
ÄrzteTag
ÄrzteTag - der Podcast der "Ärzte Zeitung". Wir blicken kommentierend und persönlich auf den Tag, wichtige Ereignisse und Meilensteine. Wir laden Gäste ein, mit denen wir über aktuelle Ereignisse aus Medizin, Gesundheitspolitik, Versorgungsforschung und dem ärztlichen Berufsalltag reden.
Latest episodes

Jan 6, 2024 • 37min
BVKJ-Präsident Hubmann: „Das Versorgungsgefährdungs-Puzzle in der Pädiatrie besteht weiter“
Zur kinder- und jugendärztlichen Versorgung
Die Entbudgetierung der kinder- und jugendärztlichen Leistungen ab April 2023 war die vielleicht wichtigste gesundheitspolitische Errungenschaft der Pädiater im vergangenen Jahr. Aber sie ist allein keine hinreichende Bedingung dafür, dass die ambulante pädiatrische Versorgung gesichert bleibt. Die Entbudgetierung habe den Kolleginnen und Kollegen schon etwas gebracht, vor allem in den Stadtstaaten, wo die Budgetierung besonders stark griff.
„Das Versorgungsgefährdungs-Puzzle in der Pädiatrie besteht trotzdem weiter“, beschreibt der seit Dezember 2023 amtierende Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen Dr. Michael Hubmann die aktuelle Situation für seine Fachgruppe im „ÄrzteTag“-Podcast. „Uns fehlt die Luft zum Atmen, wir verbrauchen zu viel Energie, um zu erfahren, wo es ein freies Bett auf einer Kinderstation gibt, in die wir ein akut schwer erkranktes Kind schicken können. Und wir verbrauchen zu viel Energie, um zu erfragen, welche Medikamente in der Apotheke noch vorrätig sind.“
Zu den Puzzleteilen, die eine gute ambulante Versorgung gefährden, gehörten außerdem die überbordende Bürokratie und die Misstrauenskultur, die Ärztinnen und Ärzten überall entgegenschlage. „Wieso muss ein Arzt, der einer 50-jährigen Mukoviszidose-Patientin Sauerstoff verordnet, dies vor der Krankenkasse rechtfertigen. Das macht doch keinen Sinn, es läuft doch niemand freiwillig mit einer schweren Sauerstoff-Flasche herum!“, ärgert sich Hubmann. Oder die Hilfsmittelverordnung für ein schwerbehindertes Kind, die zuerst vom MDK abgelehnt wird, weil eine Einwilligungserklärung fehlt: Hubmann: „Das nimmt einem doch den Spaß an der Arbeit.“
Positiv beschreibt der BVKJ-Chef die Arbeit in der Arzneimittel-Task-force in Bayern, zusammen mit Pharma-Industrie, Großhandel und Apotheken, die jetzt auch bundesweit aufgegriffen worden sei. Man könne nicht erwarten, dass die Lieferprobleme, die über viele Jahre hinweg entstanden sind, mit einem Federstrich beseitigt werden können. Aber die Zusammenarbeit über die Berufsgrenzen hinweg sei sehr konstruktiv.
Im Gespräch fordert der Pädiater eine „enkeltaugliche Gesundheitspolitik“, die verantwortlich mit den Ressourcen umgehe. Wichtig sei es, sich dabei realistische Ziele zu setzen, damit in der immer komplexer werdenden Politik der Überblick nicht verloren geht. Dazu gehörten mehr Medizin-Studienplätze, eine gemeinsame, über die Sektorengrenzen hinausdenkende Weiterbildung, die Kinderheilkunde in Kliniken als Teil der Daseinsvorsorge zu sehen und eine Umgestaltung der Gesundheitsversorgung weg vom Quartalsdenken und von den Budgets, hin zu mehr Steuerung der Patienten.
Nicht zuletzt berichtet Hubmann im Podcast auch, warum er es für so wichtig hält, sich als Pädiater in der Politik einzubringen, warum der Beruf des Pädiaters aus seiner Sicht der Schönste ist, den es gibt, und was zu tun ist, damit es auch in den nächsten zehn Jahren so bleibt.

Jan 4, 2024 • 41min
Sind Patienten schneller zu Fuß in der Apotheke als das E-Rezept über die TI, Herr Neumann?
Der Produktmanager E-Rezept bei der gematik im Podcast
1,3 Millionen ausgestellte E-Rezepte am ersten Arbeitstag des Jahres: Die Bilanz könnte trotz gemeldeter Störungen gleich zum Jahreswechsel schlechter aussehen, meint Hannes Neumann, Produktmanager der gematik für das E-Rezept. Im „ÄrzteTag“-Podcast räumt Neumann Probleme mit der neuen Pflichtanwendung in den ersten Tagen ein. Die Kommunikation der ersten Störungen sei nicht gut gelaufen, und die technischen Probleme selbst seien ebenfalls unglücklich gleich beim Start.
So betreffe die gemeldete Störung beim Einlösen der E-Rezepte für die E-Rezept-Apps der IKK-, BKK- und DAK- sowie am folgenden Tag auch der AOK-Versicherten lediglich diejenigen, die bereits eine elektronische Identität von ihrer Kasse bekommen haben. Und das sei deutschlandweit eine dreistellige Anzahl von Versicherten, so Neumann.
Er räumt ein, dass in den Praxen aktuell viel Aufwand dadurch entsteht, dass die Patienten über die neue Anwendung zu wenig aufgeklärt worden seien von ihren Krankenkassen. Und er sagt, dass er nicht glücklich darüber ist, dass die neue Anwendung vom Gesetzgeber sanktionsbewehrt ist. Viel besser wäre es, wenn neue Anwendungen deshalb genutzt werden, weil sie in der Praxis und den Patienten Mehrwert bieten.
Das aber sei beim E-Rezept durchaus der Fall, so Neumann weiter. So müssten Patienten nach einer Videosprechstunde dank des E-Rezepts nicht noch extra in die Praxis kommen, um das Rezept abzuholen. Auch der Aufwand am Praxisempfang reduziere sich, wenn weniger Patienten nur kommen, „um Papier abzuholen“.
Neumann nimmt auch Stellung zu anderen technischen Problemen, die zuletzt aufgetreten sind im Zusammenhang mit dem E-Rezept, etwa zu den Ausfällen der TI beim Einlösen der E-Rezepte über das Stecken der Gesundheitskarte in der Apotheke. Oder zur teilweise nicht korrekten Berufsbezeichnung.
Auch den Vorwurf, dass Patienten schneller zu Fuß in der Apotheke seien als das E-Rezept via Datenleitung lässt der E-Rezept-Produktmanager nicht auf sich sitzen: In allen Fällen, die die gematik untersucht habe, stehe dahinter ein falscher Umgang in der Praxis mit der Signatur. Bei der eAU sei es anders als beim E-Rezept, betont Neumann: „In einer akuten Behandlungssituation muss der Arzt oder die Ärztin das E-Rezept direkt digital unterschreiben, sonst geht es nicht auf den Server.“
Hier sei ein anderer Arbeitsablauf in der Praxis erforderlich als bei der Unterschrift unter die eAU, die am Tag anfallen: Diese sei nicht zeitkritisch – anders als das E-Rezept für einen Patienten, der seine Arznei direkt abholen will. (Dauer: 42:24 Minuten)

Dec 30, 2023 • 36min
Praxisschließungen: Wo drückt der Schuh die Dermatologen am meisten, Dr. von Kiedrowski?
BVDD-Präsident von Kiedrowski zieht Bilanz zu den Ärzteprotesten
Die Versorgungssituation in der Dermatologie spitzt sich zu, besonders auf dem Land. Auch deshalb hat sich der Berufsverband der Deutschen Dermatologen als einer von 23 Verbänden an den vom Virchowbund im Rahmen der Aktion „Praxis in Not“ initiierten Praxisschließungen und Protesten zwischen den Jahren beteiligt.
Auch wenn er in Urlaub gehe, sei es bereits schwierig, eine Praxisvertretung zu bekommen, berichtet Dr. Ralph von Kiedrowski, Hautarzt in Selters im Westerwald und Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen, im „ÄrzteTag“-Podcast.
Vor der Praxisschließungszeit habe die Praxis rechtzeitig organisiert, dass die chronisch kranken Patienten genügend Dauermedikation vorrätig haben. Außerdem hat er in seiner Praxis mit Plakaten über die Schließung und die Gründe dafür informiert: wenig attraktive Rahmenbedingungen für die Niederlassung, hohe Bürokratielast, holprige Digitalisierung, budgetierte Honorare und Regresse. Insgesamt gehe er davon aus, dass die Praxisschließungen für den einen oder anderen Patienten „unangenehme Folgen“ gehabt haben könnten, weil „das bequeme Aufsuchen einer Praxis zwischen den Jahren“ eben nicht möglich gewesen sei.
Dermatologen leiden unter Regressandrohungen
Im Gespräch geht von Kiedrowski außerdem auf die spezifischen Probleme der Dermatologen ein. Diese litten besonders unter den niedrigen Fallwerten und müssten deshalb „in die Masse“ gehen – was auf Kosten der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit schwereren Erkrankungen gehe, für die dann die Zeit fehle.
Regresse etwa beim Sprechstundenbedarf und Regressandrohungen bei bestimmten hochpreisigen Medikamenten, beispielsweise bei Psoriasis, bei atopischer Dermatitis oder bei Allergien verschreckten die Kolleginnen und Kollegen teilweise so sehr, dass die Versorgung der Patienten nicht sichergestellt werden könne.
Im Podcast geht der BVDD-Präsident auch darauf ein, wie die Proteste im Januar fortgeführt werden könnten, falls das Spitzengespräch mit dem Gesundheitsminister Anfang Januar „nur Gelaber“ bringe und keine konkreten Fortschritte. Und nicht zuletzt beschreibt von Kiedrowski auch, warum auch Dermatologen und nicht nur Hausärzte und Krankenhäuser kompetent seien, bei Maßnahmen gegen den Klimawandel und bei Hitzeschutzplänen mitzuwirken.

Dec 28, 2023 • 22min
Praxisschließungen: Wie ziehen Sie die Patienten auf Ihre Seite, Herr Sommerbrodt?
Allgemeinmediziner Christian Sommerbrodt zu Ärzteprotesten
Kein Streik – nur für Patientinnen und Patienten ist die Gemeinschaftspraxis von Allgemeinmediziner Christian Sommerbrodt in der Innenstadt von Wiesbaden zwischen den Jahren geschlossen. Stattdessen arbeitet das Praxisteam die Verwaltungstätigkeiten ab und stellen die Quartalsabrechnung fertig. Die unterschiedlichen Formen des Protests in den Praxen, die teilweise auch gar nicht arbeiteten oder nur ihre Terminsprechstunde aufrechterhielten, erläutert Sommerbrodt, der auch erster Vorsitzender des Hausärzteverbands in Hessen ist, im „ÄrzteTag“-Podcast.
Auch dazu, warum Hausärztinnen und Hausärzte prinzipiell nur ungern ihre Praxen schließen und warum sich der hessische Landesverband der Hausärzte dennoch an den bundesweiten Aktionen beteiligt und warum das nicht alle Landesverbände tun, gibt Sommerbrodt Auskunft.
Es gehe um den Erhalt der ambulanten Versorgung, um attraktivere Rahmenbedingungen, um junge Ärztinnen und Ärzte für die Praxen zu gewinnen und gleichzeitig ältere bei der Stange zu halten. „Wir müssen dabei auch über Geld reden“, räumt Sommerbrodt ein, aber das eigentliche Thema sei, dass die Bürokratie die Versorgung mehr behindere als ein paar Tage Praxisschließungen.
Der Allgemeinmediziner bedauert im Gespräch, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Proteste „auf Geld herunterdiffamiert“. Die Bevölkerung, die gerade auf dem Land merke, wie knapp die Kapazitäten mittlerweile geworden seien. Ärztinnen und Ärzte und ihre Praxisteams versorgten ambulant Patienten bei 720 Millionen Behandlungsanlässen im Jahr. Wenn hier größere Schwierigkeiten auftreten sollten, dann „gehen die Krankenhäuser, die bisher 16,8 bis 20 Millionen“ Behandlungsfälle zu betreiben haben, schnell in die Knie.“
Dass die Proteste nützten, zeige sich auch darin, dass es jetzt Anfang des Jahres „endlich“ zu einem Gipfel zur ambulanten Versorgung im Gesundheitsministerium komme. Das hätten die Ärzte bereits lange gefordert.

Dec 27, 2023 • 24min
Erreichen Sie Ihre Kollegen mit den Protestaktionen zwischen den Jahren, Dr. Heinrich?
SpiFa- und Virchowbund-Chef Dr. Dirk Heinrich erläutert die Ziele der Ärzteproteste
Saure-Gurken-Zeit in den Weihnachtsferien zwischen den Jahren? Nicht 2023! Kurz vor Weihnachten wurde die Hybrid-DRG-Verordnung veröffentlicht, ihr Inhalt, die nächsten Schritte der Ambulantisierung, hat bei vielen Betroffenen Ratlosigkeit hinterlassen, weckt aber auch manche Hoffnungen bei ambulanten Operateuren. Gleichzeitig sind am Mittwoch Ärzteproteste und Praxisschließungen in die Schlagzeilen geraten.
Der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands und der Bundesvorsitzende des Virchowbundes Dr. Dirk Heinrich hat die Praxisschließungen im Rahmen der Aktion „Praxis in Not“ im „ÄrzteTag“-Podcast verteidigt. Nach der Streichung der Neupatientenregelung, nachdem die MFA bei den Corona-Boni vergessen worden seien, und nach dem mageren Plus von 3,8 Prozent beim Orientierungswert trotz hoher Inflation seien viele Praxen „in echter Schieflage“. Viele Kolleginnen und Kollegen, die mit 63 sonst durchaus noch ein paar Jahre bis 68 dranhängen würden, kündigten ihren baldigen Rückzug an, wenn sich nicht schnell etwas ändere. „Die brauchen wir aber“, so Heinrich, weil so schnell nicht genügend Nachwuchs gewonnen werden könne.
„Was nicht attraktiv ist, kann ich nicht schön reden“, betont Heinrich mit Blick auf Versorgerpraxen mit einem geringen Privatanteil und Auszahlungsquoten um die 70 Prozent. Die Aktion sei auf jeden Fall erfolgreich, viele Patienten ermutigten die Kolleginnen und Kollegen, für bessere Bedingungen zu kämpfen, und Minister Lauterbach habe mittlerweile für Anfang Januar zu einem Krisengipfel eingeladen.
Etwas optimistischer beurteilt der HNO-Arzt die Chancen, die sich aus der Hybrid-DRG-Verordnung ergeben. Heinrich glaubt, dass auch ohne weitere Klärung der Abrechnungsbesonderheiten Ärztinnen und Ärzte mit den in der Verordnung genannten 244 Operationen loslegen können, weil die Abrechnung mit den Krankenkassen direkt ablaufen dürfe, das sei in der Verordnung festgelegt. „Die zehn Rechnungen für Krankenkassen im Quartal kann ein Operateur schon schreiben, Privatrechnungen werden ja auch geschrieben.“
Im Podcast erläutert Heinrich weiter, wie es bei der Ambulantisierung weitergehen könnte, warum die Klinikreform durch eine langfristig geplante Ambulantisierung und eine strukturierte Notfallreform flankiert werden muss und was Leser der „BILD-Zeitung“ zum Streikrecht für Ärztinnen und Ärzte sagen.

Dec 21, 2023 • 32min
Wann sind Abnehmspritzen sinnvoll, Herr Professor Martin?
Im „ÄrzteTag“-Podcast spricht der Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) darüber, wie sich aufgrund der Studienlage und seinen Erfahrungen die Medikamente sinnvoll einsetzen lassen.
Adipositas ist ein Riesenproblem und besonders auch in Deutschland: Seit vielen Jahren werden immer mehr Menschen krankhaft übergewichtig und das, obwohl seit Jahrzehnten pausenlos Ernährungs- und Diätempfehlungen, Werbung für Niedrigkalorien-Lebensmitteln, für Bewegung und Fitnessstudios auf uns einprasseln. Neue Hoffnung geben Betroffenen nun Medikamente wie Semaglutid und Tirzepatid, mit denen sich ähnlich stark abnehmen lässt, wie mit einer chirurgischen Magenverkleinerung.
Die neuen Arzneien zur Gewichtsreduktion haben jedoch einen Pferdefuß: Um dauerhaft abzunehmen, müssen diese auch dauerhaft gespritzt werden, möglicherweise sogar ein Leben lang. Werden die Mittel abgesetzt, dann kommt die alte Körperfülle wieder zurück, wie gerade die Surmount-4-Studie mit Tirzepatid bestätigt hat.
Für wen ist daher eine Gewichtsreduktion mit den Medikamenten medizinisch sinnvoll? Mit welchen Lebensstiländerungen lässt sich die Therapie mit den Arzneimitteln flankieren? Und von welchen alten Zöpfen bei der Ernährungsberatung müssen wir uns dabei verabschieden? Der Diabetologe Professor Stephan Martin aus Düsseldorf forscht mit seinem Team seit vielen Jahren zu Ernährung bei Typ-2-Diabetes und Übergewicht und nutzt auch Abnehmspritzen. Im „ÄrzteTag“-Podcast spricht der Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) darüber, wie sich aufgrund der Studienlage und seinen Erfahrungen die Medikamente sinnvoll einsetzen lassen. (Dauer: 31:30 Minuten)

Dec 19, 2023 • 54min
Kommt die psychotherapeutische Versorgung bei Reformen zu kurz, Frau Benecke und Frau Maur?
Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert von der Ampelkoalition eine Reform der Bedarfsplanung
Erst sah alles so gut aus: Im Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien Reformpläne für eine bessere psychotherapeutische Versorgung festgehalten. Doch jetzt lassen diese Veränderungen auf sich warten. Entsprechend weniger Geduld hätten auch die Kolleginnen und Kollegen, die alltäglich mit Problemen wie dem hohen Bedarf, langen Wartezeiten und begrenzten Möglichkeiten konfrontiert sind. Davon berichten Dr. Andrea Benecke, seit diesem Sommer Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer, und Vize-Präsidentin Sabine Maur.
„Sicher ist es so, dass es im ganzen Gesundheitsbereich sehr viel zu tun gibt. Warum aber anderes wichtiger ist als die gute Versorgung psychisch kranker Menschen, erschließt sich uns nicht“, sagt Maur. In der Bedarfsplanung sei dringend eine Anpassung nötig. „Wir fordern eine Reduktion der Verhältniszahlen um 20 Prozent“, erklärt Benecke. Nur so ließen sich die Wartezeiten gerade im ambulanten Bereich reduzieren. Umgerechnet bedeute das in etwa 1.600 mehr Kassensitze.
Obwohl die Unzumutbarkeit der aktuellen Wartezeiten allen klar sein müsse, gehe es mit der versprochenen Reform nicht voran. Minister Lauterbach sei für sie nicht zu erreichen, berichten Maur und Benecke. „Aber unsere Anliegen, die Schwierigkeiten und Probleme, sind im BMG bekannt. Da kann sich keiner rausreden“, sagt Benecke. Warum beide müde sind, besonders gegenüber Krankenkassen und Politik immer wieder die gleichen Vorurteile entkräften zu müssen und wie sie mit ihren Anliegen durchdringen wollen, erklären die Psychotherapeutinnen im Podcast.

Dec 15, 2023 • 48min
Wie geht es beim E-Rezept für die Praxen weiter, Herr Mazhari?
Wie es mit dem bald verpflichtendem E-Rezept im Praxisalltag läuft
Die Anzahl der täglich eingelösten E-Rezepte wächst laut Dashboard der TI-Betriebsgesellschaft gematik und liegt mittlerweile an manchen Tagen bei über 300.000 Verordnungen. Der Anteil der E-Rezepte am gesamten Verordnungsvolumen geht damit in Richtung zehn Prozent. Doch ist damit alles bereit dafür, dass alle Vertragsärztinnen und -ärzte das elektronische Rezept in zweieinhalb Wochen verpflichtend können müssen?
Darüber haben wir im „ÄrzteTag“-Podcast mit Reza Mazhari gesprochen, als Fachbereichsleiter IT-Service / eHealth und Digitalisierung in der Versorgung „Mister E-Rezept“ in der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Er berichtet über die Aktivitäten der KV, ihre Mitglieder zu schulen und die Erfolge, die damit erzielt worden sind. Nach seiner Schätzung dürften mittlerweile 90 Prozent der KV-Mitglieder in Niedersachsen E-Rezept-fähig sein, und erste Ärztinnen und Ärzte seien so weit, dass sie 70 bis 80 Prozent ihres täglichen Rezeptaufkommens über die elektronische Variante abwickeln.
Mazhari berichtet aber auch über Probleme: Beispielsweise sei die Einlöse-Variante über das Stecken der elektronischen Gesundheitskarte sehr „ausfallanfällig“. Das wiederum bringe Probleme bei der Akzeptanz der elektronischen Verordnung, weil Patientinnen und Patienten im Fall der Fälle gezwungen seien, nochmals in die Praxis zu gehen, um sich den Papier-Beleg abzuholen, falls sie nicht über die E-Rezept-App der gematik verfügen. Das sei bei Muster 16 nicht so häufig erforderlich.
Probleme gebe es auch immer noch in einigen Praxisverwaltungssystemen, weil die digitale Signatur nach wie vor zu viel Zeit in Anspruch nimmt, auch wenn Mazhari durchaus Fortschritte bei vielen Systemen sieht. Das E-Rezept sei dennoch „die allererste Anwendung, die Sinn ergibt und die Praxisabläufe beeinflussen wird“.
Mazhari ruft die Ärztinnen und Ärzte, die sich über Wartezeiten – „die Sanduhr bei TI-Anwendungen“ – ärgern, dazu auf „fair zu bleiben“ und einmal den gewohnten analogen Ablauf mit der Stoppuhr zu begleiten und dann zu vergleichen. Immerhin werde mit der E-Rezept auch Papier gespart.
Im Podcast spricht Mazhari außerdem darüber, welche Komponenten Ärzte fürs E-Rezept benötigen, über die Vorteile, die das E-Rezept bringen könnte, wenn es im Praxisalltag integriert ist, und über Qualitätsprobleme in den Praxisprogrammen.

Dec 7, 2023 • 26min
Kann die Kooperation von KV und Kommunen die Versorgung sichern, Frau Dr. Moreno?
Die Leiterin der Abteilung Sicherstellung für KV Rheinland-Pfalz im Interview
Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Mit einer eigenen Initiative versucht die KV im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz die Gemeinden und kleinen Städte mit ins Boot zu holen, um jüngeren Ärztinnen und Ärzten die Niederlassung schmackhaft zu machen. Dabei geht es nicht nur um eine finanzielle Förderung, sondern auch um das Umfeld.
Im „ÄrzteTag“-Podcast erläutert Dr. Nadja Moreno, die Leiterin der Abteilung Sicherstellung der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, wie über die Initiative der KV die Zusammenarbeit tatsächlich vorankommt. Dabei geht es nicht nur um das Fördergeld, sondern „die Gesamtumstände müssen passen“, so Moreno im Podcast. Die KV schüttet nach Auskunft der Leiterin der Abteilung Sicherstellung einen mittleren fünfstelligen Betrag aus, zusätzlich kommen teilweise Geld oder auch günstige Räumlichkeiten hinzu.
Die KVen müssten manchmal aber auch „Purzelbäume schlagen“, um trotz Bedarfsplanung auf einen absehbaren Ärztemangel in einer Region reagieren zu können, die aber noch gesperrt sei wegen Überversorgung, so Moreno weiter.
Sehr wichtig sei es auch, dass es im Land „viele Ärztinnen und Ärzte“, die „dynamisch“ die Verantwortung für die Versorgung in die Hand nehmen. Auch Ärztenetze im Land seien teilweise sehr aktiv, etwa das Netz in Worms. Gemeinden seien in Rheinland-Pfalz auch aktiv als Träger kommunaler MVZ, unter anderem in Montabaur und in Grünstadt – diese im SGB V eröffnete Möglichkeit helfe durchaus an der einen oder anderen Stelle.
Im Podcast gibt die KV-Vertreterin auch eine Einschätzung über die Projekte in der Gesetzgebung, die Versorgung auf dem Land voranzubringen, etwa Gesundheitskioske auf dem Land, Telemedizin in der Apotheke oder Primärversorgungszentren. (Dauer: 25:39 Minuten)

Dec 4, 2023 • 20min
Gibt es Antisemitismus auch in Praxen jüdischer Ärzte, Herr Dr. Schuster?
Arzt und Präsident des Zentralrats der Juden
Ob in Demonstrationen, über Schmierereien auf Häusern oder über Anfeindungen von Jüdinnen und Juden auf der Straße: So viel offenen Antisemitismus gab es nie in Deutschland seit dem Ende der Diktatur der Nationalsozialisten und seit dem Ende des Holocausts wie seit dem Terroranschlag der Hamas und dem Beginn des Krieges im Gazastreifen. „Enttäuscht und alarmiert“ sei er von dieser Entwicklung, äußert sich der Arzt und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster im „ÄrzteTag“-Podcast.
Der lange Zeit als Internist in Würzburg niedergelassene Mediziner macht sich vor allem Sorgen über das „Hufeisen-Syndrom“ – dass nun auch vom linken politischen Lager offen antisemitische Töne kommen: „Das gemeinsame Feindbild verbindet jetzt Rechte, Linke und Menschen mit Migrationshintergrund“, beschreibt Schuster die Entwicklung.
Persönlich habe er antisemitische Äußerungen in der Praxis nie erlebt. Er sei als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Würzburg aber auch hinreichend bekannt gewesen. „Wer zu mir in die Praxis kam, wusste in der Regel, dass ich Jude bin. Wer nicht zu einem jüdischen Arzt gehen wollte, der konnte unter vielen anderen internistischen Praxen wählen.“ In Notdienst-Einsätzen werde er zwar gelegentlich erkannt, aber „eine negative Reaktion habe ich nie erfahren“, erzählt er weiter. Seinen jüdischen Kolleginnen und Kollegen gehe dies nach seinen Informationen ähnlich, das Thema spiele dort in der Regel keine Rolle.
In Krankenhäusern, besonders an Universitäten und in den großen Städten sei dies teilweise anders, weil es dort Aktivitäten von der linken politischen Seite gebe. Die Klinikleitungen reagierten allerdings meist schnell auf diese Vorfälle.
Im Gespräch geht Schuster weiter darauf ein, inwieweit es auch innerärztlich antisemitische Vorfälle gibt und ob aus seiner Sicht die ärztlichen Organisationen angemessen auf die Situation in Israel reagieren. „Im individuellen Bereich gibt es eigentlich nie Probleme, Kontakte mit Menschen muslimischen Glaubens haben kaum gelitten“, berichtet Schuster. Nicht zuletzt die Bedeutung der Erinnerungskultur, um möglichst viele Menschen „gegen Antisemitismus zu impfen“ hebt Schuster hervor.