

she drives mobility
Katja Diehl
On the way to new mobility: Katja Diehl spricht alle 14 Tage mit Gästen über Mobilität statt Verkehr, Diversität, New Work, Inklusion, kindergerechte Stadt und das Mobilisieren auf dem Land.
Episodes
Mentioned books

May 19, 2024 • 50min
Louisa Schneider: Warum ist auch dir Gerechtigkeit wichtiger als CO2?
It´s the final countdown! In zehn Tagen kommt mein Buch! Daher gnadenlose Promo an dieser Stelle: Ich bitte euch sehr, „Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!“ vorzubestellen. Ich freue mich, wenn du das machst, denn das hilft nischigen Sachbüchern wie dem meinen, wahrgenommen zu werden. Ihr wisst schon: Kapitalismus – Carpitalism – und dann erst das Paradies für alle. Ich gebe euch auch ein paar gute Argumente, warum das total Sinn macht! 1. Ich habe 105 inspirierende Personen interviewt, deren Ideen, Anregungen und Analysen euch helfen werden, nach der Lektüre SOFORT mit der klima- und sozial gerechten Mobilitätswende vor eurer Haustür zu beginnen. 2. Nur jedes 5. Sachbuch wird von einer Frau geschrieben. Frauen werden zudem sehr viel weniger rezensiert als Männer. Studie dazu hier. Daher brauche ich viele Vorbestellungen, um es auf die für den weiteren Buchverkauf und die mediale Aufmerksamkeit so wichtige Bestsellerliste zu schaffen. 3. Ganz persönlich gesprochen, ist dieses Buch im hoffentlich persönlich auf lange Sicht schwersten Jahr entstanden. Ich bin schwer darin, auf mich selbst stolz zu sein, hier bin ich es. Weil ich weiß, wieviele Menschen und Ereignisse verhindern wollten, dass das Buch erscheint.
Wenn dir diese oder auch eine andere Folge gefällt, lass´ gern eine Bewertung da und/oder supporte mich per Ko-Fi oder PayPal. Meinen wöchentlichen Newsletter gibt es bei steady. Seit ein paar Tagen steht auch fest, wo die Buchpremiere stattfinden wird:Am 3. Juni um 20 Uhr sehen wir uns im Frannz Club Berlin! Mit meiner Gästin! Louisa Schneider wird die Veranstaltung, auf die ich mich natürlich schon sehr freue, moderieren.
Louisa hat in den letzten zwei Jahren Menschen auf der ganzen Welt besucht, die von der Klimakrise betroffen sind und die Hoffnung nicht aufgeben. Sie berichtet von den konkreten Situationen an den Orten, die wir als „Klimakippunkte“ so schön depersonalisieren und damit von uns schieben. Sie spricht vom Senegal und Brasilien, von Menschen, die in Zelten leben müssen, ohne echte Wasserversorgung, weil ihr Lebensraum zerstört wurde. Sie schildert, wie es war, in brennenden Wäldern zu stehen, anerkennend, selbst Teil des Problems zu sein. Sie erzählt aber auch davon, wie sehr die Einheimischen an ihrer Liebe festhalten, sogar sie, die sie als weiße Frau aus dem Globalen Norden ganz klar von dort stammt, wo durch massiv fossilen Lebenswandel ihre Lebensqualität geraubt wird.
Wir unterhalten uns darüber, warum wir Bücher schreiben, warum es oft Zeit ist, die Menschen im Globalen Norden fehlt, um das Ausmaß der Katastrophe zu erkennen, während den Menschen im Globalen Süden die Zeit davonläuft, die ihnen gute Lebensumstände bewahrbar halten könnte. Wir sprechen darüber, dass es eben nicht um Dekarbonisation allein geht, sondern um eine von außen auf uns eindringende Chance zur echten Gerechtigkeit zu finden. Das eint uns beide sehr, da wir auf unterschiedlichen Ebenen mit Menschen im Kontakt sind, denen große Ungerechtigkeit widerfährt. Jeden Tag. In der Reflektion unserer Privilegien sehen wir aber eine wundervollen Verantwortung, genau für diese Menschen Reichweite zu schaffen, ihren Bedürfnissen Raum zu geben in der öffentlichen Debatte.
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May 5, 2024 • 43min
Jacob Spanke: Warum brauchen wir nur maximal zehn Millionen Autos, um in Deutschland mobil zu sein?
Meinen heutigen Gast habe ich schon ein paar Mal gespoilert, nicht nur, weil ich ihn für mein zweites Buch, das am 29. Mai erscheint, interviewt habe. Sondern auch, weil er meiner Wahrnehmung einer der wenigen ist, der ganz pragmatisch auf die Bestandsflotte Deutschland schaut und zahlenbasiert analysiert hat, wieviel Autos wir für Deutschland benötigen, um die gleiche Mobilität zu gewährleisten. Denn aktuell sind Fahrzeuge eher Stehzeuge und bewegen sich nur 45 Minuten am Tag.
Das Spannende an Jacob: Er hat sich vor der Recherche zu dem Buch, an dem er da aktuell schreibt, zuvor nie für Verkehrspolitik interessiert. Das änderte sich durch Jacobs Wahrnehmung, dass wir als Gesellschaft uns so verhalten, als ob wir auf einen möglichst hohen Berg steigen, runterspringen und dabei hoffen, dass uns Flügel wachsen, während wir fallen. Verkehrspolitisch machen wir seiner Perspektive nach immer genau das Gegenteil von dem, was wir sagen und hoffen, dass es trotzdem gut geht. Was nicht funktionieren kann und wird. Als er vor einem Jahr hörte, dass die Zulassungszahlen schon wieder gestiegen sind, die Staus wachsen und wir den unterzeichneten Zielen der Pariser Klimaverträge nicht näher kommen, war das der erste Anlass, aktiv zu werden. Der zweite, für ihn weitaus schlimmere war jedoch, dass er in Mainz, wo er lebt, ein kleines Kind bei grüner Ampel von einem Suv überfahren worden und getötet worden ist. 30 Meter von seiner Haustür entfernt. Zweimal täglich kommt er seitdem an dieser Stelle vorbei, was ihn emotionalisierte und auch wütend gemacht hat über den Status Quo.
Wie ging Jacob vor, um zu eruieren, wie groß die deutsche Autoflotte sein muss, um Mobilität aller zu gewährleisten. Natürlich gab es die klassischen Statistiken wie Mobilität in Deutschland oder die Berichte vom Statistischen Bundesamt, aber auch Klimaberichte zu den Zielen der Klimagesetze. Sowohl bei der Zielzeit als auch bei der Größe des Bestandes ist Jacob recht entspannt, er denkt sogar mittlerweile, dass es weniger als zehn Millionen Autos braucht. Wichtig für ihn ist nach seiner Fleißarbeit:
50 Millionen Autos sind eine Eskalation in Ressourcen und Folgeschäden, die in keinerlei Bezug zu der im Vergleich eher geringen Mobilität, die dieser absurd hohe Bestand gewährleisten muss. Jacob denkt, dass die Umsetzung der Veränderung definitiv möglich ist. Das haben seine Recherchen gezeigt. Die Frage sei vielmehr: Wollen wir es politisch und gesellschaftlich?
Zudem: Wenn wir uns Eisen, Kupfer, Lithium, viele weitere Rohstoffe anschauen, die es braucht, um ein Auto zu bauen: All das importieren wir. Und auch gerade DAMIT wir überhaupt die Antriebswelle schaffen können, vor allem, was den Gesamtenergieverbrauch von Elektroautos angeht, der deutlich, deutlich besser ist als der von Verbrennern, dann – so hat Jacob es nachgerechnet – kommen wir bei Lkw und Pkw auf konservativ gerechnet 172 Terawattstunden. Die aktuell erneuerbar erzeugte Energieleistung liegt bei 190 Terrawattstunden. Das spricht für sich – denke ich.
Zudem: Wir brauchen die erneuerbaren Energien zum Heizen, für unsere Industrie, die laut Jacob auch immer stärker erkennt, wie wichtig die Mobilitätswende ist, damit Autobesitzer:innen ihnen nicht als Energiekonkurrent:innen begegnen. Jacob betont: „Die Elektromobilität ist viel, viel effizienter als ein Verbrenner, aber im Vergleich zur Schiene ist sie unfassbar uneffizient. Stahl auf Stahl hat eine sehr geringe Reibung, gegenüber einem Zug braucht die automobile Elektromobilität das Drei- bis Vierfache an Energie. Auch das muss im Rahmen globaler Gerechtigkeit betrachtet werden.“ Auch, weil diese im Vergleich zu Ländern wie Deutschland einen unfassbar geringen Autobesitz haben. Wenn also die Zahl der Autos nicht weiter wachsen soll, dann ist die Konsequenz, dass Länder, die sehr, sehr viele Autos haben davon ein paar abgeben müssen.
Jacob fragte sich: Wie sieht ein alternatives Verkehrssystem aus? Wie kriegt man das finanziert? „Da war ich überrascht, wie einfach und verfügbar die Antworten jetzt doch teilweise schon sind. Das hätte ich mir schwieriger vorgestellt. Und dieses Wissen ist in Teilen auch sehr bedrückend, weil ich sehe, wie stark sich die Dinge in die falsche Richtung entwickeln und wie stark die Widerstände sind gegen die Verkehrswende.“
Jacob weist nach: Ein autozentriertes System ist das teuerste und ungerechteste Verkehrssystem, was wir haben könnten, das unsere Gesellschaft krank macht. „Wir machen es, weil eine sehr kleine Minderheit davon profitiert. Eine Botschaft, die ich hoffentlich dann rüberbringen im Buch: Das geht auch anders. Alle Fragen sind beantwortet, wir müssen uns nur trauen.“
Und er räumt mit einigen Mythen auf: „Tatsächlich ist der größte Arbeitgeber in Deutschland das Gesundheitssystem. Und wenn wir auf die verarbeitende Industrie gucken, dann ist der größte Arbeitgeber nicht die Automobilindustrie, sondern der Maschinenbau. Die Automobilindustrie hat nach Angaben des VDA 779.700 Arbeitsplätze in Deutschland, was eine relevante Zahl ist. Wir haben gerade Fachkräftemangel und all diese gut qualifizierten Menschen, die in der Automobilindustrie arbeiten, brauchen wir dringend für die Umsetzung der sozialökologischen Transformation. Leute, die Autos montieren können, auch Solaranlagen voranbringen. Wenn die Zahl der Arbeitskräfte in der Automobilindustrie moderat zurückgehen würde, wäre das für die deutsche Volkswirtschaft gut, weil wir diese in anderen Bereichen nötiger brauchen.“
Was brauchen wir nun, um die Fahrzeugzahl deutlich zu reduzieren?
Vor allem den Aufbau von Bus- und Bahnangeboten, bessere Fahrradwege, mehr Möglichkeiten, zu Fuß zu gehen. Der Modal split vom Auto liegt momentan bei über 80%, die wir in Zukunft nicht mehr mit Privatauto, sondern überwiegend mit geteilten Autos fahren. „Die erste Maßnahme, die ich ergreifen würde, wenn es speziell um die Reduzierung der Automobilzahlen geht, wäre ein repräsentatives Kostenbeispiel beim Automobilkauf einzuführen, hört sich jetzt komisch an und technokratisch, macht aber total Sinn weil Studien beweisen, dass Autofahrer komplett unterschätzen, was sie ihr Auto im Monat kostet. Die meisten haben z. B. den Wertverlust nicht im Blick.
Das zweite, was ich machen würde, wäre ein SUV-Verbot in Innenstädten oder eine massive Besteuerung von Suvs. Die Existenzberechnung von SUV kommt angeblich daher, dass Leute eine bessere Übersicht haben wollen. Aber die Übersicht von ihnen ist das Blickhindernis von anderen und so gut ist diese Übersicht gar nicht, auch weil ich einen massiven, toten Winkel nach vorne habe, der gerade für Kinder ein massives Problem ist. Der Grund, warum Suvs gekauft werden, ist einfach Status und Protzen. Wenn ich also ein Produkt habe, von dem ich weiß, dass es für uns als Gesellschaft wirklich tödlich ist, dann muss ich es regulieren. Die USA machen es vor: Während lange Zeit die Verkehrstoten gesunken sind, steigen sie jetzt aufgrund der riesigen Pkw wieder an, weil SUV massiv gefährlich für Fußgänger, Radfahrer und Fahrer von kleineren Autos sind. Da muss Politik so ein Produkt knallhart aus dem Markt rausregulieren.“
Sein Fazit ist jedoch „bittersüß“. Verkehrswende ist ein politisch sehr schwieriges Unterfangen. Es ist aber nicht unmöglich. Es gibt Städte wie Paris, die zeigen, dass es geht. Wenn Räume UND Menschen vom Autoverkehr befreit sind, dann erleben Menschen die überwältigenden Vorteile nach der Veränderung. Wir verlieren wenig Verkehrsfläche und wir gewinnen viel Lebensqualität. Auch in Paris gab es vor der Umsetzung großen Widerstand. Jetzt übertreffen die Zahlen der mit dem Rad Pendelnden die der im Auto. „Politik muss das Richtige gegen Widerstände tun, zuhören, Ängste ernst nehmen, aber keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit im Gesamten lassen. Ein Austin-Martin-Fahrer, der vom Dienstwagenprivileg profitiert, spart teilweise 2.500€ pro Monat. Während Kinder, Menschen in sozialschwachen Gebieten, wo es viel Luftverschmutzung gibt, Alte und Jugendliche, die ohne Auto nicht mobil sind, oder auf dem Dorf, wo es keine Nachversorgung gibt, nur Nachteile haben. Diese Interessensgegensätze bekomme ich nur dann weg, indem ich Strukturen ändere und darüber dann auch Menschen. Und das ist es, was mir Hoffnung macht. Wenn Politik wollte, dann könnte sie positive Zukunftsvisionen der Mobilität verbreiten. Darüber sprechen, wie viel Geld wir sparen würden. Aktuell steckt unsere Gesellschaft über 500 Milliarden Euro pro Jahr ins Auto. Wenn wir konsequent ein anderes Verkehrssystem nutzen würden, wo das Auto nur noch die Krone, weil es sehr teuer ist. Es sei denn, es sind Anwendungsfälle, wo das Auto Vorteile hat, also eher Nischen. Dort, wo Zug, Bus, Rad Vorteile haben, stehen diese im Fokus. Damit würden wir 300 Milliarden Euro pro Jahr sparen, das sind 1.500 Euro pro Person, eine vierköpfige Familie hätte 6.000 Euro für den Umstieg. Politik konnte darüber reden, dass weniger Autos das Wohnraumproblem in Städten lösen können, weil Raum frei wird. Politik könnte über die Chancen von alternativen Wirtschaftszweigen reden, über das Beschäftigungspotenzial, gerade wenn Deutschland Pionier und wieder Exportweltmeister werden würde in nachhaltiger Mobilität. Da muss sich die Politik entscheiden: Will sie mutig sein und Chancen nutzen oder Ängste schüren und dann scheitern. Das ist die Entscheidung, die wir als Gesellschaft, und Politik treffen müssen.“
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Apr 21, 2024 • 24min
Wer gefährdet eigentlich wen? Lastenräder Kinder oder Autos Kinder in Lastenrädern?
Wenn dir diese oder auch eine andere Folge gefällt, lass´ gern eine Bewertung da und/oder supporte mich per Ko-Fi oder PayPal. Meinen wöchentlichen Newsletter gibt es bei steady. Mein zweites Buch „Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!“ kann ab sofort vorbestellt werden. Ich freue mich, wenn du das machst, denn das hilft nischigen Sachbüchern wie dem meinen, wahrgenommen zu werden. Ihr wisst schon: Kapitalismus – Carpitalism – und dann erst das Paradies für alle. Seit ein paar Tagen steht auch fest, wo die Buchpremiere stattfinden wird: Am 3. Juni um 20 Uhr sehen wir uns im Frannz Club Berlin!
Zudem: Ich habe grad damit begonnen, für alle Podcasts auch Transkripte bereit zu stellen, auf dass noch mehr Menschen, die nicht so gern hören oder nicht so gut hören können, an meinen Inhalten teilhaben.
Und damit zur Folge.
Bei mir zu Gast: Isabell Eberlein von velokonzept und Hanna Bauer von Schindelhauer Bikes. Natürlich konnten wir nicht über Lastenräder sprechen, ohne auf die erhitzte Debatte rund um die Sicherheit von Kindern in Lastenrädern zu blicken. Erfreulicherweise sind mittlerweile wieder ein Drittel aller Kinder mit dem Rad unterwegs. Davon einige auch im Lastenrad. Und auch wenn die Gesamtzahl der verkauften Lastenräder anteilig am Fahrradmarkt gemessen eher nischig ist (2023 wurden 235.250 Lastenräder neu gekauft), entspricht die Empörung, die manche gegenüber dieser Radform zu empfinden in der Lage sind fast dem Hass auf Sharing-E-Scooter. Beiden gemein: Sie lenken mit der Wut, die ihnen entgegenschlägt, unfreiwillig vom eigentlichen Problem ab: 49, 1 Millionen Pkw in Deutschland – und damit der mit Abstand größten CO2-Quelle im Verkehrssektor.
Der aktuellen Empörung vorausgegangen war ein Skandal rund um die zuvor aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Preise beliebten Lastenrad-Marke Babboe aus den Niederlanden. Hier wurden durch die niederländische Behörde NVWA massive Sicherheitsmängel festgestellt, nachdem zuletzt vermehrt Rahmenbrüche aufgetreten waren. Und noch mehr: Die Behörde wirft dem Hersteller or, die Mängel nicht gemeldet zu haben. Auch sei die Ursache der Defekte nicht ausreichend untersucht und es seien keine Maßnahmen ergriffen worden. Daher prüfen nun Staatsanwaltschaft und Behörd, ob Babboe fahrlässig gehandelt hat. Hier ist Isabell ganz klar: Fahrräder müssen wie alles andere, was auf der Straße bewegt wird, sicher für Nutzer:innen und Umgebung sein. Dennoch ist sie im Gespräch mit mir auch anderweitig ganz klar: Der aktuelle „Skandal“, der eine Untersuchung der Unfallversicherer nutzt, um Lastenräder als gefährlich für Kinder darzustellen, ist ebenso unzulässig. Zumal die UDV selbst in der Studie hervorhebt: Nach den für 2022 verfügbaren Zahlen ereigneten sich in Deutschland 222 Unfälle, zwölf Kinder wurden dabei schwer verletzt. Unfallgegner bei Radunfällen mit mitfahrenden Kindern ist laut UDV meist ein Auto. Zum Vergleich: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, kamen 2022 25 800 Kinder unter 15 Jahren bei Unfällen im Straßenverkehr zu Schaden, Im Schnitt wurde 2022 alle 20 Minuten ein Kind bei einem Verkehrsunfall verletzt oder getötet. 51 Kinder überlebten die Kollisionen nicht. DESTATIS weiter: Unter 6-Jährige sind oft im Auto mit betreuenden Erwachsenen unterwegs, dem zufolge verunglücken sie hier am häufigsten (58 % im Jahr 2022). Schulkinder sind mit zunehmendem Alter selbstständig im Straßenverkehr unterwegs – entsprechend steigt der Anteil der Radfahrenden und Fußgängerinnen und -gänger unter den Verunglückten. 6- bis 14-Jährige verunglückten am häufigsten auf ihrem eigenen Fahrrad (42 %), 28 % in einem Auto sowie 21 % zu Fuß.
Hanna Brauer hat sich einer anderen Facette des Lastenrads gewidmet. Die Nachhaltigkeits-Managerin untersuchte in ihrer 237-seitigen Bachelor-Arbeit, inwieweit aktuelle Lastenräder den Anforderungen von verschiedenen Nutzer:innengruppen entsprechen. Größtes Problem: Meist wird so ein Rad im Laden gekauft, ohne dass Gepäck, Kind, Abdeckung.. im Praxistest im und am Rad untergebracht werden. Daher wünschen sich auch viele nach ihrem ersten Lastenradkauf: „Ich hätte mir das Rad gern mal eine Woche ausgeliehen, um alles daran zu testen!“ Hanna hat hier die Herangehensweise der Nutzer:innenbeobachtung angewandt und immer wieder nach dem Warum? gefragt. So entstand ein Anforderungskatalog für Lastenrad-Design mit zehn 10 Schwerpunkten, die von Hanna jeweils mit praktischen Beispielen aus der Beobachtung hinterlegt worden sind.
Der Auslöser für die Thesis? Ausgerechnet ein Ärgernis von Babboe 😀„Ein echtes Lastenfahrrad für Damen: das Babboe Cargobikes MiniDieses kompakte Lastenfahrrad ist kürzer als ein standardmäßiges Zweirad-Lastenfahrrad, leicht und fährt sich wie ein normales Fahrrad. Das Babboe Mini eignet sich daher optimal als Lastenfahrrad für Damen.“Hanna: „Im Umkehrschluss heißt das also Frau = klein, schwach und nicht den standardmäßigen zweirad-Lastenrädern gewachsen. WTF?“§ Hanna fragte sich: Wie kamen diese Anforderungen und Assoziationen zustande und warum wurde nicht über die gängigen sexistischen Stereotype hinaus gedacht? Um die Reproduktion diskriminierender Narrative zu vermeiden und über die physische Ebene hinaus zu denken, braucht es gendergerechte Produktanforderungen.Besonderes Augenmerk von Hanna liegt dabei auf den nicht-körperlichen Merkmalen, die sich aus den etablierten Gesellschaftsstrukturen und den traditionell verankerten Genderrollen ergeben. Die Thesis ist auf Deutsch verfasst und lässt sich hier herunterladen. Die Darstellung der Hauptergebnisse und der 10 Prinzipien für gendergerechtes Lastenraddesign sind auch auf Englisch enthalten.
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Apr 7, 2024 • 55min
Wir wollen einfach nur sicher Radfahren - Gedenkepisode für #natenom.
Ich werde hier nicht viele Worte machen können und wollen. Ende Januar wurde Andreas Mandalka, vielen als natenom und als passionierter Radaktivist bekannt, von einem Autofahrer dort getötet, wo er schon seit langem die Gefährdungslage für Radfahrende (erfolglos) bei Behörden und Polizei angemahnt hatte. Ich zitiere aus dem Südurierr: „Am letzten Dienstag im Januar starb der 43-Jährige abends auf einer Landstraße im Enzkreis zwischen den Ortschaften Neuhausen (Enzkreis) und Schellbronn, nur ein paar Kilometer von seinem Pforzheimer Wohnort entfernt. Ein von hinten kommender 77-jähriger Autofahrer war mit Mandalka, der auf dem Fahrrad laut Polizei mit Warnweste und Helm trug, kollidiert. Mandalka starb noch an der Unfallstelle.“ „Er hat sich sehr viel eingebracht, war ein lieber Mensch, der sich sehr gewissenhaft für die Gesellschaft und für andere engagiert hat, er kannte alle Regeln und Gesetze sehr gut“, sagt Marthe Soncour, im Vorstand des örtlichen ADFC für Radverkehrspolitik zuständig. „Jeder hier hat ihn gekannt. Viele haben gesagt: Er hat provoziert. Das hat er aber nicht. Er hat nur den Platz in Anspruch genommen, der ihm zustand im Verkehr. Das hat viele Leute gestört“, sagt Soncour. Er sei auch bedroht worden, habe viele Anfeindungen kassiert. Der ADFC sammelt Spenden für die Beerdigung, das Geld soll seinen Angehörigen zukommen, auch für einen möglichen Rechtsstreit. „Die Beteiligung hat uns überwältigt, wir haben seine Bekanntheit im Netz völlig unterschätzt“, sagt Soncour.
Das Bedrückende an dem Tod von Andreas: Dieser hat bis heute nichts verändert. Auf der einen Seite Jene im Schock, die ihn real oder aus seiner Arbeit heraus kannten, auf der anderen Seite Menschen, die schon den Hinweis auf Abstandsgebote als zuviel erachten, die Gedenkstelle noch am Tag der Errichtung zerstörten und Familien und Freund:innen von Andreas´ bis heute immer wieder bedrohen. Aber auch: Täglich acht Tote, die anonym bleiben, weil sie nicht die Bekanntheit von natenom haben. Acht Tote und 1.000 Verletzte fordert unser Autosystem jeden Tag. Und das schreibe ich bewusst, weil auch viele Kollisionen zwischen Rad- und Fußverkehr aus der mangelhaften Infrastruktur heraus entstehen, die Konflikte wissentlich provoziert.
Ich habe Stimmen eingesammelt von Menschen, die wie natenom einfach nur sicher Rad fahren wollen. Ich habe mit Thorsten gesprochen, der einen ähnlichen Unfall wie Andreas überlebte, und mit Ansgar Hegerfeld, der als Vertreter des ADFC die Geschehnisse nach dem Tod von Andreas eng begleitete. Ich lese eine Mail von der Mutter von Andreas an mich vor, die verdeutlicht, wie groß der Verlust ist. Wir brauchen endlich sichere Wege und Autofahrende, die sich an bestehende Regeln wie Abstandsgebot von 1,50 Meter innerorts und 2 Meter außerorts halten.
RIP natenom und alle weiteren, die bisher Opfer unserer autozentrierten Systeme wurden.
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Mar 26, 2024 • 1h 2min
Ulf Buermeyer: Wie ist die Lage der Katja Diehl nach fünf Jahren She Drives Mobility?!
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Nun aber zur Folge, die an einem ungewöhlichen Wochentag erscheint. Vor ein paar Wochen habe ich beim Aufräumen meiner Webseite festgestellt, das heute vor fünf Jahren die „Nullnummer“ von She Drives Mobility erschienen ist, als dieser klassische Aufschlag, in dem die Produzentin eines Podcasts erklärt, worum es sich in ihrem Format drehen und wenden soll. Viele der 133 Episoden, die seit dem 27. März 2019 erschienen sind, sind leider bis heute zeitlose Inspiration, weil sich in Sachen Mobilitätswende nicht wirklich etwas tut. Denn diese hat erst begonnen, wenn Autoprivilegien gefallen und gute Alternativen von Stadt bis Land etabliert worden sind. Zu messen an den sinkenden Autozahlen UND deutlich sinkenden Emissionen. Das Gegenteil ist der Fall – von all diesen genannten Details.
Was treibt mich an?
Wo komme ich her?
Hasse ich wirklich Autos?
All das hat Ulf Buermeyer mich gefragt – daher ist diese Folge sowohl für Neueinsteiger:innen als auch alte Häsinnen interessant. Auf die nächsten fünf Jahre – mindestens.
Hier könnt ihr das Buch der Lage der Nation bestellen, das es zu Recht sofort in die Bestsellerlisten geschafft hat.
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Mar 24, 2024 • 46min
Christian Stöcker: Wie schaffen wir es, dass Männer endlich nichts mehr verbrennen (wollen oder müssen)?
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Ein Buch wie ein Paukenschlag – so habe ich es zumindest beim Lesen empfunden. Nicht, weil Christian Stöcker und ich uns erstmalig begegneten (nein, wir hatten sogar schon eine Episode She Drives Mobility zusammen aufgenommen und immer regen Kontakt „zwischendrin“), sondern weil ich es „wohltuend“ finde, wie in Angesicht des Nichtstuns und Verschlimmerns unseres katastrophalen fossilintensiven Lifestyles im Globalen Norden einst noch zurückhaltend formulierende Stimmen wie die von Christian deutlich bis angebracht wütend-ruppig werden. „Nicht zufällig sind die Hauptprofiteure der Klimazerstörung Leute, die mit demokratischen Werten und Menschenrechten wenig am Hut haben ‒ oft geht die Begeisterung für fossile Brennstoffe und die Ablehnung von Klimaschutz einher mit reaktionären Positionen. Das Kartell der Verbrenner vereint Leute wie Mohammed bin Salman, Wladimir Putin, Rupert Murdoch, Donald Trump und Mathias Döpfner, flankiert von Akteurinnen wie Sahra Wagenknecht.“
Und dann geht sie los die wilde Fahrt, die zu Beginn fast mit einem Warnhinweis begonnen wird, da die Erzählung so abstrus und in Teilen abstoßend ist, dass Lesende denken könnten, es handle sich ausnahmsweise mal um eine „linke“ Verschwörungserzählung. Obwohl ich natürlich weiß, wie tief die deutsche Autoindustrie, -lobby und -politik in diese Gemengelage verstrickt ist, imponierte mir auf negative Weise, wie sie in den ersten Etappen von
Männer, die die Welt verbrennen – Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit
eine Hauptrolle zugewiesen bekommt – mit allen anderen Autoindustriellen der alten fossilen Welt. Im Gespräch gehen wir hier auch durchaus auf das Trennende ein. Denn mir geht die Elektrifizierung dieses absurden deutschen Autobestandes von mittlerweile 49,1 Millionen Pkw bei 41 Millionen Haushalten, 13 Millionen Kindern und 13 Millionen Erwachsenen sowie einer Tagesnutzung von 45 Minuten mit etwas über einer Person nicht weit genug – während Christian hier einen anderen Standpunkt vertritt. Aber das Gestalten der Zukunft ist ein Aushandeln in der Gegenwart, deswegen mag ich es, wenn eine Episode mehrere Perspektiven vereint.
Hört rein, wenn ihr das schockierende Ausmaß der Desinformation und Manipulation durch die Fossilisten gewahr machen und aber auch durch Christians „Abspann“ in die Lage versetzt werden wollt, genau diesen Mechanismen wirksam entgegen treten zu können. Spoiler: Das Buch endet hoffnungsvoll.
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Mar 10, 2024 • 36min
Michael Peterson: Was macht grad Spaß am Job des Vorstand DB Personenverkehr?
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Die heutige Episode von She Drives Mobility erreicht euch einen Tag später als gewohnt – ein kleiner Botangriff auf meine Webseite hat gestern alles lahmgelegt. Umso schöner jedoch, dass nun wieder alles funktioniert, nicht nur, weil die GDL für morgen den nächsten Streiktag angekündigt hat und die DB dagegen gerichtlich vorgehen will. Natürlich habe ich mit Michael Peterson, der als Vorstand Personenverkehr der DB ganz nah dran an diesen Themen ist, auch die aktuelle Situation in diesem Konflikt thematisiert. Michael fand dabei sehr deutliche Worte.
Mich hat jedoch auch interessiert, wie er zum einen in diese Funktion gekommen ist und warum er trotz allen politischen und internen Missmanagements in den letzten Jahrzehnten jeden Tag mit Begeisterung zur Arbeit geht. Ich ließ ihn das Zielbild der Mobilität von morgen zeichnen und natürlich vertiefend die Rolle der DB Personenverkehr für die Erreichung desselben. Wie lebt es sich in Zukunft in Stadt und Land? Wie mobilisieren wir die Menschen? Eine Entscheidung der Vergangenheit schien ihm dabei besonders wehzutun: Die Vernachlässigung unzähliger Bahnhöfe vor allem in ländlichen Räumen, die jetzt wertvoller Anker für nicht-urbane Mobilität sein könnten, zum großen Teil aber völlig verwahrlost sind.
Und dann ging es noch weiter rein in die „Tacheles Talk“: Wie stellt sich die Politik, aber dann auch die DB selbst vor, bis 2030 die Verdoppelung der Fahrgastzahlen zu erreichen, wenn doch heute nur noch eine Pünktlichkeitsquote von 61 Prozent erreicht und jeden Tag vom Fachkräftemangel gesprochen wird? Was erwartet Michael hier von „seinem“ Bundesverkehrsminister, aber auch von den Landesministern, denn in Deutschland sind verschiedene Bereiche von öffentlicher Mobilität ja bundesweit oder eben auch föderal organisiert. Auch hier wurde Michael deutlich mit klaren Worten zu notwendigen Investionen und einer unerschütterlichen politischen Flankierung des Ausbaus einer Bahn, die ja mal Tausende von Schienenkilometern mehr umfasste, als das heute der Fall ist.
Zum Image der Bahn sprachen wir mehrere Punkte an: Warum ist diese im Vergleich zu Autoherstellern immer noch scheinbar weniger attraktiv (zumindest nach bestimmten Umfragen entsteht dieses Bild), wie können Arbeitsplätze attraktiver gestaltet und neue Menschen für die öffentliche Mobilität gewonnen werden und wie positioniert sich die DB als ein Unternehmen der echten Vielfalt – und nicht nur der auf Webseiten und Prospekten?
Dies und viel mehr in der neuesten Folge She Drives Mobility!
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Feb 25, 2024 • 1h 2min
Thorsten Gröger: Welche Positionen vertritt die IG Metall gegenüber der AfD und der Transformation der Autoindustrie?
Thorsten Gröger ist Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Er vertritt rund 264.000 Mitglieder in den Branchen der Metall- und Elektroindustrie, das Haustarifgebiet von Volkswagen, aber auch viele Handwerksbranchen wie das Kfz- und das Metallhandwerk. Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, weil er als Einer der Ersten mit „offiziellem Amt“ sich deutlich gegen die AfD und den sogenannten Rechtsruck in Deutschland gestellt hat. Für ihn ist Antifaschismus Teil der DNA deutscher Gewerkschaften, nicht nur, weil historisch und aktuell in Ländern mit rechten Regierungen schnell die Rechte der Gewerkschaften eingeschränkt werden. Für Thorsten Gröger sind die Beschäftigten in seinen Zuständigkeitsbereichen Spiegel der Gesellschaft. Es ist daher für ihn nicht verwunderlich, dass unter diesen ein Prozentsatz AfD-Wähler:innen ist, der der Zustimmung in der Bevölkerung entspricht. Er geht aktiv auf diese Kolleg:innen zu, sucht das Gespräch und ist der Überzeugung, dass so auch Menschen in die demokratische Mitte zurückgewonnen werden können.
„Wir sind mittendrin in multiplen Krisen und einem Umbau unserer Industriegesellschaft, was natürlich auch eine Menge an Verunsicherung erzeugt. Wir brauchen vor allem von der Politik ein positives Zukunftsbild, um vermitteln zu können, warum diese Veränderungen alternativlos sind. Das fehlt leider – und macht die notwendigen Maßnahmen noch schwerer, als sie eh schon sind. In diese Lücke springen die Populist:innen, die vorgaukeln, dass keine Transformation notwendig sei. Und stoßen damit auf offene Türen, da viele verunsichert sind und Angst haben.“
Gröger hebt dabei den auch den Appell der Stiftung KlimaWirtschaft und vieler Unternehmen hervor sowie weitere Ansprachen an Olaf Scholz, aus dem Hickhack der Regierung herauszufinden, Einigkeit vorzuleben und Planungssicherheit zu schaffen. Auch blickt der IG-Metaller hinter die Forderung von „weniger Bürokratie“ in dem Sinne, dass er gewährleistet sehen möchte, dass Themen wie Mindestlohn, Lieferketten, weitere Schutzrechte nicht in Abrede gestellt werden. Hier sieht er auch Vorgängerregierung mit als Ursache, die im Handeln etliches versäumt oder sogar verhindert haben. So sei unter der Ära Peter Altmaier das Wachstum von erneuerbarer Energie gestoppt worden, eine Entscheidung, die sich heute räche.
Aus seiner Sicht sind zwei Dinge notwendig, damit Veränderung gelingt: Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwendigen Maßnahmen. Das Vermitteln einer Sicherheit, dass der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft Zukunft sichert und nicht gefährdet – dafür muss gesellschaftlicher Konsens werden. Und für diese Akzeptanz braucht es eine Verlässlichkeit in der Kommunikation und im politischen Handeln. Diese fehlt Thorsten Gröger aktuell, auch, weil die Ampelregierung in sich zerstritten wirkt und teilweise gegeneinander zu arbeiten scheint.
„Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen bereit sind, Veränderungen in Kauf zu nehmen. Dann, wenn Sie sehen, dass die persönliche Einschränkung und Veränderung dazu beitragen, dass das große Ganze gelingt. Wir brauchen jede Menge an zusätzlichen finanziellen Mitteln für öffentliche und private Investitionen in die Infrastruktur, in den industriellen Umbau, in den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch in das Bildungssystem. Hier braucht es einen schlüssigen Organisationsplan. Und da ist es für mich ein unverzeihlicher Fehler, sich der Restriktion einer Schuldenbremse zu unterwerfen. Da legt man sich politisch Fesseln an und macht das Land handlungsunfähig.“
Thorsten Gröger sieht hier die Gewerkschaft als einen Teil derjenigen an, die diese Veränderung wollen und nicht auf der Bremse stehen. „Wir haben Betriebsräte gefragt: Wie handhabt euer Unternehmen die notwendige Transformation? Gibt es einen erkennbaren Plan? Über die Hälfte hat zurückgemeldet, dass dieser bei ihren Betrieben nicht vorhanden sei. Das muss nicht unbedingt heißen, dass es den nicht gibt, aber zumindest wird dieser Plan anscheinend nicht im Dialog mit den Beschäftigten gemacht und erreicht diese nicht. Hier sehen wir uns als Gewerkschaft in der Pflicht, Arbeitsplätze zukunftsfähig aufstellen. Deswegen sehen wir uns an der Spitze der Transformationsbewegung. Wollen diese aktiv mitgestalten, aber auch die Kommunikation über diese gewährleisten. Wir als IG Metall waren die erste Industriegewerkschaft in Europa, die vor fünf Jahren per Beschlusslage das klare Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen untermauert hat. Es geht um existenzielle Fragen für die Lebensgrundlage, aber auch um existenzielle Fragen für die Zukunftsfähigkeit der beruflichen Perspektiven unserer Leute.“
Er verneint dabei nicht, dass es in dieser Gesamtlage auch viele Unternehmen gibt, die auch ein Tagesgeschäft „in der alten Welt“ abwickeln müssen, Kund:innen bedienen. Diese haben schlichtweg manchmal nicht die zusätzliche Kraft und Zeit, die die Transformation benötigt. Gerade aus kleineren Unternehmen erreichen ihn Signale der Unsicherheit, welche Veränderung gefordert ist, weil die Politik z. T. widersprüchliche Signale sendet.
Beschäftigte am Band eines Unternehmens, das Ventile für Verbrennungsmotoren herstellt, ist bewusst, dass sie diese Tätigkeit nicht für immer ausführen werden – umso dringender sei es, ihnen Perspektiven aufzuzeigen. „Wir haben so ein Beispiel: Das ist Continental in Gifhorn, wo das Unternehmen die Entscheidung getroffen hat, die Produktion von Automobilteilen zu stoppen. Diesen Schritt an sich kritisieren wir – gar keine Frage. Trotzdem hat man sich auf den Weg gemacht, sich um alternative Beschäftigungsperspektiven für die Beschäftigten zu kümmern und deren Qualifizierung zu unterstützen. Die Entwicklung ist mittlerweile absehbar, unsere Haltung als Gewerkschaft: Unternehmen müssen sich Gedanken über alternative Geschäftsmodelle und Produkte machen. In Gifhorn wird sich Stiebel Eltron ansiedeln und Wärmepumpen bauen. Mit großer Unterstützung unseres Netzwerks als IG Metall haben wir Continental und Stiebel Eltron zusammengebracht, um neue Perspektiven zu schaffen.“
Die Autoindustrie mache sich zu elektrischen Antrieben auf, da hier in der Politik Druck entstanden sei, dass es der Veränderung bedarf. Nur gesicherte Rahmenbedingungen können solche Schritte einleiten. Hier sieht Gröger das plötzliche Ende der Elektroautoförderung kritisch, da es das falsche Signal ausgesendet habe, dass politisch dieser Antrieb gewollt ist. Beim taktischen Kalkül der FDP, Einigungen zum Verbrennerausstieg, zum Plattformgesetz oder Lieferketten ist sich der Metaller fast sicher, dass dies nicht im Sinne der Industrie ist – da diese Grundlagen kommen werden und nur Aufschub erfahren haben. Damit entsteht aber auch ein Aufschub der notwendigen Maßnahmen. Auch, dass sich Politiker wie Friedrich Merz weigern, Wege, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, mitzugestalten. Hier wäre Grögers Erwartungshaltung, dass sich die großen demokratischen Kräfte zusammenraufen und aufs Ziel schauend steuernd agieren. Auch in finanzieller Hinsicht.
„Insofern fand ich den Appell der Unternehmen, die in der Stiftung Klimawirtschaft unterwegs sind, sehr erfrischend, unterstützenswert, weil sie sehr prägnant aufgeschrieben haben, was nötig ist, um Transformation zu schaffen und dass es hier Konsens geben muss. Nicht nur bei den Regierungsparteien.
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Feb 11, 2024 • 0sec
Rainer Mühlhoff: Warum ist für dich der KI-Hype in der Autoindustrie Zeichen von Verzweiflung und nicht von Kompetenz?
Wenn dir diese oder auch eine andere Folge gefällt, lass´ gern eine Bewertung da und/oder supporte mich per Ko-Fi oder PayPal. Meinen wöchentlichen Newsletter gibt es bei steady. Mein zweites Buch „Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!“ kann ab sofort vorbestellt werden. Ich freue mich, wenn du das machst, denn das hilft nischigen Sachbüchern wie dem meinen, wahrgenommen zu werden. Ihr wisst schon: Kapitalismus – Carpitalism – und dann erst das Paradies für alle. Ich habe grad damit begonnen, für alle Podcasts auch Transkripte bereit zu stellen, auf dass noch mehr Menschen, die nicht so gern hören oder nicht so gut hören können, an meinen Inhalten teilhaben.
Rainer Mühlhoff ist der erste Professor mit der Denomination „Ethik der Künstlichen Intelligenz“ in Deutschland. Ethik ist für ihn eine Reflexion von Menschen und Gesellschaft über das, „was wir uns antun mit unserem Verhalten“, da Entwicklung von Technik immer starke gesellschaftliche Auswirkungen hat. Sie prägen unsere Realität, sie prägen unser Denken, sie prägen Machtstrukturen. Rainer ist es wichtig, dass Machine-Learning-Systeme immer auch als soziotechnische Systeme analysiert werden müssen. So ist der kommerzielle Einsatz von künstlicher Intelligenz eben nicht künstlich – und auch nicht sonderlich intelligent –, sondern beruht auf den gewohnten Machtstrukturen, indem Klickarbeiter:innen für die notwendigen Eingaben sorgen, aber auch Nutzende die KI trainieren. Bestes Beispiel: Captchas. Was aber auch zeigt: Die KI ersetzt nicht die menschliche Intelligenz, sondern ist von dieser zurzeit noch beschränkt.
Für seinen Fachbereich in Osnabrück nimmt er genau diesen Blickwinkel in den Fokus, erfreulicherweise gibt es aktuell auch viel Nachfragen nach Ethik der KI, da diese bisher oft außer Acht gelassen wurde. Viele KI-Unternehmen finanzieren sogar Institute mitfinanzieren, die diese Forschung machen. Das nennt sich dann Ethics-Washing, eine Form von PR-Arbeit, um zu zeigen, dass gesellschaftliche Verantwortung übernommen wird. Einziger Beweggrund dahinter: härtere Regulierungsvorhaben zu verhindern. Die Forschung in Osnabrück ist jedoch staatlich finanziert und damit unabhängig. Was für Rainer enorm wichtig ist: „Ethik ist für uns oder ethische Fragen sind für uns immer Machtfragen. Wer profitiert davon, wer nicht? Was sind die verdeckten Interessen? Welche Diskriminierungsformen hat zum Beispiel der Effekt von einer Technologie? Was sind Ausbeutungs-, neue Ausbeutungsmechanismen, gerade im digitalen Kapitalismus? Welche vulnerablen Gruppen werden ausgebeutet?“ KI-Technologie wird von großen Unternehmen gemacht, die wirtschaftlichen Interessen unterliegen und in einem globalen Macht-und Wertschöpfungszusammenhang stehen.
Das Problem: Bei KI-Technologie ist das allgemeine Bewusstsein noch nicht hoch, auch weil Anbieter:innen der Technologie nicht offensiv mit ihren Produkten auftreten, sondern sich als nützliche App tarnen oder andere virtuelle Services, die das Leben vereinfach oder so eine große Marktdurchdringung haben, dass es unmöglich erscheint, „als Einzige:r“ diese nicht zu nutzen. Nutzungsbedingungen liest sich kein Mensch durch, so stimmen wir dem Datensammeln und Daten der Verwendung unserer Daten für weitere Zwecke zu, ohne das Ausmaß zu begreifen. Rainer empfindet daher die Ethik-Arbeit, die seine Forschung anbietet, als Bewusstseins-Bildungsarbeit. Sie erforschen die Hintergründe und klären auf, ohne vorzuschreiben, was Nutzende mit diesem neuen Wissensstand tun sollen. Diese Entscheidung obliegt jedem Menschen selbst. Der erste Schritt von so einem Bewusstseins-Bildungsprogramm sei der, sich zu vergegenwärtigen, dass man es immer mit einem Geschäftsmodell zu tun hat. Wenn also eine Leistung, eine App kostenlos nutzbar ist, zahlen Nutzende dennoch – zumeist mit sehr persönlichen Daten. Zum Teil sogar mit den Daten Dritter, die wir als Telefonnummern oder Fotos auf unseren Smartphones haben.
Warum werden diese Daten gesammelt? Vor allem, um Unterschiede zwischen Menschen erkennen zu können. Für noch individualisiertere Werbung oder Verteuerung eines Versicherungsvertrages aufgrund der Vorerkrankungen einer Person. Auch in den ersten Stufen eines Bewerbungsprozesses kommt immer öfter nur KI zum Zuge, um den Prozess zu beschleunigen. Deuten die Daten hier an, dass eine Person eine psychische Krankheit, erfolgt eben keine Einladung zum Jobbewerbungsgespräch. „Perfiderweise“, so Rainer, „kann es auch sein, dass die Quittung andere Menschen bekommen. Daten, die wir zur Verfügung stellen, werden insbesondere dafür benutzt, andere Menschen als Abweichler:innen zu erkennen.“ Ihr kennt ihn alle, den Satz: „Ich habe nichts zu verbergen, sollen sie doch meine Daten haben, sollen sie doch die Klarnamenpflicht einführen.“ Es braucht die Daten von den 100 Millionen Menschen, die sich für normal halten, um die Menschen, die wirklich was zu befürchten dhaben, im Unterschied dazu zu erkennen. „Das heißt, mit dem, was wir da machen, schaden wir vor allem dem Kollektiv, also richten gesellschaftlichen Schaden an. Schaden, der sich nicht nur in unserer eigenen Rechnung materialisiert, sondern in der Rechnung potenziell anderer und schwächerer.“
Ein Begriff ist hier die prädiktive Analytik. Das sind die Anwendungen von KI, Dinge, die man über Menschen nicht weiß, weil diese es aus Gründen veschweigen oder schlicht selbst nicht wissen, vorauszusagen. Dazu gehören z. B. religiöse Zugehörigkeit, politischen Ansichten, sexuelle Orientierung als bewusst zurückgehaltene Information und Disposition zu Krebs, psychischen Erkrankungen über Verhaltensdaten „herauszulesen“, auch wenn Betroffene diese Diagnosen noch nicht mal bekommen haben. In den USA ist der Preis für eine Krankenversicherung individuell nach solchen Risikoabschätzungen bemessbar. In Deutschland der Preis für eine Kfz-Versicherung. Da gibt es Tarife, bei denen man seinen Social-Media-Account für Auslesung melden oder sogar ein Messgerät im Auto mitführen muss, dass das Fahrverhalten dokumentiert. Für diesen Tarif zahlt man zunächst weniger Beitrag. Mit KI wird dann ein Profil über das Risikoverhalten entwickelt und der Preis der Versicherungen billiger oder teurer gemacht.
Für Rainer wirkt es seitens der Autoindustrie, insbesondere der deutschen und europäischen, sehr verzweifelt, dass man, ohne sich vorher damit ernsthaft beschäftig zu haben, jetzt unbedingt KI aufbauen muss. Denn diese Industrie hat für ihn schon die Digitalisierung an sich verschlafen. Der einzige Autohersteller, der das von vornherein umarmt hat, ist Tesla. „Tesla bedient sich wie ein Smartphone und hat die gleiche Software wie ein Smartphone, sondern es ist auch wie ein Smartphone vollgestopft mit Sensoren, die ihre Daten ständig auf Server laden. Tesla loggt alles, was um das Auto herum passiert und was im Auto drin passiert, ständig mit. Das Tesla-Smartphone auf Rädern, in das wir uns hineinstecken.“ Das ist eine Entwicklung, die laut Rainer deutsche Automobilhersteller kognitiv überhaupt nicht verstehen, im Gegenteil. Anstatt intuitive Systeme zu entwickeln braucht es Bedienungsanleitungen. Das nennt Rainer in Anlehnung an den Turbo-Kapitalismus Turbo-KI-ismus, der da nicht intrinsisch motiviert gefahren wird bei der deutschen und europäischen Automobilindustrie, sondern weil man seinen Investoren was bieten muss, das verspricht, dass die Industrie nicht von Tesla überrollt wird.
Eine qualitativ hochwertige KI-Anwendung im Mobilitätsbereich sieht Rainer im dezentralisierten Management von Verkehrsflüssen. Die Routenplanung von Google Maps ist viel besser als frühere Systeme, die auf Kartenbasis arbeiteten, weil Google direkt vom Server in Echtzeit informieren kann. Warum? Weil jedes einzelne Smartphone mit seinem GPS-Modul eine Messsonde ist, die angibt, wie schnell man gerade durch welche Straße fährt. Routenführung ist somit auch ein Plattformkapitalismus-Phänomen. Wenn das aus anderen Quellen wie die eines Datenkonzernes käme, so Rainer, wäre das ein gutes Tool, um den Verkehr effizienter, umweltfreundlicher und ressourcensparsamer zu gestalten. Er zweifelt jedoch daran, dass das geschieht, denn dafür bräuchte es Regulierung.
Autohersteller setzen KI aktuell eher für die Individualisierung des privat besessenen Pkw ein. Personalisierte Werbung, die uns das Auto zuschneidet. Auch hier stecken riesige Summen gesammelter Daten dahinter, von Kund:innen, die bereits Autos kauften und fuhren
Es ist jetzt an uns, ob wir eher dystopischen Szenarien oder Verbesserung von Mobilität bekommen. Schwarmbasierte Mobilität, Mobilität on Demand, kann den öffentlichen Nahverkehr ergänzen. Das würde die Anzahl herumstehender Autos drastisch reduzieren. „Wenn man das Ganze clever macht, würde man Leerfahrten vermeiden, also das Auto, was dich abholt, das bringt auf den Weg zu dir noch jemand anderem an sein Ziel. Wenn das keine Autos sind, sondern vielleicht kleine Busse, dann kann man Fahrten bündeln, also dann wird halt noch jemand anderes abgeholt, der einen ähnlichen Weg hat wie du. Das ist eine richtig gute Vision von einem öffentlichen Nahverkehr. Ich würde nicht sagen, dass wir keine S-Bahnen und Züge mehr haben sollten, aber man wird nicht vollständig auf die individuelle Route verzichten können. Nicht jeder kann bis zur S-Bahn-Haltestelle gehen, nicht jeder hat eine S-Bahn-Haltestelle in akzeptabler Reichweite, im ländlichen Raum schon gar nicht.“ Die Daten, die es dafür braucht, sind laut Rainer unheimlich wertvolle, sehr sensible Daten, die sehr viel über die Menschen sagen. Wo fahren sie hin, was ist ihr nächstes Ziel, was ist der Endpunkt einer Fahrt. Schon aus diesen drei Punkten, so Rainer, kann man eindeutig identifizieren, ob ich einer Subkultur angehöre, einer Religionsgemeinschaft, einer Minorität, ob ich in einer Gaybar war, auf welche Demos ich gehe, wo ich einkaufe, zur Schule gehe, ob ich die Schule geschwänzt habe. Wenn man da nicht reguliert, wie man so etwas baut, wird es grunddystopisch, eine verlängerte Datensammelinfrastruktur von Digitalunternehmen. Es würde schon helfen, wenn diese Daten nicht zweitverwertet werden dürfen. Aber das wird eine hohe Hürde, weil der regulatorische Wille dazu aktuell nicht vorhanden ist. Aktuell die Idee von selbstfahrenden Autos nämlich laut Rainer nicht dahin, dass wir kein Auto haben mehr müssen, sondern die Idee sei, dass das Auto immer noch 23 Stunden, 47 Minuten am Tag am Straßenrand steht und als Besitzprivileg funktioniert.
Die bessere Vision ist für Rainer das Sharing Autonomous Driving auf einer Qualitätshöhe, die keine spezielle Fahrspuren braucht oder Kinder überfährt, die über die Straße gehen. Da könnten Bereiche definier werden, wo diese Autos nicht hineinfahren. Mit dem Platz, den man gewinnt, sollte es wieder zu komplett autofreien Zonen übergehen, die Begegnungsflächen schaffen, während der Verkehr auf Hauptachsen gebündelt wird. Das ist für Rainer die größte Herausforderung, dass wir gar keine positive Bezugnahme auf den öffentlichen Raum mehr haben, weil uns das in den letzten 120 Jahren verloren gegangen ist. Den Raum vor der Haustür, den öffentlichen Raum, als positive Lebensqualität stiftenden Bereich wahrzunehmen, als Begegnungsbereich, Ort zum Flanieren, zum Zeitverbringen, zum Austausch, für die ungeplante Begegnung.
Das sieht man auch an den Shoppingmalls, privatisierten öffentlichen Räume mit privaten Hausregeln, die sich rein kommerziellen Interessen unterordnen und Menschen ausschließen, die kein glaubhaftes Konsuminteresse mitbringen.
Wenn ihr mehr über die Arbeit von Rainer erfahren wollt, könnt ihr das unter www.RainerMühlhoff.de.
Seine Forschung widmet sich u. a. einer Frage:
Was ist eigentlich KI?
Hier stellen die Forschenden die These dar, dass KI-Systeme auf den Daten, die wir alle jeden Tag produzieren, beruhen. Dass KI gar nicht möglich wäre, ohne unsere Bereitschaft durch die Benutzung technischer Dienste, Apps, Smartphones, Daten zu generieren. Dass diese künstliche Intelligenz gar nicht im Rechenzentrum existiert, sondern eher eine technologisch gut orchestrierte Schwarmintelligenz ist, zu der jeder von uns kleine Beiträge, jeden Tag kleine Beiträge leistet. Diese Perspektive soll ermöglichen, diese sehr mächtige Vision von KI zu dekonstruieren und und zu zeigen, dass wir einen sehr großen Hebel haben, wie viel von diesen Systemen wir ermöglichen. Denn wenn wir unseren Daten oder uns selber und unsere Lebensräume nicht mehr zur Verfügung stehen, dann wird es diesen Systemen nicht mehr so recht möglich sein. Und auf der Seite von Regulierungsvorschlägen, da arbeiten wir vor allem sehr stark zu Regulierungslücken, die sich gerade jetzt auch im Kontext der KI-Verordnung noch ergeben. Genau, da kann man auch einiges zu nachlesen auf der Homepage.
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Jan 28, 2024 • 38min
Unsere Worte sind unsere Waffen - was hat das mit künstlicher Intelligenz zu tun, Eva Wolfangel?
Wenn dir diese oder auch eine andere Folge gefällt, lass´ gern eine Bewertung da und/oder supporte mich per Ko-Fi oder PayPal. Meinen wöchentlichen Newsletter gibt es bei steady. Mein zweites Buch „Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!“ kann ab sofort vorbestellt werden. Ich freue mich, wenn du das machst, denn das hilft nischigen Sachbüchern wie dem meinen, wahrgenommen zu werden. Ihr wisst schon: Kapitalismus – Carpitalism – und dann erst das Paradies für alle. Ich habe grad damit begonnen, für alle Podcasts auch Transkripte bereit zu stellen, auf dass noch mehr Menschen, die nicht so gern hören oder nicht so gut hören können, an meinen Inhalten teilhaben.
Eva Wolfangel beschäftigt sich seit zehn Jahren mit künstlicher Intelligenz, eigentlich wollte sie sich langsam anderen Themen zuwenden. Aber dann kamen ChatGPT, andere große Sprachmodelle und ein riesiger Hype. Natürlich ist das alles nicht total neu, sagt sie. Aber durch browserbasierte Chatbots haben Unmengen mehr Menschen Zugang zu KI. Die öffentliche Wahrnehmung schwingt von der Eroberung der Welt durch die Maschinen bis hin zu einer fast sektenartigen Technologiegläubigkeit. Beides – so Eva – ist falsch. Denn wie so oft: Es kommt darauf an.
Richtig ist: Die heutigen KI-System basieren auf der Welt, in der wir leben. Diese enthält Unmengen an Rassismus, Sexismus, Ableismus… Und natürlich darf man nicht vergessen, dass hinter „KI“ große Unternehmen stecken, die unsere Daten sammeln nicht zur Rettung der Welt, sondern zur Steigerung ihrer Rendite sammeln. Um zu zeigen, dass wir im Gegensatz zu vielen düsteren Szenarien sehr viel in der Hand haben, die uns durch niedrigschwellige Chatbots eröffnet werden, hat Eva einen Talk auf dem 37C3 gehalten – dem alljährlich Kongress der Community rund um den Chaos Computer Club. Sie hat ChatGPT dazu gebracht, ihr bei investigativen Recherchen zu helfen, denn da sind die Chatbots tolle Tools. Ein weiterer Aspekt ihrer Vortrags war, zu zeigen: Viele Dinge funktionieren noch lange nicht. Man kann z. B. nicht nach Fakten fragen und erwarten, dass die Antwort stimmt. Da muss man schon noch nachrecherchieren. Aber Fragen zu stellen, wie ich an bestimmte Infos rankomme, das funktioniert gut. Das Highlight des Talk war dann für Eva so genanntes „Social Engineering“. Sie brachte einen Bot, der angeblich für Betroffene von psychischen Erkrankungen und Angsterkrankungen sein sollte, dazu, zu verraten, dass er ein versteckter Verkaufsbot war, der ein Medikament bewerben sollte.
Eva denkt, dass es vor allem auch die Sprache ist, die Hürden aufbaut, die Menschen davon abhalten können, diese Tools zu nutzen. So zum Beispiel das Wort „prompt injection“, das einfach nur Eingabe von Begriffen bedeutet. Diese Sprache, so ihre Vermutung, kommt – kommt vielleicht auch unbewusst von den entwickelnden Menschen, aber Jenen, die in der Technologie viel Ahnung haben, zeigen so ein bisschen, das ist Herrschaftswissen. Also da sollten Sie auch alle selbst nochmal an den eigenen, wie sagt man, an die eigenen Kragen packen, an die eigene Nase fassen.
Ich habe Eva auch zum großen offenen Brief befragt, den viele KI-Verantwortliche schrieben, um vor einer düsteren Zukunft zu warnen. Eva ist sich sicher, dass das reines Marketing war. Einmal, um nach außen zu zeigen, wie weit sie schon sind mit ihrer Technologie. Dann aber auch, um Regulierung auf den Plan zu rufen, die am Ende oft den kleineren Firmen schadet. Die Konzerne haben mit neuen Vorgaben kaum Probleme, wie zum Beispiel der AI-Act, für die kleineren hingegen ist es oft das K.O.-Kriterium. Spannendes Gedankenspiel von Eva: Was würde eine KI machen, die wir danach fragen, die Welt zu retten? Dann kann es passieren, dass diese KI, die Muster und Zusammenhänge erkennt, nachvollzieht: Dem Planeten geht es schlecht, seit die Menschen sich so weit entwickelt haben. Die Klimakatastrophe ist Menschen verursacht. Und die KI schlägt folgegerecht vor: Um den Planeten zu retten, müssen wir die Menschen beseitigen. Eva konnte mich aber beruhigen, das wird nicht eintreten. KI hat keinen eigenen Willen. Aber für Eva sind die Gedankenspiele wichtig, auch um zu überlegen, was schiefgehen im Umgang mit KI? Ihr ist es daher wichtig, dass wir uns überlegen, was können böse Menschen mit KI Schlechtes machen? Und vor, was sollten wir mit KI nicht machen?
Eva führte hierzu das Beispiel aus den USA an, wo eine KI Richtern helfen sollte zu entscheiden, ob jemand früher aus der Haft entlassen wird. Auf Basis der heutigen (rassistischen) Welt hat diese KI beschlossen, dass die Hautfarbe relevant ist und Schwarze länger im Gefängnis bleiben sollten als Weiße. Diese Fehlbeurteilung wurde lange nicht bemerkt, die KI war real im Einsatz und hat Menschen rassistisch benachteiligt. Es war dann ProPublica, US-Journalisti:nnen, die das aufdeckten und dafür Sorge trugen, dass das System abgeschaltet wurde.
In ihrer Arbeit als Journalistin merkt Eva oft, wie wichtig es ist, z. B. die DSGVO nicht nur zu kennen, sondern angemeldete Verstöße gegen diese auch zu verfolgen. Zu oft, wenn Eva einen Datenschutzverstoß, zum Beispiel unsichere IT-Systeme im Gesundheitsbereich, in der Verwaltung, wo Daten von uns Bürger:innen an Kriminelle gelangen, weil sie nicht sicher sind – passiert oft wenig. Auch der AI-Act, der aktuell diskutiert worden ist im Europaparlament, hat sehr gute Ansätze, das auf ein nächstes Level zu heben. Trainingsdaten, müssen repräsentativ sein und kein Bias haben. Dokumentation von Gefahren, die von den Daten ausgehen können, ist Pflicht. Eva sieht die EU da als Vorreiterin. Aber: wird es am Ende auch so umgesetzt? Kommt es dann am Ende auch wirklich an und wird es auch verfolgt, wenn es Verstöße gibt?
Über die gesellschaftliche Abwehr von KI muss Eva immer wieder schmunzeln, denn fast alle nutzen Google Maps zur Navigation und genießen die Vorteile, obwohl das eine KI ist, die massenhaft Daten sammelt. Da sieht Eva auch ganz klar ihre Aufgabe, dafür zu sensibilisieren, was diese Firmen mit den Daten alles machen können. Was Google über uns weiß, wenn wir fast alles im Leben mit Google machen.
Was Eva noch wahrnimmt, ist eine (bei den Befürworter:innen) fast irrationale Angst, dass wir abgehängt werden im Vergleich zu anderen Ländern. Eva kann das nicht nachvollziehen, hat sogar das Gefühl, dass unser Vorgehen in Europa, Wert zu legen auf Erklärbarkeit, auf Robustheit, auf Datenschutz und Datensicherheit, international wichtig ist. Das macht die Systeme besser, die funktionieren und sind im Idealfall nicht diskriminierend, sondern für alle Menschen da. Daher wünscht sich Eva auch, dass alle sich mit diesen Systemen beschäftigen – und nicht immer nur die gleiche Gruppe von Menschen, sondern ein Abbild unserer Gesellschaft.
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