Das Neue Berlin

Das Neue Berlin
undefined
Mar 1, 2022 • 1h 46min

Ungleichheit im deutschen Schulsystem – mit Marcel Helbig

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Wir sehen uns gern als Leistungsgesellschaft. Mit sozialer Ungleichheit haben wenige Menschen ein Problem, so lange sie durch die „Leistungen und Fähigkeiten“ des Einzelnen gerechtfertigt ist. Doch schon beim Blick auf die Bildung stößt diese Vorstellung auf Widersprüche. Denn welche Fähigkeiten Kinder erlernen können und was sie damit später leisten dürfen, hängt an extrem ungleichen Bedingungen. Mit Marcel Helbig sprechen wir über Ungleichheit im deutschen Schulsystem. Wir beginnen zunächst historisch. Nach der Weimarer Reichsverfassung, die nun gut 100 Jahre alt ist, wurde erstmals der Gedanke von Gleichheit in der schulischen Bildung verankert. Mit der mindestens vierjährigen Grundschule wurde ein Einrichtung geschaffen, in der Kinder aller Schichten gemeinsam lernen. Auch heute noch besteht ein Sonderungsverbot mit Verfassungsrang, das die Ausgrenzung von Kindern nach Besitzverhältnissen in Schulen untersagt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wir versuchen, die komplizierte Struktur des deutschen Schulsystems zu verstehen, inklusive der Verwerfungen von Wiedervereinigung und demographischen Umbrüchen. Dann widmen wir uns den Mechanismen, die die Ungleichheit in der Schullaufbahn verfestigen: von den ungleichen Vorbedingungen beim Schuleintritt über die ungleiche Bewertung von Schülern aus verschiedenen Milieus bis hin zur sozial-räumlichen Segregation von Stadtteilen und ihren Schulen. Eine besondere, und immer wichtigere Rolle spielen dabei die Privatschulen. Bürgerliche Familien bleiben dort unter sich und verstärken damit die Bildungsungleichheiten weiter. Ein positiver Ausblick fällt schwer. Notizen Marcel HelbigLeibniz-Institut für BildungsverläufeThomas Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert (2014)VolksschuleG8KultusministerkonferenzDemografische DividendeKlaus KlemmGeorg Picht: Die Bildungskatastrophe (1964)Pierre Bourdieu: HabitusKopfnotenMarcel Helbig, Rita Nikolai, Michael Wrase: Privatschulen und die soziale Frage: Wirkung rechtlicher Vorgaben zum Sonderungsverbot in den Bundesländern (2017)Digitales Kolloquium BildungspolitikSonderungsverbot Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Marcel Helbig Verwandte Episoden Dicker als Wasser – Mit Christopher Neumaier über Familie im 20. Jahrhundert Ökonomisierung im Krankenhaus – Mit Robin Mohan und Kaspar Molzberger Wohnen als soziale Infrastruktur – mit Inga Jensen Stadt gegen Land – mit Lukas Haffert Einsam sterben – mit Susanne Loke Was ist eine gute Kindheit? – mit Johannes Drerup und Gottfried Schweiger
undefined
Jan 28, 2022 • 1h 52min

Rights to Natural Resources – with Petra Gümplová

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ From Congo to Afghanistan, natural resources are at the center of many contemporary political conflicts. Yet the mostly arbitrary rights to extract and use these resources are rarely reflected upon in depth. There is a lack of understanding of the historical origins as well as a critical analysis of our current global system of natural resource rights. Our guest Petra Gümplová attempts to do both. In her research, she approaches the topic with a historical genealogy of international law and with a normative theory of justice. For her, international law is simultaneously a historical cause of current injustices and the key to their moral critique. In her historical genealogy, she identifies three central legal principles that have shaped the modern resource regime. The Right of Conquest, the Right of Discovery and Occupation, and the Right of the Freedom of the Seas: all were invented and justified to secure valuable access to resources in distant parts of the world. Like military force and violence, legal considerations formed the basis of colonial practice. Paradoxically, the postwar development of international law then provides the tools for a comprehensive critique of resource injustice. Gümplová advocates a practice-oriented method of normative theory building. Rather than developing principles from an abstract and ideal standpoint, she seeks to draw out the moral implications of current international law standards. For her, a just postcolonial system of control over natural resources must be based on the principle of self-determination and on the comprehensive catalog of human rights. Links Petra Gümplová: “Rights of Conquest, Discovery and Occupation, and the Freedom of the Seas: the Colonial Genealogy of Natural Resource Injustice“ (2021)Petra Gümplová: “Normative View of Natural Resources – Global Redistribution or Human Rights-based Approach?“ (2021)Petra Gümplová: “Sovereign Rights to Natural Resources – A Normative Reinterpretation” (2020)Francisco de VitoriaHugo GrotiusFreedom of the SeasJohn LockeBarbara Arneil: Trade, Plantations, and Property. John Locke and the Economic Defense of Colonialism (1994)Tragedy of the commonsCommon heritage of humanityBenedict Anderson: Imagined Communities Dodd-Frank-ActLieferkettengesetzImmanuel WalltersteinHannah Arendt: Es gibt nur ein einziges Menschenrecht Gast Petra Gümplová Website Verwandte Episoden Muster einer neuen Gesellschaft – Mit Silke Helfrich über die Philosophie der Commons Platz an der Sonne – Mit Ulrike Schaper über postkoloniale Kolonialgeschichte Mit Anja Weiß über die Soziologie globaler Ungleichheiten Postkoloniale Soziologie – mit Marius Meinhof Bürgerliche Kälte – mit Henrike Kohpeiß Universalismus von unten – mit Jule Govrin
undefined
Dec 6, 2021 • 1h 28min

Wohnen als soziale Infrastruktur – mit Inga Jensen

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Mit dem erfolgreichen Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer privater Wohnungsbestände in Berlin scheint die Wohnungsfrage endgültig im Zentrum aktueller sozialer Kämpfe angekommen. Nach den Privatisierungswellen der 90er- und Nullerjahre stehen vielerorts die Zeichen auf eine neue öffentliche Wohnungspolitik, die mit Neubau, Ankauf und gesetzlicher Preisregulierung auf die dramatischen Mietsteigerungen einwirken will. Wir sprechen darüber mit Inga Jensen. Sie arbeitet in ihrer Dissertation zu den Perspektiven der (Re-)kommunalisierung in der Wohnungspolitik am Beispiel Berlin. Ein hoher Bestand an öffentlichen Wohnungen ist für sie unerlässlich, um die Wohnungsfrage sozial zu gestalten. Ein solcher Bestand bietet Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle und der sozialen Mietpreisgestaltung, die gewinnorientierten Unternehmen fremd sind. Mit Inga besprechen wir die verschiedenen politischen Instrumente, die zur Rekommunalisierung zur Verfügung stehen. Ebenso diskutieren wir das Verhältnis von genossenschaftlicher, kommunaler und bundesweiter Wohnungspolitik. Zuletzt denken wir über den Status der Wohnraumversorgung als sozialer Infrastruktur nach. Denn wie die technischen Netze ist auch der Wohnungsbestand von hohen Investitionserfordernissen und Pfadabhängigkeiten geprägt und bedient ein unbestrittenes Grundbedürfnis (mancherorts ein Grundrecht). In dieser Perspektive steht die Berliner Kommunalisierungskampagne in einer Kontinuität mit früheren Initiativen etwa zur Kommunalisierung der Wasserversorgung oder des Stromnetzes. Taugt die Infrastruktur sogar zum politischen Leitbegriff? Hinweis: Die Sendung wurde vor der Veröffentlichung der Koalitionsverträge auf Landes- und Bundesebene aufgenommen. Links Inga Jensen: Wohnraum als soziale Infrastruktur. In: Wohnungsfragen ohne Ende?! (2020)WohnungsgemeinnützigkeitMilieuschutzgebietMietpreisbremseMietendeckelNeue HeimatMietenwatch.dezu den älteren Infrastrukturkämpfen in Berlin: Sören Becker et al.: Infrastruktur in Bürgerhand (2014)eine anspruchsvolle theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept sozialer Infrastrukturen findet sich auch auf dem Blog Links-Netzzum Motiv der Unsichtbarkeit in der Infrastrukturforschung siehe auch Samir Sellami: Die Produktion von Unsichtbarkeit (2020) Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Inga Jensen Website Verwandte Episoden Muster einer neuen Gesellschaft – Mit Silke Helfrich über die Philosophie der Commons Höher, schneller, weiter – Mit Dirk van Laak über die Geschichte der Infrastruktur Das letzte Leben des Neoliberalismus? – Mit Dieter Plehwe über neoliberale Netzwerke Ökonomisierung im Krankenhaus – Mit Robin Mohan und Kaspar Molzberger Ungleichheit im deutschen Schulsystem – mit Marcel Helbig Stadt gegen Land – mit Lukas Haffert Die Infrastruktur der Wissensgesellschaft – mit Eva Barlösius Mit Luisa Schneider über das Leben auf der Straße
undefined
Oct 29, 2021 • 1h 29min

Postkoloniale Soziologie – mit Marius Meinhof

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Ob in Diskussionen um Raubkunst, koloniale Symbole im öffentlichen Raum oder um koloniale Genozide: Die westlichen Gesellschaften lernen erst langsam, Kolonialismus nicht nur als das Andere, sondern als ein wesentliches Strukturmerkmal der eigenen Geschichte zu begreifen. Was daraus für die Politik heute konkret folgt, ist ebenso umstritten wie die Folgen für Geistes- und Sozialwissenschaften. Dies gilt insbesondere für die Soziologie. Ihr Anspruch, zu beschreiben, was gerade „die“ moderne Gesellschaft ausmacht, wird durch den Postkolonialismus herausgefordert. Lässt sich das bereits entwickelte, differenzierte Vokabular von Modernisierung, Herrschaft und Diskriminierung nicht auch für eine Soziologie des Kolonialismus nutzen? Liegt die Aufgabe der Soziologie darin, „den“ Kolonialismus empirisch genau in seine Bestandteile zu zerlegen und historische Fälle zu vergleichen? Oder geht es an die Überprüfung der oft unausgesprochenen Grundlagen des Faches insgesamt? In der Sendung sprechen wir mit Marius Meinhof, der im Rahmen einer Auseinandersetzung in der Zeitschrift SOZIOLOGIE für eine postkoloniale Soziologie wirbt. Nur wer kolonialistische Denkfiguren kennt, kann ein genaues Verständnis davon entwickeln, welche Bestandteile soziologischer Theorie darauf beruhen und in dieser Hinsicht zu überprüfen sind. Meinhof schlägt deshalb vor, den Kanon soziologischer Klassiker um die Klassiker des Postkolonialismus zu erweitern. Man müsse den Postkolonialismus als eigenständiges soziologisches Paradigma begreifen. Links Manuela Boatcă, Sina Farzin und Julian Go: Postcolonialism and Sociology (2018)Markus Holzinger: Alter Wein in neuen Schläuchen oder was ist neu am „neuen Postkolonialismus“? (2019)Marius Meinhof: Postkoloniale Soziologie oder Soziologie des Kolonialismus? Irritationspotentiale postkolonialen Denkens für die Soziologie (2020)Markus Holzinger: Im Westen noch immer nichts Neues. „Soziologie des Kolonialismus“ oder „postkoloniale Soziologie“? (2021)Matthias Leanza und Axel T. Paul: Kolonialismus und globale Moderne. Jenseits der Vereinfachungen (2021)Veranstaltung zum Thema auf dem Kongress der ÖGS/DGS„Writing Culture“-DebatteJulian GoKai-Uwe HellmannDominik SchrageMarius Meinhof: Die Kolonialität der Moderne: Koloniale Zeitlichkeit und die Internalisierung der Idee der ‚Rückständigkeit‘ in China (2021)Marius Meinhof: Contesting Chinese modernity? Postcoloniality and discourses on modernisation at a Chinese university campus (2018)Dipesh Chakrabarty: Provincializing Europe (2000)Aníbal Quijano: Coloniality of Power and Eurocentrism in Latin America (2000)Edward Said: Orientalismus (1978)Ernesto Laclau und Chantal Mouffe: Hegemony and Socialist Strategy. Towards a Radical Democratic Politics (1985)Prasenjit Duara: Rescuing History from the Nation. Questioning Narratives of Modern China (1995)Zoltán Boldizsár Simon: (The impossibility of) acting upon a story that we can believe (2017)Iddo Tavory und Stefan Timmermans: Two cases of ethnography. Grounded theory and the extended case method (2009) Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Marius Meinhof Website Verwandte Episoden Rights to Natural Resources – with Petra Gümplová Bürgerliche Kälte – mit Henrike Kohpeiß Von Mao bis Xi – mit Felix Wemheuer
undefined
Sep 20, 2021 • 1h 14min

Grenzen als Sortiermaschinen – mit Steffen Mau

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Der Fall der Berliner Mauer steht nicht allein für die Wiedervereinigung Deutschlands. Er ist auch Symbol für die Überwindung von Grenzen überhaupt. Die letzten Jahrzehnte schienen immer mehr Freiheit in diesem Sinne zu bedeuten. In der Globalisierung, dem Freihandel oder dem Abbau der innereuropäischen Grenzen meinten die einen schon das Ende der ungeliebten Nation zu erkennen, während die anderen den drohenden Kontrollverlust beklagten. In seinem neuen Buch nimmt Steffen Mau eine Korrektur an diesem Blick auf die Globalisierung vor. Empirisch sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr und immer stärker gesicherte Grenzen entstanden. Sie sind zu „Sortiermaschinen“ geworden, mit denen Staaten die Risiken der Mobilität kontrollieren. Globalisierung bedeutet ebenso sehr Öffnung für die einen wie Schließung für die anderen. Im Gespräch versuchen wir, eine Vorstellung der Grenze im 21. Jahrhundert zu gewinnen. Wie sind nationale Grenzen entstanden? Wie hat sich die Rolle des Staates geändert? Was heißt es, wenn die Grenze mit digitalen Erkennungstechniken aufgerüstet und in Drittstaaten vorverlegt wird? Ist territoriales Denken für uns derart selbstverständlich, dass es unsere politische Vorstellungskraft behindert? Notizen Steffen Mau: Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert (2021)Forschungsprojekt „Die Grenzen der Welt: Prozesse von De- und Rebordering in globaler Perspektive“Georg Simmel: Soziologie des Raumes (1903)Boaz Atzili: Good Fences, Bad Neighbors. Border Fixity and International Conflict (2011)Oder-Neiße-GrenzeBergkarabachkonfliktKrimkriseGwendolyn SasseForschungsprojekt „Das liberale Skript in den umstrittenen Grenzregionen der Ukraine“Jürgen Habermas: Die postnationale Konstellation. Politische Essays (1998)Samuel Huntington: Clash of Civilizations (1996)„The Power of Passports“Einreise-/Ausreisesystem der EUGlobal Entry Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Steffen Mau Twitter Website Verwandte Episoden Klimawandel als Klassenfrage im Werden – mit Linus Westheuser
undefined
4 snips
Jul 16, 2021 • 1h 26min

Mit Johann August Schülein über die Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Die Psychoanalyse ist eine der einflussreichsten Theorien des 20. Jahrhunderts. Sie prägte das moderne Verständnis dessen, was es heißt, ein Subjekt zu sein. In den letzten Jahrzehnten hat sie jedoch an Bedeutung verloren und ist in der akademischen Psychologie weitgehend marginalisiert. Sie gilt als unwissenschaftlich, manchmal sogar als esoterisch. Aktuell kämpft eine Petition für den Erhalt einer der letzten psychoanalytischen Lehrstühle in Deutschland. In der Sendung versuchen wir, die Psychoanalyse wissenschaftstheoretisch zu verorten. Wir sprechen mit Johann August Schülein, der seit vielen Jahre zum Thema forscht. Für Schülein ist das psychodynamische Unterbewusste eine „autopoietische“ Realität. Ihre Dynamik, Reflexivität und Individualität kann nicht von „denotativen“ Theorien erfasst werden, wie sie etwa für naturwissenschaftliche Gegenstände angemessen sind. Psychoanalyse stellt sich (wie andere Sozial- und Geisteswissenschaften) als konnotative Theorie dar. Sie kann ihrem Gegenstand nicht in einem einheitlichen Paradigma gerecht werden. Der Prekarität der Theoriebildung entspricht eine prekäre Institutionalisierung. Nach innen wie nach außen lässt sich nur eine brüchige Einheit herstellen. Schulbildung kann die Pluralität einhegen, bringt aber das Risiko sachlich nicht gerechtfertigter Abschottung mit sich. Überhaupt bleibt der Wissenschaftsstatus umkämpft, Laien von Experten unscharf getrennt. Und nicht zuletzt sind Analysen des Unbewussten bis heute unwillkommen, berühren sie doch den Kern personaler Identität, sind naturgemäß schmerzhaft. Ein wenig Mitschuld an ihrer Situation trägt die Psychoanalyse laut Schülein freilich auch selbst. Zu sehr hat sie auf ihre Reinheit geachtet, und dabei mitunter eine eingehende Theoriediskussion und produktive Anschlüsse an quantitative Methoden versäumt. Für Schülein, emeritierter Professor für Soziologie, wäre demgegenüber ein großes Potential in der Verbindung von psychoanalytischer und soziologischer Forschung zu finden. Dazu müssen beide Disziplinen etwas von ihrer defensiven Selbstüberschätzung ablegen. Links Johann August Schülein: Die Logik der Psychoanalyse (2016)Ders.: Ewige Jugend. Warum die psychoanalytische Theorie die Probleme hat, die sie hat (2012)Ders.: Psychoanalyse und Soziologie: Keine einfache Beziehung (2018)Rolf Haubl und Johann August Schülein: Psychoanalyse und Gesellschaftswissenschaften (2016)Petition „Forderung für den Erhalt des psychoanalytischen Lehrstuhls an der Goethe-Universität“Charles Percy Snow: The Two Cultures (1959)David Riesman: The Lonely Crowd (1950)Richard Sennett: The Corrosion of Character (1998)Alexander Mitscherlich: Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft (1963) Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Johann August Schülein Website Verwandte Episoden Gespräche mit Heisenberg – Zumutungen der Quantentheorie Hands-on-Philosophie – Mit Dagmar Borchers über Angewandte Philosophie Mit Stefan Hirschauer über soziologische Mehrsprachigkeit
undefined
Jun 17, 2021 • 1h 58min

Ökonomisierung im Krankenhaus – Mit Robin Mohan und Kaspar Molzberger

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Wie so viele gesellschaftliche Bereiche wurde auch das Krankenhaus in den letzten Jahrzehnten nach neuen Prinzipien organisiert. Mit gedeckelten Budgets und Fallkostenpauschalen sollte das vermeintlich überteuerte Gesundheitssystem auf Effizienz getrimmt werden. Kliniken sollten zu Konkurrentinnen werden, die Marktbereinigung unwirtschaftliche Häuser aussortieren. Eine tiefgreifende Ökonomisierung hat die Arbeitsweise im Krankenhaus grundsätzlich verändert. Kaspar Molzberger und Robin Mohan haben beide zu diesem Thema promoviert und die Ökonomisierung des Krankenhauses intensiv erforscht. In Interviews mit Pflegern, Ärzten und Management sind sie der Frage nachgegangen, wie sich Ökonomisierung in der konkreten Praxis der Klinik zeigt. Im Zentrum steht dabei das Klassifikationssystem der DRGs, mit dem Krankheitsbilder zusammengefasst und mit durchschnittlichen Behandlungszeiten und ‑kosten versehen werden. Wer über dem Durchschnitt liegt, macht Minus, wer besser ist, kann Gewinne erwirtschaften – was viele privatgeführte Krankenhäuser rentabel tun. Im Gespräch mit unseren beiden Gästen rekonstruieren wir die historischen Entwicklungslinien des modernen Krankenhauses. Ebenso sprechen wir über dessen traditionelle Arbeitsteilung und wie unterschiedlich sich die Ökonomisierung beim ärztlichen und dem Pflegepersonal auswirkt. Während bestimmte ärztliche Prozeduren hochrentabel sein können, wird die Pflege zum Kostenfaktor. Personalabbau und Arbeitsverdichtung sind die Folge. Andererseits kommt auch das ärztliche Professionsethos immer wieder in Konflikt mit ökonomischen Zielsetzungen. Zuletzt diskutieren wir, wie sich Ökonomisierung theoretisch fassen lässt. Unsere Gäste sind uneins: Robin Mohan plädiert dafür, die Ökonomisierung der Organisation ins gesellschaftstheoretische Verhältnis zu setzen und den Begriff in Zusammenhang mit der Warenlogik des Kapitalismus zu bestimmen. Kaspar Molzberger verortet die Ökonomisierung in einer historisch spezifischen Praxis der Kalkulation, die nur in der Organisation selbst wirklich rekonstruierbar ist. Links Robin Mohan: Die Ökonomisierung des Krankenhauses (Open Acess)Kaspar Molzberger: Autonomie und Kalkulation (Open Acess)Robin Mohan: Ökonomisierung im Kapitalismus. Umriss eines theoretischen Zugangs. In: Otto: Soziale Arbeit im KapitalismusKaspar Molzberger: Das Krankenhaus als anpassungsfähiges Netzwerkarrangement? In: Stegbauer/Clemens: Corona-NetzwerkeMichael Simon: Krankenhauspolitik in der Bundesrepublik DeutschlandJürgen Johann Rohde: Soziologie des Krankenhauses. Zur Einführung in die Soziologie der MedizinThorsten Peetz: Mechanismen der ÖkonomisierungBruno Latour: ExistenzweisenInstitut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH)Kritische Mediziner*innenDRGs (Diagnosebezogene Fallgruppen) Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gäste Kaspar Molzberger ResearchGate Robin Mohan Verwandte Episoden Höher, schneller, weiter – Mit Dirk van Laak über die Geschichte der Infrastruktur Das letzte Leben des Neoliberalismus? – Mit Dieter Plehwe über neoliberale Netzwerke Mit Jenni Brichzin über politische Praxis in Parlamenten Wohnen als soziale Infrastruktur – mit Inga Jensen Ungleichheit im deutschen Schulsystem – mit Marcel Helbig
undefined
May 14, 2021 • 1h 39min

Mit Ellen von den Driesch über die Demographie des Suizids in der DDR

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Sich selbst das Leben nehmen – es gibt nur wenige derart existenzielle Entscheidungen. So individuell der Suizid im Einzelnen sein mag, so zeigt seine statistische Häufung doch Regelmäßigkeiten, haben unterschiedliche Regionen oder Ländern ihre eigenen Muster. Im Kalten Krieg sind diese zum Medium der Systemkonkurrenz geworden. Die chronisch hohen Suizidzahlen in der DDR, geheimgehalten von der politischen Führung, galten als Beweis für die drückenden Lebensbedingungen im Sozialismus. Doch was ist dran an dieser Erzählung? Ellen von den Driesch gibt in ihrem Buch Unter Verschluss erstmals belastbare Antworten, indem sie die in der Wendezeit verloren gegangenen Statistiken aufgespürt und umfassend ausgewertet hat. Wir sprechen mit ihr zunächst über die Grundlagen der demographischen Suizidforschung, den Suizid in der DDR und schließlich die Ergebnisse ihrer Studie. Dabei diskutieren wir, was am Wort „Selbstmord“ problematisch ist, was die Soziologie seit Durkheim dazugelernt hat und welchen Erklärungswert soziale Makrophänomene wie Modernisierung haben können. Bei all dem bleibt die Vorsicht: Keine Korrelation berechtigt zur Erklärung eines einzelnen individuellen Suizids. Diese Beschränkung soziologischer Erklärungskraft muss bei jeder Interpretation präsent bleiben. Notizen Ellen von den Driesch: Unter Verschluss. Eine Geschichte des Suizids in der DDR 1952–1990 (Open Access)Statistik des Suizid (Wikipedia)ICD 10 X60-X84: Vorsätzliche SelbstbeschädigungÉmile Durkheim: Der Selbstmord (1897)Tomáš Masaryk: Der Selbstmord als sociale Massenerscheinung der modernen Civilisation (1881)Ökologischer FehlschlussWerther-EffektSpiegel-Artikel von 1963 zum Suizid in der DDRDas Leben der AnderenZentralverwaltung für StatistikHaus der StatistikDatensatz: Suicide, demographic, socio-structural, infrastructure and crime statistics of the German Democratic Republic, 1952 – 1990 (GESIS) Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Ellen von den Driesch Website Verwandte Episoden Von Mao bis Xi – mit Felix Wemheuer
undefined
Apr 13, 2021 • 2h 30min

Mit Jochen Kibel über kollektive Identitäten durch Museumsbauten

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ In den letzten Jahrzehnten hat es eine Reihe architektonischer Rekonstruktionen in Deutschland gegeben. Ob am Frankfurter Markt, der Frauenkirche oder dem Berliner Schloss. In den Debatten um solche prestigereichen Bauprojekte geht es selten um rein funktionale Fragen. Gelesen werden die Gebäude stattdessen als Verräumlichung kollektiver Identität. Und das wird schnell zum Politikum: Will man eine detailgetreue Wiederherstellung eines historischen Ideals oder die Sichtbarkeit geschichtlichen Wandels? Unserem Gast Jochen Kibel geht es weniger um ein politisches Urteil als um die spezifischen zeitlichen und räumlichen Logiken in den konkurrierenden Erinnerungsdiskursen. In seiner Dissertation hat er die Debatten um die Rekonstruktion des Neuen Museums in Berlin und den Umbau des Militärhistorischen Museums in Dresden analysiert. Welche Beziehung zur Vergangenheit wird im Bau konstruiert? Wir sprechen mit ihm über aggressive Geschichtsrhetorik, unübersichtliche Planungsprozesse und die Mehrdeutigkeit historischer Authentizität. Links Jochen Kibel: Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit. Kollektivierungsdiskurse und ihre Codes der Verräumlichung (2021, Open Access)Graduiertenkolleg Identität und ErbeNeues Museum BerlinMilitärhistorisches Museum der Bundeswehr DresdenFachgebiet Denkmalpflege an der Technischen Universität BerlinRekonstruktion in der ArchitekturJoachim FischerGesellschaft Historisches BerlinHermann Lübbe: Der Fortschritt und das Museum (1983)Jürgen StraubMartina Löw: Raumsoziologie (2000)Episode 53 mit Gunter Weidenhaus über soziale RaumzeitClaude Lévi-Strauss, Kalte und heiße Kulturen oder OptionenTzvetan TodorovBerliner MuseumsinselAdolf Behne: Die Museumsinsel – eine Tragödie Berliner Städtebaues (1930)Altes MuseumWilhelm von KaulbachFriedrich Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben (1874)Eduard GaertnerArtikel in der Bauwelt zur „ergänzenden Wiederherstellung“Informationen zum Wiederaufbau des Neuen Museums beim Bundesamt für Bauwesen und RaumordnungStiftung Preußischer KulturbesitzJames-Simon-GalerieDavid ChipperfieldFrank GehryMary Douglas: Purity and Danger (1966)Jan Assmann: Erinnern, um dazuzugehören. Kulturelles Gedächtnis, Zugehörigkeitsstruktur und normative Vergangenheit (1995)Arnold GehlenHelmut Schelsky: Institutionalisierte DauerreflektionAleida Assmann: Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur (2013)Heike Delitz Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gast Jochen Kibel Website Verwandte Episoden Höher, schneller, weiter – Mit Dirk van Laak über die Geschichte der Infrastruktur Durch Raum und Zeit – Mit Gunter Weidenhaus über soziale Raumzeit Das Mittelalter vermitteln – mit Andrej Pfeiffer-Perkuhn
undefined
Mar 1, 2021 • 1h 27min

Ökologie in der soziologischen Theorie – Mit Katharina Block, Andreas Folkers und Katharina Hoppe

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Die drohende ökologische Katastrophe wird sich nicht allein technisch abwenden lassen. Sie verlangt radikales Umdenken, neue Konzepte und komplexe Erklärungen. Kurz: Theorie. Doch auch die Theorie muss sich dabei selbst in Frage stellen. Sie muss Inventur machen, welche ihrer Werkzeuge noch für die veränderte Wirklichkeit taugen. Ende Januar 2021 hat eine Tagung mit dem Titel Die ökologische Frage danach gefragt, was die soziologische Theorie zum Verständnis der ökologischen Krise leisten kann und inwieweit sie selbst von dieser herausgefordert wird. Wir sprechen in der Folge mit den VeranstalterInnen Katharina Block, Andreas Folkers und Katharina Hoppe. In einer Mischung aus Tagungsrückblick und freier Diskussion versuchen wir, Kernfragen einer problembezogenen Sozial- und Gesellschaftstheorie herauszuarbeiten. Wir diskutieren, wie sich das Soziale in seiner konstitutiven Verwobenheit mit der nicht-menschlichen Welt am besten auf den Begriff bringen lässt. Wie kann man den anthropozentrischen und ethnozentrischen Bias der Soziologie überwinden? Muss sie dafür eine neue Wissenschaft werden? Und in welcher Beziehung steht sie dann zu den „echten“ Naturwissenschaften? Zentraler Bezugspunkt in der Diskussion bleibt dabei die Moderne in ihren immanenten Logiken, Zwängen, aber auch Mehrdeutigkeiten. Links Tagungsprogramm »Die ökologische Frage«Elena BeregowDoris SchweitzerAthanasios KarafillidisFranka SchäferBruno LatourNiklas LuhmannMichel FoucaultNeue MaterialismenUlrich Beck: Die Metamorphose der WeltAchille Mbembe: Nekropolitik Transkript Das Transkript zur Episode ist hier abrufbar. ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen. Gäste Katharina Block Website Andreas Folkers Website Katharina Hoppe Website Verwandte Episoden Die fetten Jahre sind vorbei – mit Andrea Vetter vom Konzeptwerk Neue Ökonomie Denken in Faltungen – Mit Robert Seyfert über transvitalistische Lebenssoziologie Wohlstand an der Grenze – Mit Max Koch über nachhaltige Wohlfahrt

The AI-powered Podcast Player

Save insights by tapping your headphones, chat with episodes, discover the best highlights - and more!
App store bannerPlay store banner
Get the app