

SWR Kultur lesenswert - Literatur
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Jan 14, 2024 • 5min
Eberhard Rathgeb – Maler Friedrich | Boris von Brauchitsch – Caspar David Friedrich. Biografie
„Der Mönch am Meer“, eines der berühmtesten Bilder von Caspar David Friedrich. Kleiner Mönch vor riesigem dunklen Meer. Darüber ein bewegter, bewölkter Himmel. Kleiner Mensch in großer Landschaft – so malte Friedrich seine Figuren oft. Deshalb findet man den Mönch dieses Jahr auch auf einigen Covern neuer Bücher. Denn 2024 wird Friedrichs 250. Geburtstag gefeiert. Konkret ist der erst am 5. September, aber die Huldigungen sind schon jetzt in vollem Gange. Eine große Caspar-David-Friedrich-Ausstellung ist augenblicklich in Hamburg zu sehen. Danach in Berlin, später in Dresden und in auch einigen anderen Städten.
Und: Es gibt neue Bücher über den großen Landschaftsmaler. Am erfolgreichsten ist gerade sicherlich das fröhlich-anekdotische, sehr szenische und breit recherchierte Buch „Zauber der Stille“ von Florian Illies. Das haben wir auf SWR2 schon vorgestellt. Und auch ein Gespräch mit dem Autor geführt. Das ganze Gespräch gibt es hier:
Aber es gibt auch neue Friedrich-Bücher von Eberhard Rathgeb und von Boris von Brauchitsch. Und über diese beiden Bücher spricht Katherina Borchardt im Beitrag.
Zunächst ist da der Band „Maler Friedrich“ von Eberhard Rathgeb. Maximal weit entfernt von Illies‘ sehr szenischem, auch mal krachend komischem Erzählen. Rathgebs Buch bettet Friedrich stark ein in die geistesgeschichtlichen Strömungen seiner Zeit: Goethe und Kant, Fichte und Hegel! „Was ich gut finde, denn das fehlte mir bei Illies“, meint Katherina Borchardt. Rathgeb zeigt auch ein tiefes Verständnis für Friedrichs protestantische Herkunft.
„Maler Friedrich“, das ist eine essayistische Betrachtung seines Lebens, grob chronologisch geordnet. Nicht so sehr mittendrin im Geschehen, sondern eher eine Draufschau auf Bilder und Bücher und Briefe aus dem Heute. Dabei ist Rathgeb sehr solidarisch mit Friedrich, manchmal etwas grantig, wenn ihm einer was will.
Tendenz: viel Reflexion, die sich oft aber auch ein bisschen um sich selbst windet, was Katherina Borchardt zu viel wurde. Auch wenn sie den philosophischen Ansatz grundsätzlich gut findet. „Maler Friedrich“ heißt Eberhard Rathgebs Buch.
Also: Illies hier – Rathgeb da. Und genau in der Mitte zwischen diesen beiden: Boris von Brauchitsch mit seiner Caspar-David-Friedrich-Biografie. Findet Borchardt zumindest: mittig. Von Brauchitsch hat – wie die anderen auch – hervorragend recherchiert, klingt auf entspannte Weise souverän und hat auch einen guten Blick für das Anfertigen der Bilder, also ihre Materialität. Sein Buch ist sicherlich das am deutlichsten Chronologische von den dreien, ist aber ja auch als „Biografie“ gekennzeichnet. Einen weiten, auch politisch weiten Horizont hat Brauchitsch, und er schaut sich auf den letzten 20 Seiten dann auch noch an, wie die Malerei des 20. Jahrhunderts Friedrich rezipierte und auch zitierte. Ein bisschen anders also als Illies, der in „Zauber der Stille“ die Spur von Friedrichs eigenen Werken im 20. und 21. Jahrhundert weiterverfolgt.
Besonders interessant bei von Brauchitsch: wie Friedrichs Motive bis heute in Foto und Film zitiert werden. Sein Buch ist als einziges angereichert mit wirklich vielen Bildern, die auch im Kleinformat noch prächtig sind.
Also: Drei sehr unterschiedliche Bücher über ein und denselben Maler. Klug sind sie alle drei. „Zauber der Stille“ von Florian Illies ist dabei sicherlich das unterhaltsamste. Auf schöne Weise unverkrampft, fast kumpelhaft. Für Fortgeschrittene, aber eben schönerweise auch unbedingt für Anfänger. Erschienen im Fischer-Verlag.
„Maler Friedrich“ von Eberhard Rathgeb, Berenberg Verlag, ist das komplexeste. Ein Buch, für das Landschaft nicht nur etwas mit Gebirgen und Gewächsen zu tun hat, sondern auch mit deutscher Geistesgeschichte. Kant und Romantik – und Einzelgänger Friedrich mittendrin. Ein Buch sicherlich vor allem für Fortgeschrittene.
Und schließlich „Caspar David Friedrich. Biografie“, aus dem Insel Verlag, von Boris von Brauchitsch. Für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen. Fein erzählt, tiefgründig und zudem versehen mit zeitgeschichtlichen Exkursen und vielen Bildern.
Katharina Borchardts Fazit:
Ich mag alle drei Bücher. Aber das von Boris von Brauchitsch ist mit kleinem Vorsprung mein persönlicher Favorit. Januar 2024 – das Caspar-David-Friedrich-Jahr ist eröffnet!

Jan 14, 2024 • 1min
Yoko Ogawa – Das Geheimnis der Eulerschen Formel
Sein Gedächtnis umfasst nur 80 Minuten. Alles, was zuvor geschah, hat der alte Mathematikprofessor vergessen. Einst hatte er einen Unfall. Seither funktioniert sein Gedächtnis nicht mehr gut. Über Mathematik aber kann er noch unbekümmert sprechen, und das tut er am liebsten mit seiner neuen Haushälterin, die selbst einsam ist und zusammen mit ihrem kleinen Sohn beim Professor eine herzliche Heimstatt findet.
„Das Geheimnis der Eulerschen Formel“ von Yoko Ogawa hat viele Leser und Leserinnen verzaubert. Der Roman hat aber auch einen ganz berühmten Fan: die japanische Autorin Sayaka Murata.
Murata wurde mit Romanen wie „Die Ladendiebin“ oder „Das Seidenraupenzimmer“ berühmt. Es sind Geschichten, in denen sie von den gesellschaftlichen Zurichtungen erzählt, denen junge JapanerInnen sich entweder ergeben oder vor denen sie zu fliehen versuchen. Vielleicht verbindet genau dies Muratas Schreiben mit den Rückzugsromanen von Yoko Ogawa. Über „Das Geheimnis der Eulerschen Formel“ sagt Sayaka Murata auf SWR2:
Dieser Roman ist sehr warmherzig, aber auch traurig. Und es ist ein Roman, der mir die Schönheit der Mathematik nähergebracht hat, denn in Mathe war ich als Kind gar nicht gut. Ich empfehle diesen Roman sehr gern.
Hören Sie die Autorin im O-Ton!

Jan 14, 2024 • 16min
Haruki Murakami – Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
„Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte, die Murakami bereits 1980 publizierte und in seinem Roman „Hardboiled Wonderland“ (1985) noch einmal aufgriff. Zufrieden aber war er damit nie, und so hat er jetzt einen weiteren Erzählstrang hinzuerfunden und daraus einen umfangreichen neuen Roman gemacht.
Es geht darin um eine Jugendliebe, die sich aus dem Tokioter Alltag in eine geheimnisvolle ummauerte Stadt verlagert. Ein Ort des Unterbewussten. Dort betreut das Mädchen eine Bibliothek voller alter Träume, die der junge Erzähler wiederum zu lesen versucht.
Als er die ummauerte Stadt später wieder verlässt, setzt er seinen Alltag in Tokio fort. Er studiert und wird schließlich Bibliotheksleiter in einer Stadtbücherei in der Präfektur Fukushima, wo er aber auch wieder in Berührung kommt mit der geheimnisvollen ummauerten Stadt.
Im Gespräch mit SWR2-Literaturredakteurin Katharina Borchardt diskutiert die Literaturkritikerin Iris Radisch wiederkehrende Erzählmotive und Figurenkonstellationen bei Murakami. Die Magie seines Erzähltons liegt für Radisch darin, dass Murakami „absolute Simplizität mit dem großen Anspruch einer Wiederverzauberung des Alltags“ verknüpft.
Hören Sie zunächst eine Lesung von David Nathan („Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“, MP3-CD von Hörbuch Hamburg) und anschließend Iris Radisch im Gespräch.

Jan 14, 2024 • 54min
SWR2 lesenswert Magazin u.a. mit dem neuen Buch von Murakami
„Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“, geht es Hundebesitzer Schongauer nicht übel. Davon erzählt Bodo Kirchhoff in seinem neuen Roman.
Bei Haruki Murakami sind es eher Katzen, die in „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ umherschleichen. Und es gibt Bücher, Geister und eiförmige Träume. Schön!
Bei Yoko Ogawa kommt die Haushaltshilfe eines Mathematikers hinter „Das Geheimnis der Eulerschen Formel“. Ein warmherziger Roman, den die Bestsellerautorin Sayaka Murata empfiehlt.
2024 ist Caspar-David-Friedrich-Jahr! Deswegen beschreibt uns der Kunsthistoriker Florian Illies Friedrichs berühmtes Bild „Der Mönch am Meer“.
Anschließend schauen wir uns mit „Maler Friedrich“ und „Caspar David Friedrich. Biografie“ zwei neue Bücher über den berühmten Landschaftsmaler an. Die Autoren sind Eberhard Rathgeb und Boris von Brauchitsch.
Und schließlich lesen wir Zeruya Shalevs Debütroman „Nicht ich“. Die Geschichte einer Frau, die ihre Familie abrupt verlässt. Erschienen bereits 1993 gibt es den Roman jetzt endlich auch auf Deutsch.
Bodo Kirchhoff – Seit er sein Leben mit einem Tier teiltdtv, 384 Seiten, 24 Euro ISBN 978-3-423-28357-1 Rezension von Christoph Schröder
Haruki Murakami – Die Stadt und ihre ungewisse Mauer Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe Dumont Verlag, 640 Seiten, 34 Euro ISBN 978-3-7558-1000-1 Gespräch mit Iris Radisch mit Lesung von David Nathan vom gleichnamigen Hörbuch von Hörbuch Hamburg
Yoko Ogawa – Das Geheimnis der Eulerschen Formel Aus dem Japanischen von Sabine Mangold Liebeskind Verlag, 256 Seiten, 18,90 Euro ISBN 978-3-935890-88-5 Lesetipp von Sayaka Murata
Caspar David Friedrich – Der Mönch am Meer Florian Illies erzählt ein Bild
ZUM 250. GEBURTSTAG VON CASPAR DAVID FRIEDRICHEberhard Rathgeb – Maler Friedrich Berenberg Verlag, 208 Seiten, 28 Euro ISBN 978-3-949203-70-1 UND Boris von Brauchitsch – Caspar David Friedrich. Biografie Insel Verlag, 319 Seiten, 20 Euro ISBN 978-3-458-68323-0 Doppel-Kurzkritik von Katharina Borchardt
Zeruya Shalev – Nicht ich Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer Berlin Verlag, 208 Seiten, 24 Euro ISBN 978-3-8270-1476-4 Rezension von Ulrich Rüdenauer
Musik: Walter Abt – Argentine Tangos & Klezmer Label: ABT music

Jan 11, 2024 • 5min
Franz Josef Czernin – geliehene zungen: Gedichte | Buchkritik
Franz Josef Czernin ist ein Dichter, der mit Sprache experimentiert. Mehr noch: Er nimmt die Sprache beim Wort, und dabei gelingen ihm vielfältige Wortneuschöpfungen. Nicht anders ist dies beim neuen Gedichtband „geliehene zungen“. Zunge auf lateinisch heißt „lingua“ - und meint auch Sprache. Dem Dichter ist die Sprache etwas Geliehenes, damit er Neues erschafft. Czernin löst diesen Anspruch ein. Mit Hintersinn, Witz und voll Poesie.

Jan 10, 2024 • 5min
Amitav Ghosh – Der Fluch der Muskatnuss
Globalgeschichte „in a nutshell“ - Amitav Ghosh beleuchtet den Zusammenhang zwischen dem Wettlauf um die Muskatnuss in der Frühen Neuzeit und unserer heutigen planetaren Krise.

Jan 9, 2024 • 5min
Vigdis Hjorth – Die Wahrheiten meiner Mutter
Was ist damals geschehen? Das fragt eine fast 60-jährige Norwegerin ihre inzwischen betagte Mutter. Wie kam es, dass die Mutter sie mit ihrer Traurigkeit und Kälte infizierte? Die Mutter aber verweigert den Kontakt. Daraufhin beginnt in Vigdis Hjorths eindringlichem Roman „Die Wahrheiten meiner Mutter“ ein Kampf um Leben und Tod.

Jan 8, 2024 • 5min
Jörn Leonhard – Über Kriege und wie man sie beendet. Zehn Thesen
Geschichte wiederholt sich nicht, aber der Blick auf vergangene Kriege zeigt, welche Konstellationen warum zu welchen Ergebnissen führten. Der Freiburger Historiker Jörn Leonhard fördert mit dem Blick in die Geschichte erhellende Erkenntnisse für die Gegenwart zutage.

Jan 7, 2024 • 1h 8min
SWR Bestenliste Januar 2024
Die SWR Bestenliste war zu Gast im Karlsruher Prinz-Max-Palais. Aus der Jury der Bestenliste saßen auf dem Podium der Literarischen Gesellschaft: Cornelia Geißler (Berliner Zeitung), Beate Tröger (DLF) und Jörg Magenau (Süddeutsche Zeitung). Carsten Otte moderierte den Abend. Aus den vier vorgestellten Büchern der SWR Bestenliste im Januar lasen Isabelle Demey und Sebastian Mirow.
Auf Platz 5 der Januar-Bestenliste steht der norwegische Autor Karl Ove Knausgård, der über „Anselm Kiefer und seine Kunst“ geschrieben hat. „Der Wald und der Fluss“ heißt das Buch, das in deutscher Übersetzung von Paul Berf im Luchterhand Verlag erschienen ist. Darin treffen zwei berühmte Berserker aufeinander, die in ihrer Gigantomanie sehr verschieden sind. Die Runde ist sich einig im Lob des Buchs, in dem Kiefer nicht nur als Schöpfer düsterer Landschaftsgemälde, sondern auch als dauerlachender Kobold herumspringt.
Auf Platz 3 hat die Bestenliste-Jury das neue Prosawerk des amerikanischen Schriftstellers Paul Auster gewählt. Der aktuelle Roman heißt „Baumgartner“, ist aus dem Englischen von Werner Schmitz übersetzt worden und im Rowohlt Verlag erschienen. Erzählt wird die Geschichte eines alternden Wissenschaftlers, der um seine verstorbene Frau trauert. Ein Text mit grandiosen Szenen, lobte Beate Tröger. Ein Text, in dem der Überlebende über die Literatur mit der geliebten Toten kommuniziert, sagte Cornelia Geißler. Ein berührendes Buch, das leider von Kapitel zu Kapitel etwas schwächer wird, kritisierte Jörg Magenau.
Der Gedichtband „Steine & Erden“ von Jan Wagner, erschienen im Verlag Hanser Berlin, wird auf Platz 2 der SWR Bestenliste im Januar geführt. Geißler entdeckte die originellsten Sprachbilder, Tröger nannte den Dichter einen großen Handwerker und Magenau freute sich, dass diese Lyrik nachvollziehbar „erzähle“, statt bedeutungsschwer zu raunen.
Begeistert zeigte sich die Jury-Runde von „Minihorror“. Platz 1 der Januar-Bestenliste, erschienen im Wiener Residenz Verlag. Die serbisch-österreichische Autorin Barbi Marković erzählt in kleinen Episoden vom Grauen im Alltag eines binationalen Paars. Die Geschichten beginnen mit Erfahrungen wie dem Besuch eines schwedischen Möbelhauses und kippen ins Surreale. Beate Tröger verwies auf die bitterernsten Hintergründe der Szenen und fühlte sich an die Dramen des Grotesken von Samuel Becket erinnert, Jörg Magenau wollte die pointierte Prosa „nicht so hoch hängen“ und verglich die Komik mit dem Disney-Witz der Lustigen Taschenbücher. Cornelia Geißler freute sich über den Erfolg der Autorin, die mit einem Thomas-Bernhard-Remix debütierte, und verwies auf das Bonusmaterial des Buchs mit weiteren über hundert Horrorplots, die auch noch auserzählt werden könnten.

Jan 7, 2024 • 18min
Barbi Marković: Minihorror
Mini und Miki leben in Wien, eine Stadt, die Marković in einem Rundfunkgespräch mit Entenhausen verglichen hat. Alles scheint da hübsch anzuschauen, aber die Oberfläche trügt. „Minihorror“ enthüllt, was Disney verschweigt.


