Sternengeschichten

Florian Freistetter
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Dec 3, 2021 • 15min

Sternengeschichten Folge 471: Primordiale Schwarze Löcher

Winzige Dunkelheit Sternengeschichten Folge 471: Primordiale Schwarze Löcher Schwarze Löcher waren schon sehr oft Thema in den Sternengeschichten; das erste Mal und ausführlich in Folge 40 und seitdem immer wieder. Es sind ja auch äußerst faszinierende Objekte und darüber hinaus auch noch enorm wichtig, wenn man verstehen will, was da draußen im Universum passiert. Schwarze Löcher bilden die Zentren der großen Galaxien und bestimmen mit ihren Eigenschaften wie sich solche Galaxien bilden, verhalten und entwickeln. Schwarze Löcher sind das Endstadium in der Entwicklung großer Sterne; sie können die Entstehung von Sternen beschleunigen oder verhindern. Ursprünglich hat man schwarze Löcher für eine mathematische Kuriosität der allgemeinen Relativitätstheorie gehalten; etwas, was dort in den Formeln auftaucht, im echten Universum aber nicht existieren kann. Dann hat sich aber gezeigt, dass die Dinger durchaus sehr real sind; wir haben sie überall im Universum gefunden und mittlerweile ausführlich beobachtet und studiert. Aber natürlich sind wir noch weit davon entfernt, komplett zu verstehen, was es mit den schwarzen Löchern auf sich hat und wie sie funktionieren. Das zeigt sich besonders gut bei einer ganz speziellen Art von schwarzem Loch, um die es in der heutigen Folge gehen soll: Die primordialen schwarzen Löcher. Werfen wir vorher zur Wiederholung noch einen ganz kurzen Blick auf die "normalen" schwarzen Löcher. Da unterscheidet man im Wesentlichen zwei Arten. Es gibt die "stellaren" schwarzen Löcher, die - wie der Name schon sagt - aus Sternen entstehen. Wenn ein sehr großer Stern am Ende seines Lebens die Kernfusion in seinem Inneren mangels Brennstoff einstellt, dann kollabiert die gesamte gewaltige Masse unter ihrem eigenen Gewicht. Der Stern wird immer kleiner und kleiner, die Masse bleibt aber im Wesentlichen gleich und daraus folgt: Das ganze Ding wird immer dichter. Immer mehr Masse ist auf immer weniger Raum zusammengepresst und genau das ist es, was man braucht um ein schwarzes Loch zu kriegen. Je näher man einer Masse kommt, desto stärker spürt man die Gravitationskraft, die von ihr ausgeübt wird. Und wenn diese Masse sehr stark komprimiert ist, dann kann man ihr eben auch sehr, sehr nahe kommen. Und kommt man ihr nahe genug, wird die Anziehungskraft so groß, dass man schneller als die Lichtgeschwindigkeit sein müsste, um ihr wieder zu entkommen. Was nicht geht, weswegen man in diesem Moment ein schwarzes Loch hat, dem nichts - auch kein Licht - mehr entkommen kann. Das alles ist nicht neu; das habe ich in den Sternengeschichten schon oft erzählt und auch die Wissenschaft weiß schon lange darüber Bescheid. Schwarze Löcher die aus dem Kollaps eines großen Sterns entstehen haben wir schon draußen im Weltall beobachtet, ebenso wie die zweite Art, die "supermassereichen schwarzen Löcher". Das sind die enormen Dinger, die im Zentrum von Galaxien sitzen. Die können die millionen- bis billionenfache Masse eines Sterns haben und wir wissen noch nicht so genau, wie sie entstehen. Es ist unwahrscheinlich, dass auch sie direkt aus dem Kollaps eines Objekts entstanden sind - denn was für ein gewaltiges Objekt sollte das denn sein? Vermutlich sind sie durch die Verschmelzung vieler kleinerer schwarzer Löcher entstanden, aber wie genau das abgelaufen sein könnte, wissen wir noch nicht. Klar ist aber auf jeden Fall: Die "normalen" schwarzen Löcher entstehen aus Sternen und können deswegen auch nur Massen haben, die ungefähr der Masse von großen Sternen entsprechen. Die "primoridialen" schwarzen Löcher um die es heute gehen soll, sind dagegen ganz anders. Beziehungsweise: Sie könnten ganz anders sein, denn wir wissen noch nicht, ob es sie gibt. Aber tun wir einfach mal so als gäbe es sie. Dann bräuchte man keinen Stern, damit sie sich bilden. Und sie wären auch sehr viel leichter als die schwarzen Löcher, die wir bis jetzt kennen. Fangen wir am Anfang an und in diesem Fall ist damit wirklich der ultimative Anfang gemeint. Wir müssen zurück bis zum Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren. Unmittelbar danach war das Universum voll mit Energie und Materie. Irgendwelche Strukturen oder Himmelskörper gab es noch nicht. Es gab nur hochenergetische Lichtteilchen und eine Suppe aus Elementarteilchen die im winzigen, neugeborenen Universum absolut gleichmäßig verteilt waren. Oder genauer gesagt: NICHT exakt gleichmäßig verteilt waren. Es gab minimalste Schwankungen in der Dichte des Materials. An manchen Orten war ein bisschen mehr Materie, an manchen ein bisschen weniger. Die Ursache für diese Dichteunterschiede liegt in der quantenmechanischen Unschärfe; man kann ja nie exakt sagen wo ein Teilchen sich befindet und gleichzeitig auch seine Bewegung exakt kennen und in der Realität ist die Sache natürlich viel komplizierter, aber weil die Quantenmechanik eben diese fundamentalen Unschärfen und Schwankungen quasi eingebaut hat und weil das junge Universum im Wesentlichen ein quantenmechanisches Objekt war - also winzig und voller Elementarteilchen - finden wir solche Schwankungen auch dort. Was heißt das jetzt? Das heißt, dass es im frühen Universum Regionen im Raum gegeben haben kann, in der durch diese zufällig auftretenden Dichteschwankungen ausreichend viel Materie auf ausreichend kleinem Raum zusammengedrückt wurde, so dass ein schwarzes Loch entsteht. Das mag komisch erscheinen, weil man sich schwarze Löcher ja oft als "Materiemonster" vorstellt, mit gewaltigen Massen. Aber genaugenommen spielt es keine Rolle, welche Masse ein schwarzes Loch hat. Es kommt nur darauf an, wie stark man diese Masse komprimiert; es kommt auf die DICHTE an, wie ich zu Beginn ja erklärt habe. Man könnte auch eine Bowlingkugel nehmen, die nur ein paar Kilogramm wiegt und sie soweit zusammenquetschen, bis daraus ein schwarzes Loch entsteht. Man müsste in dem Fall eben sehr weit quetschen: Aus einer Bowlingkugel mit einer Masse von etwa 3 Kilogramm würde erst dann ein schwarzes Loch, wenn diese Masse in eine Kugel mit einem Radius von einem Quadrilliarstel Meter gequetscht würde. Das ist enorm wenig, das ist 100 Millionen mal kleiner als der Durchmesser eines Elektrons! Aber rein theoretisch spricht nichts dagegen, dass im frühen Universum entsprechende Dichteschwankungen kleine Massen auf sehr kleinem Raum komprimiert und so winzige schwarze Löcher erzeugt haben. Und das "winzig" bezieht sich hier sowohl auf die Masse, als auch auf den Ereignishorizont, also den Radius der Kugel, auf die diese Masse komprimiert werden muss, damit man ein schwarzes Loch bekommt. Jetzt könnte man sich fragen, wo hier das Problem ist. Wenn die Theorie behauptet, dass es solche kleinen schwarzen Löcher gibt, dann muss man halt schauen, ob sie da sind. Wir sind ja heute in der Lage, winzigste Elementarteilchen nachzuweisen, da sollte das mit den schwarzen Löcher ja auch möglich sein. Im Prinzip ja. Aber so einfach ist die Sache dann eben doch nicht. Da gibt es vor allem einmal die Hawking-Strahlung. Dieses Phänomen ist enorm komplex, wie ich in Folge 238 ausführlich erklärt habe. Aber es läuft darauf hinaus, dass auch ein schwarzes Loch nicht ewig existiert. Es löst sich im Laufe der Zeit auf und diese Zeit ist bei den normalen schwarzen Löchern absurd lange. So absurd lange, dass man mit den entsprechenden Zahlen kaum etwas anfangen kann; die Lebensdauer eines normalen schwarzen Lochs geht unvorstellbar weit über die bisherige Lebensdauer des gesamten Universums hinaus. Aber die Stärke der Hawking-Strahlung und damit die Lebendsdauer eines schwarzen Lochs hängt direkt mit der Masse zusammen. Je weniger Masse, desto kürzer lebt auch ein schwarzes Loch. Das Bowlingkugel-Loch von vorhin wäre mit seiner winzige Masse von 3 Kilogramm quasi sofort nach seiner Entstehung schon wieder zerstrahlt und verschwunden. Man muss sich also zuerst einmal überlegen, wie lange die hypothetischen primordialen schwarzen Löcher überhaupt überleben können. Und das hängt davon ab, wann sie entstanden sind. Je früher, also je kürzer nach dem Urknall sich ein primordiales schwarzes Loch bildet, desto geringer seine Masse. Wir reden hier jetzt von Zeiträumen, die alle sehr, sehr viel kürzer als eine Sekunde sind! In diesen allerersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall sind aber im Universum jede Menge Dinge passiert, wie ich in Folge 99 ausführlicher erklärt habe. Vor allem gab es da - vermutlich - die sogenannte Inflationsphase. Da hat sich das Universum in einer unvorstellbar kurzen Zeit unvorstellbar stark ausgedehnt. Die Details der Inflation spare ich mir jetzt - vor der Inflationsphase jedenfalls hätten etwaige primordiale schwarze Löcher so winzige Massen gehabt, dass sie quasi unmittelbar danach noch schon wieder verschwunden wären. Nach der Inflationsphase - und wer es genau wissen will: Wir reden hier über einen Zeitraum der 10 hoch minus 32 Sekunden nach dem Urknall stattgefunden hat - könnten die primordialen schwarzen Löcher allerdings schon Massen von circa einer Milliarde Tonnen gehabt haben. Das ist so viel, wie ein typischer Berg hier auf der Erde hat. So ein Loch hätte einen Durchmesser der im Bereich der Elementarteilchen liegt und eine Lebensdauer von etwas über einer Milliarde Jahren. Heute wären sie also ebenfalls schon längst verschwunden. Aber man darf nicht vergessen, dass wir in der Astronomie immer auch in die Vergangenheit schauen können. Und eine Milliarde Jahre nach dem Urknall: Das liegt innerhalb dessen, was wir prinzipiell beobachten können. Die kosmische Hintergrundstrahlung zum Beispiel stammt aus einer Epoche, die nur 400.000 Jahre nach dem Urknall stattgefunden hat. Und die können wir wunderbar beobachten. Schwarze Löcher, die ein bisschen weniger Masse haben als die Milliarde Tonnen von vorhin und die entsprechend früher zerstrahlt sind, könnten in der Hintergrundstrahlung Spuren hinterlassen haben. So ein Loch verdampft ja explosiv und auch wenn es klein ist, kann es - sehr vereinfacht gesagt - seine Umgebung dadurch so beeinflussen, dass wir heute noch entsprechende Muster in der Verteilung der Hintergrundstrahlung beobachten können sollten. Und schwarze Löcher die ein bisschen später entstanden sind und ein bisschen mehr Masse haben als eine Milliarde Tonnen, könnten ihr Leben ein wenig später beenden. Das könnten wir dann ganz konkret beobachten, als Explosion am Himmel, so wie wir ja auch immer wieder Sterne explodieren sehen können. Tatsächlich sollte ein verdampfendes primordiales schwarzes Loch in etwa so aussehen wie ein Gammablitz, also die Explosionen die entstehen, wenn ein sehr großer Stern bei einer gewaltigen Supernova sein Leben beendet. Man hat in der Astronomie auch schon diskutiert, ob manche der Gammablitze die wir bisher beobachtet haben, genau auf solche primordialen schwarzen Löcher zurück gehen - eindeutig nachweisen hat man es bis jetzt aber noch nicht können. Warum machen wir uns so viele Gedanken über etwas, was es vielleicht gar nicht gibt? Weil man mit primordialen schwarzen Löchern sehr viel erklären könnte! Wir wissen immer noch nicht genau, wie sich die ersten Strukturen im jungen Universum gebildet haben. Also die ersten Sterne, die ersten Galaxien, und so weiter. Wenn schon unmittelbar nach dem Urknall jede Menge vergleichsweise schwere primordiale schwarze Löcher da waren, dann könnten die als Ausgangspunkt für die Entstehung von Sternen gewirkt haben; könnten Masse an und um sich gezogen haben, aus denen sich dann erste Himmelsobjekte gebildet haben. Sie könnten miteinander verschmolzen sein und so die supermassereichen schwarzen Löcher gebildet haben, die dann wiederum das ganze Gas um sich geschart hätten, aus denen dann all die Sterne einer Galaxie entstanden sind. Primoridiale schwarze Löcher - sofern es sie gibt und sofern es sie heute noch gibt - könnten einen relevanten Teil der dunklen Materie stellen, deren wahre Natur wir ja immer noch nicht kennen. Und natürlich würde der Nachweis primordialer schwarze Löcher auch unser Wissen über das, was unmittelbar nach dem Urknall passiert ist bestätigen und erweitern. Es muss sich übrigens niemand davor fürchten, dass da vielleicht jede Menge winzige schwarze Löcher durchs Universum fliegen. Denn erstens können die nicht überall sein; wenn sie WIRKLICH häufig wären, hätten wir schon längst davon gemerkt, weil wir dann ständig merken und sehen würden, wie sie mit Sternen kollidieren, und so weiter. Beziehungsweise hätte sich all die Sterne und Planeten in ihrer heutigen Form gar nicht erst gebildet. Und zweitens sind die schwarzen Löcher klein! Wenn der Ereignishorizont nur so groß ist wie ein Elementarteilchen, dann heißt das auch, dass man so einem Ding so nahe kommen muss, wie es nur zwei Elementarteilchen tun, damit einem was passiert. Man kann von einem primordialen schwarzen Loch nicht so einfach "verschluckt" werden; dazu ist es zu klein. Klar, seine Masse beträgt immer noch ein paar Milliarden Tonnen und wenn so ein Ding mit der Erde kollidiert würde man das definitiv merken. Aber wie gesagt: Wenn das häufig vorkommt, dann hätten wir das auch schon gemerkt. Primordiale schwarze Löcher sind höchst faszinierend und wenn wir ihre Existenz nachweisen können, dann wäre das großartig für die Wissenschaft. Angst haben müssen wir vor ihnen aber definitiv nicht.
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Nov 26, 2021 • 19min

Sternengeschichten Folge 470: MACHOs und RAMBOs

Kampf um die dunkle Materie Sternengeschichten Folge 470: MACHOs und RAMBOs Der Titel der heutigen Folge ist ein wenig missverständlich. Normalerweise stellt man sich unter MACHOs und RAMBOs etwas anderes vor als das, um das es gleich gehen wird und man stellt sich vermutlich nichts vor, was mit Astronomie zu tun. Wenn ich gleich von MACHOs und RAMBOs erzähle, dann wird es aber nicht um übertrieben männliche Männer gehen und auch nicht um Action-Helden. Sondern um dunkle Materie - und den seltsamen Hang der Naturwissenschaft zu leicht lächerlichen und sehr konstruierten Akronymen. Über dunkle Materie habe ich im Podcast ja schon oft gesprochen und alles in Folge 25 ausführlich vorgestellt. Das Konzept ist alt; in den 1930er Jahren hat der Astronom Fritz Zwicky festgestellt, dass sich Galaxien in einem Galaxienhaufen schneller bewegen, als sie es tun sollten. Wie schnell sich ein Himmelskörper bewegen muss, kann man leicht berechnen, wenn man weiß, welche Gravitationskraft er spürt. Zwicky hat damals alle Galaxien eines Haufens beobachtet und aus ihrer Helligkeit auf ihre jeweiligen Massen geschlossen. Daraus kann man direkt berechnen, welche Gravitationskraft sie auf ihre Umgebung ausüben - und welche Gravitationskraft sie von den anderen Galaxien in ihrer Umgebung spüren. Und weil die Geschwindigkeit von der Gravitationskraft abhängt, kann man leicht eine maximal mögliche Geschwindigkeit berechnen. Das ist ein wenig so wie bei der "Kosmischen Geschwindigkeit", von der ich in Folge 151 erzählt habe. Will man mit einer Rakete dauerhaft aus dem Anziehungsbereich der Erde entkommen, muss man eine gewisse Geschwindigkeit erreichen. Ansonsten wird einen die Gravitationskraft der Erde wieder zurück auf den Boden fallen lassen. WIE schnell man genau sein muss, hängt von der Masse der Erde ab. Wäre sie schwerer als sie es ist, müsste man schneller sein; wäre sie leichter, käme man auch schon mit einer geringeren Geschwindigkeit weg. Umgekehrt gilt: Ist man schneller als diese Fluchtgeschwindigkeit, dann ist es nicht mehr möglich, die Erde zu umkreisen; dafür müsste man erst wieder abbremsen. Die Galaxien des Galaxienhaufens waren alle VIEL zu schnell. Sie waren so schnell, dass sie der Anziehungskraft des Haufens auf jeden Fall schon längst entkommen wären. Der Haufen war aber noch da; die Galaxien hingen immer noch über ihre gegenseitige Gravitationskraft zusammen. Zwickys Schlussfolgerung: Da musste mehr Masse sein, als man sehen konnte. Die Masse, die er aus der Helligkeit der Galaxien abgeschätzt hatte, war viel zu gering; tatsächlich musste da circa fünfmal mehr Masse sein, als man sehen konnte. Diese nicht sichtbare Masse nannte Zwicky "dunkle Materie" und wir haben diesen Befund in den Jahrzehnten seit damals immer wieder unabhängig bestätigt. Sterne und Galaxien bewegen sich nicht so, wie sie es tun sollten, wenn die Masse, die wir sehen können, alles ist, was es im Universum gibt. Und seit damals fragen wir uns natürlich: Was ist diese "dunkle Materie"? Die erste und simpelste Idee ist natürlich, dass es sich bei der dunklen Materie buchstäblich um dunkle Materie handelt. Sterne leuchten. Aber Planeten zum Beispiel tun das nicht. Schwarze Löcher leuchten nicht. Es gibt weiße Zwerge, die Überreste ehemaliger Sterne, die zwar noch ein bisschen leuchten, aber eben auch sehr klein und dadurch sehr schwer zu sehen sind. Es gibt braune Zwerge, also Himmelskörper die zwar deutlich mehr Masse haben als ein Planet aber immer noch zu wenig, als dass sie in ihrem Inneren eine Kernfusion wie bei einem echten Stern durchführen können - und deswegen auch sehr dunkel sind. Vielleicht haben wir einfach sehr viel übersehen da draußen. Das wäre allerdings ein wenig komisch. Im Vergleich zu einem Stern ist die Masse eines Planeten oder eines braunen Zwergs sehr gering. Und wenn wir fünfmal mehr dunkle als normale Materie brauchen, müssten wir WIRKLICH viele dieser dunklen Himmelskörper übersehen haben. Weiße Zwerge und schwarze Löcher haben mehr Masse; die sind in der Hinsicht mit den Sternen vergleichbar. Aber die entstehen auch nicht aus dem nichts; ein weißer Zwerg oder ein schwarzes Loch haben ihr Leben ja als Stern begonnen und erst als der Stern die Kernfusion beendet hat, sind seine Reste zu einem weißen Zwerg oder - bei größeren Sternen - zu einem schwarzen Loch kollabiert. Hat es wirklich früher fünfmal mehr Sterne als heute gegeben deren Überreste jetzt die dunkle Materie ausmachen? Das erscheint nicht sehr wahrscheinlich, aber man kann die Beobachtungsdaten ja nicht einfach ignorieren. IRGENDWAS muss dafür verantwortlich sein, dass sich die Himmelskörper nicht so bewegen wie sie es sollen. Dieses irgendwas muss sich vor allen in den Außenbereichen einer Galaxie befinden; auch das zeigen die Beobachtungsdaten. Die leuchtenden Sterne einer Galaxie sind in eine sehr viel größere Region eingebettet, die von der dunklen Materie dominiert wird. Diesen Außenbereich nennt man auch "Halo" und jetzt sind wir schon fast bei den MACHOs angekommen. Vielleicht, so hat man sich gedacht, ist dieser Halo voll mit massereichen, kompakten Himmelskörpern. Also eben Planeten, braunen Zwergen, weißen Zwergen, Neutronensternen oder schwarzen Löcher. Das wären dann also massereiche, astrophysikalische kompakte Halo-Objekte, auf englisch "Massive Astrophysical Compact Halo Objects" oder als Akronym: MACHOs. Jetzt ist es natürlich nicht sonderlich sinnvoll, wenn man die dunkle Materie durch etwas beschreibt, von dem man nicht weiß, ob es da ist oder nicht. Zu sagen, dass MACHOs die dunkle Materie ausmachen, ist eine Hypothese und keine Erklärung. Man müsste ausreichend viele MACHOs beobachten, um diese Hypothese zu bestätigen. Aber wenn sich die dunkle Materie so leicht beobachten lassen würde, hätten wir das ganze Problem ja gar nicht erst. Bevor wir schauen, wie das mit der Beobachtung von MACHOs funktioniert, schauen wir aber kurz noch auf die Alternativen. Es wäre natürlich prinzipiell möglich, dass die dunkle Materie gar keine Materie ist. Sondern dass wir die Gravitationskraft falsch berechnet haben - zum Beispiel weil die Gravitation doch nicht exakt so wirkt, wie Albert Einstein und Isaac Newton uns das gesagt haben. Das ist die Behauptung der "Modified Newtonian Dynamics"-Hypothese, die ich in Folge 351 ausführlich vorgestellt habe. Sehr viel spricht aber dafür, dass wir es tatsächlich mit irgendeiner Art von Materie zu tun haben, die wir bisher übersehen haben. Die muss jetzt aber nicht als dunkler Planet oder schwarzes Loch im All herumschwirren. Was wäre denn mit irgendwelchen gigantischen Wolken aus Gas oder Staub? Die leuchten ja auch nicht von selbst? Ja, und nein. So eine Wolke leuchtet schon, die Teilchen dort haben ja immer eine gewisse Temperatur und geben Wärmestrahlung ab. Das kann man beobachten und das beobachtet man auch. Nur wenn es sehr kaltes Gas wäre, könnten wir es vielleicht übersehen haben. Aber so eine Wolke würde sich auch immer ein wenig aufheizen, zum Beispiel durch die Strahlung der Sterne in der Umgebung. Das funktioniert also nicht. Aber was, wenn es sich nicht einfach um dunkle Materie handelt, sondern um völlig andere Materie? Um irgendwelche Teilchen, denen Licht völlig egal ist? Normale Materie heizt sich auf, wenn elektromagentische Strahlung auf sie trifft; sie absorbiert diese Strahlung - oder sie reflektiert sie. Auf jeden Fall aber können wir sie dadurch prinzipiell sehen. "Sehen" ist ja nichts anderes als eine Wechselwirkung mit elektromagnetischer Strahlung. Und in der Astronomie ist es quasi auch "sehen", wenn wir von der Detektion von Infrarot-, oder Ultraviolett-, Röntgen- oder Radiostrahlung sprechen. Das ist ja alles elektromagnetische Strahlung, so wie das normale Licht. Was aber, wenn es irgendwelche Teilchen geben würde, die überhaupt nicht mit elektromagnetischer Strahlung wechselwirken? Die wären dann nicht dunkel; die wären genaugenommen unsichtbar. Wir würden sie überhaupt nur wahrnehmen können, wenn wir die Gravitationskraft spüren, die sie durch ihre Masse auf die Umgebung ausüben. Und wenn sie die dunkle Materie erklären sollen, von der wir ja recht viel erklären müssen, dann müssen diese Teilchen auch eine vergleichsweise große Masse haben. Solche Teilchen nennt man "Schwach wechselwirkende massereiche Teilchen", auf englisch "Weakly Interacting Massive Particles". Oder als Akronym: WIMPs. Vermutlich hat sich irgendwer sehr lustig gefühlt, als man sich diese Bezeichnungen ausgedacht hat. MACHOs und WIMPs, also der englische Begriff für "Schwächling", sind die beiden wichtigsten Hypothesen zur Erklärung der dunklen Materie. Bevor wir zu den MACHOs zurück kommen, schauen wir noch kurz auf die WIMPs. Das ist ja vorerst auch nur eine Hypothese mit einem komischen Akronym. Gibt es Hinweise, dass da draußen irgendwo wirklich WIMPS sind? Ja, tatsächlich. Neutrinos sind WIMPs! Sie wechselwirken nicht über Elektromagnetismus; sind sind "unsichtbar" und wir müssen uns sehr anstrengen, sie nachzuweisen, wie ich in Folge 103 erzählt habe. Die Neutrinos SIND also dunkle Materie - aber ihre Masse ist viel zu gering. Die dunkle Materie kann nicht vollständig aus Neutrinos bestehen. Also wieder zurück zu den MACHOs: Wie kann man die finden, wenn sie da sind? Auch hier muss man sich auf die Gravitation konzentrieren. Es sind ja vergleichsweise große, massereiche Objekte. Mit ihre Masse krümmen sie den Raum und diese Raumkrümmung kann das Licht von Sternen ablenken, abschwächen oder verstärken. Man muss also nur ausreichend viele ferne Sterne beobachten und nach solchen Effekten Ausschau halten. Daraus lässt sich ableiten, wie viele MACHOs sind rumtreiben und das Sternenlicht ablenken. Das ist natürlich leichter gesagt als getan - aber es gab immer wieder entsprechende Beobachtungskampagnen die sich teilweise über Jahre und Jahrzehnte erstreckt haben. Das Resultat: Jawoll, da draußen sind massereiche, dunkle Objekte. Da schwirren Planeten, braune Zwerge und so weiter rum, die wir bisher nicht gesehen haben. Aber auch hier haben die Daten gezeigt: Es sind viel zu wenige, als dass sie eine brauchbare Erklärung für die dunkle Materie sein könnten. Schauen wir jetzt nochmal kurz, was es mit den RAMBOs auf sich hat. Dabei handelt es sich um "Robust associations of massive baryonic objects" beziehungsweise "Robuste Ansammlungen Massereicher Baryonischer Objekte" oder, als Akronym "RAMBOs". Auch dieses Akronym ist selbstverständlich massiv konstruiert; man hätte die Dinger auch irgendwie anders nennen können. Aber die Astronomen Ben Moore und Joseph Silk wollten auf die MACHO/WIMP-Sache offensichtlich noch eins drauf setzen, als sie sich das 1995 ausgedacht haben. Vereinfacht gesagt geht es darum, dass die MACHOs vielleicht gar nicht überall im Halo der Galaxien verteilt sind. Sondern sich in Haufen zusammmenfinden. Dass da draußen also große Ansammlungen dunkler Objekte sind. So wie Sternhaufen, von denen wir ja wissen, dass man die in den Halos von Galaxien häufig findet. Nur dass es da eben nicht um jede Menge Sterne geht, die sich zu einem Haufen zusammengefunden haben, sondern um entsprechend dunkle Objekte. Dann lassen sich diese dunklen Haufen vielleicht schwerer finden als die großflächiger verteilten MACHOs gefunden werden könnten. Aber auch wenn sich die beiden Astronomen so große Mühe mit ihrem Akronym gegeben habe: Bis jetzt hat sich noch kein RAMBO am Himmel gezeigt. Die Sache mit der dunklen Materie ist deutlich komplizierter als man Anfangs gedacht hat. Wir wissen zum Beispiel, dass sie nicht vollständig aus baryonischer Materie bestehen kann. Und "bayronische Materie" ist nur ein anderes Wort für "normale Materie", also das Zeug, aus dem die normalen Atome bestehen, aus denen auch wir aufgebaut sind. Wir wissen, dass diese Materie beim Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden ist. Damals fast ausschließlich in Form der beiden leichtesten Atome, Wasserstoff und Helium. Was sich da auch gebildet hat, ist Deuterium, ein Isotop des Wasserstoffs. Also Wasserstoff, der statt einem Proton im Kern dort ein Proton und Neutron hat. Das ist insofern interessant, als dass sich Deuterium nur unter sehr speziellen Umständen bilden kann. Nach dem Urknall sind jede Menge Protonen und Neutronen durch die Gegend gesaust. Nur wenn die Umgebungstemperatur gerade richtig ist, können sich Proton und Neutron aneinander binden und Deuterium bilden. Und das Universum ist nach dem Urknall sehr schnell abgekühlt. Zuerst war es zu heiß, danach war es zu kalt und in dem kurzen Zeitraum in dem Deuterium gebildet werden konnte, ist noch mehr passiert. Aus dem Deuterium kann durch weitere Fusionen mit anderen Teilchen Helium entstehen. Wie effektiv das passiert, hängt unter anderem stark von der Dichte ab. Also davon, wie viele Teilchen da insgesamt in einem bestimmten Stück Raum durch die Gegend schwirren. Je dichter, desto mehr Deuterium fusioniert zu Helium. Und auch hier gilt: Das Universum hat sich nach dem Urknall sehr schnell ausgedehnt, dadurch sinkt die Dichte und irgendwann hat das mit der Fusion nicht mehr geklappt. Was hat das jetzt alles mit der dunklen Materie zu tun? Nun, wir können aus Beobachtungsdaten ableiten, wie viel Deuterium heute noch so durch das Universum schwirrt. Daraus können wir bestimmen, wie viel damals nach dem Urknall übrig geblieben ist, als die Phase vorbei war, in der Deuterium zu Helium fusionieren konnte. Je mehr Deuterium übrig war, desto geringer muss die Dichte gewesen sein. Das ist wichtig, deswegen sage ich es nochmal: Aus der Menge an Deuterium die wir beobachten, können wir ableiten, wie die Teilchendichte im frühen Universum gewesen sein muss. Wir können also quasi messen, wie viel normale Materie beim Urknall entstanden ist - oder zumindest sehr gute Grenzen dafür angeben. Und das was wir da messen, ist VIEL zu wenig. Das würde bei weitem nicht reichen, dass daraus einerseits die ganzen Sterne und Galaxien entstehen, die wir sehen und dazu noch die ganzen MACHOs, die wir nicht sehen können. Tatsächlich stimmen die Beobachtungen recht gut überein: Bei der Beobachtung der Sterne und Galaxien und ihrer Bewegung fehlt uns in etwa genau so viel Materie, wie uns bei den Berechnungen über die Teilchendichte im frühen Universum fehlt. Zwei unabhängige Nachweismethoden führen also zu der Erkenntnis: Da ist Materie, die wir nicht sehen können. Und sagen zusätzlich noch: Es muss sich um Materie handeln, die anders ist als die normale Materie. Ein kleiner Teil der dunklen Materie besteht aus Neutrinos, also aus WIMPs. Ein weiterer kleiner Teil besteht aus MACHOs, also aus braunen Zwergen, Planeten, etc die irgendwo da draußen schwer sichtbar rumschwirren. Aber der überwiegende Teil der dunklen Materie lässt sich dadurch nicht erklären. MACHOs fallen als Erklärung raus; die dafür nötige Menge an Materie ist beim Urknall nicht entstanden. Bleiben also noch WIMPs von einer Art, die wir bisher noch nicht nachweisen konnten; irgendwelche anderen WIMPs mit sehr viel mehr Masse als die Neutrinos sie haben. Solche WIMPs haben wir aber noch nicht nachweisen können. Vielleicht ist es am Ende ja auch was ganz anderes - sicher ist nur: Was auch immer es ist; die Astronomie wird sich dafür irgendwann ein absurdes Akronym ausdenken.
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Nov 19, 2021 • 14min

Sternengeschichten Folge 469: Extrasolare Monde

Das ist kein Mond! Sternengeschichten Folge 469: Extrasolare Monde Dass unsere Erde von einem Mond umkreist wird, kann man kaum übersehen. Der Mond war, neben der Sonne, in der Geschichte der Menschheit von Anfang an der wichtigste Himmelskörper. Er wurde als Gottheit vereehrt, man hat Kalender nach ihm ausgerichtet, sich Mythen über ihn erzählt und immer schon davon geträumt und darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, dorthin zu reisen. Der Mond ist auch der einzige andere Himmelskörper, den wir Menschen tatsächlich schon betreten haben. Der Mond war von Anfang an ein Begleiter der Menschen, schon lange bevor wir Menschen geworden sind. Wir haben am nächtlichen Himmel immer auch schon die Sterne gesehen. Und andere helle Punkte, die sich anders bewegt haben als die Sterne und die wir "Planeten" genannt haben. Bis wir erkannt haben, dass sich diese Planeten, so wie die Erde, um die Sonne bewegen und dass auch die Erde ebenfalls ein solcher Planet ist, hat es ein wenig gedauert. Diese Erkenntnis hat sich erst ab dem 17. Jahrhundert durchgesetzt und im 17. Jahrhundert war es auch, dass wir die ersten anderen Monde entdeckt haben. Galileo Galilei hat als erster ein Teleskop zum Himmel gerichtet und dabei herausgefunden, dass der Jupiter von vier kleineren Himmelskörpern umkreist wird. Diese "galileischen Monde" tragen heute die Namen Io, Europa, Ganymed und Callisto. Sie waren die ersten anderen Monde die wir gefunden haben aber bei weitem nicht die einzigen! 1655 hat man Titan entdeckt, den größten Mond des Saturn. 1787 wurde der erste Mond entdeckt, der Uranus umkreist; 1846 der erste Mond des Neptun. 1877 fand man die beiden kleinen Marsmonde Phobus und Deimos. Bei allen Planeten des Sonnensystems, mit Ausnahme von Venus und Merkur, hat man Monde entdeckt, mittlerweile sind es mehr als 200 und die meisten davon umkreisen die großen Planeten Saturn und Jupiter. Unser Sonnensystem ist also voll mit Monden; es gibt sehr viel mehr davon als Planeten; von denen haben wir ja nur acht Stück. Seit 1995 wissen wir, dass auch andere Sterne von Planeten umkreist werden. Heute kennen wir weit mehr als 4000 solcher Exoplaneten und wissen, dass das Universum voll davon ist. Es gibt da draußen mindestens so viele Planeten wie Sterne. Und eine Frage die sich da ziemlich bald stellt lautet: Werden auch die Exoplaneten von Monden umkreist? Das ist eine spannende Frage. Denn so ein Mond kann eine erstaunlich komplexe Welt sein. Ganymed, der größte Mond des Jupiters etwa ist größer als der Planet Merkur. Auf dem Jupitermond Europa gibt es einen unterirdischen Ozean aus flüssigem Wasser, auf dem Saturnmond Enceladus ebenfalls und beide sind heiße Kandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben. Wären Jupiter oder Saturn nicht so weit von der Sonne entfernt wie sie es jetzt sind, sondern näher - zum Beispiel dort wo sich die Erde befindet, dann wären diese Ozeane nicht unter einer dicken Schicht aus Eis versteckt, wie jetzt. Dann gäbe es vielleicht dort flüssiges Wasser an der Oberfläche, eine Atmosphäre und angenehmen Temperaturen. Dann wären diese Monde bewohnbar. Sind sie aber nicht - aber anderswo kennen wir durchaus Planeten die dem Jupiter oder dem Saturn ähnlich sind und sich genau dort befinden, wo etwaige Monde lebensfreundliche Bedingungen haben könnten. Es ist also durchaus wichtig, wenn wir uns fragen, ob es anderswo auch Monde gibt. Die Antwort darauf kann eigentlich nur "Ja!" lauten. Es wäre höchst seltsam, wenn einerseits Planeten die Sterne umkreisen enorm häufig sind; andererseits nur die Planeten des Sonnensystems auch Monde haben. Das, was bei uns zur Entstehung von Monden geführt hat, muss anderswo genau so passiert sein. Wir sind ja kein irgendwie außergewöhnlicher Ort. Im Einzelfall kann das natürlich anders sein. Ich habe ja früher schon im Podcast erzählt, wie der Mond der Erde entstanden ist: Nach allem was wir bis heute wissen, ist das durch eine gewaltige Kollision im frühen Sonnensystem passiert. Ein noch nicht fertiger Planet von der Größe des Mars ist mit der ebenfalls noch nicht ganz fertigen Erde zusammengestoßen und dabei völlig zerstört worden. Die Erde hat die Kollision gerade so überstanden und aus den Trümmern dieser unvorstellbaren Katastrophe hat sich der Mond gebildet. So ein Ereignis ist ein Resultat der chaotischen Vorgänge die ablaufen, wenn sich Planeten um einen Stern herum bilden und es kann gut sein, dass ein Ergebnis wie bei der Erde und unserem Mond sehr unwahrscheinlich ist. Anderswo werden vielleicht beide Planeten bei einer Kollision zerstört, oder es bildet sich ein kleinerer oder gar kein Mond aus den Trümmern. Aber nicht alle Monde entstehen durch Kollisionen. Die Marsmonde zum Beispiel sind aller Wahrscheinlichkeit nach ehemalige Asteroiden, die vom Mars eingefangen worden sind. Viele der kleineren Monde von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun haben vermutlich den gleichen Ursprung als eingefangene Asteroiden. Die großen Monde der Gasplaneten sind dagegen auf ähnliche Weise entstanden wie die Planeten selbst. So wie die aus einer Scheibe voll Gas und Staub um die junge Sonne herum entstanden sind, haben sich Monde wie die galileischen Monde des Jupiters aus einer Gas- und Staubscheibe gebildet, die früher den jungen Jupiter umgeben hat. Solche Prozesse sind, wie das Einfangen von Asteroiden, Vorgänge, die überall stattfinden, wo Planeten entstehen. Man kann also mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass auch die extrasolaren Planeten Monde haben. Damit könnte diese Folge auch schon wieder zu Ende sein. Ist sie aber nicht. Denn es reicht uns in der Wissenschaft ja nicht, einfach nur sehr sicher zu sein, dass irgendwo irgendwas existiert. Wir wollen schon auch wissen, ob das wirklich stimmt. Egal wie plausibel eine Annahme erscheint: Am Ende zählt in der Naturwissenschaft nur die Bestätigung durch eine konkrete Beobachtung. Können wir also herausfinden, ob es da draußen irgendwo extrasolare Monde gibt? Können wir! Wir können sie natürlich nicht direkt sehen; das geht ja schon bei den extrasolaren Planeten sehr schwer bis gar nicht. So wie die Planeten leuchten auch die Monde nicht mit ihrem eigenen Licht. Sie reflektieren nur das Licht ihres Sterns. Und weil Monde im Allgemeinen kleiner sind als die Planeten, leuchten sie noch viel schwächer. Und werden nicht nur durch das Licht des Sterns überstrahlt, sondern zusätzlich auch noch vom Licht des Planets, den sie umkreisen. Wir können aber durchaus indirekte Nachweise führen. Viele Planeten anderer Sterne haben wir durch die sogenannte "Transitmethode" gefunden. Wir beobachten das Licht eines Sterns und messen seine Helligkeit über mehrere Tage, Wochen oder Monate hinweg. Wenn von uns aus gesehen zufällig gerade ein Planet vor dem Stern vorüber zieht, blockiert der ein ganz klein bisschen von dessen Licht. Das können wir messen und wenn der Planet den Stern umkreist, wiederholt sich diese Mini-Verdunkelung in regelmäßigen Abständen. Wenn der Planet der so einen "Transit" verursacht zusätzlich auch noch von einem Mond umkreist wird, wird die Sache interessant. Denn der Mond ist zwar kleiner als der Planet und hat weniger Masse. Aber er übt trotzdem eine Gravitationskraft auf den Planet aus. So ist es ja auch bei Erde und Mond. Der Mond umkreist die Erde. Aber wenn man es genau nimmt, stimmt das nicht. Es zieht nicht nur die Erde den Mond an, sondern auch der Mond die Erde. Beide Himmelskörper kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Weil die Erde so viel schwerer ist als der Mond liegt dieser Punkt allerdings sehr nahe am Erdmittelpunkt; er liegt 1700 Kilometer unter der Erdoberfläche. Effektiv kreist also tatsächlich der Mond um die Erde und die Erde wackelt einfach nur ein bisschen hin und her. Bei einem extrasolaren Planet mit Mond ist das genau so. Je nach Konfiguration kann das Wackeln größer oder kleiner sein. Aber ein Planet mit Mond wackelt immer - und das bedeutet, dass die Verdunkelungen die er beim Stern hervor ruft, nicht VÖLLIG regelmäßig sind. Bei seiner Hin- und Herwackelei wird mal ein kleines bisschen früher ankommen und mal ein kleines bisschen später. Das nennt man eine "Transitzeitvariation" und wenn man so etwas beobachtet, kann man daraus prinzipiell auf die Existenz des Mondes schließen. Natürlich gibt es auch jede Menge andere Effekte, die eine Transitzeitvariation hervorrufen können. Das muss kein Mond sein, es kann auch einfach ein anderer Planet sein, der den Stern umkreist. Die beiden Planeten beeinflussen sich ja auch gegenseitig mit ihrer Gravitationskraft und das führt zu unregelmäßigen Transits. In der Realität wird man es auch vermutlich mit mehreren Planeten zu tun haben, die jeweils einen oder mehrere Monde haben. Aber wenn die Beobachtungsdaten gut genug sind, kann man das ganze mit Hilfe von Computermodellen und Mathematik aufdröseln und herausfinden, wer da wen umkreist. Neben der Transitzeitvariation gibt es auch noch die "Transitdauervariation". Ein Planet mit Mond wird nicht nur immer wieder mal früher oder später als erwartet seinen Stern verdunkeln; diese Verdunkelungsphase wird auch unterschiedlich lange dauern, weil die Störungen des Mondes ihn immer wieder leicht unterschiedlich am Stern vorüber ziehen lassen. Beobachtet man beide Effekte auf einmal, dann kann man schon ziemlich gut berechnen, ob und was für ein Mond da sein könnte. Man kann natürlich auch großes Glück haben, und einen Transit sehen, der direkt vom Mond selbst verursacht wird. Stellen wir uns vor, der Mond steht - von uns aus gesehen - direkt neben seinem Planeten. Und beide ziehen nebeneinander am Stern vorüber. Dann wird das Sternlicht zuerst ein wenig dunkler werden, weil der Planet einen Teil davon von blockiert. Und dann, wenn auch der Mond von uns aus gesehen vor dem Stern steht, wird noch ein kleines bisschen mehr Licht blockiert. Am Ende des Transits ist es umgekehrt: Zuerst wird der Stern wieder heller, weil der Planet nicht mehr in der Sichtlinie steht und dann steigt die Helligkeit noch ein kleines bisschen an, weil dann auch der Mond nichts blockiert. So eine Beobachtung wäre am allerbesten, denn dann kann man direkt aus dem Ausmaß der Verdunkelung die Größe des Mondes ablesen. Es gibt auch Methoden, wie man einen extrasolaren Mond ohne Transit entdecken kann. Das ist praktisch, denn man kann ja nicht immer davon ausgehen, dass Planet und Mond von uns aus gesehen genau an ihrem Stern vorüber ziehen. Bei der Mehrheit der Planetensysteme ist das nicht der Fall und da helfen die vorhin beschriebenen Methoden nicht. Dann kann man aber vielleicht mit Gravitationslinsen erfolgreich sein. Davon habe ich ja in Folge 274 schon ausführlich erzählt. Die Masse eines Planeten krümmt den Raum, genau so wie die Masse eines Sterns oder genaugenommen jede Masse. Das war ja gerade das, was Albert Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie herausgefunden hat. Licht folgt immer der Krümmung im Raum und die Masse eines Himmelskörpers ist daher in der Lage, Licht abzulenken. Wenn nun ein Stern mit einem Planet vor einem anderen Stern vorüber zieht, wirkt dieser Stern im Vordergrund wie eine Linse, die das Licht des Sterns im Hintergrund kurzfristig verstärken kann. Der Planet verändert diese Linsenwirkung ein wenig und ein Mond würde sie ein weiteres mal verändern. Es gibt noch andere Methoden, mit denen man einem extrasolaren Mond auf die Spur kommen könnte, aber da braucht man meistens sehr viel Glück. Im Jahr 2017 hat man geglaubt, einen extrasolaren Mond entdeckt zu haben, später hat sich dann herausgestellt, das dieser Himmelskörper viel zu groß ist. Das war auch bei einer Beobachtung mit Gravitationslinseneffekt im Jahr 2014 der Fall - der potentielle Mond den man damals gefunden zu haben glaubte, ist viel eher ein großer Gasplanet. Sehr vage und indirekte Daten haben immer wieder vermuten lassen, dass da Monde sein könnten. Aber es ist eben schwer, so etwas kleines wie den Mond eines Planeten bei einem anderen Stern zweifelsfrei nachzuweisen. Am vielversprechendsten ist immer noch die Sache mit den Transits; wir haben ja Teleskop im All, die sehr viele solcher Transits beobachtet haben und in Zukunft beobachten werden. Irgendwo in diesen Daten taucht vielleicht auch mal ein Mond auf. Es ist nicht die Frage, ob wir einen Mond finden. Das werden wir. Wir können nur nicht sagen, wann es so weit sein wird. Und je nachdem, wann ihr diese Folge hört, ist es vielleicht schon passiert.
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Nov 12, 2021 • 14min

Sternengeschichten Folge 468: Halton Arp und seine seltsamen Galaxien

Alle Galaxien sind wunderbar Sternengeschichten Folge 468: Halton Arp und seine seltsamen Galaxien "40 Jahre nach der Entdeckung, dass Galaxien eigenständige Systeme aus Sternen sind, sind wir bei der Lösung ihrer großen Rätsel immer noch nicht weit voran gekommen: Wie erhalten sie sich selbst und welche physikalischen Kräfte sind für die Ausbildung ihrer Formen verantwortlich, die wir beobachten? Galaxien bilden grundlegenden Einheiten von Energie und Masse im Universum und dennoch können wir fundamentale Fragen immer noch nicht beantworten. Was verursacht die charakteristische Form der Spiralgalaxien? Wie hängen elliptische Galaxien mit Spiralgalaxien zusammen? Wie entstehen Galaxien und wie entwickeln sie sich?" Das sind die ersten Sätze, die man im Vorwort des 1966 veröffentlichten "Atlas of Peculiar Galaxies" findet. Das heißt auf deutsch so viel wie "Atlas der seltsamen Galaxien" und zusammengestellt hat ihn der amerikanische Astronom Halton Arp. Von ihm stammen auch die Sätze aus dem Vorwort und man sollte ein wenig genauer darüber nachdenken. Wer sich ein wenig mit Astronomie beschäftigt, wird natürlich auch schon von Galaxien gehört haben. Die Milchstraße ist eine Galaxie; eine Ansammlung von ein paar hundert Milliarden Sternen, zu denen auch die Sonne gehört. Die Gravitationskraft all dieser Sterne, all des Gases das sich dazwischen befindet, der dunklen Materie, in die die Milchstraße eingebettet ist und die des supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum - diese gesamte Gravitationskraft also sorgt dafür, dass die Sterne nicht einfach ihre eigenen Wege im Universum gehen sondern sich zu der enormen Ansammlung zusammengefunden haben, die wir Milchstraße nennen. Von der Erde aus ist es allerdings ein wenig schwer, das zu erkennen. Wir sitzen ja mitten drin. Am Himmel können wir, wenn es wirklich dunkel ist, das milchige Band der Milchstraße erkennen. Wir sehen es dort, wo wir in Richtung Zentrum der Milchstraße blicken. Von dem sind wir ja circa 26.000 Lichtjahre entfernt; wir befinden uns in den Randgebieten der Milchstraße. In erster Näherung hat sie die Form einer großen Scheibe, ungefähr 150.000 Lichtjahre im Durchmesser und ein paar tausend Lichtjahre dick. Wenn wir von unserer Position in den äußeren Bereichen also Richtung "außen", "oben" und "unten" schauen, sehen wir wesentlich weniger Sterne als wenn wir nach "innen", Richtung Zentrum schauen. Dort stehen die Sterne auch viel dichter, dort sind viel mehr Sterne und deswegen können wir sie ohne Hilfsmittel auch nicht mehr als einzelne Objekte sehen, sondern eben als das typische milchige, helle Band am Himmel. Dass es sich dabei um unzählige einzelne Sterne handelt, wusste man schon seit Galileo Galilei zu Beginn des 17. Jahrhunderts das erste Mal ein Teleskop darauf gerichtet hat. Die wahre Natur der Milchstraße war etwas schwerer zu entschlüssen. Als Halton Arp in den 1960er Jahren den Satz "40 Jahre nach der Entdeckung, dass Galaxien eigenständige Systeme aus Sternen sind" geschrieben hat, bezieht er sich auf die 1920er Jahre und die Arbeit von Edwin Hubble und seinen Kollegen. Davon habe ich ja schon in vergangenen Folgen immer wieder berichtet: Erst mit seinen Beobachtungen konnte man einwandfrei nachweisen, dass die Milchstraße nur ein Sternensystem, nur eine Galaxie unter unvorstellbar vielen ist. Als Halton Arp am 21. März 1927 in New York geboren wurde, war es gerade einmal 4 Jahre her, dass Hubble diese Entdeckung gemacht hatte. Und als Arp dann in den 1940er Jahren zu studieren begann, war diese Entdeckung immer noch frisch. Arp studierte zuerst bei Harlow Shapley an der Harvard Universität und war damit gleich mittendrin in der Erforschung der Galaxien. Shapley war ja einer der beiden Teilnehmer an der "Großen Debatte", von der ich schon ausführlich in Folge 49 berichtet habe. Am 26. April 1920 diskutierte er mit Heber Curtis über die Natur der Milchstraße. Curtis war der Meinung, dass die Milchstraße recht klein ist und nur eine von vielen Galaxien im Universum. Shapley dagegen hielt die Milchstraße für enorm groß und als alles, was existiert. Das, was wie andere Galaxien aussieht, sollten in Wahrheit nur kleinere, wolkenartige Objekte innerhalb der Milchstraße. Das war falsch, wie Hubble nur ein paar Monate später zeigen konnte. Auch Heber Curtis hatte sich in den Details seines Milchstraßenmodells geirrt, aber die große Debatte hatte das Interesse an dem Thema angeheizt und Arp war mit seinem Studium immer noch mitten drin in dieser Forschung. Nach dem Grundstudium in Harvard wechselte er nach Los Angeles, wo er sein Doktorat machte, betreut von niemand geringerem als Edwin Hubble selbst. Halton Arp wollte die Galaxien verstehen. Warum sind manche von ihnen spiralförmig, wie die Milchstraße oder die Andromedagalaxie, andere dagegen gigantische, formlose Haufen aus Sternen? Ursprünglich dachte man, dass diese "elliptischen Galaxien" der Urzustand sind, in dem eine Galaxie entsteht, und sie sich erst später zu den komplexeren Spiralgalaxien entwickelt. Das stellte sich ziemlich bald als falsch heraus, wie es wirklich abläuft wusste man aber immer noch nicht. Aber wie soll man es herausfinden? So eine Galaxie ist ein gigantisches Objekt; sie existiert für Milliarden von Jahren, die kann man nicht so einfach erforschen wie zum Beispiel eine Pflanze in der Botanik. "Wenn wir eine Galaxie im Labor untersuchen könnten, dann könnten wir sie verformen, stoßen, analysieren um ihre Eigenschaften herauszufinden", schreibt Arp ebenfalls im Vorwort des Atlas, den ich zu Beginn erwähnt habe. Aber das geht natürlich nicht. Genau deswegen hat Arp begonnen, sich mit den "Seltsamen Galaxien" zu beschäftigen. Natürlich ist jede Galaxie einzigartig und unterscheidet sich von allen anderen. Aber viele lassen sich dennoch in die groben Überkategorien von "elliptischer Galaxie" und "Spiralgalaxie" einsortieren. Viele aber auch nicht; viele sind "seltsam". Sie sind deformiert, sie zeigen Strukturen oder Auffälligkeiten die man anderswo nicht sieht. Sie sind quasi "Experimente" die das Universum mit sich selbst durchführt. Irgendwas muss dazu geführt haben, dass die Galaxien so seltsam sind und wenn wir nur genug von ihnen untersuchen, dann kriegen wir vielleicht auch raus, was das ist. Und verstehen dann vielleicht auch die allgemeinen Regeln, nach denen Galaxien sich bilden und verändern. Das war die Idee von Halton Arp und genau deswegen fing er in den 1960er Jahren an, möglichst viele Bilder von Galaxien zu sammeln, die irgendwie "seltsam" waren. Das Resultat war der "Atlas of Peculiar Galaxies", der "Atlas der Seltsamen Galaxien" der 1966 vom California Institute von Technology veröffentlicht wurde. "Das große Ziel dieses Atlas ist es, eine Anzahl von Beispielen verschiedener Arten von seltsamen Galaxien zu präsentieren. (…) Es bleibt zu hoffen, dass ihre Untersuchung nicht nur die Eigenschaften der Galaxien selbst erklärt, sondern auch physikalischen Prozesse offen legt und zeigt, wie sie in den Galaxien wirken, was schlußendlich zu einem besseren Verständnis des Universums in seiner Gesamtheit führen soll." So endet das Vorwort und dann kommt das, worum es geht. Jede Menge Bilder und Daten seltsamer Galaxien. Arp nahm sie mit dem 5-Meter-Teleskop der Mount-Palomar-Sternwarte auf; circa 80 Kilometer von San Diego entfernt und damals das größte Teleskop der Welt. Insgesamt hat Arp 338 Objekte aufgelistet und abgebildet. Und, wie der Titel ja auch erwarten lässt, ist es eine vielfältige Sammlung. Arp hat probiert, sie zu gruppieren. Da gibt es zum Beispiel "Galaxien mit irregulären Klumpen". Oder "Galaxien mit Ringen". Oder "Galaxien aus denen Material zu kommen scheint". Sogar "Galaxien die wie ein Integralzeichen aussehen". Es findet sich auch eine große Gruppe von "Doppelgalaxien". "Doppelgalaxien mit verbundenen Armen" zum Beispiel. Oder "Ketten von Galaxien". Ein Blick in den Atlas lohnt sich; die seltsamen Galaxien sind nicht nur seltsam, sondern auch meistens sehr schön. Vielleicht noch nicht so sehr auf den alten Bildern von Arp. Aber all die Objekte die er damals fotografiert hat, haben andere Astronominnen und Astronomen in den Jahren danach mit besseren und größeren Teleskopen beobachtet und beeindruckende neue Bilder gemacht. Zu den berühmtesten Objekten gehört zum Beispiel die "Whirlpool-Galaxie", Nummer 85 in Arps Katalog. Dabei handelt es sich um eine höchst prächtige Spiralagalaxie mit ausprägten Armen - und am Ende eines weit nach außen reichenden Arms sieht man noch einen kleineren hellen Blob sehen kann. Nummer 152 in Arps Katalog ist die Galaxie "M87", die spätestens im Jahr 2019 berühmt wurde, als man das erste Bild eines schwarzen Lochs veröffentlicht hat: Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Galaxie. Arp wusste davon nichts, nahm die Galaxie aber in den Katalog auf, weil von dort ein enorm langer "Jet" hinaus ins All ragte, also eine lange, gerade, helle Struktur. Nummer 244 ist das, was wir heute die "Antennengalaxien" nennen. Auf Arps Aufnahme sieht die Struktur aus wie ein Herz, aus dem links und rechts ein langer Faden wächst. Moderne Bilder zeigen ein chaotisches Wirrwarr aus Sternen und Staub. Aber abseits aller Ästhetik: Hat der Katalog denn seinen Zweck erfüllt? Wissen wir heute besser Bescheid, warum die seltsamen Galaxien so seltsam sind? Ja, tatsächlich! Er war Inspiration und Ausgangspunkt für jede Menge weiterführende Forschung an diesen Galaxien. Und deswegen wissen wir heute, dass die meisten Galaxien deswegen seltsam sind, weil sie mit anderen Galaxien wechselwirken. Die Antennengalaxien sind zwei Galaxien, die kollidiert sind und gerade dabei, zu verschmelzen. Der kleine helle Blob der am großen Spiralarm der Whirlpool-Galaxie hängt, ist ebenfalls eine Galaxie, die von der größeren Whirlpoolgalaxie angezogen wird und mit ihr über die Gezeitenkraft in enger Verbindung steht. Wir wissen heute, wie wichtig die Wechselwirkung zwischen Galaxien ist. Elliptische Galaxien zum Beispiel sind das, was übrig bleibt, wenn zwei Spiralgalaxien endgültig verschmolzen sind (und das, was auch in ferner Zukunft mit der Milchstraße und der Andromedagalaxie passieren wird). All die komischen Formen und Seltsamkeiten die Arp beobachtet hatte, sind so gut wie immer auf die Wechselwirkung zwischen Galaxien und die dabei wirkenden Gravitationskräfte zurück zu führen. Der einzige, der das nicht glauben wollte, war tragischerweise Halton Arp selbst. Er hatte ganz eigene Vorstellung davon, wie das Universum funktioniert. Er lehnte die Urknall-Theorie ab und glaubte nicht daran, dass das Universum expandiert. Er war der Meinung, dass man Gravitation nicht so beschreiben dürfe, wie Albert Einstein das getan hatte. Und war fest davon überzeugt, dass die Absonderlichkeiten seiner Galaxien durch Material zustande kommen, das aus den Galaxien ausgeworfen wird. In einigen Fällen stimmt das sogar, zum Beispiel bei M87 und ihrem Jet. Der entsteht tatsächlich aus heißem Gas, das durch die Gravitationskraft des enormen schwarzen Lochs beschleunigt und aus der Galaxie geschossen wird. Aber bei den meisten Fällen handelt es sich tatsächlich um Galaxien in den verschiedensten Phasen des Verschmelzens und Kollidierens. Arp nannte diese Idee die "Merger-Mania" und nannte sie eine "Mode", mit der man neuerdings alles erklären wolle, was mit den Galaxien passiert. Nun. Man hat deswegen alles damit erklären wollen, weil sich tatsächlich sehr viel damit erklären lässt. Das ist mittlerweile mehr als nur eindeutig belegt. Arp war ein kreativer Kopf mit originellen Ideen. Aber manchmal eben ein klein wenig zu kreativ. Dank ihm haben wir die Bedeutung wechselwirkender Galaxien im Universum verstanden. Und ganz allgemein kann es nicht schaden, wenn es in der Wissenschaft immer wieder Menschen gibt, die mit ihren Ideen abseits der ausgetretenen Wege gehen. Da kann man sich gerne mal verirren - aber ab und zu erreicht man auch Gegenden, die man sonst nie gefunden hätte. Arp ist bei seiner Wanderung abseits des Mainstreams nicht ans Ziel gekommen. Aber er hat die Astronomie dennoch voran gebracht.
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Nov 5, 2021 • 14min

Sternengeschichten Folge 467: Hayashi-Tracks

Chasing the line Sternengeschichten Folge 467: Hayashi-Tracks Heute geht es um einen seltsamen Begriff: Den Hayashi-Track. Das klingt ein wenig wie eine Wanderroute in Japan. Tatsächlich geht es aber - natürlich - um Astronomie. Es geht um Linien in einem Diagramm. Das ist ein wenig abstrakt, aber so ist die Wissenschaft. Linien in Diagrammen sind wichtig, denn wir kritzeln die ja nicht aus Spaß an der Freude einfach irgendwo hin. Die Linien beschreiben etwas, sie stehen für etwas und sie können etwas erklären. Und in diesem Fall geht es um nichts weniger als das Leben und Sterben von Sternen. Alle die, die ein wirklich gutes Gedächtnis haben, werden sich jetzt vermutlich an die Folge 6 der Sternengeschichten erinnern, die vor fast 10 Jahren erschienen ist. Die hatte genau diesen Titel - "Vom Leben und Sterben der Sterne" - und darin habe ich vom sogegannten "Hertzsprung-Russell-Diagramm" erzählt. Und gleich zu Beginn erwähnt, dass es zu den allerwichtigsten Werkzeugen in der Astronomie gehört. Und für alle die, die sich nicht mehr so ganz genau an damals erinnern können, gibt es jetzt noch mal eine kurze Zusammenfassung. Denn man muss dieses Diagramm kennen, wenn den Hayashi-Track verstehen will. Das Hertzsprung-Russell-Diagramm wurde im Januar 1913 das erste Mal veröffentlicht und basiert auf der Arbeit des dänischen Astronoms Ejnar Hertzsprung und des Amerikaners Henry Norris Russell. Es wird auch manchmal "Farben-Helligkeits-Diagramm" genannt und das verrät ziemlich genau, was man dort finden kann. Auf der einen Achse dieses Diagramms ist die Farbe eines Sterns aufgetragen; man kann stattdessen natürlich auch die Temperatur oder die Spektralklasse nehmen - am Ende stehen diese Werte ja alle für die selbe Eigenschaft eines Sterns. Rote Sterne haben eine niedrigere Temperatur als gelbe Sterne, die wieder eine niedrigere Temperatur haben als blaue und weiße Sterne. Und Farbe bzw. Temperatur sind eine der hauptsächlichen Eigenschaften, die man zur Spektralklassifikation der Sterne verwendet. Aber damit es nicht zu verwirrend wird, bleiben wir vorerst einfach mal bei der Temperatur bzw. der Farbe der Sterne. Auf der zweiten, der y-Achse, wird nun die absolute Helligkeit der Sterne aufgetragen. Also nicht die Helligkeit, mit der wir hier von der Erde aus einen Stern leuchten sehen. Sondern die "wahre" Helligkeit - also die Helligkeit, die man sehen würde, wenn man alle Sterne aus einer normierten Entfernung aus beobachten könnte. Ansonsten wüsste man ja nicht, ob ein Stern zum Beispiel nur schwach leuchtet, weil er halt wenig Leuchtkraft hat. Oder ob er nur schwach leuchtet, weil er zwar eigentlich eh stark leuchtet, aber halt enorm weit weg von uns ist. So - Temperatur und absolute Helligkeit. Das sind zwei grundlegende Eigenschaften eines Sterns und Ejnar Hertzsprung hat sie für viele verschiedene Sterne in ein Diagramm eingetragen. Und dabei etwas sehr interessantes entdeckt. Man könnte ja denken, dass die Sterne in so einem Diagramm irgendwie verteilt sind. Das also alle Kombinationen von Helligkeit und Temperatur möglich sind. Das aber ist nicht der Fall. Man findet die Sterne typischerweise entlang einer Linie verteilt, die von links oben im Diagramm nach rechts unten verläuft. Also von dort, wo sich heiße und helle Sterne befinden bis da, wo die kühlen, schwach leuchtenden Sterne sind. Diese Linie hat man - wenig originell - die "Hauptreihe" genannt und trotz des langweiligen Namens ist sie enorm wichtig. Die Hauptreihe ist der Ort, an dem ein normaler Stern sein Leben verbringt. Wo genau auf der Linie man den Stern findet, hängt im Wesentlichen von seiner Masse ab. Sterne mit viel Masse sind auch enorm heiß. Die ganze Masse drückt auf das Zentrum, dort wird die Temperatur sehr hoch, der Stern wird heiß, die Fusion läuft sehr heftig ab und es wird sehr viel Energie erzeugt. Sterne mit wenig Masse kriegen nur vergleichsweise geringe Temperaturen zustande. Massereiche Sterne leuchten also hell und eher weiß/blau, massearme Sterne leuchten schwächer und sind eher rötlich. Die Sonne liegt mit ihrem gelb/weißem Licht irgendwo dazwischen. Jetzt haben wir also die Hauptreihe - beim Hayashi-Track geht es aber um das, was mit einem Stern passiert, bevor er die Hauptreihe betritt. Und dazu müssen wir wissen, was ein hydrostatisches Gleichgewicht ist. Das kann erstaunlich komplex werden; wir belassen es aber bei der simplen Version: Wenn wir eine bestimmte Schicht aus heißem Gas in einem Stern betrachten, dann wirken dort vor allem zwei Kräfte. Von oben bzw. außen drückt das ganze restliche Material des Sterns mit seinem Gewicht. Und von innen kommt die ganze Strahlung und es wirkt der thermische Druck. Wenn der den Druck der ganze Masse von außen gerade ausgleicht, befindet sich der Stern im hydrostatischen Gleichgewicht. In der Realität ist das natürlich komplexer; der Stern rotiert zum Beispiel, was alles ein bisschen komplizierter macht. Aber fürs erste reicht das, was das hydrostatische Gleichgewicht angeht. Was passiert jetzt, wenn ein Stern entsteht: Alles fängt mit einer großen Wolke an, die unter ihrem Gewicht in sich zusammenfällt. Dabei zerfällt sie in jede Menge Klumpen. So ein Klumpen ist dichter als die Umgebung, übt daher auch eine größere Gravitationskraft aus, zieht noch mehr Material an, wird noch schwerer, klumpiger und dichter und fällt unter seiner Masse noch weiter in sich zusammen. Wir haben hier jetzt also definitiv noch kein hydrostatisches Gleichgewicht, sonst würde der Klumpen ja nicht immer weiter schrumpfen. Es fehlt ausreichend viel Kraft von innen, um der ganzen von außen wirkenden Masse und etwas entgegen zu setzen. Der Klumpen kollabiert also weiter und das geht natürlich nicht wahnsinnig schnell; das dauert ungefähr 100.000 Jahre. Und während dieser Zeit wird dieser Noch-Nicht-Stern immer wärmer, weil beim Kollaps der Wolke Gravitationsenergie in Wärmeenergie umgewandelt wird. Dieser Prozess endet irgendwann. Irgendwann ist die Temperatur des Gases so hoch, dass die Atome aus denen es besteht sich schnell genug bewegen, um den gravitativen Kollaps zu stoppen. Das ist bei ungefähr 4000 Grad der Fall, zumindest bei Sternen die nicht extrem massereich sind. Jetzt sind wir auf dem Hayashi-Track angekommen. Diese Bezeichnung stammt vom japanischen Astronomen Hayashi Chūshirō. Der hat sich in den 1960er Jahren mit der Frage beschäftigt, wo im Hertzsprung-Russell-Diagramm überhaupt ein hydrostatisches Gleichgewicht existieren kann. Das hängt natürlich immer von der Masse ab, die man betrachtet. Je mehr Masse ein sich gerade bildender Stern hat, desto mehr Temperatur braucht es auch, bis der Kollaps gestoppt werden kann. Die Hayashi-Linien sind jetzt quasi die Grenze zwischen dem Bereich, wo für eine bestimmte Masse ein hydrostatisches Gleichgewicht möglich ist und denen, wo das nicht mehr geht. Im Hertzsprung-Russell-Diagramm sind sie nahezu vertikale Linien. Warum das so ist, werden wir gleich sehen. Noch sind wir ja erst am Anfang des Hayashi-Tracks. Der Noch-nicht-Stern hat vorerst aufgehört, in sich zusammenzufallen; hat eine gewisse Masse und eine gewisse Temperatur, nämlich genau die Temperatur, die für diese Masse nötig ist, um das hydrostatische Gleichgewicht sicherzustellen. So bleibt es aber nicht. Denn da ist immer noch Zeug in der Wolke um den sich bildenen Stern herum. Immer wieder fällt ein wenig davon auf den Stern, dadurch erhöht sich seine Masse und er fällt ein bisschen weiter in sich zusammen. Dadurch leuchtet er weniger hell, denn er ist ja kleiner geworden und hat weniger Oberfläche, über die er Licht abstrahlen kann. Die Temperatur bleibt dabei aber annähernd konstant. Der sich bildende Stern wird nur sehr langsam schwerer und verglichen mit der Veränderung der durch die Kontraktion verringerte Leuchtkraft ist die Änderung in der für das hydrostatische Gleichgewicht nötige Temperatur sehr gering. Oder anders gesagt: Wenn man sich das ganze im Hertzsprung-Russell-Diagramm anschaut, wandert der fast fertige Stern langsam entlang einer senkrechten Linie nach unten. Die Leuchtkraft - auf der y-Achse aufgetragen - wird kleiner; die Temperatur - auf der x-Achse - aber bleibt fast gleich. Irgendwann ist der Stern aber dann in seinem Inneren heiß genug geworden, so dass dort die echte Kernfusion einsetzt. Jetzt kommt ausreichend Strahlung von dort um ein wirklich dauerhaftes hydrostatisches Gleichgewicht sicherzustellen. Der Kollaps des Sterns endet. Und jetzt ist es wirklich ein Stern; jetzt befindet er sich auf der Hauptreihe im Diagramm und bleibt dort bis zu seinem Ende. Wenn wir das nochmal zusammenfassen - was keine schlechte Idee ist, denn es ist immer schwer, wenn man über ein Diagramm nur reden kann anstatt es anzuschauen, dann startet die Entwicklung des Sterns an einem seiner Masse entsprechenden Punkt im Diagramm, der sich aber immer überhalb der Hauptreihe befindet. Von dort wandert er entlang einer senkrechten Linie nach unten, auf die Hauptreihe zu, bis er sie irgendwann erreicht. Diese senkrechte Linie ist der Hayashi-Track und dort findet die Geburt eines Sterns statt. Je nachdem wie man es definieren möchte, kann man den Zeitpunkt, an dem die kollabierende Wolke am Anfang der Hayashi-Linie auftaucht als Geburt bezeichnen. Oder den Punkt am Ende, wo der sich bildende Stern schließlich auf der Hauptreihe landet. Das mit der senkrechten Linie war natürlich nur eine sehr vereinfachte Darstellung. Sie gilt für Sterne mit geringer Masse. Liegt die Masse eines sich bildenden Sterns bei Eintritt in den Hayashi-Track zwischen 0,5 und 3 Sonnenmassen, sieht die Sache ein wenig anders aus. Zuerst geht es auch hier senkrecht im Diagramm nach unten. Der Noch-nicht-Stern wird kleiner, leuchtet weniger hell und die Temperatur bleibt fast gleich. Dann aber dreht sich der Prozess um. Jetzt steigt die Temperatur, während die Leuchtkraft konstant bleibt beziehungsweise nur minimal steigt. Die senkrechte Hayashi-Linie knickt also im Diagramm waagerecht ab. Der Grund dafür ist die Art und Weise wie die Energie im Inneren eines sich bildenden Sterns transportiert wird. Zuerst ist der Klumpen aus dichtem Gas ja eher undurchsichtig. Die Energie kommt also schlecht in Form von Strahlung durch. Stattdessen erwärmen sich die inneren Schichten, das warme Material steigt auf, kühlt dort ab - gibt also erst DORT seine Wärme in Form von Strahlung ab - und sinkt wieder nach unten wo der Zyklus erneut anfängt. Das nennt man "Konvektion". Wenn ein sich bildender Stern aber viel Masse hat, dann wird sein Inneres auch sehr heiß. So heiß, dass er eine "Strahlungszone" entwickeln kann. Wenn es zu heiß wird, können Atome die Photonen schlechter absorbieren; der Stern wird also quasi ein wenig durchsichtiger als vorher. Die Energie kommt jetzt also direkt in Form von Strahlung vorwärts, so weit, bis das Material des Sterns kühl genug ist, um die Strahlung zu stoppen. Von da an geht es wieder per Konvektion weiter nach außen. Die Hayashi-Linien gelten nur für komplett konvektive Sterne. Also für Sterne, wo die Energie nur per Konvektion transportiert wird; wo - vereinfacht gesagt, heißes Material aus dem Zentrum des Sterns bis ganz nach außen aufsteigt und von dort wieder bis ins Zentrum zurück absinkt. Das geht nur, wenn der Stern nicht zu viel Masse hat. Denn ansonsten wird sein Zentrum zwangsläufig irgendwann heiß genug, so dass sich eine Strahlungszone ausbildet. Ein ausreichend massereicher Stern erhöht in dieser Phase seine Temperatur sehr viel schneller als die Leuchtkraft und deswegen bewegt er sich nun nicht mehr auf einer senkrechten Linie auf die Hauptreihe zu, sondern auf einer annähernd waagerechten bzw. einer leicht schrägen Linie. Die wird jetzt nicht mehr Hayashi-Track genannt, sondern Henyey-Linie, nach dem amerikanischen Astronomen Louis Henyey. So oder so wird auch dieser entstehende Stern auf seinem Track irgendwann auf der Hauptreihe eintreffen. Sterne die aus einem WIRKLICH massereichen Klumpen entstehen, lassen den Hayashi-Track gleich aus und wandern direkt auf einer fast waagrechten Henyey-Linie auf die Hauptreihe und die ganz großen Brocken kollabieren so schnell, dass sie quasi direkt auf der Hauptreihe selbst entstehen und fast sofort als fertiger Stern anfangen, ohne die Entwicklungsphasen die durch Hayashi- und Henyey-Linie dargestellt werden. Man kann noch viel mehr Linien ins Hertzsprung-Russell-Diagramm einzeichnen. Das hier war nur ein sehr kurzer und vereinfachter Blick auf die Entwicklungslinien von Sternen. Und nach ihrer Zeit auf der Hauptreihe verschwinden sie ja auch nicht einfach - sondern verlassen sie auf neuen Wegen. Wie sie sich zu den "Sternfriedhöfen" bewegen ist aber wieder ein ganz anderes Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten.
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Oct 29, 2021 • 11min

Sternengeschichten Folge 466: Die "Astronomischen Nachrichten"

Das Neueste aus dem Weltall seit 1821 Sternengeschichten Folge 466: Die "Astronomischen Nachrichten" Heute geht es um Astronomische Nachrichten. Gut, um die geht es hier eigentlich immer - in dem Fall sind es aber sehr spezielle Astronomische Nachrichten. Nämlich die Fachzeitschrift für Astronomie, die genau diesen Namen trägt. Und die älteste noch existierende astronomische Fachzeitschrift der Welt ist. Die Sache mit den Fachzeitschriften ist spannender als sie klingt. Und ist vor allem fundamental für den Fortschritt der Wissenschaft. Es nützt ja nichts, wenn irgendwer irgendwo irgendetwas herausfindet. Man muss den Rest der Welt dann ja auch darüber informieren. Oder zumindest alle die, die sich mit der gleichen Art der Forschung beschäftigen. Heute ist das kein Problem; im Zweifelsfall schreibt man eben einfach ne Nachricht auf Twitter, Facebook oder Instagram. Aber früher war das anders. In den allermeisten Fällen hat die Kommunikation zwischen Wissenschaftler*innen direkt stattgefunden. Soll heißen: Wer was rausgefunden hat, hat allen denen, die darüber Bescheid wissen sollen, einen Brief geschrieben. Und dann hat sich die Entdeckung herumgesprochen, bis alle davon gewusst haben. Früher gab es ja auch noch nicht so viele Forscherinnen und Forscher wie heute; da war das noch praktikabel. Aber man kann nicht alles einfach per Brief mitteilen, ganz besonders nicht in der Astronomie. Hier gibt es eine lange Tradition sogenannter "Astronomischer Jahrbücher". Da steht drin, was im aktuellen Jahr am Himmel so abgeht. Wann die Planeten wo zu finden sind, wann Sonne und Mond auf und untergehen, ob es Sonnen- oder Mondfinsternisse gibt, und so weiter. Sowas war wichtig für alle, die den Himmel beobachten wollten. Und es ist viel Arbeit, so ein Tabellenwerk zu erstellen. Das kann man dann nicht einfach per Brief in der Welt verschicken. Deswegen sind solche Jahrbücher schon im Mittelalter und der frühen Neuzeit als echte Bücher veröffentlicht worden und weil man jedes Jahr ein neues Buch braucht, kann man das durchaus als eine Art periodisch erscheinende Fachzeitschrift verstehen. Bis zu den Zeitschriften im modernen Sinn war es aber noch ein weiter Weg, den ich hier natürlich nicht in aller historischer Vollständigkeit darstellen kann. Als älteste Fachzeitschrift der Welt gilt das "Journal des sçavans", dessen erste Ausgabe am 5. Januar 1665 erschienen ist. Kurz danach, am 6. März 1665 erschien Ausgabe Nummer 1 der "Philosophical Transactions of the Royal Society". Beide erscheinen auch heute noch; die Philosophical Transactions veröffentlichen so wie damals vor allem die Ergebnisse naturwissenschaflicher Forschung, das Journal des scavans hat seinen Schwerpunkt im 19. Jahrhundert von der Naturwissenschaft in Richtung Literatur und Geisteswissenschaft verlagert. Zu Beginn waren diese Zeitschriften aber noch ein wenig anders als wir das heute gewohnt sind. Das erkennt man auch am Namen der "Philosophical Transactions" ganz gut. Die "Royal Society" ist eine der ältesten Gemeinschaften von Forscherinnen und Forscher. Man hat sie 1660 gegründet, um sich - simpel gesagt - regelmäßig treffen, plaudern und gemeinsam zu experimentieren zu können. Wer von irgendwem einen interessanten Brief bekommen hat, hat den auf diesen Treffen vorgelesen; dann wurde gemeinsam darüber diskutiert, und so weiter. Die "Philosophical Transactions" haben quasi als Sitzungsprotokolle dieser Treffen begonnen und so kunterbunt ist auch der Inhalt der frühen Ausgabe. Ein kurzer Artikel berichtet von einem Experiment, das irgendwer gemacht hat, ein anderer erzählt, was er von irgendwem gehört hat, der gerade von einer Reise aus Afrika zurück gekommen ist; jemand hat ein Buch gelesen und berichtet davon, und so weiter. Ein wenig so, wie man sich heute vielleicht in einem Internetforum oder einer Whats-App-Gruppe austauscht. Aber im Laufe der Zeit hat sich daraus eine echte Fachzeitschrift entwickelt, wo Forscherinnen und Forscher gezielt ihre Ergebnisse zur Veröffentlichung einreichen. Und natürlich sind jede Menge mehr Zeitschriften entstanden. Für unterschiedliche Disziplinen und auch in unterschiedlichen Länder. Heute ist ziemlich egal, wo auf der Welt irgendeine Forschungsarbeit erscheint. Im Internet findet man alles. Damals hatte man aber nur die Fachzeitschriften als Informationsquelle und auch nur die, die man in die Finger bekam. Irgendeine Publikation, die nur in den USA erscheint war für Leute in Deutschland zum Beispiel eher unpraktisch. Wenn die doch irgendwann mal den Weg über den Atlantik geschafft hat, war der Inhalt schon mehr als veraltet. Genau deswegen hat sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch die wissenschaftliche Gemeinschaft im deutschsprachigen Raum ein wenig beschwert, dass es hier keine Fachzeitschrift gab, die sich speziell und aktuell mit Astronomie und Mathematik beschäftigt. Man hat sich ein wenig abgehängt gefühlt, schlecht informiert und die Verbreitung von Nachrichten über Wissenschaft war mühsam. Zur Hilfe kam Friedrich VI. Der war damals König von Dänemark und Norwegen und Herzog von Schleswig und Holstein. Und erklärte sich bereit, eine astronomische Fachzeitschrift zu finanzieren. Herausgeber sollte der Astronom Heinrich Christian Schumacher werden. Die beiden kannten sich; Schumachers Vater war ein dänischer Beamter und Diplomat und hat dem König seinen Sohn schon vorgestellt, als er noch ein Kind war. Heinrich Christian Schumacher jedenfalls studierte zuerst Rechtswissenschaft, dann aber auch Astronomie und Mathematik. Er hat unter anderem beim berühmten Carl Friedrich Gauß gelernt und wurde 1810 Astronomie-Professor in Kopenhagen. Von der königlichen Dänischen Akademie der Wissenschaft hat er den Auftrag erhalten, Holstein ordentlich zu vermessen und zu kartografieren und eine Sternwarte in Altona hat er ebenfalls gegründet. Und wer sich jetzt wundert: Altona, heute ein Stadtteil von Hamburg war, ebenso wie Holstein, damals dänisch. Jedenfalls hat sich Schumacher bereit erklärt, die neue Fachzeitschrift zu organisieren. 1821 schickte er einen Rundbrief in die Welt der Astronomie. Darin erklärte er, dass er plant "ein Mittel zur schnellen Verbreitung einzelner Beobachtungen und kürzerer Nachrichten", sowie ein "Depot für größere Arbeiten" zu organisieren. Sobald genug zusammen ist, wird alles zu einem Heft zusammengefasst, gedruckt und versandt. Und immer 24 Hefte sollen zu einem Buch gebunden werden. Im September 1821 konnte Schumacher das erste Heft dieser "Astronomischen Nachrichten" verschicken. Man kann sich den Inhalt auch heute noch online ansehen. Es beginnt mit dem Text "Einige Nachrichten über die Sternwarte in Jena" von Johann Friedrich Posselt, der das erst knapp 10 Jahre zuvor errichtete Observatorium vorstellt und auch gleich ein paar Beobachtungsergebnisse präsentiert. Es folgt ein Brief von Friedrich Bernhard Gottfried Nicolai, Astronom in Mannheim, der seine Daten von Mond- und Sternbeobachtungen mitteilt. Ein Herr Professor Ritter Bürg erzählt von seiner Reise nach Klagenfurt, wo er eine ringförmige Sonnenfinsternis gesehen hat und am Ende folgen ein paar Kurznachrichten aus England und dem Rest der Welt. Den spannendesten Titel in Ausgabe Nummer 1 der Astronomischen Nachrichten hat aber mit Sicherheit der Text des Astronomen Wilhelm Olbers: "Rettung eines Astronomen von einem ihm angeschuldigten schweren Verbrechen". Es geht allerdings nicht um Mord und Totschlag und das hier wird auch kein True-Crime-Podcast. Aus heutige Sicht ist schwer verständlich, was Olbers damals wollte. Sein Artikel geht davon aus, dass sowieso alle wissen, worum es geht, was damals vermutlich auch so war. Anscheinend gab es Streit um Kometenbeobachtungen, die der niederländische Astronom Nicolaas Struyck und der Franzose Alexandre Guy Pingré gemacht haben und von denen behauptet wurde, sie seien nur erfunden beziehungsweise abgeschrieben. Olbers wollte nun klarmachen, dass der Franzose tatsächlich ein fieser Verbrecher sein; Struyck aber völlig unschuldig. So oder so. Die zweite Ausgabe erschien schon im Oktober 1821 und danach ging es immer weiter. Schon bald gab es auch die ersten Artikel von Wissenschafts-Promis der damaligen Zeit; von Carl Friedrich Gauß oder Friedrich Wilhelm Bessel. Die Astronomischen Nachrichten wurden enorm erfolgreich, im Jahr 1823 waren die ersten 24 Hefte erschienen und zu Band 1 zusammengefasst. Schumacher konnte noch Band 31 herausgeben, dann starb er im Jahr 1850. Der nächste Herausgeber war Adolph Cornelius Peterson, ein dänischer Astronom, der diese Arbeit mit Peter Andreas Hansen bis 1854 erledigte. Die Herausgeber wechselten im Laufe der Zeit, aber die Astronomischen Nachrichten blieben bestehen. Bis 1990 erschienen dort Beiträge sowohl in Deutsch als auch in Englisch, danach orientiere man sich an der internationalen Community und veröffentlichte nur noch englischsprachige Fachartikel. Ab Band 326, der 2005 erschien, änderte man dann auch den Namen. Die Astronomischen Nachrichten wurden offiziell zu den "Astronomical Notes", die im Untertitel aber immer noch den alten Namen aus dem Jahr 1821 tragen. Ich mag Band 330, Ausgabe 5 aus dem Jahr 2009 besonders gern. Dort habe ich selbst nämlich einen Fachartikel in den Astronomischen Nachrichten veröffentlicht. Er handelt von der Bewegung extrasolarer Planeten des Sterns TrES-2 und in zwei weiteren Artikeln dieser Ausgabe bin ich als Ko-Autor bei der Beobachtung des Kometen 17P/Holmes und zwei Sternhaufen beteiligt gewesen. Es mag heute bedeutendere Fachzeitschriften geben als die Astronomischen Nachrichten. Aber sie ist von allen die älteste die es noch gibt und es ist schön, einen kleinen Teil zu dieser mehr als 200 Jahren Tradition der astronomischen Veröffentlichung beigetragen zu haben. Irgendwann wird es diese Zeitschrift vermutlich nicht mehr geben; im Zeitalter des Internets gibt es andere und komfortablere Methoden, Facharbeiten zu veröffentlichen als in speziellen und aufwendig zu erstellenden Zeitschriften. Aber auch wenn die Astronomischen Nachrichten und die anderen Journale irgendwann verschwunden sein sollten: Es wird auf jeden Fall weiter astronomische Nachrichten geben und Menschen, die sie hören wollen!
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Oct 22, 2021 • 12min

Sternengeschichten Folge 465: Plasma (ist überall)

Der vierte Aggregatszustand Sternengeschichten Folge 465: Plasma (ist überall) Plasma ist überall. Wenn wir so etwas wie die dunkle Materie mal beiseite lassen und nur von dem Zeug sprechen, das wir "normale" Materie nennen, dann besteht das Universum zu 99 Prozent aus Plasma. Was ein wenig seltsam ist, weil hier bei uns auf der Erde vergleichsweise wenig davon zu finden ist. Aber vielleicht sollte man sowieso einmal damit anfangen zu erklären, was Plasma überhaupt ist. Plasma wird oft als der "vierte Aggregatszustand" bezeichnet. In der Schule lernen wir ja, dass Materie in drei verschiedenen Aggregatszuständen existieren kann: Fest, flüssig und als Gas. Der Unterschied zwischen den drei liegt in der Energie. Eis zum Beispiel ist festes Wasser. Führen wir dem Eis Energie zu, wärmen wir es also auf, dann wird es flüssig. Und wenn wir noch mehr Energie in das jetzt flüssige Wasser stecken, dann fängt es an zu kochen und wird zu Wasserdampf, einem Gas. So weit, so klar, aber um das Plasma zu verstehen, müssen wir noch ein bisschen genauer hinschauen, was beim Übergang von einem Aggregatszustand zum nächsten eigentlich passiert. Materie besteht aus Atomen und die haben sich im Allgemeinen zu Molekülen verbunden. Bei Wasser sind das die Atome Wasserstoff und Sauerstoff, die sich zum Moleküle H2O, also Wasser zusammengefunden haben. Wenn Wasser einen Eisklotz bildet, dann hängen auch diese Moleküle vergleichsweise fest zusammen. Sie tun das durch die elektromagnetischen Kräfte, die zwischen ihnen wirken und sie bleiben zusammen, weil sie sich nicht zu sehr hin und her bewegen. Steckt man nun aber Energie in das Eis, dann wird die Bewegung der Moleküle immer heftiger. So weit, bis die Bindung zwischen ihnen auseinander reißt. Die Bewegung ist zu stark, als dass die elektromagnetische Kraft sie noch vernünftig zusammenhalten kann. Das feste Eis wird zu flüssigem Wasser. Auch hier sind die Wassermoleküle noch ein bisschen aneinander gebunden, aber bei weitem nicht mehr so stark wie zuvor. Flüssiges Wasser hat keine fixe Form mehr; es fließt überall hin - aber zumindest das Volumen bleibt noch gleich. Wasser kann sich zwar als große Pfütze am Boden ausbreiten oder den Raum innerhalb einer Flasche ausfüllen. Aber wenn in der Pfütze ein Liter Wasser enthalten ist, dann kriege ich diesen Liter auch wieder genau in eine Ein-Liter-Flasche rein. Das ändert sich, wenn man das Wasser erhitzt und verdampfen lässt. Jetzt ist auch die letzte Bindung zwischen den Molekülen dahin, sie breiten sich überall im Raum aus und der Wasserdampf füllt ein sehr viel größeres Volumen als zuvor das flüssige Wasser. Plasma kriegt man nun, wenn man einem Gas noch mehr Energie zuführt. Aber was verändert sich dann? Gut, beim Wasser kann man durch ausreichend viel Energie dafür sorgen, dass sich die Wasserstoff- von den Sauerstoffatomen trennen. Aber das ist dann immer noch kein Plasma, das ist dann vorerst einfach nur eine Mischung aus Wasserstoff- und Sauerstoffgas. Damit aus einem Gas ein Plasma wird, muss man nicht nur die Bindung zwischen den Atomen beziehungsweise Molekülen schwächen oder brechen, sondern die Atome selbst verändern. So ein Atom besteht ja aus einem elektrisch positiv geladenen Kern um den herum sich eine Hülle aus negativ geladenen Elektronen befindet. Steckt man nun ausreichend viel Energie in die Elektronen, dann halten sie nicht mehr am Kern fest. Sie lösen sich ab und beginnen kernlos durch die Gegend zu flitzen. Davon habe ich ja in den vergangenen Folgen der Sternengeschichten immer wieder mal erzählt. Atome, die alle oder einige Elektronen aus ihrer Hülle verloren haben, nennt man "ionisiert" und im Kosmos kommt das vergleichsweise häufig vor. Da gibt es ja auch jede Menge Energie - zum Beispiel die Strahlung der Sterne. Wenn man etwa zu viel Zeit in der Sonne verbracht und einen Sonnenbrand bekommen hat, dann liegt das daran, dass die energiereiche UV-Strahlung im Sonnenlicht Atome in unserem Körper ionisiert hat, wodurch Moleküle auseinanderbrechen, was dann zu entsprechenden Schäden in der Haut führen kann. Das bedeutet aber nicht, dass wir zu Plasma werden. Ein ionisiertes Atom allein macht noch kein Plasma, dafür braucht es mehr davon. Wir haben jetzt also einen ganzen Haufen Atome, die keine vollständigen Atome mehr sind. Die Atomkerne, die wir ab jetzt "Ionen" nennen und die Elektronen sausen getrennt wild durcheinander. Dabei üben sie immer noch Kräfte aufeinander aus, wie denn auch nicht, denn die Ionen sind elektrisch positiv geladen und die Elektronen elektrisch negativ. Jedes Ion ist von einer Wolke aus Elektronen umgeben, aber das ist jetzt etwas ganz anderes als zuvor beim vollständigen Atom. Da waren die Elektronen ja fix dem Atomkern zugeordnet; sie waren fix zusammen und es waren immer die gleichen Elektronen beim Atomkern. Im Plasma gibt es einen ständigen Austausch; die Wolke aus Elektronen um das Ion ist zwar immer da, aber es sind immer andere Elektronen, die sie bilden. Schaut man von außen auf das Plasma, sieht man also quasi keine elektrische Ladung. Die positive Ladung der Ionen wird durch die Elektronenwolke abgeschirmt. Man kann sich eine Kugel vorstellen, die jedes Ion umgibt und die so groß ist, dass sich immer ausreichend viele Elektronen darin befinden, um die positive Ladung des Ions auszugleichen. Der Radius dieser Kugel wird dann als "Debye-Länge" bezeichnet. Und wenn diese Länge klein ist im Vergleich zu dem Raum, den die gesamte Mischung aus allen Ionen und Elektronen einnimmt, dann spricht von einem echten oder idealen Plasma. Der Unterschied zwischen Gas und Plasma hängt auch davon ab, wie viele Teilchen sich ingesamt in dieser hypothetischen Kugel um ein Ion befinden. Je mehr das sind, desto besser und stärker werden die elektrischen Ladungen von Elektronen und Ionen nach außen hin abgeschirmt. Und nur wenn die Zahl der Teilchen in so einer Kugel mit dem Debye-Radius sehr groß ist, spricht man von einem Plasma und nicht von einem Gas. Wir wissen jetzt also was ein Plasma ist: Ein Gas, in das man so viel Energie gesteckt hat, dass sich dort die Elektronen von den Atomkernen trennen. Den Namen hat sich übrigens der amerikanische Chemiker und Physiker Irving Langmuir ausgedacht. Im Jahr 1928 hat er eine Arbeit mit dem Titel "Oszillationen in ionisierten Gasen" veröffentlicht. Darin hat er genau das erforscht, was ich gerade erklärt habe; er hat geschaut, was passiert, wenn man immer mehr Elektronen von den Atomkernen eines Gases löst. Dabei hat er festgestellt, dass es Bereiche gibt, in denen freie Ionen und Elektronen in ausreichend großer Menge enthalten sind, um ihre Ladungen gegenseitig abzuschirmen: "Wir werden den Namen 'Plasma' benutzen um diese Regionen der ausgeglichenen Ladungen von Elektronen und Ionen zu beschreiben". Was er dann auch getan hat und mit ihm im Laufe der Zeit der Rest der Physik. Und der Astronomie. Denn wie gesagt: Der Großteil der Materie im Universum ist Plasma. Sterne sind gewaltige Kugeln aus Plasma. Das Gas zwischen den Sternen ist ebenfalls zu einem guten Teil ausreichend ionisiert um sich in einem Plasmazustand befinden. Himmelskörper wie unsere Erde sind eine Ausnahme; hier ist es kalt genug, dass Materie auch fest, flüssig oder gasförmig existieren kann. Plasma finden wir hier bei uns selten. Blitze zum Beispiel leuchten deswegen, weil sich durch die enormen elektrischen Entladungen in einem Gewitter für kurze Zeit ein Plasma aus den Molekülen der Luft bildet. Auch die Flamme einer Kerze (oder jedes anderen Feuers) ist zum Teil ein Plasma. Aber ansonsten sind die Plasmen die wir hier auf der Erde beobachten können so gut wie immer von uns künstlich hergestellt. Leuchtstofflampen oder auch Energiesparlampen beziehunsgweise allgemein alle sogenannten "Gasentladungslampen" leuchten, weil sie ein Gas enthalten, dass durch elektrischen Strom von außen in einem Plasmazustand versetzt wird und dadurch anfangen zu leuchten. Aber warum leuchtet das Plasma überhaupt? Wenn wir ein wirklich vollständiges Plasma haben, also sämtliche Elektronen von allen Atomkernen eines Gases ablösen, dann leuchtet nichts. Aber das ist meistens nicht der Fall; die Atome sind normalerweise nicht alle vollständig ionisiert. Das heißt, ein paar Elektronen bleiben noch beim Atomkern beziehungsweise die Atomkerne fangen immer wieder mal Elektronen ein, halten sie fest und lassen sie dann wieder frei. Bei diesen Vorgängen geben die Elektronen Energie ab und sie tun das in Form von Licht. Und deswegen leuchtet ein Plasma. Deswegen kann man mit Plasma sogar Bildschirme bauen; da werden Materialien ganz gezielt mit Strahlung angeregt und ionisiert, so dass das Plasma Licht bei einer ganz bestimmten Farbe abgibt. Rot, Grün oder Blau, und wenn man ausreichend viele sehr kleine solcher bunten Plasmalichter nebeneinander setzt, kann man damit alle Farben die man möchte zusammenmischen. Heute werden solche "Plasmabildschirme" nicht mehr in großen Mengen eingesetzt, früher waren sie aber sehr populär. Plasma findet überall in der Industrie und Technik Anwendungen; wir wüssten aber noch viel mehr. Wir würden zum Beispiel gerne ein so heißes Plasma haben, so dass dort das stattfinden kann, was auch im Plasma im Inneren der Sterne passiert. Dort saußen die Teilchen so schnell herum, dass sie bei Kollisionen miteinander fusionieren und Energie freisetzen, wie ich ja in den Folge 363, 364 und 365 der Sternengeschichten ausführlich erklärt habe. Es wäre super, wenn wir das, was in einem Stern passiert auch absichtlich hier auf der Erde machen könnten; die künstliche Kernfusion wäre eine tolle Energiequelle. Aber leider spielt das Plasma bis jetzt noch nicht mit. In der Realität ist so ein Plasma nämlich sehr viel komplexer als das, was ich bis jetzt erzählt habe. Wenn man so einen Haufen extrem heißer Ionen und Elektronen hat, dann verhalten die sich alles andere als ordentlich. Die Ladungen schirmen sich zwar gegenseitig ab, aber nicht vollständig. Das heißt, das Plasma reagiert auf elektromagnetische Felder und das sehr sensibel. Denn es besteht ja selbst aus elektrisch geladenen Teilchen, die sich bewegen und damit ebenfalls elektromagentische Felder erzeugen. Auf die das Plasma dann auch wieder reagiert. Am Ende kriegt man ein sehr komplexes Ding das sich kaum vernünftig beschreiben lässt. Stupst man so ein Plasma - im übertragenen Sinn - an einer Stelle an, dann breiten sich die Auswirkungen überall aus und wirken auf sich selbst zurück. Vereinfacht gesagt: Ein Plasma verhält sich tendenziell chaotisch und wir haben noch keinen Weg gefunden, um sein Verhalten mathematisch einwandfrei zu beschreiben. Genau das ist aber nötig, wenn man mit den extrem heißen Plasmen hantieren will, die für die Kernfusion nötig sind. Vermutlich werden wir das irgendwann hinkriegen und Energie durch Kernfusion erzeugen können. Bis dahin wird aber noch viel Licht des chaotischen Sternenplasmas aus dem Weltall auf die Erde leuchten…
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Oct 15, 2021 • 12min

Sternengeschichten Folge 464: Biosignaturen: Auf der Suche nach außerirdischem Leben

Klitzekleine Lebensformen Sternengeschichten Folge 464: Biosignaturen: Auf der Suche nach außerirdischem Leben In der heutigen Folge der Sterngeschichten geht es um die Suche nach außerirdischem Leben. Und weil das so dramatisch und nach Science Fiction klingt, fangen wir mit ein paar ernüchternden Bemerkungen an. Es geht NICHT um UFOs, es geht auch nicht um irgendwelche Alien-Städte auf anderen Planeten. Es geht um nichts von dem, was man sich meistens vorstellt, wenn man an "außerirdisches Leben" denkt. Denn da stellt man sich - geprägt durch Jahrzehnte von Science-Fiction-Filmen, Serien und Bücher - ja fast zwangsläufig irgendwelche intelligten Wesen vor. Das tun wir aber jetzt nicht. Wir bleiben bei "Leben". Und das kann alles sein. Wir Menschen halten uns ja für ziemlich wichtig und haben oft das Gefühl, wir sind die wichtigsten Lebensformen auf der Erde. Und je nachdem wie man das betrachtet sind wir das auch manchmal. Aber wir sind nicht die einzigen Lebensformen hier und wir sind auch nicht die zahlreichsten. Vom Weltall aus sieht man uns nicht; höchstens die Lichter unserer Städte in der Nacht und auch nur, wenn man ausreichend nahe an der Erde ist. Was man sieht sind Pflanzen; die für die grüne Färbung der Kontinente verantwortlich sind. Man sieht die grünen Algen in den Ozeanen und es gibt noch unzählige andere Mikroorganismen die man weder hier unten noch vom Weltall aus sehen kann. Die aber trotzdem einen enorm großen Einfluss auf unseren Planeten haben und DIESEN Einfluss kann man tatsächlich auch nachweisen, selbst wenn sich die Mikroorganismen auf einem anderen Himmelskörper befinden sollten. Wenn ich im folgenden also von außerirdischem Leben spreche, dann meine ich diese Art von Leben. Keine Aliens mit fliegenden Autos, Laserschwertern und komischen Ohren. Sondern Pflanzen, Bakterien, grünen Schleim in irgendeinem Ozean. Das mag nicht so aufregend klingen wie das, was wir aus der Science Fiction kennen. Aber im Gegensatz zu den Aliens dort haben wir eine echte Chance, das "langweilige" außerirdische Leben auch tatsächlich zu entdecken, wenn es da sein sollte. Das mag überraschend klingen. Eine hell leuchtende Alienstadt auf einem anderen Planeten ist doch viel besser zu sehen als irgendwelche außerirdische Bakterien? Ja, aber nur wenn man diesem Planeten sehr, sehr nahe ist. Und das sind wir den meisten Planeten nicht. Auf den Himmelskörpern in unserem Sonnensystem ist das anders, aber da wissen wir ja mittlerweile sehr gut, dass da keine Alienstädte rumstehen, die wir bisher übersehen haben. Bei den Mikroorganismen sieht es vielleicht anders aus, aber ich will vorerst mal über die Planeten anderer Stern reden. Von denen haben wir mittlerweile ein paar tausend entdeckt. Wir wissen, dass Planeten im Weltall so häufig sind wie Sterne; häufiger sogar. Es gibt sie überall - aber sie sind schwer zu sehen. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen haben wir all diese Planeten nur indirekt entdeckt. Wir wissen, dass sie da sind, weil sie mit ihrer Schwerkraft den Stern ein wenig zum Wackeln bringen. Oder ein klein wenig des Sternenlichts verdecken, wenn sie von uns aus gesehen gerade in der Sichtlinie stehen. Und da wir Sterne sehr gut beobachten können, können wir diese indirekten Effekte nachweisen und so auf die Existenz der Planeten schließen. Planeten, die selbst aber deutlich weniger gut sichtbar sind als die Sterne. Das liegt natürlich einerseits daran, dass ein Planet im Gegensatz zu einem Stern nicht selbst leuchtet sondern nur Licht seines Sterns reflektiert. Das liegt vor allem aber daran, dass so ein Planet SEHR viel kleiner ist als ein Stern, genau so wie der Stern enorm weit entfernt und alles Licht, dass er reflektiert noch dazu vom viel helleren Licht des Sterns überstrahlt wird. Es ist also nicht leicht, einen Planeten eines anderen Sterns direkt zu sehen. Und dort, wo es funktioniert, sieht man auch nicht viel. Definitiv keine Alien-Städte. Man sieht gar nichts, außer einem Lichtpunkt. Daran wird sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern. Die kleinen und fernen Planeten anderer Sterne werden Lichtpunkte bleiben. Auch mit viel größeren Teleskopen werden wir sie nicht scharf genug sehen können, um dort Details der Oberfläche erkennen zu können. Das ist aber auch gar nicht nötig. Wir in der Astronomie sind schlau ;) Uns reicht auch ein Lichtpunkt! Denn wenn wir Licht in unsere Messinstrumente kriegen, das von einem Planeten reflektiert worden ist, können wir damit jede Menge tolle Dinge anstellen. Zum Beispiel Spektroskopie betreiben. Davon habe ich ja schon öfter mal erzählt. Wir spalten das Licht in seine Bestandteile auf; wir schauen also zum Beispiel, wie viel rotes Licht reflektiert wird, wie viel blaues Licht, wie viel grünes Licht, und so weiter. Und das geht nicht nur mit den sichtbaren Farben, sondern auch denen, die unsere Augen nicht sehen können. Infrarotlicht oder Ultraviolettlicht zum Beispiel. Wenn wir sowas mit dem Licht machen, dass die Erde von der Sonne ins All reflektiert - und wir haben das schon gemacht - dann kann man interessante Sachen sehen. Wir sehen, dass die Erde weniger rotes und blaues Licht reflektiert, als von der Sonne gekommen ist. Dafür aber viel grünes Licht. Irgendwas muss mit dem Licht also passieren, während es von der Erde reflektiert wird und dieses etwas ist in unserem Fall das Leben! Auf der Erde leben Pflanzen. Und die betreiben Fotosynthese. Das heißt, sie nutzen die Energie des Sonnenlichts um es in ihren Zellen in chemische Energie umzuwandeln. Die Pflanzen haben aber Vorlieben; sie nutzen nicht alle Farben des Lichts gleich gerne. Bzw. ist es den Pflanzen an sich egal, sie machen halt das, was man biochemisch mit den für die Fotosynthese zuständigen Molekülen wie dem Chlorophyll gemacht werden kann. Und mit grünem Licht kann das Chlorphyll eben nicht so viel anfangen - genau deswegen nimmt die Pflanze eben das rote und das blaue Licht und absorbiert einen Teil davon für die Fotosynthese, reflektiert aber das grüne Licht relativ ungenutzt. Was eigentlich nur eine andere Art ist zu sagen, dass Pflanzen grün sind. Wenn auf der Erde nur ein einsamer Grashalm herumstehen würde, dann hätte das natürlich keine große Auswirkung auf das, was man vom All aus sehen kann. Aber weil bei uns sehr, sehr viele Pflanzen herumstehen, sehen wir in Summe doch einen Effekt. Im von der Erde reflektierten Licht ist weniger Blau und Rot, als man erwarten würde. Und wir sehen das deswegen, weil hier Pflanzen wachsen und Fotosynthese betreiben. Was wir mit Satelliten vom All aus messen können, könnten wir aber theoretisch auch von sehr viel weiter weg sehen. Für diese Analyse des Lichts spielt es vorerst keine Rolle, ob wir nur einen Lichtpunkt sehen oder eine ausgedehnte Erdkugel. Das heißt: Den Effekt der Pflanzen auf das von der Erde reflektierten Lichts kann man auch von anderen Sternen aus sehen. Und damit dort nachweisen, dass hier Leben existiert. Und umgekehrt heißt das: Wir können Leben auf anderen Planeten finden, wenn wir in der Lage sind, das von ihnen reflektierte Licht ausreichend genau zu analysieren. Das, was ich vorhin beschrieben habe ist ein sogenannter "Biomarker" bzw. eine "Biosignatur". Also ein Effekt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Anwesenheit von Leben zurück zu führen ist. Davon gibt es einige: Methan zum Beispiel. In der Atmosphäre der Erde finden wir jede Menge Methan. Ein großer Teil davon kommt von Lebewesen; zum Beispiel von Kühen, die es wahlweise an ihrem vorderen oder hinteren Ende in die Luft entlassen. Genau genommen wird es aber nicht von den Kühen selbst produziert sondern vom Stoffwechsel der Mikroorganismen die in ihren Därmen leben. Und diese Mikroorganismen kriegen das genau so gut ohne Kühe hin. Methan ist ein Molekül, dass nicht für lange Zeit stabil ist. Nach ein paar Jahren bis Jahrzehnten wird es von der Sonnenstrahlung in seine Bestandteile aufgespalten. Wir sehen es deswegen in den vergleichsweise großen Mengen in unserer Atmosphäre, weil hier jede Menge Mikroorganismen existieren, die immer wieder neues produzieren. Mit der Technik der Spektroskopie können wir auch nachweisen, ob sich in der Atmosphäre eines anderen Planeten Methan befindet. Das wäre ein Hinweis auf die Existenz von Leben. Allerdings kein eindeutiger Hinweis; denn es gibt auch geologische und chemische Prozesse, die ganz ohne die Anwesenheit von Leben Methan erzeugen. Auf dem Mars etwa haben wir Methan gemessen - wissen aber immer noch nicht, ob es dort von schnöder Geologie oder doch irgendwelchen im Marsboden lebenden Mikroorganismen erzeugt wird. Dazu müssten wir genauer nachsehen, was in dem Fall heißt, dass wir dort hinfliegen und vor Ort forschen müssen. Das geht beim Mars, nicht aber bei den Planeten anderer Sterne. Dort können Biosignaturen wie die Anwesenheit von Methan immer nur Indizen sein, aber keine Beweise. Auch Sauerstoff ist ein Biomarker: Die große Menge dieses Elements in der Erdatmosphäre wird durch die Lebewesen erzeugt. Würde das Leben verschwinden, würde auch der Sauerstoffanteil deutlich sinken, genau so wie er erst entstanden ist, als Lebewesen darauf gekommen sind, wie sie Sauerstoff als Stoffwechselprodukt erzeugen können. Kein einzelner Biomarker kann eindeutig die Existenz von Leben nachweisen. Aber sollten wir mal einen Planeten finden, auf dem wir eine ganze Reihe unterschiedlicher Biosignaturen entdecken, wäre das schon eine ziemlich spannende und deutliche Sache. Das wird aber noch ein wenig dauern. Bis jetzt haben wir nur eine Handvoll Planeten direkt beobachtet und das waren alles Spezialfälle wo die Planeten sehr groß, sehr heiß oder sehr weit von ihrem Stern entfernt waren. Auf jeden Fall aber Planeten auf denen Leben wie wir es verstehen nicht existieren kann. "Normale" Planeten, also von der Größe der Erde, in einem vernünftigen Abstand zu ihren Stern liegen derzeit noch außerhalb der technischen Reichweite unserer Teleskope. Aber das kann und wird sich ändern. Dann können wir mehr Planeten direkt beobachten als heute und schauen, was es da zu entdecken gibt. Natürlich basieren die Biosignaturen darauf, dass anderswo Leben existiert, dass so funktioniert wie das Leben hier auf der Erde, zumindest im Prinzip. Das muss natürlich nicht so sein, das weiß auch die Astronomie. Aber wir wissen noch nicht genau genug, wie Leben ANDERS funktionieren kann. Wir wissen ja nicht einmal, warum das Leben auf der Erde so entstanden ist, wie es entstanden ist. Daher wissen wir auch nicht, welche Biosignaturen so ein potenzielles anderes Leben erzeugen würde. Und wir können nicht nach etwas suchen, von dem wir nicht wissen, wie wir es bemerken sollen, wenn wir es gefunden haben. Also müssen wir uns zwangsläufig darauf beschränken, nach der Art von Leben zu suchen, das wir verstehen. Aber wenn es diese Art von Leben irgendwo da draußen gibt, dann stehen die Chancen gut, dass wir es auch finden werden.
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Oct 9, 2021 • 6min

Ein Podcast Award für die Sternengeschichten

Diverse Hinweise in Erwartung des Jubiläumsjahrs Ein Podcast Award für die Sternengeschichten Das ist keine Sternengeschichten-Folge. Da ist ja gerade erst eine Folge über die Astronomin Waltraut Seitter erschienen und nächsten Freitag wird es wieder, wie seit fast 10 Jahren, eine neue Folge mit einer Geschichte aus dem Universum geben. Heute möchte ich wieder einmal direkt zu allen Hörerinnen und Hörern sprechen. Das habe ich ja schon seit ein paar Jahren nicht mehr gemacht. Aber es gibt wieder ein paar Sachen, um die euch bitten beziehungsweise auf die ich euch hinweisen möchte. Keine Sorge, ich mach weiterhin keine Werbung im Podcast und Hinweisfolgen wie diese hier werden weiterhin die Ausnahme bleiben. Was also gibt es, das ich euch sagen will. Zuerst einmal, dass die Sternengeschichten für einen Podcast-Award nominiert worden sind. Es ist der k.at-Award der österreichischen Tageszeitung "Kurier". Ich bin dort in der Kategorie "Durchblicker Podcast" nominiert und es wäre cool, wenn ich zur Abwechslung mal einen Preis gewinnen würde. Ich mache die Sternengeschichten natürlich nicht, um reich und berühmt zu werden und Preise zu gewinnen. Aber nächstes Jahr werden die Sternengeschichten ihr 10jähriges Jubiläum feiern und auch die 500te Folge wird veröffentlicht werden. Und es wäre irgendwie ganz schön, wenn der Podcast mit einem Award in das Jubiläumsjahr starten würde. Der Award wird von einer Jury vergeben, 2/3 der Wertung kommen aber durch ein Online-Voting zustande. Darauf hoffe ich; es ist nicht leicht, mit Astronomie irgendwo was zu gewinnen, aber ich weiß, dass die Sternengeschichten von vielen Menschen gehört werden und vielleicht wollt ihr ja für mich abstimmen. Das geht unter der Internetadresse k.at, dort findet man schnell den Link zum Voting (und den kompletten Link dazu gibt es natürlich in den Shownotes - hier ist er). Das Voting ist leider ein bisschen komisch; man muss den Adblocker im Browser deaktiviert haben um es zu sehen und man muss in allen Kategorien abstimmen, damit die Wertung angenommen wird. Was ein wenig unpraktisch ist, wenn man keine Podcasts aus den anderen Kategorien kennen sollte. Aber wenn ihr abstimmen wollt, dann könnt ihr das dafür bis zu 5 mal pro Tag machen und noch bis zum 26. Oktober 2021. Ich würde mich jedenfalls freuen. Und wenn ich schon einmal dabei bin, dann möchte ich euch auch noch auf andere Podcast-Projekte von mir hinweisen, die in letzter Zeit dazu gekommen sind. Vom Podcast "Das Universum", den ich gemeinsam mit meiner Astronomie-Kollegin Ruth Grützbauch betreibe, habe ich euch ja schon früher mal erzählt. Der erscheint alle zwei Wochen und wir reden darin über aktuelle astronomische Forschung, berichten von dem, was bei einem Astronomiestudium so passiert und beantworten Fragen aus der Hörerschaft. Seit August gibt es aber auch den Podcast "Das Klima". Darin rede ich mit der Meteorologin Claudi Frick über - wenig überraschend - das Klima. Das ist - auch wenig überraschend - ein sehr wichtiges Thema und relevant für uns alle. Und wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten relevant sein. Es lohnt sich, darüber informiert zu sein und zum Glück gibt es dazu sehr, sehr viel Information. Alle paar Jahre setzen sich hunderte Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt zusammen und sammeln alles, was an Forschung über das Klima und die Klimakrise vorhanden ist um es in einem sogenannten "Sachstandsbericht" zusammenzufassen. Das ist alles drin, was man über das Klima weiß und das ist gut, aber auch ein wenig schwierig, weil es eben ALLES ist. Diese Berichte haben mehrere tausend Seiten und sind keine leichte Lektüre. Der aktuellste Sachstandsbericht ist im Sommer erschienen und Claudia und ich arbeiten uns da Kapitel für Kapitel durch und erzählen im Podcast, was da drin steht, aber so, dass man auch dann verstehen kann, worum es geht, wenn man nicht Klimaforschung studiert hat. Und dann möchte ich euch noch auf ein Buch hinweise, dass ich geschrieben habe. Gemeinsam mit dem Biologen Helmut Jungwirth, und es heißt "Eine Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen". Wer mein vorheriges Buch "Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen" kennt, kann sich ungefähr vorstellen, wie es aufgebaut ist. Mikroorganismen sind nicht nur fiese Bakterien und Viren, die uns krank machen. Das tun sie zwar auch, aber sie sind viel wichtiger; sie bestimmen so gut wie alles auf diesem Planeten. Ohne Mikroorganismen gäbe es keine Schokolade, kein Bier; sie haben uns den Feiertag Fronleichnam beschert; sie beeinflussen den Wintertourismus, die Kunst, Kultur und die Religion. Und natürlich gibt es auch aus astronomischer Sicht einiges dazu zu sagen: Ist das Leben auf der Erde vielleicht mit Mikroorganismen aus dem All gekommen? Können Mikroorganismen außerhalb der Erde überleben und wenn ja, wo? Wenn wir zum Mars reisen und dort leben wollen: Welche Mikroorganismen müssen wir dann mitnehmen und warum müssen wir sie überhaupt mitnehmen? Das Buch gibt es überall wo es Bücher gibt und demnächst wird es dazu auch ein Hörbuch geben. Und das war es auch schon wieder für diesmal. Es würde mich freuen, wenn ihr beim Voting für meinen Podcast abstimmt. Am allermeisten aber freue ich mich darüber, dass ihr schon so lange den Sternengeschichten zuhört und wir im nächsten Jahr den 10. Geburtstag und die 500. Folge feiern können. Dafür werde ich mir was besonderes überlegen - und mich dann rechtzeitig bei euch melden. Bis dahin noch viel Spaß mit den kommenden Sternengeschichten!
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Oct 8, 2021 • 13min

Sternengeschichten Folge 463: Waltraut Seitter: Die erste Astronomin Deutschlands und die Expansion des Universums

Der erste Hinweis auf dunkle Energie Sternengeschichten Folge 463: Waltraut Seitter: Die erste Astronomin Deutschlands und die Expansion des Universums Waltraut Seitter war die erste Astronomin Deutschlands. Und bevor sich jemand beschwert: Das ist natürlich falsch. Es hat immer schon Frauen gegeben, die sich mit Astronomie beschäftigt haben, schon lange bevor es so etwas wie Deutschland gab und ich habe in den vergangenen Folgen der Sternengeschichten auch immer wieder von ihrem Leben und ihrer Forschung erzählt. Es gab auch in Deutschland Astronominnen, lange bevor Waltraut Seitter am 13. Januar 1930 in Zwickau geboren wurde. Aber in einer ganz konkreten Hinsicht war Waltraut Seitter tatsächlich die erste Astronomin Deutschlands und ganz unabhängig davon lohnt es sich, auf ihr Leben in der Astronomie zu schauen. Waltraut Carola Seitter wurde in Zwickau geboren, zur Schule ging sie aber in Köln. Dort hat sie unter anderem als Straßenbahnschaffnerin gearbeitet und als technische Zeichnerin; vermutlich inspiriert von der Arbeit ihres Vaters, der Ingenieur bei den Horch-Werken war, einem Autohersteller, der später dann als "Audi" bekannt geworden ist. Nach ihrem Abitur im Jahr 1949 begann sie ebenfalls in Köln ein Studium der Physik, Mathematik, Chemie und Astronomie. Ein paar Jahre später führte sie ihr Studium in Massachusetts fort, dass sie dort auch 1955 beendete und am Smith College in Northampton als Dozentin für Astronomie arbeitete. Dann ging es wieder zurück nach Deutschland, nämlich ans Observatorium Hoher List der Universität Bonn. Dort beendete sie auch ihre Doktorarbeit und zwar im Jahr 1962. Es folgten ein paar Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn und eine Gastprofessur an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Danach wurde sie Professorin am Smith College, wo sie schon während ihrer Studienzeit gelernt und gearbeitet hatte. 1975 kehrte sie ein weiteres Mal zurück nach Deutschland, diesmal um eine Stelle als Professorin des Astronomischen Instituts der Universität Münster anzunehmen, wo sie auch Direktorin wurde. So weit klingt das alles nach einer normalen, erfolgreichen Karriere in der Astronomie. Was ja auch stimmt - mit einer Ausnahme. Ganz und gar nicht normal an Waltraut Seitters Lebenslauf war die Tatsache, dass es bis 1975 keine Frau in Deutschland gab, die einen Lehrstuhl für Astronomie besetzte. Seitter war die erste Professorin für Astronomie Deutschlands. Es ist ein wenig peinlich, dass es bis in die Mitte der 1970er Jahre gedauert hat, bevor man einer Frau so eine Stellung zugestanden hat. Aber immerhin HAT Seitter ihre Professur bekommen und das alles andere als unverdient. Zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere beschäftigte sich Seitter vor allem mit den spektroskopischen Eigenschaften der Sterne, also der Analyse ihres Lichts, aus dem sich zum Beispiel herausfinden lässt, aus was so ein Stern besteht, wie weit er entfernt ist oder wie schnell er sich bewegt. Ziemlich bald verlagerte sich ihr Forschungsschwerpunkt aber auf Novae, Supernovae und andere Arten eruptiver Sterne. Das sind alle Arten von astronomischen Phänomenen, bei denen ein Stern seine Helligkeit in kurzer Zeit sehr dramatisch ändert. Der bekannteste Fall ist sicherlich die Supernova: Hier explodiert ein großer Stern am Ende seines Lebens und leuchtet für kurze Zeit dabei so hell wie all die Milliarden Sterne einer Galaxie zusammen. Eine Nova ist, wie der Name andeutet, so ähnlich, nur nicht so super. Dafür braucht man zwei Sterne, einen kleinen Stern, der sein Leben schon beendet hat und zu einem weißen Zwerg geworden ist. Dem also das passiert ist, was unserer Sonne in ein paar Milliarden Jahren passieren wird. Wenn die Sonne den Brennstoff in ihrem Inneren verbraucht hat und die Kernfusion dort langsam zum Erliegen kommt, wird sie zuerst ihre äußeren Atmosphärenschichten ins All hinaus pusten. Zurück bleibt der innere Rest, eine Kugel aus extrem verdichteten Gas, so groß wie die Erde. Das ist ein weißer Zwerg und dort findet keine Kernfusion mehr statt. Es sei denn, es handelt sich um ein Doppelsternsystem. Dann gibt es in seiner Nähe noch einen zweiten Stern und wenn die beiden sich wirklich nahe sind, kann Material von diesem Stern auf den weißen Zwerg fallen. Das kann ausreichen, damit dort plötzlich wieder Kernfusion einsetzt. Der weiße Zwerg leuchtet ebenso plötzlich hell auf und wird zur Nova. Je nachdem wie das genau abläuft, kann dieses Aufleuchten unregelmäßig oder regelmäßig stattfinden. Novae und Supernovae sind für sich genommen schon sehr spannende Phänomene und sie verraten uns viel darüber, wie Sterne funktionieren. Sie sind aber auch interessant, wenn man mehr über das ferne Universum wissen will. In anderen Galaxien kann man keine Einzelsterne mehr beobachten; dafür sind sie zu weit weg. Aber wenn es dort zum Beispiel eine Supernova gibt, ist die so hell, dass man sie auch noch aus großer Entfernung wahrnehmen kann. Und weil man weiß, wie eine Supernova abläuft, kann man auch vorhersagen, wie hell sie eigentlich leuchten sollte. Zumindest gilt das für bestimmte Arten von Supernova-Explosionen, die aus immer den gleichen Gründen auf immer die gleiche Art stattfinden und damit auch immer die gleiche Leuchtkraft haben. Der einzige aus der Ferne wahrnehmbare Unterschied ist die Helligkeit, die wir von der Erde aus sehen und dieser Unterschied hat seine Ursache im Abstand. Je weiter weg die Supernova und damit die Galaxie, desto schwächer können wir sie beobachten. Anders gesagt: Die Beobachtung von Supernovae kann man zur Distanzbestimmung verwenden. Nutzt man dann die Technik der Spektroskopie, analysiert also die Zusammensetzung des Lichts der Supernova, kann man daraus auch die Geschwindigkeit messen, mit der sich die Supernova und die Galaxie in Bezug auf uns bewegen. Das ist tatsächlich fundamentaler, als es auf den ersten Blick aussieht. Wir wissen ja seit den 1920er Jahren, dass sich das Universum ausdehnt. Darüber habe ich ja schon in den Folge 249 und 250 der Sternengeschichten ausführlich gesprochen. Da sich wegen dieser Expansion, auf großen Maßstäben, alles von allem entfernt, können wir beobachten, wie sich ferne Galaxien umso schneller von uns fortbewegen, je weiter sie entfernt sind. So weit, so gut - aber man muss auch noch berücksichtigen, dass die Astronomie in der einmaligen Lage ist, in die Vergangenheit zu blicken. Licht braucht Zeit, um die gigantischen Entfernungen im Kosmos zu überbrücken. Licht ferner Galaxien kann Milliarden Jahre zu uns unterwegs sein und wenn wir es dann hier im Teleskop auffangen, sehen wir die Galaxie so, wie so vor Milliarden Jahren ausgesehen hat. Zusammengenommen heißt das: Durch die Beobachtung von Supernova-Explosionen in fernen Galaxien können wir erstens bestimmen, wie weit diese Galaxien genau von uns entfernt sind. Wir können zweitens herausfinden, wie schnell sie sich von uns entfernen. Und weil das Licht unterschiedlich weit entfernter Galaxien unterschiedlich lange zu uns unterwegs ist, können wir schließlich drittens bestimmen, wie schnell sich Galaxien zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Vergangenheit voneinander entfernt haben. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ist das alles sehr knifflig zu beobachten. Aber man WILL es natürlich beobachten; es ist ja durchaus relevant zu wissen, wie sich das Universum in der Vergangenheit verhalten hat. Lange Zeit hat man sich das so vorgestellt: Mit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren hat das Universum angefangen, sich auszudehnen. Die Expansion des Raums treibt die Galaxien voneinander fort. Gleichzeitig wirkt aber zwischen den Galaxien auch die anziehende Gravitationskraft. Die Expansion schiebt die Galaxien auseinander, die Gravitationskraft wirkt dieser Expansion aber entgegen und bremst sie ein bisschen. Die Expansion des Kosmos sollte also seit dem Urknall immer langsamer geworden sein und je nachddem wie viel Materie insgesamt im Universum vorhanden ist und wie stark daher die Gravitationskraft ist, die sie ausüben kann, kann die Expansion vielleicht irgendwann komplett zum Stillstand kommen. Schauen wir wieder zurück zu Waltraut Seitter. In den 1980er Jahren rief sie das "Münster Redshift Project" ins Leben. Über Jahre hinweg untersuchte ein ganzes Team von Astronominnen und Astronomen die großräumige Verteilung von Galaxien im Universum, bestimmte Abstände und Geschwindigkeiten. Aus der Arbeit an diesem Projekt entstanden Dutzende Forschungsartikel, es gab internationale Konferenzen dazu und 1998 veröffentlichte Waltraut Seitter gemeinsam mit ihrem Kollegen Peter Schuecker eine Arbeit mit dem Titel "Die Abbremsung der kosmischen Expansion". Um zu verstehen, was daran so besonders ist, müssen wir kurz noch einen Blick auf den sogenannten "Deceleration parameter" werfen, den "Abbremsungsparameter". Das ist eine in der Kosmologie verwendete Maßzahl, die vom "Skalenfaktor" abhängt. Ohne zu sehr in die mathematischen Details zu gehen, beschreibt man damit die relative Ausdehnung des Universums. Wenn man die Entfernung zwischen zwei Galaxien zu einem bestimmten Zeitpunkt misst und das mit der Entfernung zu einem fixen Referenzzeitpunkt vergleicht, ist das Verhältnis dieser beiden Entfernungen gerade der Skalenfaktor. Wenn sich die Ausdehnungsrate des Universums verändert, dann ändert sich auch der Skalenfaktor und diese Änderung wird durch den Abbremsungsparameter beschrieben. Der Deceleration Parameter beschreibt also, mit welcher Rate die Expansion des Universums im Laufe der Zeit langsamer oder schneller wird. Obwohl der Name "Abbremsungsparameter" ja schon zeigt, dass man allgemein davon überzeugt war, dass es langsamer werden sollte. Nun. Seitter und Schuecker haben sich die Daten aus dem Münster Redshift Project sehr genau angesehen und probiert, daraus einen Wert für den - zu der Zeit - noch nicht konkret gemessenen Abbremsungsparameter zu berechnen. Man ging davon aus, dass der Wert irgendwo zwischen 0,5 und 0,1 liegen sollte; je nachdem wie viel Materie tatsächlich insgesamt im Universum vorhanden ist. Aber er sollte auf jeden Fall größer als Null sein, denn genau das wäre von einem Universum zu erwarten, dass im Laufe der Zeit immer langsamer expandiert. Das war auch ungefähr das Ergebnis, zu dem Seitter kam. Am Ende ihres Artikels wird festgestellt: Folgt man den Annahmen über die Verteilung von Galaxien im Universum, die damalige Modelle liefern, dann kriegt man aus den Beobachtungsdaten einen Wert von 0,1. Nimmt man aber nur die reinen Beobachtungen, dann scheint der Wert kleiner als 0,1 zu sein, schreiben Seitter und Schuecker. Und je nachdem mit welchen Methoden sie ihre Daten auswerteten, gab es sogar manchmal Werte des Parameters, die kleiner als Null waren. Das schrieben Seitter und Schuecker aber formalen Aspekten ihrer mathematischen Methoden zu und betrachteten es nicht als realen Effekt. Trotzdem beenden sie ihren Artikel mit der Aussage, dass ihre Beobachtungsdaten nicht mit bestimmten Standardmodellen der Kosmologie übereinstimmen. Nur ein paar Monate nachdem Seitter und Schuecker diese Arbeit veröffentlicht hatten, gab es eine der größten Entdeckungen, die in der Astronomie bis dahin stattgefunden hatten. Zwei internationale Forschungsteams hatten unabhängig voneinander ebenfalls Supernova-Explosionen in fernen Galaxien beobachtet. Mit Methoden, die sehr viel genauere Aussagen zuließen als die in der Arbeit von Seitter und Schuecker. Das Resultat war bei beiden Gruppen gleich und gleichermaßen unerwartet: Der Abbremsungsparameter war eindeutig negativ. Oder anders gesagt: Die Expansion des Universums wird gar nicht langsamer, sondern schneller! Es dehnt sich immer schneller aus und niemand weiß, warum das so ist. Es muss etwas im Kosmos geben, eine Kraft, eine Energie oder sonst irgendwas, die für diese beschleunigte Expansion sorgt. Wir haben diesem unbekannten Phänomen den Namen "dunkle Energie" gegeben, wissen aber immer noch nicht so genau, worum es sich dabei handelt. Waltraut Seitter hat die dunkle Energie nicht entdeckt. Aber ihre Arbeit hat die Grundlage dafür gelegt und sie hat die ersten, zarten Hinweise auf dieses rätselhafte Phänomen der beschleunigten Expansion geliefert. Die erste Astronomin Deutschlands starb am 15. November 2007. Vier Jahre später wurden die Entdecker der dunklen Energie mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Vermutlich hätte sie sich darüber gefreut.

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