Literaturclub: Zwei mit Buch

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)
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Dec 13, 2024 • 29min

Maylis de Kerangal: Flucht aus der Putin-Armee

Im Roman «Weiter nach Osten» fährt ein junger russischer Rekrut in der Eisenbahn zur Soldatenausbildung in Ostsibirien – zusammen mit anderen Wehrpflichtigen eingepfercht im 3. Klasse-Abteil. Er will desertieren. Eine unbekannte französische Touristin hilft ihm – aus Menschenpflicht. «Weiter nach Osten» ist bereits 2012 im französischen Original erschienen und liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor. Es sei mittlerweile «von der Aktualität überholt» worden, sagt Host Felix Münger. Die Geschichte des Rekruten, welcher der brutalen Soldatenausbildung im diktatorischen Staat zu entkommen versucht, lässt an die Hunderttausenden denken, die im verbrecherischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ums Leben kommen. Co-Host Simon Leuthold ist fasziniert von der betörenden Sprache von Maylis de Kerangal. Sie ist als Autorin weit über ihre Heimat Frankreich hinaus bekannt. Im Roman gelingt es ihr, innere Monologe ihres Protagonisten mit hyperrealistischen Schilderungen der Weiten Sibiriens zu verweben. Und gleichzeitig herauszuarbeiten, wie dank mitfühlendem Handeln selbst in ausweglos scheinenden Situationen Hoffnung gedeihen kann. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: · Maylis de Kerangal: Weiter nach Osten, aus dem Französischen von Andrea Spingler, Suhrkamp 2024. Im Podcast zu hören sind: · Maylis de Kerangal, Buchautorin · Calum MacKenzie, SRF-Russlandkorrespondent Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch Weitere Informationen und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur.
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Nov 29, 2024 • 28min

«22 Bahnen» und «Windstärke 17» von Caroline Wahl: Leid und Liebe

Caroline Wahls Romane «22 Bahnen» und «Windstärke 17» erzählen die Geschichte zweier Schwestern, die bei einer verwahrlosten, alkoholsüchtigen Mutter aufwachsen und ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben finden müssen. Im Roman «22 Bahnen» erzählt Tilda aus ihrer Perspektive. Sie ist die ältere Schwester, mathematisch begabt, jobbt in einem Supermarkt, schwimmt täglich ihre 22 Bahnen, sorgt sich um die kleine Schwester und verliebt sich. Sie zieht nach Hamburg, wo sie an der Universität ein Stipendium hat. In «Windstärke 17» strandet Ida, die jüngere Schwester, an der Ostsee und versucht verzweifelt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sie sucht nach Orientierung und einem neuen Leben, fernab schmerzhafter Erinnerungen an ihre Kindheit. In «Literaturclub: Zwei mit Buch» tauchen die beiden Hosts in die Geschichten der Schwestern ein und lassen auch Caroline Wahl zu Wort kommen, über ihren Erfolg, das Schreiben und über das Finden von Figuren. Diese Bücher stehen im Zentrum der Folge: · Caroline Wahl. 22 Bahnen. 208 Seiten. Dumont, 2023. · Caroline Wahl. Windstärke 17. 255 Seiten. Dumont, 2024. Im Podcast zu hören ist: Caroline Wahl, Schriftstellerin. Sie war live zu Gast an der BuchBasel. Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch Weitere Informationen und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur.
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Nov 15, 2024 • 29min

«Der Chor» von Anna-Katharina Hahn: Viel mehr als Singen

Auch «Der Chor», der fünfte Roman der deutschen Autorin Anna-Katharina Hahn, nimmt Alltag so ins Visier, dass man ihn ganz neu entdecken kann, findet Host Franziska Hirsbrunner. Wie in einem Wimmelbild verweben sich Chorbeziehungen mit den Abgründen des Lebens. Schauplatz ist Stuttgart, wie so oft bei Anna-Katharina Hahn. Dort trifft sich ein Laienchor von Frauen wöchentlich zur Probe. Eine junge estnische Musikstudentin leitet ihn. Gesungen werden nur die Lieblingslieder der Frauen. Gesellschaftliche und politische Krisen, zum Beispiel der Krieg in der Ukraine oder die Folgen der Corona-Pandemie, finden genauso Eingang ins Chorgeschehen wie die Lebenssituationen der Sängerinnen. Und ihre Freundschaften untereinander sind so kitschfrei, wie ihre Feindschaften komplex sind. Ein Roman voller Überraschungen – berührend und rasant erzählt. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: · Anna-Katharina Hahn. Der Chor. 282 Seiten. Suhrkamp Verlag. · Lied (Frauenchor Morsbacher Singkreis): Dat du min Leevsten büst. Aus: Musikdirektor FDB Gerhard Schneider und seine Chöre: Stimmungsbilder. j.b.music, Track 18. Im Podcast zu hören sind: · Anna Katharina Hahn, Schriftstellerin Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch Weitere Informationen und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur
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Nov 1, 2024 • 29min

«Plasmatropfen» von Joshua Groß: Superkräfte gegen Depressionen

Depressionen, Superkräfte, märchenhafte Mischwesen, Augentropfen. Darum geht es im neuen Roman von Joshua Groß, der sich an grosse Fragen des menschlichen Zusammenlebens heranwagt: Wie stützen wir einander? Wann und unter welchen Umständen helfen wir einander? Wann dürfen wir es nicht? Sie sind ein ungleiches Paar: Lenell, der schwer depressive Seismologe, und Helen, die Künstlerin mit übermenschlichen Fähigkeiten. Könnte sie ihm seine kreiselnden Gedanken abnehmen oder sie ihm gar telekinetisch austreiben? Oder kann vielleicht der Spechtmensch dabei helfen? Innerhalb dieser surreal anmutenden Anlage verhandelt Joshua Groß grosse ethische Fragen: Wie weit reicht die Verantwortung einem depressiven Partner gegenüber? Was braucht es, um aus gedanklichen Abwärtsspiralen ausbrechen zu können? Ein sprachlich kühnes Buch, das viel Raum zum Nachdenken eröffnet, findet Host Simon Leuthold. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: * Joshua Groß: Plasmatropfen. 263 Seiten. Matthes & Seitz, 2024. Im Podcast zu hören ist: * Joshua Groß, Buchautor Weitere erwähnte Bücher: * Franz Hohler: Das Päckchen. Luchterhand, 2017. * Christian Kracht: Faserland. Kiepenheuer & Witsch, 1995. Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch Weitere Informationen und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur
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Oct 18, 2024 • 27min

«Der Geschichtenabnehmer» von Vincenzo Todisco: Die letzten Worte

Ein italienisches Bergdorf, in dem es jedem Sterbenden zusteht, noch einmal von seinem Leben zu erzählen. Davon handelt der neue Roman des Schweizer Schriftstellers Vincenzo Todisco. Es ist ein leises, atmosphärisches und virtuos geschriebenes Buch, findet Katja Schönherr. Wenn Sie wählen könnten: Was würden Sie sich für Ihre allerletzten Stunden wünschen? Einen Menschen an Ihrer Seite? Einen, der bei Ihnen sitzt? Ihnen zuhört? Ihnen abnimmt, was noch auf der Seele liegt? Das jedenfalls ist das Abschiedsritual, das in Gruma jedem Sterbenden zusteht. Gruma ist das fiktive italienische Bergdorf, in dem Vincenzo Todisco seinen neuen Roman «Der Geschichtenabnehmer» spielen lässt. Liegt in Gruma jemand im Sterben, so ist es seit Jahrhunderten Tradition, dass ein sogenannter Geschichtenabnehmer herbeieilt. Am Sterbebett steht ein Stuhl für ihn bereit. Auf diesen wird er sich setzen, nichts sagen, einfach zuhören. Der Geschichtenabnehmer in Todiscos Roman ist der Junge Walter. Im Alter von nur sieben Jahren wurde ihm die Aufgabe des Geschichtenabnehmens übertragen – und er nimmt sie ernst, sehr ernst. Mit der Zeit sammeln sich die verstummten Stimmen und deren Geschichten in seinem Kopf, und für Walter wird das Dasein als «Geschichtenabnehmer» zunehmend zu Belastung. Wird er diese Aufgabe ein Leben lang erfüllen können? Das ist eine der Fragen, um die sich der Roman dreht. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: * Vincenzo Todisco: «Der Geschichtenabnehmer». 252 Seiten. Atlantis, 2024. Im Podcast zu hören sind: * Vincenzo Todisco, Schweizer Autor * Peter Hunn, ehrenamtlicher Sterbebegleiter beim Verein PACE Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch . Mehr Literatur und den wöchentliche Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur .
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Oct 4, 2024 • 27min

«Das Institut» von Christian Haller: Macht und Machtmissbrauch

Ein junger Mann erhält eine Stelle in einem Institut, das nicht nur Konzepte für eine Zukunft erarbeitet, sondern selbst auch ein Player ist. So gerät er in den Strudel von Macht und Machtmissbrauch und versucht, sich mit Anstand und Würde aus der Affäre zu ziehen. In seinem neusten Roman verarbeitet der letztjährige Gewinner des Schweizer Buchpreises Christian Haller seine Zeit bei. Ersten und berühmtesten Thinktank der Schweiz, beim Gottlieb-Duttweiler-Institut. Jetzt, die fünfzig Jahre später, schreibt er einen Roman über das fulminante Leben unter Mächtigen aber auch über die Folgen Macht und Machtmissbrauch in hohen Wirtschaftskreisen. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: * Christian Haller. Das Institut. Luchterhand, 2024 Im Podcast zu hören: * Christian Haller, Schriftsteller Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch . Mehr Literatur und den wöchentliche Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur .
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Sep 20, 2024 • 30min

«Kleine Monster» von Jessica Lind: Die «heile Kindheit» gibt es nicht

Eine Mutter erfährt, dass sich ihr kleiner Sohn in der Schule vor einer Mitschülerin entblösst hat. Was ist mit ihm los? Die Verunsicherung der Mutter ist total.  «Kleine Monster», der zweite Roman der Österreicherin Jessica Lind, ist für Host Felix Münger ein psychologisch raffinierter Familienroman, der gängige Bilder der Kindheit hinterfrage. Das Vorkommnis in der Schule weckt in der Mutter die Erinnerung an eine tabuisierte Katastrophe in ihrer eigenen Kindheit: Damals ertrank die jüngste Schwester. Die Umstände wurden nie geklärt. In der Familie verbreitete sich Misstrauen. Es vergiftete das Klima – und wirkte traumatisierend. Jessica Lind verschränkt in ihrem Roman das Damals mit dem Heute – und entlarvt die Vorstellung der «heilen Kindheit» als Illusion. Dieses Buch steht im Zentrum: * Jessica Lind: Kleine Monster. Hanser Berlin, 2024. Im Podcast zu hören sind: * Jessica Lind, Schriftstellerin * Klaus Müller-Wille, Professor für nordische Sprachen und Literaturen, Uni Zürich Weiter erwähnte Bücher: * Christopher Franzen: Crossroads, aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt 2021. * Philipp Oehmke: Schönwald. Piper, 2023. Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch . Mehr Literatur und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur .
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Sep 6, 2024 • 28min

«Die dritte Hälfte»: Sabine Peters berührender Roman übers Altwerden

Die Frage Zeit falte sich im Alter plötzlich anders auf, sagt Sabine Peters: «Was ist die eigene Lebenszeit? Was ist die Zeit des Lebens?» Mit «Die dritte Hälfte» hat sie ein nachdenkliches, aber auch vergnügliches Buch über ein Tabu-Thema geschrieben.  Dass wir hinfällig und schliesslich sterben werden, verdrängen wir gerne. Da ist auch der Hausarzt, der im Zentrum von Sabine Peters Romans steht, keine Ausnahme. Hermann Dik, genannt Doc, fürchtet sich vor der Pensionierung, auch, weil er keinen Nachfolger findet und sich um seine Patientinnen und Patienten sorgt. Der Hausarzt, ein Auslaufmodell – Sabine Peters schreibt nahe an der Realität. Sie fächert ein packendes Wimmelbild auf und erzählt die Geschichte ihres Protagonisten und die der Menschen um ihn herum mit leichter Hand und Spass am rasanten Dialog. Immer wieder erlaubt sie dabei überraschende Blicke auf das Tabu-Thema Alter. Zum Beispiel, wenn eine ihrer Figuren fragt: «Welcher Mensch von über sechzig Jahren stellt sich noch die Frage, was er später sein will?» Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: * Sabine Peters. Die dritte Hälfte. 231 Seiten. Wallstein Verlag Weitere erwähnte Bücher: * Jean Améry. Über das Altern. 176 Seiten. Klett-Cotta Verlag * Didier Eribon. Eine Arbeiterin. Deutsch von Sonja Finck. 272 Seiten. Suhrkamp Verlag Im Podcast zu hören sind: * Sabine Peters, Buchautorin * Kurt Seifert, Sozialwissenschaftler Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch Mehr Literatur und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur .
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Aug 23, 2024 • 29min

«Stay True» von Hua Hsu: Mord erschüttert College-Idylle

Ein brutaler Mord bewegt das Campusleben in Berkeley. Ein junger Mann verliert seinen Freund und stürzt sich ins Schreiben. Berkeley Kalifornien, Ende 1990iger Jahre: Zwei junge Studenten, Ken und Hua, lernen sich an der Uni kennen und werden Freunde. Sie sind unterschiedlich, trotzdem verbringen sie viel Zeit miteinander, diskutieren leidenschaftlich über Musik, Filme und Bücher. Diese Freundschaft endet abrupt, als Ken mit Anfang 20 ermordet wird. Hua, zutiefst erschüttert, schreibt jede Erinnerung an Ken auf und denkt in seinem autobiografischen Buch «Stay True» über Trauer, Freundschaft, Wahrhaftigkeit und Herkunft nach. Dadurch wird «Stay True» eine Hommage auf Ken, das Buch ist aber auch eine Reflexion über Identität, Herkunft und die Fragilität des Lebens. Jennifer Khakshouri und Michael Luisier unterhalten sich in «Literaturclub: Zwei mit Buch» über «Stay True. Memoir über Freundschaft», der mit einem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: * Hua Hsu. Stay True. 232 Seiten. AKI Verlag, 2024. Im Podcast zu hören sind: * Hua Hsu, Autor von «Stay True» Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch . Mehr Literatur und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur .
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Aug 9, 2024 • 29min

«Reichskanzlerplatz» von Nora Bossong: Wer war Magda Goebbels?

Wie wurde aus der jungen, offenen, an Kunst und Fremdsprachen interessierten Magda Quandt die flammende Nationalsozialistin und «Übermutter des Dritten Reichs» Magda Goebbels? Diesen Weg zeichnet Nora Bossong in ihrem neuen Roman nach, anhand eines kaum bekannten Weggefährten. Die Frage, wo die spätere Magda Goebbels in ihrem Leben anders hätte abbiegen können, ist zentral für Nora Bossongs Roman, weil die heimliche First Lady des «Dritten Reichs» auch symbolisch für das steht, was mit Deutschland in der Zeit geschieht. Und sie drängt sich auf, weil die Autorin eine überraschende Perspektive für ihr Buch wählt: Der Ich-Erzähler führte einst eine Beziehung mit Magda – für ihn, der später im «Dritten Reich» als Funktionär Karriere macht, ein Weg, seine Homosexualität zu verbergen, für sie ein Weg, aus ihrer ersten Ehe auszubrechen. Nora Bossong bietet ungeschönte Einblicke in die Abgründe der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie: Ein unbequemes, aber höchst beeindruckendes Buch, findet Host Simon Leuthold. Dieses Buch steht im Zentrum der Folge: * Nora Bossong. Reichskanzlerplatz. 295 Seiten. Suhrkamp, 2024. Im Podcast zu hören ist: * Nora Bossong, Buchautorin Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns: literatur@srf.ch Mehr Literatur und den wöchentlichen Literaturnewsletter gibt es unter srf.ch/literatur .

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