
Gradmesser
Was können wir gegen den Klimawandel tun? Ruth Ciesinger geht dieser Frage mit Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und Technik im Klima-Podcast vom Tagesspiegel nach.
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Nov 26, 2021 • 26min
„Sie machen aus Gegnern Feinde“
Populisten hetzen gegen die Energiewende. Doch die Ampel kann das Jahrhundertprojekt zum Erfolg bringen und viele Menschen dafür gewinnen. Wie? Mehr im Klimapodcast.
Der Koalitionsvertrag steht, die Ministerien sind verteilt, und klar ist: Die Ampel hat sich große Ziele bei der Energiewende gesetzt. Deutschland soll bis zum Jahr 2030 rund 80 seines Stroms aus Erneuerbaren Energien beziehen. Aktuell sind es rund 48 Prozent. Außerdem ist der Ausbau der Erneuerbaren Energieanlagen zuletzt viel zu langsam vorangegangen. Zum Vergleich: Von etwa 420 neuen Windkraftanlagen pro Jahr muss jetzt der Sprung sofort auf 1500 Windmühlen gelingen.
Damit der Komplett-Umbau des Energiesystems jetzt ein Erfolg werden kann, müssen vor allem Bürgerinnen und Bürger sehr viel besser an der Umsetzung beteiligt werden, sagt Harald Uphoff, Geschäftsführer der Stiftung „100 Prozent Erneuerbar“. Wie das gehen kann, warum es sehr viel mehr professionelle Mediatoren und Mediatorinnen braucht, und weshalb die Ampel unbedingt für die Menschen vor Ort mehr wirtschaftlichen Nutzen durch die Energieanlagen ermöglichen sollte, sagt Uphoff in dieser Gradmesser-Folge.
Denn klar ist auch: Populisten, vor allem von Rechts, haben die Energiewende im Fokus. AfD-Politiker haben den Ton massiv verschärft, sagt Uphoff, „sie machen aus Gegnern Feinde“. Wie das verhindert werden kann und im Gegenteil die Menschen in den entsprechenden Regionen im Dialog bleiben, um valide Kritik weiter möglich zu machen, auch das sagt Uphoff im Gradmesser. Und ein weiterer Punkt ist ihm wichtig: „Die Erneuerbaren Energien sind nicht das Problem beim Artenschutz“.
Außerdem geht es im Podcast um die Zustimmung des EU-Parlaments zur milde reformierten EU-Agrarpolitik. Hier wird größtenteils weiter nach dem Prinzip verfahren: Die Bauern mit dem meisten Land bekommen auch das meiste Geld. Was sich trotzdem geändert hat, und was die neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) jetzt auf dieser Grundlage für den Klimaschutz tun kann, weiß Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie und Klima.
Wir freuen uns über Euer Feedback! Kritik, Anregungen oder Fragen schickt Ihr bitte an gradmesser@tagesspiegel.de

Nov 19, 2021 • 26min
Schöner Wohnen für den Klimaschutz
Bauen ist klimatechnisch eine furchtbar dreckige Angelegenheit, Wohnen auch. Das muss sich ändern. Wie, darum geht es im Klimapodcast.
Wohnen ist alles andere als klimafreundlich - zumindest noch. Ein Drittel der jährlichen Treibhausgasemissionen kommen in Deutschland aktuell aus dem Gebäudesektor, außerdem werden hier rund 35 Prozent der Endenergie verbraucht. Wenn das Ziel Klimaneutralität im Jahr 2045 eingehalten werden sollen, dann muss hier sehr viel passieren.
Lamia Messari-Becker, Bauingenieurin, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik sowie Mitglied im Club of Rome, sagt, wie Klimaanpassung und Klimaschutz zusammengehen, warum Krisen schon immer unsere Lebensräume neu geformt haben, und wie die Stadt der Zukunft auch sehr viel lebenswerter ist.
Da sich das Klima bereits verändert, müssen wir unsere Art zu Wohnen daran anpassen. Drastisch gezeigt hat das die Flut im Sommer, bei der mehr als 180 Menschen getötet worden sind. Die Tausenden von Hitzetoten allein im vergangenen Jahr hat, so zynisch das ist, die Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Aber auch sie sind Opfer der Klimakrise, die durch andere Bauweisen zumindest besser geschützt hätten werden können.
Städte müssen also an Starkregen, Hitze, Dürre und heftige Stürme angepasst werden. Zugleich muss der Energieverbrauch gesenkt und umgestellt werden, möglichst auf Erneuerbare Energien. Das dauert nicht nur seine Zeit sondern kostet auch Geld. Wie das gehen kann, warum auf diesem Weg insgesamt die Lebensqualität der Menschen steigen kann, und warum eine neue Regierung dringend ein Bauministerium einrichten sollte, auch das sagt Lamia Messari-Becker.
Außerdem im Podcast: SPD-Politiker Klaus Mindrup sagt, was es aus seiner Sicht für Anstrengungen braucht, damit Berlin die Energiewende schafft, und warum der "Quartiersansatz" ein richtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität ist.
Wenn Ihr einen Themenvorschlag, Kritik oder Anregungen habt, dann schreibt gerne an gradmesser@tagesspiegel.de. Wir freuen uns darüber!

Nov 11, 2021 • 26min
Warum die Klimakrise die Umweltkrise verdeckt
Gerade geschieht das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Natur und Klimaschutz müssen besser zusammen gedacht werden.
Auf die Weltklimakonferenz in Glasgow blickt die Welt, dass Mitte Oktober schon die Weltnaturschutzkonferenz stattgefunden hat, haben vor allem Expertinnen und Experten zur Kenntnis genommen. Die Klimakrise überdeckt in der öffentlichen Wahrnehmung bei weitem die Biodiversitätskrise. Dabei ereignet sich gerade das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier, bis zum Ende des Jahrhunderts könnte eine Million Arten ausgestorben sein. Eine existenzielle Situation, auch für uns Menschen.
Weil die Klimakrise einer der wichtigsten Treiber der Biodiversitätskrise ist, müssen beide noch sehr viel enger zusammen gedacht und bekämpft werden. Wie das gehen kann, ob die Delegierten das auf der Weltklimakonferenz in Glasgow auch verstanden haben, und was eine Erderwärmung um zwei Grad konkret für die Artenvielfalt und Ökosysteme bedeuten würde, sagt Viviane Raddatz vom WWF in dieser Gradmesser-Folge.
Außerdem tritt die Klimachefin der Umweltschutzorganisation dem Eindruck entgegen, der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland würde in ernsthaftem Konflikt mit dem Naturschutz stehen. „Die Fläche dafür ist in allen Bundesländern vorhanden“, sagt Raddatz, „was fehlt, ist eine gute Planung“. Der größte Fehler auch aus Sicht des Naturschutzes wäre es jetzt, den Ausbau der Erneuerbaren nicht massiv voranzutreiben.
Außerdem in dieser Folge: Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie und Klima beurteilt das deutsche Verhalten auf der Weltklimakonferenz. Dort ist Deutschland beim Thema fossile Energien und im Verkehrsbereich eher zurückhalten aufgetreten, einem Bündnis zum Ende des Verbrennermotors ist man dann lieber gar nicht beigetreten. Das liegt, weiß Susanne Ehlerding, nicht nur am Noch-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), sondern auch am potenziellen neuen Regierungsmitglied FDP.
Jakob Schlandt, ebenfalls vom Tagesspiegel Background Energie und Klima klärt zum Schluss darüber auf, weshalb die hohen Energiepreise nichts mit dem CO2-Preis zu tun haben - und warum ein perspektivisch steigender CO2-Preis anders als hohe Weltmarktpreise sehr viele Vorteile hat.
Fragen, Kritik, Anregungen und Themenvorschläge könnt Ihr gerne an gradmesser@tagesspiegel.de schicken, wir freuen uns darüber!

Nov 4, 2021 • 30min
Kernkraft für mehr Klimaschutz?
Wette auf die Zukunft: EU-Staaten wollen mit Atomkraft ihre CO2-Bilanz verbessern. Deutschland bleibt beim Ausstieg. Im Gradmesser: Was das für das Klima heißt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will die „Atomkraft neu erfinden“, in Deutschland gehen Ende kommenden Jahres die letzten drei der aktuell noch sechs laufenden Kernkraftwerke vom Netz. Atomenergie spaltet im wahrsten Sinne des Wortes, das zeigt sich auch aktuell in der Europäischen Union.
Denn während Länder wie zum Beispiel Deutschland, Spanien oder Österreich einen klaren Anti-Atomkurs fahren, sehen Frankreich und osteuropäische Länder Kernenergie als Möglichkeit, CO2-Emissionen bei der Stromgewinnung zu senken und die EU-Klimaschutzziele leichter zu erreichen. Auf die Frage der Endlagerung des radioaktiven, zehntausende Jahre strahlenden Mülls aus den Kraftwerken haben aber auch diese Staaten bisher keine Antwort gefunden.
Ob die Atomkraft in Europa tatsächlich eine Renaissance erlebt, was dabei die aktuell nicht nur von Emmanuele Macron sondern auch von Microsoft-Gründer Bill Gates gehypten Mini-Reaktoren für eine Rolle spielen, und was das alles für den Klimaschutz bedeutet, darum geht es in dieser Gradmesser-Folge.
Der Energieökonom Andreas Löschel leitet unter anderem die Expertenkommission „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung und ist Leitautor des Weltklimarates. Er geht davon aus, dass Deutschland das Ziel Klimaneutralität im Jahr 2045 „auch ohne Kernenergie“ erreichen kann.
Allerdings müsse jetzt nicht nur massiv der Ausbau der Erneuerbaren Energien verstärkt werden. Für eine Übergangszeit braucht es nach Einschätzung des Professors für Umwelt und Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit beispielsweise auch Gaskraftwerke, um eine Energielücke durch den Kohleausstieg voraussichtlich 2030 zu vermeiden.
Debatten darüber, den Atomausstieg in Deutschland nach hinten zu verschieben, hält er dagegen für schädlich. Die Industrie hat sich nicht nur seit Jahren darauf eingestellt und entsprechend geplant, so dass die Kraftwerke nur noch vom Staat weiter betrieben werden könnten. Löschel weist auch auf einen anderen Punkt hin: Gerade im Blick auf die notwendigen neuen Investitionen in Erneuerbare Energien muss die Industrie auf die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen vertrauen können.
Obwohl Atomkraft inzwischen sehr viel teurer ist als die Erneuerbaren Energien, geht Löschel davon aus, dass Kernenergie in manchen EU-Staaten weiter eine Rolle spielen wird, nicht unbedingt aus ökonomischen Gründen, aber „aus gesellschaftlichen oder politischen“. Der Fokus bei der europäischen Energiewende aber werde „überall auf den Erneuerbaren“ liegen. Ob die Mini-Reaktoren, an denen derzeit in vielen Ländern geforscht wird, dabei eine Rolle spielen können, bewertet er zurückhaltend und erwartet deren Einsatz nicht vor Mitte der 30er Jahre.
Außerdem geht es im Podcast um die Weltklimakonferenz, die noch bis zum 12. November im Glasgow stattfindet. Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie und Klima ist in Schottland mit dabei, ihr Fazit nach einer Woche: Eine richtig schlechte Nachricht, und viele kleinere Gute.
Wenn Ihr einen Themenvorschlag für den Gradmesser habt, oder eine Frage loswerden wollt, dann schreibt uns gerne an gradmesser@tagesspiegel.de.

Oct 28, 2021 • 28min
Wasserstoff - Klimahoffnung oder viel heißer Dampf
Die Industrie setzt bei Klimaneutralität voll auf Wasserstoff, von Grünen bis CDU wird das Gas gefeiert. Aber die schöne neue Wasserstoffwelt ist kompliziert.
Seit einiger Zeit wird er als Wundermittel im Kampf gegen die Klimakrise gehypt: grüner Wasserstoff. Im Bundestagswahlkampf waren sich da von CDU bis Grüne alle einig, und gerade erst bei „Anne Will“ hat der voraussichtlich nächste Kanzler Olaf Scholz (SPD) den steigenden Bedarf an Wasserstoff betont. Denn die deutsche Industrie setzt auf das extrem leichte Gas, um auf diesem Weg Klimaneutralität zu erreichen.
Das Problem dabei: Wasserstoff ist zwar in der Anwendung zum Beispiel in der Brennstoffzelle äußerst klimafreundlich, als Abfallprodukt entsteht statt Kohlenstoffdioxid oder Methan vor allem Wasserdampf oder Wasser. Zur Gewinnung des Hoffnungsträgers beim Klimaschutz braucht es aber sehr viel Energie. Aktuell wird der allergrößte Teil des Wasserstoffes, den die deutsche Wirtschaft bereits einsetzt, mittels Erdgases gewonnen. Bei der Produktion einer Tonne solchen grauen Wasserstoffs treten zehn Tonnen CO2 in die Atmosphäre aus – er ist also höchst klimaschädlich.
Entsprechend der Herstellungsart gibt es nun grauen, blauen, türkisen, sogar pinken Wasserstoff, der einzige wirklich klimafreundliche Wasserstoff aber, der tatsächlich hilft, die Klimakrise in den Griff zu bekommen, ist der grüne Wasserstoff. Er wird in einem Elektrolyse-Verfahren mit Hilfe von Strom aus Erneuerbaren Energien gewonnen. Doch die Mengen an Ökostrom, die für den künftigen Bedarf an Wasserstoff notwendig sind, müssen auch erst einmal produziert werden – was den viel zu langsamen Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland wieder mit ins Spiel bringt.
In dieser Gradmesser-Folge erklärt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Mitinitiator der Scientists for Future, warum beim Thema Wasserstoff echte Chancen liegen, aber die schöne neue Wasserstoffwelt trotzdem noch nicht direkt vor unserer Tür steht, und was es braucht, um dort aber vielleicht doch noch anzukommen.
Außerdem schauen wir im Podcast auf die Weltklimakonferenz, die vom 31.10. an in Glasgow stattfindet. Im vergangenen Jahr die sogenannte COP26 wegen Corona ausgefallen, jetzt findet sie wieder statt, und zwar vom 31. Oktober bis 12. November in Glasgow. Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie und Klima weiß, was in Schottland besonders wichtig wird und was ein echter Erfolg der Konferenz wäre.
Wir freuen uns über Fragen, Anregungen und Kritik! Schreibt gerne an gradmesser@tagesspiegel.de.

Oct 7, 2021 • 23min
„Klimaschutz ist längst aus der linken Ecke raus“
Warum Städte so wichtig für das Klima sind, wie Berlin Klimaschutz von unten probiert – und ein 1,5-Grad-Gesetzespaket von GermanZero.
Klimaschutz kann nicht rein über Gesetze funktionieren, davon sind die Macher von GermanZero überzeugt. Druck, der von unten kommt, treibt die Politik an, aber „er entlastet sie auch“, sagt Julian Zuber. Denn dann ist klar: Der schwierige Umbau, den die Klimakrise zweifelsfrei benötigt, wird von Wählern und Wählerinnen gewollt und mitgetragen.
Zuber ist Geschäftsführer von GermanZero, die Nicht-Regierungsorganisation unterstützt in Deutschland inzwischen rund 60 Klimaentscheide. In dieser Gradmesser-Folge spricht er darüber, warum „Klimaschutz schon längst raus aus der linken Ecke ist“ und die Wirtschaft seiner Meinung nach weiter als die Politik.
Falls der neuen Bundesregierung die Ideen ausgehen sollten, bereitet GermanZero außerdem ein 1,5-Grad-Gesetzespaket vor, das Deutschland schon im Jahr 2035 Klimaneutralität ermöglichen soll. Dafür steht GermanZero auch „im Kontakt mit Spitzenpolitiker:innen aus allen Parteien, die die Möglichkeit haben, eine Regierung zu bilden“, sagt Zuber.
Städte spielen in der Klimakrise eine wichtige Rolle, und in Berlin hat gerade die Initiative „Klimaneustart“ – unterstützt von GermanZero – rund 40.000 Stimmen für einen Volksentscheid zu Klimaneutralität in der Hauptstadt bis zum Jahr 2030 sammeln können. Warum sie als Vertrauensperson den Volksentscheid unterstützt, auch wenn das Ziel sehr ambitioniert ist, sagt Cornelia Auer, Wissenschaftlerin am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Außerdem spricht sie über ihre Erfahrung mit Menschen, die Klimaschutz eher verhalten gegenüberstehen, und was ihr dabei tatsächlich Hoffnung macht.
Auch die EU erkennt den entscheidenden Einfluss der Städte beim Klimaschutz an und startet jetzt das Förderprogramm „100 Klimaneutrale Städte bis 2030“. Warum andere Länder da schon schneller sind als Deutschland, und wer sich bewerben kann, das sagt Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie und Klima.
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Sep 30, 2021 • 27min
Klimaschutz trotz Kohlekraft – wie soll das gehen?
China meint es ernst im Kampf gegen die Klimakrise. Heute liefert noch Kohle die Energie, aber künftig sollen andere Technologien viel Geld bringen.
Ohne Energiewende in China wird es mühsam mit globalem Klimaschutz: Rund ein Viertel der aktuellen CO2-Emissionen entstehen in dem Land, seinen gewaltigen Energiebedarf decken noch zu etwa 57 Prozent Kohlekraftwerke. Aber, sagt Nis Grünberg vom Mercator Institute for China Studies (Merics), China meint es trotzdem ernst mit dem Kampf gegen die Klimakrise.
Dabei setzt Peking sowohl auf den massiven Ausbau Erneuerbarer Energien als auch auf die Weiterentwicklung grüner Technologien, erklärt Grünberg in dieser Gradmesser-Folge. Denn klar ist: Mit E-Mobilität und grünem Wasserstoff wird künftig viel Geld zu verdienen sein. China werde „in gewissen Bereichen sogar eine Art von Führungsrolle übernehmen“, vermutet Grünberg.
Aktuell allerdings bringen Engpässe bei der Kohleversorgung und Stromausfälle Unternehmen sowie Bürger zunehmend in die Bredouille. Auch die Schwerindustrie leidet unter den Stromausfällen. Bei dem Energie-Engpass spielen neben den knappen Kohlevorräten auch strengere Emissionsnormen eine Rolle. Das hat zu weitreichenden Drosselungen des Stromverbrauchs geführt, während die Nachfrage nach Energie steigt. Manche Fabriken mussten wegen Stromknappheit und staatlichen Auflagen zur Einhaltung der Emissionsziele bereits vorerst dichtmachen.
Warum die Zentralregierung trotzdem aktuell auch noch auf Kohle setzt, welche neuen Ziele beim Klimaschutz zu erwarten sind, ob Chinas Energiewende angesichts steigender Preise von Kohle und Gas möglicherweise schneller kommt als erwartet, auch darum geht es im Podcast.
Im Blick auf die Bundestagswahl analysiert Jakob Schlandt, ob und wie sich Gründe und FDP auf wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen einigen können. Und der Leiter des Tagesspiegels Background Energie und Klima erklärt, warum die deutsche Wirtschaft schon deutlich weiter ist als die Politik, was die Energiewende betrifft.
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Sep 23, 2021 • 27min
„Ohne Druck auf der Straße keine 1-5-Grad-Politik“
Fridays for Future hat die Politik schon einmal zum Klimaschutz getrieben. „Jetzt liegt es wieder in unseren Händen“, sagt Sprecherin Pauline Brünger.
Dass der Klimaschutz bei der Bundestagswahl eine so wichtige Rolle spielt, dass keine Partei es sich mehr leisten kann, Klimaschutz als „optional“ zu behandeln, das ist das Verdienst von Fridays for Future. Davon ist zum Beispiel Hans-Otto Pörtner überzeugt. Der Professor für Meeresbiologie am Alfred-Wegener-Institut ist Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des IPCC, des Weltklimarates und nennt die Bedeutung der FFF-Bewegung für den Klimaschutz „enorm wichtig“.
Erst vor drei Jahren begann in Stockholm die damals 15-jährige Greta Thunberg ihren ersten, eigenen Schulstreik für das Klima. Daraus entstand in atemberaubender Geschwindigkeit eine weltweite Jugendbewegung. Am 19 September 2019 nahmen allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen am internationalen Klimastreik teil. Für den Freitag vor der Bundestagswahl am 26.9.2021 organisierten Fridays for Future wieder einen Klimastreik, Greta Thunberg ist in Berlin, fast 500 Streiks sind in ganz Deutschland angemeldet und FFF-Sprecherin Pauline Brünger sagt: „Das ist so ein Momentum, das kann man nicht erzwingen.“
Was die Bundestagswahl und das Wahlergebnis angeht, ist Brünger sicher: „Ohne Druck auf der Straße wird es auch unter einer neuen Regierung keine gerechte 1,5-Grad-Politik geben.“ Deshalb kündigt sie im Podcast an: „Wir werden wieder große Proteste organisieren.“ Denn um die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, müssen die Parteien „weit über das hinauswachsen, was sie sich aktuell vornehmen“. „Es liegt jetzt wieder in unseren Händen“, resümiert Brünger. Außerdem spricht sie über eigene Ängste und Wut, über unwissende Politiker:innen und darüber, wie der Protest im Hambacher Forst sie geprägt hat.
Ebenfalls im Podcast: Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie & Klima erklärt, warum die Staaten jetzt für die Weltklimakonferenz neue Pläne zur Treibhausgasreduktion melden müssen - und welche Rolle China dabei spielt.
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Sep 18, 2021 • 30min
So krank macht uns die Klimakrise
Tödliche Hitze, aggressivere Pollen, neue Viren - der Klimawandel wird zur Gesundheitskrise. Doch statt Prävention spielt Deutschland Verantwortungs-Pingpong.
Hitze ist tödlich. Allein im vergangenen Jahr sind in Deutschland 4000 Menschen daran gestorben. Die Klimakrise lässt die Temperaturen auch hierzulande immer öfter tagelang auf über 30 Grad steigen, und die Wärme der „tropischen Nächte“ bringt dann nachts keine Erholung. Es trifft besonders die Älteren, die Geschwächten und die ganz Jungen. Aber auch komplett gesunde Menschen leiden unter solchen Bedingungen und geraten rasch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
In der Klimakrise verstärken sich zudem Allergien, weil Pollen früher zu fliegen beginnen, Atemwegserkrankungen häufen sich. Insekten werden hier heimisch, die Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber, Zika oder das West-Nil-Fieber verbreiten. Und wie tödlich von Starkregen ausgelöste Flutkatastrophen sein können, hat die Tragödie im Juli gerade erst gezeigt. Trotzdem wird hierzulande noch viel zu wenig auf die Klimakrise als akutes Gesundheitsrisiko reagiert – geschweige denn genug im Kampf gegen die Klimakrise getan.
Wie es um unsere Gesundheit steht, was uns jetzt kränker macht als früher – und was deshalb dringend unternommen werden muss, darum geht es in dieser Podcast-Folge. Professor Claudia Traidl-Hoffmann und Autorin Katja Trippel haben zu genau dieser Frage ein gemeinsames Buch geschrieben. In „Überhitzt“ geht es neben der Hitze um die vielen anderen Folgen des Klimawandels, die allesamt ausgesprochen ungesund für uns sind.
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Sep 9, 2021 • 26min
Unterschätzen die Parteien die Deutschen?
Klimaschutz bedeutet Veränderung – und Menschen sind dazu bereit. Was es dafür braucht, zeigt der Bürgerrat Klima.
Union, FDP und auch SPD versuchen im Wahlkampf die Klimakrise eher durch Beschwichtigung in den Griff zu kriegen, und auch die Grünen sind nach leidvollen Erfahrungen sehr zurückhaltend, was anstehende Veränderungen betrifft. Dabei zeigt das Gutachten des Bürgerrates Klima, dass die Menschen sich auf Veränderungen einlassen würden. Mit einer wichtigen Voraussetzung: Sie müssen gut informiert werden und sich gehört fühlen.
Mareike Menneckemeyer war eine der 160 Bürgerrätinnen und Bürgerräte, die in zahlreichen Sitzungen von April bis Juni Empfehlungen zum Klimaschutz für die Politik ausgearbeitet haben. Im Podcast spricht die 37-jährige Mutter über kontroverse Debatten, was die Diskutanten zusammengebracht hat und was das für die gesellschaftliche Debatte allgemein bedeutet. Außerdem erzählt sie von erstaunlichen Treffen mit Parteipolitikern, ihren wichtigsten Empfehlungen an die Politik und was sich durch den Bürgerrat in ihrem eigenen Leben verändert hat.
Das Bürgergutachten enthält viele, weitreichende Empfehlungen, darunter ein Tempolimit auf Autobahnen, Landstraßen und in Städten, eine verpflichtende Klimaampel bei Nahrungsmitteln, den Kohleausstieg schon 2030, einen raschen Ausbau der Windenergie auf zwei Prozent der Landesfläche, den CO2-Preis als Steuerungsinstrument und ein Ende der Subventionen für den Autoverkehr. Die Bürgerräte haben über die einzelnen Empfehlungen jeweils abgestimmt, im Gutachten steht, mit wie vielen Stimmen sie jeweils angenommen wurden.
Ortwin Renn, Direktor des Instituts für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam und Vorsitzender des wissenschaftlichen Kuratoriums des Bürgerrates hält deshalb Klima auch für ein ideales Thema für einen Bürgerrat, erklärt er im Podcast. Unter anderem deshalb, weil sich zeige, „zu was für möglichen Einschränkungen Bürger auch bereit“ sind, wenn sie über die Konsequenzen ihres Handelns Bescheid wissen.
Bürgerräte und Organisatoren hoffen nun, dass ihre Empfehlungen in den kommenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen werden. Gleiches gilt für die Empfehlung der Thinktanks Agora Energiewende, Stiftung Klimaneutralität und Agora Verkehrswende. Weil Deutschland seine eigenen Ziele beim Reduzieren von Treibhausgasemissionen dramatisch verfehlt, haben sie für die neue Regierung ein 100-Tage-Klimaschutz-Sofortprogramm entwickelt. Vieles darin deckt sich mit Vorschlägen des Bürgerrates. Susanne Ehlerding vom Tagesspiegel Background Energie und Klima weist im Podcast auch auf einen besonders interessanten Punkt für die Industrie hin und ordnet ein, wie Grüne, SPD und CDU dazu stehen.
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