Reinhard Bütikofer, deutscher Politiker und China-Experte im Europäischen Parlament, spricht über die Dringlichkeit einer neuen Wirtschaftspolitik Deutschlands gegenüber China. Er erläutert, wie deutsche Unternehmen, insbesondere in der Automobilbranche, stark von China abhängig sind. Bütikofer beleuchtet die Risiken dieser Abhängigkeit und diskutiert die geopolitischen Herausforderungen, die Chinas aggressive Handelspolitik und die Belt and Road Initiative mit sich bringen. Er plädiert für eine strategische Distanzierung sowie eine gemeinsame europäische China-Politik.
Die strategische Abhängigkeit Deutschlands von China erfordert dringend neue Konzepte zur Risikominderung über Diversifikation und alternative Märkte.
Die geopolitischen Spannungen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie zwingen Unternehmen, ihre Strategien hinsichtlich Innovation und Anpassung zu überdenken.
Politische Entscheidungsträger müssen Rahmenbedingungen schaffen, die eine Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen zu China unterstützen, ohne bestehende Handelskontakte zu gefährden.
Deep dives
Interesse an China als Wirtschaftspartner
China hat sich seit den 2000er Jahren zu einem entscheidenden Akteur für die deutsche Wirtschaft entwickelt, insbesondere dank tiefgreifender Wirtschaftsbeziehungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen. Historisch betrachtet wurden diese Handelskontakte initiiert, als China seine Märkte für westliche Investitionen öffnete, was insbesondere die deutsche Exportindustrie, wie die Automobil- und Maschinenbauindustrie, gefördert hat. Ein Beispiel hierfür ist die enge Zusammenarbeit zwischen deutschen Ingenieuren und chinesischen Unternehmen, die oft zu gemeinsamen Projekten geführt hat. Diese Entwicklungen haben jedoch auch zu einer strategischen Abhängigkeit Deutschlands von chinesischen Produkten und Rohstoffen geführt, die immer mehr in den Fokus der Politik rücken.
Veränderungen in den Wirtschaftsbeziehungen
In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis zwischen Deutschland und China gewandelt, und die Abhängigkeit von China wird zunehmend kritisch hinterfragt. Dieser Wandel ist teils auf geopolitische Spannungen zurückzuführen, wie die COVID-19-Pandemie, die die globalen Lieferketten stark belastete und die deutsche Wirtschaft erpressbar erscheinen ließ. Die Diskussion über 'Decoupling' oder 'De-Risking' hat an Bedeutung gewonnen, da die Bundesregierung erwägt, wie sie wirtschaftliche Beziehungen diversifizieren und Risiken minimieren kann. Politische Entscheidungsträger erkennen die Notwendigkeit, sich von einer übermäßigen Abhängigkeit zu lösen und neue Strategien zu entwickeln, um die Stabilität und Sicherheit der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten.
Aktuelle Herausforderungen für die deutsche Automobilindustrie
Die deutsche Automobilindustrie steht heute vor enormen Herausforderungen, da chinesische Hersteller im Bereich der Elektromobilität stark aufholen und zunehmend Marktanteile gewinnen. Obwohl Volkswagen nach wie vor eine bedeutende Präsenz in China hat, zeigt sich, dass andere Marken, insbesondere BYD, im Elektroautomarkt überlegen sind und schneller wachsen. Diese Konkurrenz hat die deutschen Hersteller dazu gezwungen, ihre Strategien zu überdenken und sich intensiver auf Innovation und Anpassung zu konzentrieren. Angesichts eines Marktanteils von nur 3,6 Prozent bei Elektroautos im Jahr 2022 wird deutlich, dass die deutschen Unternehmen dringend Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Position in China zu behaupten.
Risikominimierung und Diversifizierung
Die Diskussion um Risikominderung in den Wirtschaftsbeziehungen zu China hat an Dringlichkeit gewonnen, da Unternehmen erkennen, dass eine zu starke Abhängigkeit problematische Auswirkungen haben kann. Strategien wie Diversifikation und der Aufbau von Lieferketten in anderen Regionen werden als notwendig erachtet, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und einen möglichen wirtschaftlichen Druck seitens Chinas zu vermeiden. Zudem ist es entscheidend, alternative Märkte zu identifizieren, um deutsche Unternehmen widerstandsfähiger gegen globale Risiken zu machen. Auch die deutsche Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine solche Diversifizierung unterstützen, ohne die bestehenden Handelsbeziehungen zu gefährden.
Zukunftsausblick und strategische Überlegungen
Der Ausblick auf die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China bleibt unsicher, da die geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich weiterhin ändern können. Während einige Unternehmen bereits diversifizieren und alternative Märkte suchen, bleibt die Frage, wie schnell und gründlich dieser Prozess vorankommt. Die Herausforderungen, mit denen die deutsche Automobilindustrie konfrontiert ist, könnten zu einer langfristigen Neuausrichtung führen, die eine weniger invasive, aber strategischere Beziehung zu China notwendig macht. Es ist wichtig, dass politische und wirtschaftliche Akteure gemeinsam eine perspektivische Strategie entwickeln, die sowohl die Chancen als auch die Risiken dieser Beziehungen berücksichtigt.
Deutschland will sich wirtschaftlich weniger abhängig von China machen. Nur wie? Der China-Experte Reinhard Bütokofer schlägt einen eigenen Weg für Europa vor.
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Aus keinem anderen Land importieren wir so viele Waren wie aus der Volksrepublik. Viele deutsche Unternehmen verdanken ihren globalen Erfolg dem chinesischen Markt.
Jetzt hat sich das Verhältnis zwischen Deutschland und China verdüstert. Firmen klagen über Chinas unfaire Handelspolitik, ein chinesischer Angriff auf Taiwan erscheint nicht mehr ausgeschlossen. Außenministerin Annalena Baerbock und andere führende Politiker fordern deshalb eine andere Wirtschaftspolitik gegenüber China.
Aber kann sich die deutsche Wirtschaft das überhaupt leisten – oder schadet sie sich dadurch nur selbst? Immerhin sind die Unternehmen in vielen Bereichen von China abhängig. Allein die deutschen Autohersteller verkaufen 30 bis 40 Prozent ihrer Fahrzeuge in China. Seltene Erden und andere Rohstoffe, die in Batterien oder Computern verbaut sind, werden zu großen Teilen in China produziert.
Darum geht es in der neuen Folge von "Ist das eine Blase?", dem Wirtschaftspodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE, moderiert in dieser Woche von Ann-Kathrin Nezik und Zacharias Zacharakis.
Zu Gast ist der Grünen-Politiker und China-Experte Reinhard Bütikofer. Im Podcast erzählt Bütikofer, wie ein Zufallsbesuch in einem Buchladen sein Interesse an China weckte, warum er aktuell nicht mehr ins Land reisen darf und was er sich von der neuen Chinastrategie der Bundesregierung erhofft.
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