Oliver: Erziehung im Sozialstaat - Kinderethik zwischen staatlicher Neutralität und politischem Perfektionismus. In: Drerup, Johannes/ Schickhardt, Christoph (Hrsg.): Kinderethik: aktuelle Perspektiven – klassische Problemvorgaben. Münster: mentis. 2017.
Popper, Karl: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Der Zauber Platons. Band 1. (Hierin: 9. Kap. "Ästhetizismus, Perfektionismus, Utopismus") Bern: Francke Verlag. 1957.
Stoeber, Joachim (Ed.): The Psychology of Perfectionism. Theory, Research, Applications. London: Routledge. 2017.
Zerm, Stephanie: Moral als Selbsterschaffung. Eine Untersuchung zum moralischen Perfektionismus in der Philosophie Friedrich Nietzsches. Hannover. 2005. Dissertation, online verfügbar unter https://d-nb.info/975162705/34
v. Colli, Giorgio / Müller-Lauter, Wolfgang (Hrsg.) Friedrich Nietzsche. Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral. (1886 - 1887)
aus: Werke, Abt. 6, Bd. 2. Online abrufbar unter: https://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/121885

Dec 20, 2019 • 1h 10min
Perfektionisms*
oder: Das Leben ist ein Flickenteppich - Teil 1
Sowohl Rita als auch Nora können wohl nicht ganz verleugnen, dass sie durchaus perfektionistische Züge in sich tragen. Und das ist auch erstmal gar nicht schlimm. Denn die Psychologie, die den Perfektionismus übrigens erst in den 90er Jahren wirklich für sich entdeckt hat, unterscheidet zum Beispiel in sinnvollen Perfektionismus und dysfunktionalen Perfektionismus.
Aber: Das Streben nach einer wie auch immer gearteten Perfektion trägt durchaus problematische Züge. Zum Beispiel, wenn es um politischen Perfektionismus geht. Wer definiert was und warum als perfekt? Und was sind die Folgen, wenn Perfektion auf politischer Ebene definiert wird? Darum geht es in dieser Folge. Leider sind dafür Nietzsche und Kant etwas unter den Tisch gefallen. Damit bleibt diese Folge eine unvollendete. Aber - und das ist die gute Nachricht - wir holen das nach. In einer zweiten Folge. Darin wird es dann vornehmlich um den moralischen Perfektionismus gehen.
Ritas Literaturliste:
Conant, James: Friedrich Nietzsche. Perfektionismus & Perspektivismus. Konstanz: Konstanz University Press. 2018.
Geismann Georg / Oberer, Hariolf (Hrsg.): Kant und das Recht der Lüge. Würzburg: Königshausen & Neumann. 1986.
Kast, Christina: Friedrich Nietzsches Ja zum Leben. Würzburg: Königshausen & Neumann. 2019.
Krüger, Oliver: Erziehung im Sozialstaat - Kinderethik zwischen staatlicher Neutralität und politischem Perfektionismus. In: Drerup, Johannes/ Schickhardt, Christoph (Hrsg.): Kinderethik: aktuelle Perspektiven – klassische Problemvorgaben. Münster: mentis. 2017.
Popper, Karl: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Der Zauber Platons. Band 1. (Hierin: 9. Kap. "Ästhetizismus, Perfektionismus, Utopismus") Bern: Francke Verlag. 1957.
Stoeber, Joachim (Ed.): The Psychology of Perfectionism. Theory, Research, Applications. London: Routledge. 2017.
Zerm, Stephanie: Moral als Selbsterschaffung. Eine Untersuchung zum moralischen Perfektionismus in der Philosophie Friedrich Nietzsches. Hannover. 2005. Dissertation, online verfügbar unter https://d-nb.info/975162705/34

Dec 6, 2019 • 1h 9min
Das ist ja Sünde, Gnädige!
Schuld, Sünde und das Geschenk der Gnade
"Randbemerkungen sind bei Nora immer gefährlich", sagt Rita zu Beginn dieser Podcastfolge. Und ja, da könnte sie Recht haben. Denn dass wir mit der Pastorin Gesche Schaar über Sünde und Gnade sprechen, haben wir einer Randbemerkung zu verdanken. Denn eigentlich wollte Gesche Schaar vor allem nach einem Hörerinnen-Treffen fragen. Ganz am Rande hat sie dabei angemerkt, dass ihr unser katholisches Verständnis von Sünde mal aufgefallen ist. Und - zack - sitzt sie bei uns im Podcast-Wohnzimmer. Und wir sprechen darüber, was wir eigentlich heute noch als Sünde bezeichnen, wie schwierig es ist ein Gefühl wie Schuld auszuhalten, und dass auch das Geschenk der Gnade gar nicht so leicht zu akzeptieren ist. Dabei ist das hier ausdrücklich eine sehr ökumenische Podcastepisode, die auch für alle geeignet ist, die es mit Religion nicht so haben. Wie Nora zum Beispiel.
Ritas Literaturliste
Gadamer, Hans-Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. 4. Auflage. Tübingen 1975.
von Schirach, Ferdinand: Terror. München 2016.
Anders, Günther: Hiroshima ist überall. (Hierin: Der Briefwechsel mit dem Hiroshima-Piloten Claude Eatherly) München 1995.
Buber, Martin: Die Erzählungen der Chassidim. (Hierin: Der fröhliche Sünder) Zürich 1949.*
Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre [hier geht es um die Rechtfertigung durch Gottes Gnade im Glauben an Christus] des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche (1997): http://www.vatican.va/romancuria/pontificalcouncils/chrstuni/documents/rcpcchrstunidoc31101999cath-luth-joint-declarationge.html
Zum Stichwort "Ökumene" usw.: https://www.domradio.de/themen/zweites-vatikanisches-konzil/2015-12-08/die-beschluesse-des-zweiten-vatikanischen-konzils-im-ueberblick
Für die Unterstützung in der Vorbereitung des Gesprächs danke ich ganz herzlich Agnes Molzberger und Dr. Aaron Langenfeld!
*Der fröhliche Sünder
In Lublin lebte ein großer Sünder. Sooft er mit dem Rabbi zu sprechen begehrte, war der ihm zu Willen und unterredete sich mit ihm wie mit einem vertrauten und erprobten Mann. Viele Chassidim ärgerten sich daran, und einer sagte zum andern: »Wie kann es sein, daß der Rabbi, der jedem zum erstenmal Erblickten sein Leben bis zu diesem Tag, ja die Herkunft seiner Seele von der Stirn abliest, nicht sehen sollte, daß dieser ein Sünder ist? Und wenn er es sieht, wie kann es sein, daß er ihn des Verkehrs und des Gesprächs würdigt?« Endlich faßten sie sich den Mut, vor den Rabbi zu treten und ihn zu fragen. Er antwortete ihnen: »Wohl weiß ich davon wie ihr. Aber es ist euch ja bekannt, wie sehr ich die Freude liebe und die Schwermut hasse. Und dieser Mann ist ein so großer Sünder – andere bereuen doch im Augenblick, nachdem sie gesündigt haben, grämen sich einen Augenblick lang und kehren dann erst zu ihrer Torheit zurück, er aber kennt keinen Gram und kein verdrießliches Besinnen, sondern wohnt in seiner Freude wie in einem Turm. Und der Glanz seiner Freude überwältigt mein Herz.

Nov 22, 2019 • 1h 4min
Wundern und Wahrnehmen
Von Zauber, Entzauberung, Sakralisierung und Macht
In einer Welt der Wissenschaft lässt sich im Prinzip alles erklären. Naja fast alles. Manches wird allerdings auch immer rätselhafter, je mehr wir darüber wissen. Und manchen Dingen bleibt ein Zauber, obwohl wir ganz viel darüber wissen. Es gibt Menschen, die uns im Wahrsten Sinne des Wortes verzaubern. Das kann toll sein. Das kann aber auch schwierig werden. Da nämlich, wo es in Sakralisierung umschlägt - also in etwas Mystisches oder Heiliges. Das erleben wir auch bei Dingen. Rund um ein neues iPhone wird regelrecht eine Messe zelebriert. Nicht jede und jeder darf es sofort haben. Es thront erhoben auf einem Sockel. Menschen campen tagelang vor Apple-Stores, um die ersten zu sein, die das neue Heiligtum - Verzeihung - Smartphone in den Händen halten zu dürfen … und das wäre noch unser kleinstes Problem mit der Sakralisierung.
Denn da, wo wir uns immer noch wundern, wo uns die Erklärungen auch bis heute noch fehlen, ist der Übergang zwischen These, Theorie und Verschwörungstheorie mitunter fließend. Und dann ist da noch die Frage, was das Ganze mit Macht zu tun hat. Und ob wir die Welt wirklich nur denkend erschließen - oder eben doch auch wahrnemend und wundernd.
Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort
und die Welt hebt an zu singen
triffst du nur das Zauberwort
Joseph von Eichendorff
Ritas Literaturliste:
Benjamin, Walter (2010): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. 6. Aufl. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Joas, Hans (2017): Die Macht des Heiligen. Eine Alternative zur Geschichte von der Entzauberung. Berlin: Suhrkamp.
Klatt, Jöran (2016): Rückverzauberte Rationalitäten. Die Sehnsucht nach dem Wärmestrom. In: INDES, Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, Heft 3. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Lehmann, Hartmut (2009): Die Entzauberung der Welt. Studien zu Themen von Max Weber. Göttingen: Wallstein.
Meyer-Drawe, Käte (2018): Im Gespräch mit Vanessa Albus. In: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik, Heft 3. Hannover: Siebert Verlag.
Weber, Max (1996): Wissenschaft als Beruf. 10. Aufl. Berlin: Duncker und Humblot.
Noras Linktipps:
Dämonen erwachen - Magdalenas Albtraum - Deutschlandfunk Nova vom 04. Oktober 2019, abgerufen am 21.11.2019
Mosaic Expedition - Die Website zur Arktis-Expedition der Polarstern

Nov 8, 2019 • 1h 18min
Monströs oder einfach böse?
Vom Umgang mit dem Unbegreiflichen
Es gibt Dinge, an deren finaler Erklärung wir scheitern. Liebe zum Beispiel. Oder Tod. Und auch das abgrundtief Böse und Monströse gehört dazu. Das sind die Dinge, die wir letzten Endes nicht begreifen können. Oder wie Rita es sagt: Nicht verdauen. Und trotzdem lohnt sich der Versuch, sich diesen Dingen zu nähern. Sie zu betrachten und anzuschauen. Der Anlass für dieses Gespräch ist hoch aktuell. Denn das Attentat in Halle am 09. Oktober 2019 war für viele Menschen eine Zäsur. Da hat sich ein Abgrund aufgetan. Und in den wollen wir blicken. Vorsichtig. Und da unser Gespräch am 31. Oktober stattfand - für die einen der Reformationstag, für andere einfach Halloween - fanden wir, das sei ein guter Tag, um die Brücke zu schlagen zwischen dem Bösen, dem Monströsen - aber eben auch der Banalität, die dem Bösen bisweilen zugrunde liegt und die dennoch monströse Ausmaße annehmen kann. Gast in dieser Folge ist der Philosoph Dr. Matthias Burchardt von der Universität in Köln.
Ritas Literaturliste
mit Ergänzungen von Matthias Burchardt:
Anders, Günther: Wir Eichmannsöhne. München 2001.
Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. 15. Auflage. München/ Zürich 2006.
Bollnow, Otto Friedrich: Neue Geborgenheit. Neue Geborgenheit. Das Problem einer Überwindung des Existentialismus. Schriften, Band 5. Würzburg 2011.
Montaigne, Michel de: Die Essais. Köln 2005.
Stegemann, Bernd: Die Moralfalle: Für eine Befreiung linker Politik. Berlin 2018.
Nelson, Maggie: The Art of Cruelty. A Reckoning. New York/ London 2011.
Nietzsche, Friedrich: "Jenseits von Gut und Böse" und "Zur Genealogie der Moral". KSA Band 5. München 1999.
Philosophie Magazin, Sonderausgabe 11: Was ist das Böse? Berlin 2018.
Ricoeur, Paul: Das Böse: Eine Herausforderung für Philosophie und Theologie. Zürich 2006.
Safranski, Rüdiger: Das Böse oder das Drama der Freiheit. 10. Auflage. Frankfurt/Main 1999.
Schäfer, Christian (Hrsg.): Was ist das Böse? Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart. Stuttgart 2014.
Svendsen, Lars: A Philosophy of Evil. Champaign/ London/ Dublin 2010.
Žižek, Slavoj: Grimassen des Realen. Jacques Lacan oder die Monstrosität des Aktes. Köln 1993.
Žižek, Slavoj: Der neue Klassenkampf. Die wahren Gründe für Flucht und Terror. 2015.

Oct 25, 2019 • 1h 11min
Ich lieb mich, ich lieb mich nicht
Von Selbstliebe und Selbstsorge
Selbstliebe ist ja ein viel zitierter Begriff. Nur so richtig gut definiert ist er in der Anwendung nicht, sagt Rita. Da gehen schon mal verschiedene Dinge durcheinander. Zum Beispiel bei der Frage, was ist Selbstliebe und was ist Selbstsucht? Aristoteles beantwortet das mit dem Streben nach dem Guten, Schönen und Sittlichen. Und schon da stellt sich die Frage: Was ist denn gut, schön oder sittlich? Wie definieren wir das? Heute. Und dann ist da ja noch die Frage nach der Selbstsorge. Denn wer sich selber liebt, der sorgt gut für sich. Ernährt sich gut, sorgt für ausreichend Schlaf und Pausen … nah, fühlt sich da noch jemand so ertappt wie Nora? Dann ist dieser Podcast genau der richtige für euch. Denn eigentlich müssen wir an Selbstliebe scheitern - um zu einer bahnbrechenden Erkenntnis zu kommen …
Ritas Literaturliste:
Aristoteles: Nikomachische Ethik. Jena 1909, S. 205-208.
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 355.
Hoffmann, Monika: "… wie dich selbst". München 2001.
Rang, Martin: Rousseaus Lehre vom Menschen. Göttingen 1959.
Reichenbach, Roland: Die Tiefe der Oberfläche: Michel Foucault zur Selbstsorge und über die Ethik der Transformation. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Paderborn 2000, S. 177-189.
Rousseau, Jean-Jacques: Émile oder Über die Erziehung. Online verfügbar über http://www.zeno.org/nid/20009264205
Schmid, Wilhelm: Mit sich selbst befreundet sein: von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst. Frankfurt/Main 2004.
Schmid, Wilhelm: Selbstsorge: zur Biographie eines Begriffs. In: Endreß, Martin (Hrsg.): Zur Grundlegung einer integrativen Ethik. Frankfurt/Main 1995, S. 98-129.

Oct 11, 2019 • 1h 12min
Schrubbedings
... von Improvisation und Kreativität
"Creato ex nihilo gibt es nicht", aus Nichts kann nichts enstehen, erklärt Rita. Und schon sind wir mittendrin in einer Diskussion über Improvisation und Kreativität. Braucht es das Genie, um wirklich Neues in die Welt zu bringen? Oder können das im Prinzip alle Menschen? Und was, wenn Improvisation nicht gelingt. Wenn es nicht gelingt aus den Zitronen, die einem das Leben gibt Limonade zu machen. Wenn es einfach sauer bleibt und ätzend? Nur weil der Mensch fähig ist zu improvisieren, kann es nicht zwingend auch ein Sollen geben. Muss auch das Scheitern weiter erlaubt sein.
Ritas Literaturliste:
Bormann, Hans-Friedrich/ Brandstetter, Gabriele/ Matzke, Annemarie (Hrsg.): Improvisieren. Paradoxien des Unvorhersehbaren. Kunst – Medien – Praxis. Bielefeld 2010.
Bröckling, Ulrich: Kreativität. In: Ders. (Hrsg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt/Main 2004.
Fleischle-Braun, Claudia/ Obermaier, Krystyna/ Temme, Denise (Hrsg.): Zum Immateriellen Kulturerbe des Modernen Tanzes. Bielefeld 2017.
Gebauer, Gunter/ Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft. Reinbek 1992.
Huizinga, Johan: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. 22. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2011. [Orig. 1938]
Joas, Hans: Die Kreativität des Handelns. Frankfurt/Main 1992.
Mahrenholz, Simone: Kreativität. Eine philosophische Analyse. Berlin 2012.
Noras Podcast-Tipp:
"Musik ist meine Medizin": Der Oudist Thabet Azzawi im Gespräch mit Sven Preger (Deutschlandfunknova.de vom 28.08.2019)

Sep 27, 2019 • 1h 5min
Die Goldene Regel
... glänzt auch nicht in allen Bereichen
Um die Dinge zu ordnen brauchen wir Regeln. Regeln sollten relativ stabil sein, damit sie auch verlässlich sind. Und sie sollen reziprok sein. Also, wenn ich mich dran halte, dann hältst du dich auch dran. Was passiert, wenn das nicht so ist, zeigt sich zum Beispiel bei Spielregeln. Geschummelt wird nicht! Oder zumindest sollte man sich dabei nicht erwischen lassen. Und da sind wir schon bei einer sehr menschlichen Regung. Wenn es uns zupass kommt und uns das Risiko nicht allzu groß erscheint … nunja, die ein oder andere Regel kann dann auch schon mal, sagen wir, großzügig ausgelegt werden. Oder sie fällt halt - schwupps - gleich unter den Tisch. Aber es gibt die eine goldene Regel, die so oder ähnlich in fast allen Kulturen gefunden werden kann. Auf die wir bauen, wenn es um gutes Zusammenleben geht. Welche das ist und, warum auch an dieser Regel nicht alles gold ist, was glänzt, das erfahrt ihr in dieser Ausgabe.
Ritas Literaturliste:
Bröckling, Ulrich: Gute Hirten führen sanft: Über Menschenregierungskünste. Berlin 2017.
Erikson, Erik H.: Die Goldene Regel im Licht neuerer Einsicht. In: Einsicht und Verantwortung. Die Rolle des Ethischen in der Psychoanalyse. Frankfurt/Main 2003.
Hoche, Hans Ulrich: Die Goldene Regel. Neue Aspekte eines alten Moralprinzips. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 32/1978, S. 355–375.
Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Akademie-Ausgabe. Kant Werke, Band IV. Berlin, New York 1968.
Lutz, Adolf: Die goldene Regel. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 18/1964, S. 471.
Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde. 2. Auflage. Stuttgart 1983.
Platon: Nomoi. Sämtliche Werke, Band 4. 22. Auflage. Reinbek bei Hamburg 2006.
Rohls, Jan: Geschichte der Ethik. 2. Auflage. Tübingen 1999
Sloterdijk, Peter: Regeln für den Menschenpark: Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus. Berlin 1999.
Wattles, Jeffrey: The Golden Rule. New York 1996.
Podcast-Tipps:
Rita war zu Gast im LeseSport Podcast und hat dort über Regeln im Kampfsport gesprochen
Bei "180 Grad - Geschichten gegen den Hass" von Bastian Berbner geht es in der Folge "Wenn böse Menschen lächeln" um Erwartungshaltungen, die wir haben - und warum die falsch sein können


