

Archivradio – Geschichte im Original
SWR
Historische Aufnahmen und Radioberichte von den ersten Tonaufzeichnungen bis (fast) heute. Das Archivradio der ARD macht Geschichte hör- und die Stimmung vergangener Jahrzehnte fühlbar. Präsentiert von: Gábor Paál, Lukas Meyer-Blankenburg, Maximilian Schönherr und Christoph König. Ein Podcast von SWR, BR, HR, MDR und WDR. https://archivradio.de | Übersicht über alle Beiträge: http://x.swr.de/s/archivradiokatalog
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Oct 31, 2023 • 1h 8min
DDR-Prozess gegen NS-Verbrecher Heinz Barth beginnt | 25.5.1983
Beteiligung am Massaker in Oradour-sur-Glane
In einem voll besetzten kleinen Saal des Stadtbezirksgerichts Berlin beginnt der DDR-Strafprozess gegen Heinz Barth (1920 - 2007). Barth wird vorgeworfen, im Zweiten Weltkrieg an Erschießungen von tschechischen Zivilisten und am Massaker im französischen Dorf Oradour-sur-Glane beteiligt gewesen zu sein.
Heinz Barth in Frankreich in Abwesenheit bereits zum Tod verurteilt
30 Jahre zuvor hatte ein Militärgericht in Bordeaux über die Täter verhandelt und Heinz Barth in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
Barth arbeitete in einem Konsum-Geschäft in Gransee und hatte 1981 mit einer Verhaftung durch die DDR-Justiz nicht gerechnet.
Teilnahme an Erschießung in Böhmen
Der Originalton dokumentiert den Beginn des Verfahrens mit der Anklage und der ersten Vernehmung des Angeklagten. Dieser beschreibt ein Schlüsselerlebnis, nämlich seine Teilnahme an einer Erschießung in Böhmen.

Oct 30, 2023 • 29min
DDR-Urteil gegen Hans Globke: Wie der bundesdeutsche Rundfunk berichtete | 23.7.1963
Das Oberste Gericht der DDR verurteilt den Chef des Kanzleramts Hans Globke (1898 - 1973) in Abwesenheit zu lebenslangem Zuchthaus.
Wie die westdeutsche Presse damit umging, zeigt sich anhand von zwei Rundfunkbeiträgen. Zunächst eine halbstündige Sendung des Deutschlandfunks, in der auch der spätere Kanzlerkandidat der Union, Rainer Barzel, zu Wort kommt. Im Anschluss daran ein kurzer Kommentar des Südwestfunks Baden-Baden.

Oct 30, 2023 • 1h 6min
DDR-Gericht verurteilt Kanzleramtschef Hans Globke: "Lebenslänglich" | 23.7.1963
Juli 1963. Das Oberste Gericht der DDR verhandelt gegen den Angeklagten Hans Globke (1898 - 1973). Globke war Jurist und während des Nationalsozialismus in Hitlers Reichsinnenministerium maßgeblich mit der Formulierung der Rassengesetzgebung beschäftigt. Auf ihn gehen Mechanismen der Nazis zurück, wie man angeblich Juden erkennen kann.
Die DDR führte diesen Schauprozess in Abwesenheit des Angeklagten durch, denn dieser war Kanzleramtschef unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer in Bonn. Auch wenn Globke 1963 in den Ruhestand ging, schadete der DDR-Prozess seinem Ansehen nachhaltig.
Die Tonqualität des von der Stasi angefertigten Prozessmitschnittes ist nicht überragend. Nach dem Staatsanwalt ist die Verteidigung zu hören, dann das Urteil und schließlich ein Teil der Urteilsbegründung.

Oct 29, 2023 • 5min
"Achtung! Achtung!" – So begann die erste Rundfunksendung | 29.10.1923
Friedrich Georg Knöpfke: Direktor der Funkstunde Berlin
Am 29. Oktober 1923 begann der Rundfunkbetrieb. Friedrich Georg Knöpfke (1874 - 1933) sprach die berühmten Worte "Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus. Auf Welle 400 Meter."
Friedrich Georg Knöpfke war Direktor der Funkstunde Berlin. Er fuhr fort: "Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Als erste Nummer bringen wir: Cellosolo mit Klavierbegleitung, Andantino von Kreisler, gespielt von Herrn Kapellmeister Otto Urak, am Flügel Herr Fritz Goldschmidt."
Das Vox-Haus war das Gebäude der Vox Sprechplatten- und Sprechmaschinen AG in der Potsdamer Straße. Von dort wurde die Funkstunde gesendet. Bei der Ansage von Friedrich Georg Knöpfe handelt es sich nicht um einen Original-Mitschnitt der ersten Sendung, Er hat sie vielmehr später noch einmal aufgenommen.
Rundfunk-Beitrag: 350 Milliarden Mark
Es gab damals, im Oktober 1923, genau 253 Personen, die sowohl ein Radio-Empfangsgerät besaßen als auch eine Lizenz zum Zuhören. Wer das Programm hören wollte, musste nämlich bei der Post eine Lizenz kaufen, eine sogenannte "Hör-Gewährung" – sozusagen ein früher Rundfunk-Beitrag ... Der Preis damals: 350 Milliarden Mark. Es war die Zeit der großen Inflation.
Hans Bredow hat den Sendestart spontan entschieden
Ebenfalls an jenem Abend mit dabei war Otto Urak – das war der Kapellmeister, den Knöpfke am Ende seiner Ansage angekündigt hat. 1953 – zum 30-jährigen Rundfunkjubiläum erzählt Otto Urak in einem Radiointerview mit dem Sender Freies Berlin, dass Hans Bredow sehr spontan entschieden hat, dass an jenem Abend die erste Sendung stattfinden solle.
Alfred Braun sprach regelmäßig Ansagen
Auch der Schauspieler und spätere Reporter Alfred Braun sprach regelmäßig die Ansagen. Von ihm existiert eine Aufnahme aus dem Jahr 1925.

Oct 29, 2023 • 35min
Der Weg zum Rundfunk – Von der ältesten Tonaufnahme bis zur ersten Sendung | 100 Jahre Radio | Archivradio-Gespräch
Bilder malten Menschen schon in der Steinzeit. Texte wurden schon im Mittelalter vervielfältigt, doch erst 1860 entstand in Frankreich die älteste Tonaufnahme. Die Erfindung des Telefons und das Funken mit Radiowellen waren weitere wichtige Etappen, bis 1923 der reguläre Rundfunkbetrieb in Deutschland begann – maßgeblich vorangetrieben vom weitgereisten Ingenieur und Ministerialdirektor Hans Bredow. Gábor Paál im Archivradio-Gespräch mit Hans-Ulrich Wagner, Leibniz-Institut für Medienforschung (SWR 2023) | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Mehr über uns: http://archivradio.de/ | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@Archivradio

Oct 29, 2023 • 4h 21min
DDR-Urteil gegen Bundesvertriebenenminister Oberländer: "Lebenslänglich" wegen NS-Verbrechen | 29.4.1960
April 1960. Das Oberste Gericht der DDR verhandelt gegen Theodor Oberländer (1905 - 1998) wegen seiner Betätigungen im Nationalsozialismus.
Der Angeklagte ist zu der Zeit Minister im Kabinett des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Deswegen findet der Strafprozess in Abwesenheit statt.
DDR-Schauprozess, aber Bundesminister muss seinen Posten aufgeben
Die DDR inszeniert das Verfahren als Schauprozess, wegen dem Oberländer jedoch wenig später seinen Westdeutschen Ministerposten aufgeben muss.
Zeugen berichten detailliert über die Lage in der ukrainischen Großstadt Lwiw, als die Wehrmacht und Oberländers Geheimdiensttruppe "Nachtigall" Ende Juni 1941 ankamen. In der folgenden Woche wurden dort 10.000 Menschen von den Nazis umgebracht.
Das Gericht spielt in der Beweisaufnahme auch einen kurzen Originalton des Angeklagten ab. Zuletzt der Urteilsspruch vom 29. April 1960.

Oct 29, 2023 • 1h 36min
DDR-Prozess gegen Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer | 20.4.1960
April 1960. Das Oberste Gericht der DDR verhandelt gegen den Angeklagten Theodor Oberländer (1905 - 1998). Oberländer war während des Nationalsozialismus Professor für Agrarökonomie. Mit seinen Veröffentlichungen stellte er einen akademischen Rahmen für Hitlers Vorstellung von "Volk und Raum" her, insbesondere, sich den Osten untertan zu machen.
Welche Rolle spielte Oberländer bei den Morden in Lemberg 1941?
Als die Wehrmacht 1941 die Sowjetunion angriff, war Oberländer an vorderster Front und marschierte als Oberleutnant mit einer eigenen Truppe namens "Nachtigall" in der westukrainischen Stadt Lwiw ein. Innerhalb einer Woche wurden dort 10.000 Menschen von den Nazis umgebracht.
Mit der Gründung von Bundesrepublik und DDR 1949 stieg Theodor Oberländer in die Politik ein und wurde Vertriebenenminister unter dem ersten Bundesdeutschen Kanzler Konrad Adenauer in Bonn. Das war seine Position, als die DDR in Abwesenheit den Prozess gegen ihn abhielt – einen Schauprozess. Theodor Oberländer musste danach seinen Ministerposten in Bonn räumen.
Hier ist der erste Teil der Verhandlung, mit der Eröffnung und Anklage.

Oct 28, 2023 • 58min
Willy Brandt will "Mehr Demokratie wagen" | 28.10.1969
Das ist auch eine Reaktion auf die Ereignisse von 1968. Brandt dekliniert "Mehr Demokratie wagen" durch: Herabsetzung des Wahlalters, Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze, mehr Diskurs, mehr Mitbestimmung. Über all das redet er gleich am Anfang.
Weitere Themen sind: Europa und das deutsch-deutsche Verhältnis, das er entkrampfen will.

Oct 28, 2023 • 1h 16min
Rostocks OB diskutiert mit Demonstranten | 28.10.1989
Demonstranten haben sich vor dem Rostocker Rathaus versammelt. Schließlich kommt Oberbürgermeister Henning Schleiff heraus und beginnt eine längere Diskussion mit den Protestierenden auf dem Thälmannplatz – über alle möglichen Missstände, die die Bürger beschäftigen, die Wohnungsnot, die Ausreiseproblematik oder die Vergünstigungen, die Stasi-Mitarbeiter bekommen.
Es handelt sich um einen so nie im Radio gesendeten Roh-Mitschnitt.

Oct 27, 2023 • 7min
Marcel Reich-Ranicki: Es gibt keine jüdische Literatur | 27.10.1988
Transkript des Gesprächs mit Marcel Reich-Ranicki
Interviewer:
Yoram Kaniuk, der Autor von "Bekenntnis eines guten Arabers", ein israelischer Autor, der hier gewesen ist, hat gesagt, die deutsche Nachkriegsliteratur ist judenrein. Nun kündigen Sie ein erstes jüdisches Literaturforum vorerst mit fünf Lesungen an. Mit welcher Intention?
Marcel Reich-Ranicki:
Zunächst einmal findet hier kein jüdisches Literaturforum statt. Schon diese Formulierung ist ganz und gar missverständlich. Es ist genau als das Umgekehrte gedacht. Es findet im jüdischen Gemeindezentrum eine Literaturreihe statt. Sie hat aber mit Juden so gut wie gar nichts zu tun. Das jüdische Gemeindezentrum stellt sein Gebäude zur Verfügung und lädt die Autoren ein. Das heißt, ich schlage sie vor. Und es ist eine Reihe, die nichts anderes will, als zeitgenössischen deutschen Autoren zur Öffentlichkeit, zum Publikum zu verhelfen.
Interviewer:
Die Veranstaltungsreihe im jüdischen Gemeindezentrum stellt die Frage, impliziert die Frage nach der jüdischen Literatur in Deutschland. Jurek Becker hat gesagt: "Nein, ich bin kein Jude. Ich bin ein Schriftsteller, und ich möchte als Schriftsteller rezipiert werden, nicht als Jude." Gibt es überhaupt so etwas wie eine jüdische Literatur im Nachkriegsdeutschland?
Marcel Reich-Ranicki:
Nein, ich glaube nicht, ich glaube nicht und ich weiß auch nicht recht, was jüdische Literatur in der Weimarer Republik war. Wir, die Literatur, wird meiner Ansicht nach klassifiziert, vor allem nach der Sprache, in der sie entsteht. Ich glaube nicht, es ist ein ganz anderes Thema, aber ich darf es hier mit einem Satz anführen: Ich glaube nicht recht an die Existenz der österreichischen oder der schweizerischen Literatur. Ich glaube an die deutschsprachige Literatur unserer Zeit, zu der österreichische und schweizerische Schriftsteller einen sehr wesentlichen Beitrag leisten.
Ganz ähnlich ist es vielleicht mit den Juden. Es gibt ja praktisch kaum noch Juden, die Deutsch schreiben. Nach 45 gab es noch die ältere Generation der Deutsch schreibenden Juden. Das waren Emigranten, die beinahe alle nicht zurückgekehrt sind nach Deutschland, sondern dann allmählich im Ausland gestorben sind, die aber zum literarischen Leben in der Bundesrepublik und in der DDR sehr wesentlich beigetragen haben.
Ganz bedeutend war die Rolle der Philosophen, der Juden in Deutschland der 60er-Jahre etwa. Da war ja die Philosophie weitgehend von Juden beherrscht, möchte man sagen. Wer war es also? Theodor W. Adorno, Ernst Bloch, Max Horkheimer, Herbert Marcuse, der nicht mehr lebende Walter Benjamin, der damals nicht mehr Lebende; heute sind sie ja alle diese Philosophen inzwischen tot. Also Walter Benjamin, auch Gershom Scholem. Sie sehen eine große Reihe hervorragender Philosophen, deren Schüler heute eine große Rolle spielen.
Nun weiter. Es gab nach 45 eine Anzahl von Juden, die in der deutschen Literatur eine Rolle gespielt haben, die nicht Emigranten waren oder Autoren der Weimarer Republik, die noch lebten, sondern solche Autoren, die erst nach 45 oder in den 50er-Jahren zu schreiben begonnen haben. Ein paar Namen: Paul Celan, Peter Weiss, Erich Fried, auch der von ihnen eben genannte Jurek Becker. Aber was Celan oder Fried oder Jurek Becker geschrieben haben, ist deutsche Literatur deutscher Sprache.
Natürlich kann man die Frage stellen: Und hatte das Judentum auf diese Literatur gar keinen Einfluss? Oh ja, es hatte schon einen Einfluss, bewusst und unbewusst. Natürlich konnten diese Schriftsteller deren, die ja alle noch vor dem, das Dritte Reich erlebt haben oder wie Jurek Becker während des Dritten Reichs geboren wurden, aber ihre Kindheit noch im Dritten Reich erlebt haben, Becker in einem KZ. Natürlich sind diese Erlebnisse nicht ohne Einfluss gewesen. Das gilt für die Themen der Lyrik von Erich Fried oder von Paul Celan. Das gilt natürlich auch für die Themen mehrerer Romane von Jurek Becker, vor allem seines berühmtesten und besten Romans "Jakob der Lügner".
Interviewer:
Jüdische Literatur oder jüdische Existenz in Deutschland, in Polen, im – in Europa beinhaltet viele Faktoren. Der Talmud ist eine die Grenzerfahrung, die Erfahrung als Minderheit zu leben, ist eine andere [sic]. Es gibt noch viele andere Faktoren, die die Produktion von Literatur ausmachten.
Marcel Reich-Ranicki:
Ja, sehen Sie: Die Erfahrung, als Minderheit innerhalb einer nichtjüdischen Gesellschaft zu leben, diese Erfahrung haben alle diese Autoren allesamt von Moses Mendelssohn über Heine und Börne bis hin zu Thomas Brasch, haben diese Erfahrung machen müssen. Und ich bin überzeugt davon, dass die Erlebnisse dieser Autoren innerhalb der nichtjüdischen Welt auf ihr Werk einen sehr starken Einfluss hatten. Wie stark dieser Einfluss war, erfahren wir oft erst jetzt, weil man das nicht so leicht am Werk erkennen kann, wohl aber an anderen Schriften dieser Autoren, nämlich Briefe, Tagebücher, Erinnerungen. Die sind zum großen Teil erst nach dem Tod veröffentlicht worden. Das ist eine sehr wichtige Rolle, und das hat nichts mit der Kenntnis des Talmuds oder jüdischer Überlieferung zu tun, sondern einfach mit dem Alltag eines Juden innerhalb einer nichtjüdischen, oft genug antisemitischen Gesellschaft.


