

SWR2 Zeitgenossen
SWR
Wir sprechen jede Woche mit Zeitgenossen, die auf einen besonderen Lebensweg zurückblicken: Sie sind Aktivist*innen, Künstler*innen oder Forscher*innen. Sie haben Zeitgeschichte erlebt und geprägt – und sie haben viel zu erzählen. Zur ARD Audiothek: https://www.ardaudiothek.de/sendung/swr2-zeitgenossen/8758618/
Episodes
Mentioned books

Dec 13, 2025 • 51min
Julia Voss: „Die Frage, was natürlich ist, wurde zur Waffe“
Wer definiert, was als Natur gilt? Biologen, Theologen, Ideologen? Wer legt fest, was Natürlichkeit ist? Pädagogen, Psychologen, Demagogen? Woher kommt die typisch deutsche Natur-Romantik, jene Verklärung und Vereinnahmung der Natur? Und wie wurde gerade der Naturbegriff immer wieder politisch instrumentalisiert – bis hin zu den Rassegesetzen des NS-Staats? Das Deutsche Historische Museum beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausstellung mit 800 Jahren „Natur und deutsche Geschichte: Glaube, Biologie, Macht“. Julia Voss, lange als Kunstkritikerin der FAZ tätig, hat die Schau kuratiert.

Nov 29, 2025 • 58min
Thomas Köck: „KI hat den gleichen beschränkten Willen wie wir“
Thomas Köck, Dramatiker und Autor von ‚KI essen Seele auf‘, diskutiert die Rolle von Künstlicher Intelligenz als Projektionsfläche menschlicher Wünsche. Er beleuchtet die Vergöttlichung der KI und die Herausforderungen des Datenkapitalismus. Die Umwandlung von Begehren in Wert durch Datenökonomie wird analysiert, ebenso wie die Fragen nach Autonomie und menschlichem versus maschinellem Willen. Köck reflektiert über digitale Doppelgänger und die ethischen Implikationen automatisierter Entscheidungen.

Nov 25, 2025 • 43min
Charlotte Wiedemann: „Wir erleben ein diplomatisches Abhaken kolonialen Unrechts“
Jedes Leben ist gleichermaßen prekär und schutzwürdig, findet die Journalistin und Autorin Charlotte Wiedemann. Und plädiert für eine „inklusive Erinnerungskultur“. In der deutschen Debatte um den Krieg in Gaza – nach dem Massaker der Hamas im Oktober 2023 – fordert sie eine Anerkennung des Leids beider Seiten. Nur so lasse sich eine Spaltung der Empathie verhindern. Ebenso wichtig ist ihr die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen. Charlotte Wiedemann war viele Jahre Reporterin für überregionale deutsche Medien, unter anderem in muslimischen Ländern wie Libyen und Iran.

Nov 8, 2025 • 44min
Anna Melikova: „Russland will, dass wir Angst haben“
Muttersprache Russisch, Nationalität Ukrainisch, Kindheit auf der Krim. Ihren Debütroman „Ich ertrinke in einem fliehenden See“ schrieb Anna Melikova auf Russisch. Die jetzt gültige Version ist in deutscher Sprache erschienen. In dem autofiktionalen Text erzählt sie von einer queeren Liebesgeschichte, grundiert von Identitätskonflikten vor Kriegsbeginn, konfrontiert mit einem russlandtreuen Vater.

Nov 1, 2025 • 44min
Ole Nymoen: „Ich will für keinen Staat sterben“
Zur Waffe greifen, bereit sein, Menschen zu töten, und das Land, das in früheren Kriegen „Vaterland“ genannt wurde, mit Gewalt zu verteidigen? Der Publizist und Podcaster Ole Nymoen verweigert sich. Und begründet dies in seinem Buch „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“: einem Plädoyer gegen den Krieg, das in Deutschland für Aufsehen gesorgt hat. Wie kann diese Haltung vertreten werden angesichts der Weltlage und vor dem Hintergrund der Debatte um die Wehrpflicht? Der studierte Politikwissenschaftler versteht seine Weigerung zugleich als Protest für mehr kollektive Selbstbestimmung.

Oct 25, 2025 • 53min
Tony Cragg: „Kunst ist das Menschlichste, was es gibt“
„Alles ist Bildhauerei“. Wie wir die Hände bewegen, wie wir Gedanken formen, auch die neuronale Aktivität des Gehirns und wie wir Emotionen bilden, hat für den Bildhauer Tony Cragg skulpturale Qualität. Formen zu finden, die uns berühren – gegen die monotone, repetitive Ästhetik der Warenwelt – ist seit Jahrzehnten seine zentrale Motivation. Kunst ist für ihn deshalb an sich politisch: Poesie als Gegenreaktion. Er will sichtbar machen, was nicht da ist und noch nicht existiert. In Wuppertal, wo der gebürtige Brite seit 1977 lebt, sieht man in einer Retrospektive gerade seine „Line of Thought“.

Oct 18, 2025 • 44min
Thomas Kunst: „Meine Romane sind explodierende Groß-Gedichte“
Thomas Kunst ist ein Unikum in der deutschsprachigen Literaturlandschaft. Der 1965 in Stralsund geborene Kleist-Preisträger arbeitet seit 1987 in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und war lange nur einem kleinen Publikum bekannt, dabei gehört er zu den sprachmächtigsten Schriftstellern seiner Generation.
Sein vielgelobter Aussteigerroman „Zandschower Klinken“ stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, seit dem Lyrikband „Kolonien und Manschettenknöpfe“ ist er Suhrkamp-Autor. Zuletzt erschien von ihm „WÜ“, womit auch eine Katze gemeint ist, mit der sich der Dichter unterhält.

Oct 11, 2025 • 41min
Sonja Lahnstein-Kandel: „Offener Judenhass ist praktisch wieder normal“
„Wenn die Erinnerung verblasst, hat die Barbarei gesiegt“. Unter diesem Motto hat Sonja Lahnstein-Kandel mit ihrer Organisation „step 21 – Initiative für Toleranz und Verantwortung“ nach dem Massaker der Hamas im Herbst 2023 „siebteroktober.de“ gegründet. Die Website ist ein Mahnmal gegen das Vergessen, zugleich Kampagne gegen den seither zunehmenden Antisemitismus, gegen Täter-Opfer-Umkehr und für Verständigung und ein friedliches Miteinander – wie es die Volkswirtin als Jüdin und Tochter kroatischer Holocaust-Überlebender bereits mit „step 21“ in Haifa, Hamburg und Jerusalem praktiziert.

Oct 4, 2025 • 44min
Götz Aly: „Die Deutschen in ihrer Gesamtheit haben das NS-System getragen“
Deutschland 1933 bis 1945: „Wie konnte das geschehen“? Fragt der Historiker Götz Aly in seinem neuen Buch. Ohne Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft, ohne „die Masse der Mitte“, wie Hitler sagte, wären NS-Diktatur und NS-Verbrechen nicht möglich gewesen. Lautet eine wesentliche Antwort. Aber auch ohne Protestanten als Kernklientel der Nazis wäre der NS-Staat nicht realisiert worden. Gerade die vielen jungen – und protestantischen – Wählerinnen und Wähler hätten der NSDAP 1932 zum Wahlerfolg verholfen. „Nicht unaktuell“ findet Götz Aly dies. Kann man aus der Geschichte für heute lernen?

Oct 3, 2025 • 44min
Jens Bisky: „Man kann aus der Geschichte auch das Falsche lernen“
„Wer nur auf Wiederkehr schaut, verpasst die Unterschiede, auf die es ankommt.“ Schreibt der Publizist Jens Bisky in seinem aktuellen Buch „Die Entscheidung – Deutschland zwischen 1929 und 1934“. Und warnt damit vor einer Gleichsetzung Weimarer Verhältnisse mit heutigen politischen Verhältnissen. Neben seiner Tätigkeit als Feuilletonredakteur der SZ, schrieb er u.a. Bücher über die Deutsche Einheit und Heinrich von Kleist. Seit 2021 ist der gebürtige Leipziger Redakteur beim Hamburger Institut für Sozialforschung. Seine Autobiografie trägt den Untertitel „Der Sozialismus und ich“.


